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Fanhistorie LV - eine Hommage an meinen Vater

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Meine Fankarriere begann sozusagen mit meiner Zeugung.
1963 wird die Bundesliga geboren und ich werde 6 Jahre alt. Seit dieser Zeit gehe ich mit meinem Vater ins Waldstadion.

Von Kindesbeinen an höre ich die Geschichten von den Oberligazeiten der Eintracht. Mein Vater kam 1947 nach Frankfurt kam und wurde sofort Eintrachtfan. In der Kriegsgefangenschaft hatte er einen späteren Eintrachtstürmer kennegelernt, der allerdings bei den Fans wegen seines mangelnden Kampfgeistes äußerst unbeliebt war. Mein Vater erzählte, wie er manchmal nach den Spielen ohne Essensmarken in einer Kneipe in Niederrad zusammen mit der Mannschaft essen konnte - vor der Währungsreform für einen armen Studenten eine Supersache.
Er erzählte vom alten Rossegerplatz, auf dem ich später selber häufig gekickt habe - übrigens auch Andys M. und Manny B. unter einem schwarzen Abt, aber das ist eine andere Geschichte.
Ich habe unendlich oft die Geschichten von 1959 und 1960 gehört, von den Derbys gegen den FSV, vom Flutlichtmeier, vom Torwart, der noch seine Mütze holen wollte und mit dem Ball unterm Arm ins Tor lief und besonders meine Mutter schwärmte von Istvan Sztany.
Einige Anekdoten wurden besonders häufig erzählt: einmal fuhren meine Eltern mit einem befreundeten Ehepaar, er natürlich auch Eintracht Fan auf einen Sonntagsausflug in den Odenwald. Wie üblich die Frauen quatschend auf dem Rücksitz der Isabella. Als sie vor lauter Quatschen mal wieder dazu kamen, aus dem Fenster zu schauen, befand man sich nicht auf dem erwarteten  Waldparkplatz im Odenwald, sondern auf dem Parkplatz des Wildparkstadions.
Eine andere Geschichte dreht sich um die kirchliche Hochzeit meines Patenonkels, der 1959 ausgerechnet während des Endspiels heiraten musste. Es gab wohl zwischen meinen Eltern gewaltigen Krach über die Frage, ob man im Vorraum der Kirche eine Radio deponieren könnte.
Eine dritte Geschichte bezieht sich auf ein Freundschaftsspiel gegen den FC Santos mit Pele im Waldstadion. Das Spiel hatte schon angefangen und in seiner Aufregung rannte mein gehbehinderter Vater verkehrt herum einmal ums Stadion, um am Ausgangspunkt den richtigen Block zu finden. - meine lachende Mutter hinterher.
Meine ersten prägenden Eintracht-Erinnerungen sind ein Freundschaftsspiel gegen Kaiserslautern irgendwo in der Walachei, wo ich auf dem Boden direkt neben der Eckfahne das Spiel sah und das verlorene Pokalendspiel gegen München 60 bei einer unglaublich Hitze in Stuttgart 1964.
Samstags fuhren wir immer mit der Straßenbahn zum Stadion. Das war jahr(zehnte)lang das Gemeinschaftserlebnis zwischen dem viel beschäftigtem Vater und seinem Sohn. Wir saßen immer unter den Lederhüten auf der Vortribüne und ich habe bis zum Alter von ca. 12 Jahren nie Eintritt zahlen müssen und mich irgendwie auf die Bank gequetscht. Ein Trikot hatte ich nicht, aber immer eine Fahne dabei.  Zu trinken gab es im Winter eine Zeitlang Florida heiß und gegessen habe ich meistens einen Hardekuche vom Brezelbub. Vor dem Spiel gingen wir manches Mal in die Drogerie vom Richard Kreß in den Oederweg und diskutierten über das Spiel am Nachmittag. Nach dem Spiel zum Ärger meiner Mutter natürlich die Sportschau und danach der Lokalsport. Samstag war ein Fußballritual. Bei Auswärtsspielen haben wir immer gemeinsam vor dem Radio gesessen. Damals begannen die Übertragungen aber erst in der 2. Halbzeit und zwischen den Liveeinblendungen gab es unsägliche Unterhaltungsmusik. Fast so eine Folter wie heute am Ticker zu sitzen.  
Nur ein einziges Mal wäre ich meinem Vater und der Eintracht beinahe untreu geworden und überlegte noch an der Trambahnhaltestelle, ob ich lieber bei einem Freund Monopoly spielen wollte. Obwohl das 40 Jahre her ist, sehe ich heute noch das enttäuschte Gesicht meines Vaters vor mir.
Als Jugendlicher bin ich zwar immer noch mit meinem Vater zu Stadion gefahren, aber dort haben uns die Wege getrennt - er auf der Vortribüne ich im G Block und später auf der anderen Seite im F-Block. Sitzplatz war für mich völlig uncool, obwohl mein Vater mir den natürlich bezahlt hätte. Die Eintrittskarten holten wir uns immer erst im Stadion, gegen Bayern im Vorverkauf auf der Geschäftsstelle der Turnabteilung in der Leimenrode. Meistens verkaufte sie ein sehr autoritärer Kriegsversehrter.  Ich glaube, der Mann hieß Heilig.
Ca. zweimal im Jahr sind wir auch auswärts mitgefahren - meist nach Kaiserslautern, Köln, Mönchengladbach und nach Nürnberg. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 3:3 in Köln: mein Vater auf der Tribüne und ich stand zusammen mit einem Freund still im Kölner Block. Die Kölner sangen dabei:. "Schwarzweiß und schwarzweißrot, das sind die Fans, die schlagen wir tot." Nachher wurde bekannt, dass ein Eintrachtfan bei einer Auseinandesetzung ein Auge verloren hatte. Seitdem fahre ich nicht mehr gerne nach Köln.
Natürlich waren wir auch zusammen auf den Pokalendspielen in Düsseldorf, Hannover und Stuttgart. Nur nach Offenbach brachten meinen Vater keine 10 Pferde.
Wie in anderen Threads schon beschrieben war mein Vater wie die ganze Kriegsgeneration ein eher stiller Genießer und Leider im Stadion.

