immer wieder werden hier im Forum gute Texte verfasst bzw. verlinkt und verschwinden dann viel zu schnell im digitalen Nirwana. Deshalb hab ich mir überlegt, hier mal einen Sammelthread für gute Fußballtexte aufzumachen. Ist egal, ob über die Eintracht oder Fußball allgemein. Wenn nur der Link reingestellt wird, vielleicht eine kurze Beschreibung dazu geben.
Hier einer meiner persönlichen Favoriten:
Bayernfans sind Feiglinge
Von Johannes Keller
Eine Polemik aus gegebenem Anlass.
Jeder Fußballfan weiß es intuitiv. Es ist nicht nötig, es auszusprechen. Keiner zweifelt daran. Und doch gibt es das Bedürfnis, es ein für alle Mal festzustellen: Es gibt keine Bayern-Fans. Ohne Zweifel, es gibt Menschen, die sich einbilden, Fans von Bayern München zu sein. Ihrem äußeren Verhalten nach könnte man sie auch als solche wahrnehmen. Sie tragen die Trikots ihrer Mannschaft, jubeln bei Treffern für ihr Team, lesen in der Zeitung jede noch so unwichtige Meldung über ihren Verein und fiebern dem nächsten Spieltag entgegen. Aber ihnen fehlt doch das Eigentliche, die Essenz des Fan-Seins: Verzweiflung.
Es gibt keine Anhänger des FC Bayern, die jemals von diesem Gefühl gepackt wurden. Über Tage hinweg wie gelähmt zur Arbeit zu gehen, im Kopf nur der Gedanke an die drohende Niederlage, das endgültige Aus, den Abstieg, den verpaßten Aufstieg oder UEFA-Cup-Platz. Bayern-Anhänger haben immer eine Gewißheit, die sie immun macht gegenüber jedem Gefühl der Angst und der Ausweglosigkeit. Sie wissen, ihr Klub kann jede verpaßte Chance nachholen. Wenn nicht diesmal, dann eben nächste Saison. Was soll's, wir holen uns schon die richtigen Leute.
Es gibt keinen Bayern-Anhänger, der jemals mitansehen mußte, wie sein Team zum sechsten Mal in Folge verliert. Kein Bayern-Anhänger saß jemals zitternd vor dem Radio und fürchtete sich davor, daß der Reporter ein Tor aus einem Stadion verkündet, in dem sein Klub gerade das überlebenswichtige 0:0 über die Zeit zu retten versucht. Ein Erlebnis, das am Samstag den Fans des VfL Wolfsburg, sofern es diese geben sollte, zuteil wurde, als Elber in der 87. Minute doch noch traf - für Bayern, versteht sich.
Natürlich, Bayern hat schon bittere Niederlagen hinnehmen müssen, etwa 1982 im Europacup-Finale gegen Aston Villa. Oder 1987 gegen Porto. Mehrfach wurde die Meisterschaft knapp verpaßt. Aber dieses Gefühl, das 30.000 Werder-Fans ergriff, als Kutzop den Elfmeter an den Pfosten setzte, werden Bayern-Anhänger nie erleben. Kein Bayern-Anhänger wird je verstehen, was die Frankfurter Fans 1992 durchlitten, als ihr Team in Rostock die Meisterschaft verspielte. Dieser Aspekt der verzweifelten Hingabe fehlt jedem, der sich für den FC Bayern entschieden hat. Und höchstwahrscheinlich ist es gerade das, was diesen Verein für Millionen Menschen so attraktiv macht.
Der natürliche Grundzustand des Bayern-Anhängers ist also nicht Verzweiflung, das Gefühl der Ausweglosigkeit und Schwäche, sondern Bayern-Anhänger leben in einem Ausgangszustand der Arroganz und Überlegenheit. Verzweiflung wegen und durch ihren Fußballclub ist diesen Menschen vollkommen fremd. Bayern-Anhänger sind keine Fußballfans, sondern Feiglinge, unfähig zu wahrer Hingabe, die das Risiko einschließt, tief enttäuscht zu werden.
