Schon die fünfte Stolpersteinverlegung für ehemalig Eintrachtler. Immer wieder bedrückend, immer wieder bewegend und immer wieder schön, dass die Menschen dem Vergessen entrissen werden.
Auf der Museums-Homepage gibt's einen kurzen Abriss über das Leben und das traurige Ende der beiden Eintrachtlerinnen:
Reichsfluchtsteuer Judenvermögensabgabe Keine besonders große Fortpflanzungsgefahr
Victor Klemperer, auf den man nicht genug hinweisen kann, hat die LTI (Lingua Tertii Imerii), die Sprache des 3. Reichs, entlarvt...
Es reisst mich immer wieder aufs Neue, wenn ich solche Biographien lese. Alice Ries war 29 Jahre jung, als sie ermordet wurde. Auf dieses Jahr fiele ihr 100. Geburtstag.
Ich danke herzlich all jenen, die die Geschichte von Bella und Alice Ries recherchiert und hier auf sehr bewegende Weise dargestellt haben und mit dem neuen Stolperstein den beiden Frauen ein Denkmal setzen. Möge es für immer ein Stein des Anstoßes bleiben.
Anbei noch mal einige Informationen zu Alice und Bella Ries. Die Stolpersteinenthüllung für Alice und Bella Ries findet am Samstag, den 22. Juni um 12.20 Uhr im Sandweg 14 statt. Wir freuen uns über zahlreiche Gäste!
Bella Ries, geb. Hirsch wurde 1873 in Frankfurt am Main geboren und war seit September 1897 mit dem Kaufmann Max Ries verheiratet. Das Ehepaar, das jüdischen Glaubens war, lebte im Sandweg 14, ein weiteres Haus besaßen sie in der Günthersburgallee. Max Ries war Inhaber der Lederfirma Max Ries in der Luisenstraße in Offenbach.
1898 kam Sohn Ludwig zur Welt, später folgte ein zweiter Sohn namens Felix. Am 08. Oktober 1913 wurde Alice Ries geboren. Während die Söhne nach der Schulausbildung in der Firma des Vaters mitarbeiteten und 1922 Teilhaber wurden, absolvierte Alice nach der Schule eine Ausbildung zur Sprachlehrerin. In ihrem Testament berücksichtigten die Eltern, dass die Söhne in die Firma aufgenommen wurden. So ließ der Vater 1923 vermerken: „Ludwig und Felix sind 1922 in mein Geschäft eingetreten, sie sind Teilhaber. Daraus erwächst ihnen eine gewisse Bevorzugung gegenüber meiner minderjährigen Tochter Alice und ich fühle mich als Vater verpflichtet, da ich nach Kräften meine Kinder an dem Nachlass in gleicher Weise beteiligt wissen will, diese Bevorzugung meiner Tochter Alice gegenüber wieder auszugleichen. .... Meine Tochter Alice erhält als Vorausvermächtnis das Hausgrundstück Günterhsburgallee.“
1928 wurde Alice Ries Mitglied der Eintracht. Otto Abel, der „Macher“ der Tennisabteilung, warb die junge Frau, die fortan am Riederwald Tennis spielte. Wie lange Alice Ries bei der Eintracht Mitglied blieb, ist nicht bekannt, auch ein Foto von ihr ist nicht erhalten geblieben.
1932 starb Max Ries, fortan führten die Söhne das Unternehmen in Offenbach. Doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten erschütterte die Familie gewaltig. Die Umsätze gingen zurück, 1937 wurde die Firma aufgelöst. Die Söhne emigrierten nach Amerika, während Mutter Bella Ries mit der Tochter Alice in Deutschland blieb, Alice lebte bis 1939 zeitweise auch in Mannheim. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte sie zahlreiche Schikanen, die sich gegen jüdische Mitbürger richteten, am eigenen Leib miterlebt. Am 1. April 1933 gab es den Boykott jüdischer Geschäfte, am 10. Mai 1933 die Bücherverbrennung. 1935 wurden die „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet, die die Ausgrenzung von Juden aus der deutschen Gesellschaft verschärften. Am 14. November 1935 wurde den Juden das Wahlrecht aberkannt. Ab 1938 mussten alle Juden den Zwangsvornahmen Israel und Sara führen, die Reisepässe wurden mit einem „J“ gekennzeichnet. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938, als im ganzen Reich die Synagogen brannten, Geschäfte zerstört und jüdische Mitbürger verschleppt und mißhandelt wurden, war der vorläufige Höhepunkt der nationalsozialistischen Verfolgung.
