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Toter bei Benefizspiel SVD-SGE hat Nachspiel

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Aus dem Darmstädter Echo:

Strafanzeige gegen Stadt und SV 98
Mutter des Opfers pocht auf „Verdacht der fahrlässigen Tötung“

Bei einem Freundschaftsspiel zwischen dem SV Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt am 24. April des vergangenen Jahres kam es bei Ausschreitungen so genannter Fußballfans zu einem tragischen Zwischenfall: Ein sechsundzwanzig Jahre alter Mann stieg über einen Zaun in der Nordkurve des Stadions, stürzte sechs Meter in die Tiefe und verletzte sich tödlich.

Eineinhalb Jahre nach diesem tödlichen Sturz hat nun die Mutter des Opfers Strafanzeige gegen die Stadt Darmstadt als Stadioneigentümerin und gegen den SV Darmstadt 98 als Stadionbetreiber gestellt. Wegen des „Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen der Errichtung von vorgeschriebenen und erforderlichen Sicherheitseinrichtungen gegen Absturz“.

Das Ermittlungsverfahren sei „zu früh und an der falschen Stelle abgebrochen worden“, begründet Ingo-Endrick Lankau, Anwalt der Mutter, die Anzeige. Die Ermittlungen hätten sich nur auf die Frage von Fremdverschulden konzentriert – das ausgeschlossen wurde.

Sie hätten jedoch nicht berücksichtigt, „dass der Verstorbene nicht tödlich verletzt worden wäre, wenn die für die bauliche Sicherheit des Stadions Verantwortlichen in der Kurve die erforderlichen Sicherheitseinbauten errichtet hätten“, damit der „eher symbolisch angebrachte Zaun“ nicht überklettert oder übersprungen werden kann. Also, schlussfolgert Lankau, hätten Stadt und Verein „pflichtgemäß erforderliche Baumaßnahmen“ unterlassen.

Den Ermittlungsbehörden wirft Lankau vor, das Opfer einem „Milieu zuzuordnen, das aus einer Mischung aus Hooligans, Alkohol und Rauschgift bestand“ und er sich die Folgen des Sturzes „selbst zuzuschreiben“ hätte. Tatsächlich stand der Mann unter Alkoholeinfluss und hatte Haschisch geraucht.

Trotzdem sei nicht davon auszugehen, dass er sich deshalb in die Tiefe gestürzt habe, sagt Lankau. Er hat in der Ermittlungsakte gelesen, dass vor dem jungen Mann ein anderer über den rund 90 Zentimeter hohen Zaun gestiegen war, sicherheitshalber aber an einen anderthalb Meter entfernten Baumstamm sprang und an dem hinunterkletterte. Das Todesopfer sprang hinterher, weil es in der Dunkelheit die Fallhöhe nicht habe erkennen können.

Ohnehin werde durch Buschwerk hinter dem Zaun der Eindruck erweckt, das Gelände sei eben, sagt Lankau. Fotografien der Polizei machten deutlich, wie ein Ortsunkundiger „zu dieser Annahme verführt werden kann“. Das sei auch einem Ermittlungsbeamten aufgefallen.

Die Ermittlungsakte vermerkt, dass der Polizist mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt telefonisch Rücksprache gehalten habe, ob ein Strafverfahren gegen Stadt und Verein eingeleitet würde. Der Staatsanwalt habe dies jedoch verneint.

Während sich die Stadt als Eigentümerin des Stadions zu der Strafanzeige nicht äußern will, sagt Thomas Schmidt, Rechtsanwalt des SV 98, dass er sich erst mit dem Vorgang befassen will, wenn die Staatsanwaltschaft entschieden habe, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Staatsanwaltssprecher Ger Neuber bestätigt zwar den Eingang der Anzeige, sie sei jedoch noch nicht registriert und beim zuständigen Sachbearbeiter.

Anwalt Schmidt findet es „ein wenig merkwürdig“, dass der Presse die Anzeige vorliegt, bevor die Betroffenen sie zu Gesicht bekommen haben. „Das ist unangemessen“, sagt er, „es geht immerhin um den tragischen Unfalltod eines Menschen.“

Warum kommt die Strafanzeige erst jetzt, eineinhalb Jahre nach dem Ereignis? Weil zunächst ein anderer Anwalt damit befasst war. „Da ging es um Schadensersatz“, sagt Lankau, „aber das wollte die Mutter nicht, der Junge ist ja tot.“ Es sollen wirksame Sicherheitseinrichtungen errichtet werden, um anderen jungen Menschen einen Sturz in den Tod zu ersparen.


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