Auch als ich erwachsen war, bin ich, immer wenn es zeitlich möglich war, mit meinem Vater zur Eintracht, haben aber seit ca. 1980 auf mein Drängen auf der Gegengerade gesessen. Da gab es nicht so viele Meckerer wie auf der Vortribüne.  
Seit einigen Jahren schaut mein Vater die Eintracht bei Premiere, da er nicht mehr ins Stadion kann. Alleine die Drängelei beim Eingang ist für ältere Menschen unerträglich. Bei Auswärtsspielen in Duisburg und Bochum waren wir noch gemeinsam - dort ist das Parken und das Hineinkommen sehr viel relaxter.  
Das Bayernspiel haben wir gemeinsam auf Arena geschaut - leider ist mein Vater schwer erkrankt und kriegt vom Spiel fast nichts mehr mit. Aber über den Sieg hat er sich doch gefreut: davon gehe ich mal aus.

Das schöne an der Geschichte: das Eintrachtgen hat sich auch auf 4 Enkel übertragen, die fernab der Heimat die Eintrachtfahne hochhalten.  
   
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Mann oh Mann, hier überschlagen sich ja die Ereignisse, eine Geschichte schöner als die nächste, man weiß gar nicht mehr wie man das alles noch lesen soll.

Ich danke jedem der sich die Mühe macht und seine Eintracht-vita hier erzählt. Alle Geschichten ähneln sich auf die ein oder andere Weise, sind aber trotzdem einmalig.        

Weiter so........
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Herzlichen Dank.  
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..einfach nur Klasse.
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Sehr schön!!!
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@Wahrer Bembel
Wunderbar, für mich eine der schönsten Fanhistorien der letzten Tage.
Wahrer Bembel schrieb:
....Eine dritte Geschichte bezieht sich auf ein Freundschaftsspiel gegen den FC Santos mit Pele im Waldstadion. ..
..Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 3:3 in Köln..

Neugierig wie ich bin, habe ich noch zwei Fragen:
Weisst du noch, ob es das Freundschaftsspiel gegen den FC Santos im Juni ´60 oder `63 war?
http://www.eintracht-archiv.de/1959/1960-06-14st.html
http://www.eintracht-archiv.de/1962/1963-06-05st.html
Und: War es dieses 3:3?
http://www.eintracht-archiv.de/1975/1975-11-15st.html
Das wäre dann die "Einweihung" des Müngersdorfer Stadions gewesen.
Ich habe mich damals am Radio so sehr über den verschenkten Sieg geärgert...

Einträchtliche Grüße,
Kid
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Die ganzen tollen Geschichten! Spannend wie ein Buch!!

Wir sind fast ein Jahrgang . Enkel habe ich noch keine , mein 21 Jähriger Sohn hat mir zumindest noch nichts entsprechendes berichtet.

Mein vater ist nur ganz selten mit mir zur Eintracht.Als ganz kleiner Kerl wußte ich gar nicht was Fußball ist. Mit anderen Kleinkindern haben wir vor lauter Langeweile die Verschlüße der Bier und Cola-Flaschen zu großen  Haufen gesammelt .