1938 sollte Bella Ries Sicherheiten in Form einer Reichsfluchtsteuer hinterlegen. Seit 1934 konnten die Devisenstellen der Finanzämter beim Verdacht der Ausreise eine Sicherheitsleistung in Höhe der geschätzten Reichsfluchtsteuer fordern. In einem Brief an das Finanzamt schrieb Bella Ries am 14. März 1938: „In der Reichsfluchtsteuersache bringe ich zur Kenntnis, dass ich im Alter von 65 Jahren stehe und keinerlei Absichten habe Deutschland zu verlassen. Mein Vermögen, das u.a. aus zwei rentablen Grundstücken besteht, liegt in Deutschland fest, und schon aus diesem Grunde heraus ist eine Verlagerung unmöglich. Ich übersende als Anlage meinen Reisepass der bis zum 24.Oktober 1938 Gültigkeit hat und bitte denselben zu den Akten zu nehmen. Ich glaube zur Genüge dokumentiert zu haben, daß eine Auswanderungsabsicht meinerseits nicht besteht, und ich erachte mich deshalb nicht für verpflichtet, die geforderte Sicherheit zu hinterlegen. Bella Ries.“ Noch 1938 wurde Bella Ries gezwungen, die Liegenschaft in der Günthersburgallee zu verkaufen, die einst als Erbe für Tochter Alice gedacht war. Nach zwangsweiser Entrichtung der „Judenvermögensabgabe“, Reichsfluchtsteuer und eines außerordentlichen Betrags an die jüdische Gemeinde blieben nicht mal mehr 40.000 RM als Ertrag. Auch das Haus im Sandweg musste sie verkaufen.
Ab dem 12. September 1939 durften Juden in Frankfurt nur noch in gesonderten Lebensmittelverkaufsstellen einkaufen, die Einkaufszeit wurde streng eingeschränkt und oft in die Arbeitszeit gelegt. Alice Ries wurde drei Tage nach dieser weiteren Schikane in die Landesheilanstalt Eichberg eingewiesen. In der Stellungnahme zur Aufnahme gab die Frankfurter Polizeistelle auf die Frage „Durch welche Tatsachen hat sich die Geistesstörung kund gegeben?" an: „Ist immer sehr erregt gewesen und hat alles verkehrt gemacht." Die Landesheilanstalt diagnostizierte bei Alice Ries „manisch depressives Irresein". Eine weitere Einschätzung der Krankheit von Alice Ries findet sich nicht, sie wird lediglich als „geisteskrank“ bezeichnet. Es ist bekannt, dass der Begriff von geistig und seelisch Kranken in der NS-Zeit sehr weit gefasst war. Die Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassenhygiene reichten für die Betroffenen von Zwangssterilisation bis zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Bei Alice Ries wurde eine in Erwägung gezogene Unfruchtbarmachung vom Amtsarzt am 30. September 1939 verworfen, da „keine besonders große Fortpflanzungsgefahr" bestünde. Am 31. Oktober 1939 wurde sie beurlaubt und kehrte zu ihrer Mutter in den Sandweg zurück. Im November 1939 wurde sie im Rothschild'schen Hospital erneut behandelt, wo sie einen Suizid-Versuch unternahm. In den folgenden Jahren wurde Alice immer wieder stationär behandelt, auch ihre Mutter erhielt einen gerichtlich bestellten Gebrechlichkeitspfleger. Der Anwalt Robert Rosenburg kümmerte sich als „Konsulent“ um die wenigen verbliebenen Guthaben von Mutter und Tochter und sorgte für beide, so gut er konnte. Doch auch Robert Rosenburg wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und musste sein Amt aufgeben. Am 3. Oktober 1941 informierte er die Devisenstelle darüber, dass „ich auf Grund behördlicher Anordnungen meine Kanzlei und mein Haus kurzfristig räumen musste. Da ich noch keine neue Unterkunft habe, sind die Akten noch im Möbelwagen verpackt.