Ein grandioser Artikel über den Wandel der Fankultur mit einem saudämlichen Titel:
Sie können sich ihre Wappen selber basteln
Von Andreas Rosenfelder
23. November 2005
Noch in den späten achtziger Jahren kam niemand auf die Idee, Fußball als Teil der Popkultur zu betrachten. Damals traf man in einer ganz normalen Fankurve, die selten ausverkauft war, auf eine Monokultur von Röhrenjeansträgern mit Schnäuzer und Vokuhila. Der Durchschnittsfan trug einen meterlangen Häkelschal in den Vereinsfarben und mindestens einen Aufnäher auf der Jeansjacke. Über weite Strecken beherrschte ein von heiseren Schreien durchbrochenes Gemurmel das Klangbild, aus dem sich nur manchmal Gesänge herausschälten, in denen man den Gästefans meistens zu Rod-Stewart-Melodien unterstellte, unter Brücken oder in der Bahnhofsmission zu schlafen - und das war noch eine der diplomatischeren Botschaften. Man muß sich an diesen rauhen Urzustand erinnern, wenn im Vorfeld der WM nun jeder Theaterintendant seit Jahrzehnten eingefleischter Fußballfan gewesen sein will. Vor fünfzehn Jahren gab es noch keine Intellektuellenmagazine für Fußballkultur, sondern nur maschinengetippte und handkopierte Fanzines, die in den Halbzeitpausen verteilt wurden und die Vorfreude auf die berüchtigte „Dritte Halbzeit“ anheizten. Daß sich Fußball zum hippen Gesamtkunstwerk entwickelt hat, das alle Gesellschaftsbereiche durchstrahlt, ist keineswegs nur den üblichen Verdächtigen wie Franz Beckenbauer, Nick Hornby oder dem Sender Premiere zu verdanken.
Revolution in den Stadien
Wesentlichen Anteil an der Wiederbelebung des lange Zeit als Proletensport verpönten Fußballs hatte die „Ultra“-Bewegung, die in den neunziger Jahren von Südeuropa nach Deutschland schwappte und die Atmosphäre in hiesigen Stadien revolutionierte. Die tribünenfüllenden Choreographien, die vor jeder Live-Übertragung als Stimmungsmacher eingeblendet werden und beim Stadionbesuch vor dem Anpfiff für unvergleichliche Gänsehaut sorgen, gäbe es ohne die „Ultras“ nicht. Daß nun Sicherheitsexperten und zweifelhafte Fansoziologen mit Begriffen wie „Hooltras“ das Bild einer diffusen Bedrohung aus den Fanblöcken zeichnen und daß Reporter in jedem Bengalfeuer ein Vorzeichen des Bürgerkriegs ausmachen, während gleichzeitig der DFB mit dem offiziellen „Fan Club Nationalelf“ den lächerlichen Versuch unternimmt, in der Retorte eine keimfreie Fankultur heranzuzüchten - dieser kritische Punkt in der jungen Geschichte der deutschen Ultras sollte Anlaß geben, ihren Standort zu bestimmen.