Die Endspiele in Hannover, Düsseldorf und Stuttgart-insofern die Gemeinsamkeit-habe ich ich ebenfalls mit dem Vater besucht. Das sind unvergessene Erinnerunger für ein ganzes Leben!!

Rossegersportplatz!!!

Da gab es eine kleine Privatfehde unter Jugendlichen Ein damals ehemals guter Freund hatte sich mir mir zerstritten und ist zum BSC gewechselt und von da an im engsten Freundeskreis von " Bimbo" Gerster- schwarze Abt- verkehrt.

Bei den Spielen gegeneinander sind dann heftigst die Fetzen geflogen, wobei ich - nie ein Kind von Traurigkeit- dem Bimbo Gerster heftig und mit Freuden ordentlich " auf die Hölzer" gegeben habe. Fußballspielen konnte der net  


Hast Du auch in der Mannschaft von Gerster mitgespielt?? Vom Alter her, könnte dies hinkommen:
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ne, ich habe weder bei der Concordia noch beim BSC gespielt - in der Jugend mal 3 Jahre bei Victoria Preußen.
Da ich auf der Wöhlerschule war, hatten wir dort in der Oberstufe Sportunterricht.  
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Wir sind fast ein Jahrgang . Enkel habe ich noch keine , mein 21 Jähriger Sohn hat mir zumindest noch nichts entsprechendes berichtet.

Ne Enkel habe ich auch nicht - wird wohl hoffentlich auch noch einige Jahre Dauer, meine älteste ist erst 14!!
Habe ich mich wohl unklar ausgedrückt - ich meinte meine Kinder und die Kinder meiner Schwester, sprich die Enkel meines Vaters.
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KidKlappergass schrieb:
@Wahrer Bembel
Wunderbar, für mich eine der schönsten Fanhistorien der letzten Tage.
Wahrer Bembel schrieb:
....Eine dritte Geschichte bezieht sich auf ein Freundschaftsspiel gegen den FC Santos mit Pele im Waldstadion. ..
..Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 3:3 in Köln..

Neugierig wie ich bin, habe ich noch zwei Fragen:
Weisst du noch, ob es das Freundschaftsspiel gegen den FC Santos im Juni ´60 oder `63 war?
http://www.eintracht-archiv.de/1959/1960-06-14st.html
http://www.eintracht-archiv.de/1962/1963-06-05st.html
Und: War es dieses 3:3?
http://www.eintracht-archiv.de/1975/1975-11-15st.html
Das wäre dann die "Einweihung" des Müngersdorfer Stadions gewesen.
Ich habe mich damals am Radio so sehr über den verschenkten Sieg geärgert...

Einträchtliche Grüße,
Kid  


Also das Santos Spiel muss 1963 gewesen sein, da mein Vater erzählte, er habe das erste Tor von Pelé verpasst.
Ich wundere mich, dass das 3:3 die Einweihung des neuen Stadions gewesen sein soll. Wir haben nämlich noch regulär Karten am Kassenhäuschen bekommen, leider für den Kölner Block. Aber damals kamen ja eh weniger Zuschauer als heute.  
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KidKlappergass schrieb:
@Wahrer Bembel
Wunderbar, für mich eine der schönsten Fanhistorien der letzten Tage.
Wahrer Bembel schrieb:
....Eine dritte Geschichte bezieht sich auf ein Freundschaftsspiel gegen den FC Santos mit Pele im Waldstadion. ..
..Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 3:3 in Köln..

Neugierig wie ich bin, habe ich noch zwei Fragen:
Weisst du noch, ob es das Freundschaftsspiel gegen den FC Santos im Juni ´60 oder `63 war?
http://www.eintracht-archiv.de/1959/1960-06-14st.html
http://www.eintracht-archiv.de/1962/1963-06-05st.html
Und: War es dieses 3:3?
http://www.eintracht-archiv.de/1975/1975-11-15st.html
Das wäre dann die "Einweihung" des Müngersdorfer Stadions gewesen.
Ich habe mich damals am Radio so sehr über den verschenkten Sieg geärgert...

Einträchtliche Grüße,
Kid  


Also das Santos Spiel muss 1963 gewesen sein, da mein Vater erzählte, er habe das erste Tor von Pelé verpasst.
Ich wundere mich, dass das 3:3 die Einweihung des neuen Stadions gewesen sein soll. Wir haben nämlich noch regulär Karten am Kassenhäuschen bekommen, leider für den Kölner Block. Aber damals kamen ja eh weniger Zuschauer als heute.  
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Danke dich! Ich liebe diese ollen Kamelle. Seit jetzt 10 Tagen ist das Schlappekickerbuch meine Bibel geworden. Geschicht lesen, Bilder schauen und mmmh...