“ Nur zwei Wochen später wurde Robert Rosenburg nach Lodz deportiert, wo er 1943 ums Leben kam. In Frankfurt wurde Benjamin Rosen als Nachfolger von Robert Rosenburg bestellt, er kümmerte sich in den folgenden Monaten um Bella und Alice. Am 8. Juli 1941 wurde Bella Ries angeblich wegen Arteriosklerose in die Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn eingeliefert. In der „Jacoby`schen Anstalt“, so war in einem Runderlass des Innenministeriums vom 12. Dezember 1940 bestimmt worden, wurden nur noch „geisteskranke Juden“ aufgenommen, da ein „Zusammenwohnen Deutscher mit Juden auf die Dauer nicht tragbar“ sei. Tatsächlich diente die Konzentration der Patienten an einem Ort der Vorbereitung der geplanten Deportationen. Von Bendorf-Sayn veranlasste Bella Ries noch, dass ihre Cousine Berta Baer, die vollkommen mittellos in der Myliusstraße 44 in Frankfurt lebte, von ihr monatlich 5,00 RM überwiesen bekam. Auch Alice Ries wurde nach Bendorf verbracht, das genaue Datum und der Grund sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Gemeinsam mit Ihrer Mutter Bella und sieben weiteren Patienten wurde sie am 15. Juni 1942 deportiert. Insgesamt wurden zwischen März und November 1942 in fünf Transporten 573 Personen aus der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn in die Vernichtungslager gebracht. Alice und Bella überlebten die Deportation nicht, ihre Todesdaten sind nicht bekannt.
adlerkadabra schrieb: Wäre schön, wenn jemand, der dort war, kurz berichten würde.
Also gut, just to please you!
Entgegen der bisherigen Veranstaltungen, bei denen die Stolpersteine immer live verlegt wurden, waren die für Alice und Bella Ries bereits im Boden, als ich ich gegen 12:15 im Sandweg ankam, wo sich auch schon ein ordentliches Grüppchen von vielleicht 40, 50 Leuten versammelt hatte; geschätzt locker die Hälfte mit Eintracht-Bezug. Dieter Lindner, Peter Fischer, Matze Thoma waren auch unter diesen.
Zu Beginn sprach ein Vertreter der Stolperstein-Initiative ein paar Worte, gefolgt von einem kurzen Flötenspiel. Peter Fischer bedankte sich anschließend bei den Anwesenden dafür, dass sie, trotz der frühen Morgenstunde so zahlreich erschienen waren, was zumindest bei den Eintracht-fremden Besuchern für etwas Verwirrung sorgte und versprach, dass der Verein weiterhin aktiv gegen das Vergessen arbeiten und die Stolpersteinverlegungen auch künftig unterstützen wird.
Matze Thoma gab' anschließend einen kurzen, aber wunderbaren Abriss über die Recherche-Ergebnisse zum Leben und zur Ermordung von Alice und Bella (siehe Beitrag #5).
Zum Ende hin gab' es nochmals ein kurzes Flötenspiel, das übliche Kaddisch entfiel, da am Shabbes kein Rabbi anwesend sein konnte. Es wurde dennoch ein kurzes Gebet gesprochen, in dem es hieß: 'Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten'
Eintracht!
Ach ja, im Anschluss den Republikaner zu zeigen, was man von ihnen hält, machte dann irgendwie doppelt Spaß.
Bigbamboo schrieb: Peter Fischer bedankte sich anschließend bei den Anwesenden dafür, dass sie, trotz der frühen Morgenstunde so zahlreich erschienen waren, was zumindest bei den Eintracht-fremden Besuchern für etwas Verwirrung sorgte
adlerkadabra schrieb: Wäre schön, wenn jemand, der dort war, kurz berichten würde.
Also gut, just to please you!
Entgegen der bisherigen Veranstaltungen, bei denen die Stolpersteine immer live verlegt wurden, waren die für Alice und Bella Ries bereits im Boden, als ich ich gegen 12:15 im Sandweg ankam, wo sich auch schon ein ordentliches Grüppchen von vielleicht 40, 50 Leuten versammelt hatte; geschätzt locker die Hälfte mit Eintracht-Bezug. Dieter Lindner, Peter Fischer, Matze Thoma waren auch unter diesen.
Zu Beginn sprach ein Vertreter der Stolperstein-Initiative ein paar Worte, gefolgt von einem kurzen Flötenspiel. Peter Fischer bedankte sich anschließend bei den Anwesenden dafür, dass sie, trotz der frühen Morgenstunde so zahlreich erschienen waren, was zumindest bei den Eintracht-fremden Besuchern für etwas Verwirrung sorgte und versprach, dass der Verein weiterhin aktiv gegen das Vergessen arbeiten und die Stolpersteinverlegungen auch künftig unterstützen wird.
Matze Thoma gab' anschließend einen kurzen, aber wunderbaren Abriss über die Recherche-Ergebnisse zum Leben und zur Ermordung von Alice und Bella (siehe Beitrag #5).
Zum Ende hin gab' es nochmals ein kurzes Flötenspiel, das übliche Kaddisch entfiel, da am Shabbes kein Rabbi anwesend sein konnte. Es wurde dennoch ein kurzes Gebet gesprochen, in dem es hieß: 'Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten'
Eintracht!
Ach ja, im Anschluss den Republikaner zu zeigen, was man von ihnen hält, machte dann irgendwie doppelt Spaß.
adlerkadabra schrieb: Wäre schön, wenn jemand, der dort war, kurz berichten würde.
Also gut, just to please you!
Entgegen der bisherigen Veranstaltungen, bei denen die Stolpersteine immer live verlegt wurden, waren die für Alice und Bella Ries bereits im Boden, als ich ich gegen 12:15 im Sandweg ankam, wo sich auch schon ein ordentliches Grüppchen von vielleicht 40, 50 Leuten versammelt hatte; geschätzt locker die Hälfte mit Eintracht-Bezug. Dieter Lindner, Peter Fischer, Matze Thoma waren auch unter diesen.
Zu Beginn sprach ein Vertreter der Stolperstein-Initiative ein paar Worte, gefolgt von einem kurzen Flötenspiel. Peter Fischer bedankte sich anschließend bei den Anwesenden dafür, dass sie, trotz der frühen Morgenstunde so zahlreich erschienen waren, was zumindest bei den Eintracht-fremden Besuchern für etwas Verwirrung sorgte und versprach, dass der Verein weiterhin aktiv gegen das Vergessen arbeiten und die Stolpersteinverlegungen auch künftig unterstützen wird.
Matze Thoma gab' anschließend einen kurzen, aber wunderbaren Abriss über die Recherche-Ergebnisse zum Leben und zur Ermordung von Alice und Bella (siehe Beitrag #5).
Zum Ende hin gab' es nochmals ein kurzes Flötenspiel, das übliche Kaddisch entfiel, da am Shabbes kein Rabbi anwesend sein konnte. Es wurde dennoch ein kurzes Gebet gesprochen, in dem es hieß: 'Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten'
Eintracht!
Ach ja, im Anschluss den Republikaner zu zeigen, was man von ihnen hält, machte dann irgendwie doppelt Spaß.
Fein zusammengefasst, besten Dank. Nochmals: allen Beteiligten meinen Respekt!