Mein original Schwarzkoppbembel von 1975 ist nur halb so wahr wie du!

Völligst (un)gereizte grüsse
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Wahrer Bembel schrieb:
ne, ich habe weder bei der Concordia noch beim BSC gespielt - in der Jugend mal 3 Jahre bei Victoria Preußen.
Da ich auf der Wöhlerschule war, hatten wir dort in der Oberstufe Sportunterricht.  


Na ja, da haben wir uns doch etwas im gleichen Umfeld bewegt : Bis 15 J. war ich auch bei Vikt. Preussen, dann noch 3 Jahre beim FSV Ffm, und anschl. in der 1. Mannschaft in Bad Vilbel.

Schade die Sache mit Deinem Vater .Die von Dir angedeutete Pflegebedürftigkeit ist für Deine ganze Familie bestimmt sehr belastend. Insbesondere insoweit die besten Wünsche!!!
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Wunderschön zu lesen - egal wie sehr uns vielleicht bald der triste Ligaalltag wieder hat - diese Geschichten und gerade deren Vielzahl lassen mich entspannt in die nächsten Tage gehen.  
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@
Wahrer Bembel
Wir sind dann wohl vom gleichen Jahrgang - 1957?

Endlich erinnert sich mal jemand an die heiße Florida boy im Winter.      
Auch ich bin ja mit Papi raus, nur war das für meine Begriffe viel zu selten.
Die erste Karte habe ich aus 66.
Habe ich aber alles schon hier geschrieben.

Ach ja - schön geschrieben!
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womeninblack schrieb:
@
Wahrer Bembel
Wir sind dann wohl vom gleichen Jahrgang - 1957?

Endlich erinnert sich mal jemand an die heiße Florida boy im Winter.      
Auch ich bin ja mit Papi raus, nur war das für meine Begriffe viel zu selten.
Die erste Karte habe ich aus 66.
Habe ich aber alles schon hier geschrieben.

Ach ja - schön geschrieben!


Na klar, die heiße Florida ist mir auch sofort in seinem Bericht wieder in Erinnerung gekommen.Die war gar net schlecht!! Damals......

Mensch, so schön die Berichte ja auch alle sind.Bei all dem jungen Gemüse hier im Forum, mer kommt sich schon ganz schee alt vor.............

Und so alt sind wir ja auch noch net mit unsere Fuffzisch

Na ja im Vergleich zu dene ganz Junge..............Unsere Generation hat immerhin alle 3 Episoden der Geschichte des Waldstadions miterlebt. Mehr habe die 80 Jährige auch net miterlebt........................Also sin mer doch schon langsam alt
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Wahrer Bembel schrieb:

Ich habe unendlich oft die Geschichten von 1959 und 1960 gehört, von den Derbys gegen den FSV, vom Flutlichtmeier, vom Torwart, der noch seine Mütze holen wollte und mit dem Ball unterm Arm ins Tor lief und besonders meine Mutter schwärmte von Istvan Sztany.
     



Also ich habe hier und in Bücher bereits einige Kuriositäten gelesen. Das Abwurfeigentor habe ich im Fernsehen als Wiederholung gesehen, aber diese Geschichte finde ich krass!
Klasse Beitrag!
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Was soll man schreiben. Einfach nur - super.

@WIB das mit der heissen Florida-Boy, dass kennen wir 'Alten' noch gut, die gabs bei uns auf'n "Kalten Markt" in Ortenberg.

@All  - wann war dass denn?
vom Torwart, der noch seine Mütze holen wollte und mit dem Ball unterm Arm ins Tor lief. Und hat das Tor gezaehlt?

Gruss aus Kapstadt

Ich sag nur, es wird einstellig
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Wahrer Bembel schrieb:
ne, ich habe weder bei der Concordia noch beim BSC gespielt - in der Jugend mal 3 Jahre bei Victoria Preußen.
Da ich auf der Wöhlerschule war, hatten wir dort in der Oberstufe Sportunterricht.  


Noch so einer (wo ist ak?)  Diese Schule scheint eine wahre Talentschmiede zu sein, was Eintracht-Fans angeht...  ,-)  

Super Bericht! Selbst wenn ich - wie ja bereits geschrieben - erst ca. 20 Jahre später Eintracht-Fan wurde, ist es immer wieder schön zu erfahren, wie es früher (und es war bestimmt nicht alles besser, aber anders) war - vielen Dank, Wahrer Bembel!
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Sag deinem Vater einen Gruß von mir:
Sohn und Vater eines Eintracht-Verrückten.
ER bekommt das mit - ganz sicher!

Schwabe


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