Auf der Museums-Homepage gibt's einen kurzen Abriss über das Leben und das traurige Ende der beiden Eintrachtlerinnen:
http://www.eintracht-frankfurt-museum.de/cms/pages/posts/samstag-22.-juni-stolpersteinenthuellung-fuer-alice-und-bella-ries-im-sandweg545.php
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=589711&language=en#!prettyPhoto[gallery2]/0/
Trotzdem danke für den Tipp!
Judenvermögensabgabe
Keine besonders große Fortpflanzungsgefahr
Victor Klemperer, auf den man nicht genug hinweisen kann, hat die LTI (Lingua Tertii Imerii), die Sprache des 3. Reichs, entlarvt...
Es reisst mich immer wieder aufs Neue, wenn ich solche Biographien lese. Alice Ries war 29 Jahre jung, als sie ermordet wurde. Auf dieses Jahr fiele ihr 100. Geburtstag.
Ich danke herzlich all jenen, die die Geschichte von Bella und Alice Ries recherchiert und hier auf sehr bewegende Weise dargestellt haben und mit dem neuen Stolperstein den beiden Frauen ein Denkmal setzen. Möge es für immer ein Stein des Anstoßes bleiben.
Bella Ries, geb. Hirsch wurde 1873 in Frankfurt am Main geboren und war seit September 1897 mit dem Kaufmann Max Ries verheiratet. Das Ehepaar, das jüdischen Glaubens war, lebte im Sandweg 14, ein weiteres Haus besaßen sie in der Günthersburgallee. Max Ries war Inhaber der Lederfirma Max Ries in der Luisenstraße in Offenbach.
1898 kam Sohn Ludwig zur Welt, später folgte ein zweiter Sohn namens Felix. Am 08. Oktober 1913 wurde Alice Ries geboren. Während die Söhne nach der Schulausbildung in der Firma des Vaters mitarbeiteten und 1922 Teilhaber wurden, absolvierte Alice nach der Schule eine Ausbildung zur Sprachlehrerin. In ihrem Testament berücksichtigten die Eltern, dass die Söhne in die Firma aufgenommen wurden. So ließ der Vater 1923 vermerken: „Ludwig und Felix sind 1922 in mein Geschäft eingetreten, sie sind Teilhaber. Daraus erwächst ihnen eine gewisse Bevorzugung gegenüber meiner minderjährigen Tochter Alice und ich fühle mich als Vater verpflichtet, da ich nach Kräften meine Kinder an dem Nachlass in gleicher Weise beteiligt wissen will, diese Bevorzugung meiner Tochter Alice gegenüber wieder auszugleichen. .... Meine Tochter Alice erhält als Vorausvermächtnis das Hausgrundstück Günterhsburgallee.“
1928 wurde Alice Ries Mitglied der Eintracht. Otto Abel, der „Macher“ der Tennisabteilung, warb die junge Frau, die fortan am Riederwald Tennis spielte. Wie lange Alice Ries bei der Eintracht Mitglied blieb, ist nicht bekannt, auch ein Foto von ihr ist nicht erhalten geblieben.
1932 starb Max Ries, fortan führten die Söhne das Unternehmen in Offenbach. Doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten erschütterte die Familie gewaltig. Die Umsätze gingen zurück, 1937 wurde die Firma aufgelöst. Die Söhne emigrierten nach Amerika, während Mutter Bella Ries mit der Tochter Alice in Deutschland blieb, Alice lebte bis 1939 zeitweise auch in Mannheim. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte sie zahlreiche Schikanen, die sich gegen jüdische Mitbürger richteten, am eigenen Leib miterlebt. Am 1. April 1933 gab es den Boykott jüdischer Geschäfte, am 10. Mai 1933 die Bücherverbrennung. 1935 wurden die „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet, die die Ausgrenzung von Juden aus der deutschen Gesellschaft verschärften. Am 14. November 1935 wurde den Juden das Wahlrecht aberkannt. Ab 1938 mussten alle Juden den Zwangsvornahmen Israel und Sara führen, die Reisepässe wurden mit einem „J“ gekennzeichnet. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938, als im ganzen Reich die Synagogen brannten, Geschäfte zerstört und jüdische Mitbürger verschleppt und mißhandelt wurden, war der vorläufige Höhepunkt der nationalsozialistischen Verfolgung.
1938 sollte Bella Ries Sicherheiten in Form einer Reichsfluchtsteuer hinterlegen. Seit 1934 konnten die Devisenstellen der Finanzämter beim Verdacht der Ausreise eine Sicherheitsleistung in Höhe der geschätzten Reichsfluchtsteuer fordern. In einem Brief an das Finanzamt schrieb Bella Ries am 14. März 1938: „In der Reichsfluchtsteuersache bringe ich zur Kenntnis, dass ich im Alter von 65 Jahren stehe und keinerlei Absichten habe Deutschland zu verlassen. Mein Vermögen, das u.a. aus zwei rentablen Grundstücken besteht, liegt in Deutschland fest, und schon aus diesem Grunde heraus ist eine Verlagerung unmöglich. Ich übersende als Anlage meinen Reisepass der bis zum 24.Oktober 1938 Gültigkeit hat und bitte denselben zu den Akten zu nehmen. Ich glaube zur Genüge dokumentiert zu haben, daß eine Auswanderungsabsicht meinerseits nicht besteht, und ich erachte mich deshalb nicht für verpflichtet, die geforderte Sicherheit zu hinterlegen. Bella Ries.“
Noch 1938 wurde Bella Ries gezwungen, die Liegenschaft in der Günthersburgallee zu verkaufen, die einst als Erbe für Tochter Alice gedacht war. Nach zwangsweiser Entrichtung der „Judenvermögensabgabe“, Reichsfluchtsteuer und eines außerordentlichen Betrags an die jüdische Gemeinde blieben nicht mal mehr 40.000 RM als Ertrag. Auch das Haus im Sandweg musste sie verkaufen.
Ab dem 12. September 1939 durften Juden in Frankfurt nur noch in gesonderten Lebensmittelverkaufsstellen einkaufen, die Einkaufszeit wurde streng eingeschränkt und oft in die Arbeitszeit gelegt. Alice Ries wurde drei Tage nach dieser weiteren Schikane in die Landesheilanstalt Eichberg eingewiesen. In der Stellungnahme zur Aufnahme gab die Frankfurter Polizeistelle auf die Frage „Durch welche Tatsachen hat sich die Geistesstörung kund gegeben?" an: „Ist immer sehr erregt gewesen und hat alles verkehrt gemacht." Die Landesheilanstalt diagnostizierte bei Alice Ries „manisch depressives Irresein". Eine weitere Einschätzung der Krankheit von Alice Ries findet sich nicht, sie wird lediglich als „geisteskrank“ bezeichnet. Es ist bekannt, dass der Begriff von geistig und seelisch Kranken in der NS-Zeit sehr weit gefasst war. Die Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassenhygiene reichten für die Betroffenen von Zwangssterilisation bis zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Bei Alice Ries wurde eine in Erwägung gezogene Unfruchtbarmachung vom Amtsarzt am 30. September 1939 verworfen, da „keine besonders große Fortpflanzungsgefahr" bestünde. Am 31. Oktober 1939 wurde sie beurlaubt und kehrte zu ihrer Mutter in den Sandweg zurück. Im November 1939 wurde sie im Rothschild'schen Hospital erneut behandelt, wo sie einen Suizid-Versuch unternahm. In den folgenden Jahren wurde Alice immer wieder stationär behandelt, auch ihre Mutter erhielt einen gerichtlich bestellten Gebrechlichkeitspfleger. Der Anwalt Robert Rosenburg kümmerte sich als „Konsulent“ um die wenigen verbliebenen Guthaben von Mutter und Tochter und sorgte für beide, so gut er konnte. Doch auch Robert Rosenburg wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und musste sein Amt aufgeben. Am 3. Oktober 1941 informierte er die Devisenstelle darüber, dass „ich auf Grund behördlicher Anordnungen meine Kanzlei und mein Haus kurzfristig räumen musste. Da ich noch keine neue Unterkunft habe, sind die Akten noch im Möbelwagen verpackt.“ Nur zwei Wochen später wurde Robert Rosenburg nach Lodz deportiert, wo er 1943 ums Leben kam.
In Frankfurt wurde Benjamin Rosen als Nachfolger von Robert Rosenburg bestellt, er kümmerte sich in den folgenden Monaten um Bella und Alice. Am 8. Juli 1941 wurde Bella Ries angeblich wegen Arteriosklerose in die Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn eingeliefert. In der „Jacoby`schen Anstalt“, so war in einem Runderlass des Innenministeriums vom 12. Dezember 1940 bestimmt worden, wurden nur noch „geisteskranke Juden“ aufgenommen, da ein „Zusammenwohnen Deutscher mit Juden auf die Dauer nicht tragbar“ sei. Tatsächlich diente die Konzentration der Patienten an einem Ort der Vorbereitung der geplanten Deportationen. Von Bendorf-Sayn veranlasste Bella Ries noch, dass ihre Cousine Berta Baer, die vollkommen mittellos in der Myliusstraße 44 in Frankfurt lebte, von ihr monatlich 5,00 RM überwiesen bekam.
Auch Alice Ries wurde nach Bendorf verbracht, das genaue Datum und der Grund sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Gemeinsam mit Ihrer Mutter Bella und sieben weiteren Patienten wurde sie am 15. Juni 1942 deportiert. Insgesamt wurden zwischen März und November 1942 in fünf Transporten 573 Personen aus der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn in die Vernichtungslager gebracht. Alice und Bella überlebten die Deportation nicht, ihre Todesdaten sind nicht bekannt.
Niemand ist vergessen.
Dank & aufrichtige Hochachtung allen, die hierzu einen Beitrag leisten.
Also gut, just to please you!
Entgegen der bisherigen Veranstaltungen, bei denen die Stolpersteine immer live verlegt wurden, waren die für Alice und Bella Ries bereits im Boden, als ich ich gegen 12:15 im Sandweg ankam, wo sich auch schon ein ordentliches Grüppchen von vielleicht 40, 50 Leuten versammelt hatte; geschätzt locker die Hälfte mit Eintracht-Bezug. Dieter Lindner, Peter Fischer, Matze Thoma waren auch unter diesen.
Zu Beginn sprach ein Vertreter der Stolperstein-Initiative ein paar Worte, gefolgt von einem kurzen Flötenspiel. Peter Fischer bedankte sich anschließend bei den Anwesenden dafür, dass sie, trotz der frühen Morgenstunde so zahlreich erschienen waren, was zumindest bei den Eintracht-fremden Besuchern für etwas Verwirrung sorgte und versprach, dass der Verein weiterhin aktiv gegen das Vergessen arbeiten und die Stolpersteinverlegungen auch künftig unterstützen wird.
Matze Thoma gab' anschließend einen kurzen, aber wunderbaren Abriss über die Recherche-Ergebnisse zum Leben und zur Ermordung von Alice und Bella (siehe Beitrag #5).
Zum Ende hin gab' es nochmals ein kurzes Flötenspiel, das übliche Kaddisch entfiel, da am Shabbes kein Rabbi anwesend sein konnte. Es wurde dennoch ein kurzes Gebet gesprochen, in dem es hieß:
'Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten'
Eintracht!
Ach ja, im Anschluss den Republikaner zu zeigen, was man von ihnen hält, machte dann irgendwie doppelt Spaß.
...konnte ich mir eben ein nicht verkneifen.
schöner bericht.
danke!
Fein zusammengefasst, besten Dank. Nochmals: allen Beteiligten meinen Respekt!