Tradition und Avantgarde
Wie bei vielen Jugendkulturen führt auch der Weg zu den Ultras über eine Negation. So verkörpert die urige Fankneipe „Auf Schalke“ an der Kurt-Schumacher-Straße 119 in Gelsenkirchen - ein holzvertäfeltes Museum für Fanschals und Trikots - all das, was die Ultras nicht sein wollen. Hier sitzt der „Schalker Fanclub Verband“, der fast zwölfhundert Schalke-Fanclubs mit rund fünfundzwanzigtausend Mitgliedern zusammenfaßt. Im Gegensatz dazu haben sich die Ultras immer als Avantgarde verstanden: In Gelsenkirchen zählen sie rund achthundert Mitglieder. In der Südtribüne der alten Glückauf-Kampfbahn, ebenfalls an der Kurt-Schumacher-Straße, sitzt das „Schalker Fanprojekt“. Der selbständige Designer Jan Klaffke und der Jurastudent Thomas Kirschner, beide fünfundzwanzig Jahre alt, sind die Vorsitzenden der „Ultras Gelsenkirchen“ und waren schon in den späten Neunzigern dabei, als in der Schalker Kurve die ersten Choreographien auftauchten. Nach Deutschland übergesprungen war der Funke in Leverkusen, wo die „Madboyz“ schon 1994 beim Uefa-Cup-Spiel gegen den FC Parma mit Pyrotechnik und Großschwenkfahnen experimentierten und das damals unscheinbare Ulrich-Haberland-Stadion in einen Hexenkessel verwandelten.
Das Ende der Kuttenkultur
Während, wie Klaffke sich erinnert, vorher die „Kuttenkultur aus dem Proletariat“ die Stadien prägte, stammen die Ultras überwiegend aus „gutbürgerlichen Kreisen“. Eine wichtige Rolle bei der Aneignung der neuen Fankultur spielten das Deutsche Sportfernsehen mit seinen Übertragungen aus südlichen Ligen und das Internet, wo man auf Audiodateien mit neuartigen Fangesängen stieß, die alte Brüller wie „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ verblassen ließen. Eines der deutlichsten Merkmale der Ultra-Kultur ist die Ersetzung des Schlachtrufs „Ole“ durch „Allez“ - auch wenn diese feine Lautverschiebung, wie Kirschner abwinkend feststellt, beim breiten Publikum längst noch nicht durchgedrungen ist. In Italien existierte die „Ultra“-Bewegung, die für ultimative Unterstützung des Heimatvereins auch bei Auswärtsfahrten eintrat, seit den sechziger Jahren. Viele ihrer Formen - das Megaphon des „Capo“, der als „Kopf“ der Kurve die Gesänge vorgibt, oder die mit zwei Stangen getragenen Doppelhalter - wanderten aus der Protestkultur in die Stadien. So spielten die „Brigate Rossonere“ des AC Mailand mit ihrem Namen nicht nur auf die Vereinsfarben Schwarz-Rot, sondern auch auf die Roten Brigaden an. Auch wenn die „Ultra“-Szene nie politisch festgelegt war und es in Italien immer sowohl rechte als auch linke Kurven gab, verband sie doch der Wille, die Autonomie der Fanblöcke zu verteidigen. Man lehnte Trikots und kommerzielle Fanartikel ab, um statt dessen in Zivil zum Spiel zu kommen und alle für den „Support“ wichtigen Gegenstände selbst zu basteln.
Small talk hält sich in Grenzen
Mit der üblichen Fanfolklore hat dieser unabhängig von Sponsoring und Vereinsgeldern hochgehaltene Anspruch, „die Stadionatmosphäre optisch und akustisch zu verbessern“, nicht viel gemein. „Wir sehen die Spieler nicht als Idole an, mit denen man Arm in Arm fotografiert werden will“, erklärt Klaffke. So spielt Small talk über das Privatleben der Profis oder die optimale Aufstellung natürlich auch bei den Ultras eine Rolle, hält sich aber in Grenzen. „Ich kann nicht beeinflussen, wer in der Viererkette spielt“, sagt Klaffke. „Wir können aber die Farben zeigen, die wir hochhalten.“ Auch Kirschner betont den expressiven Wettbewerb, den die Ultras unterschiedlicher Vereine mit ihren Choreographien führen - und der das gewaltsame Austragen der Konkurrenz nach dem Schlußpfiff fast ganz abgelöst hat.
Viele „Normalos“ unter den Fans argwöhnen, daß es den Ultras gar nicht mehr um den Spielverlauf, sondern nur noch um Symbolfetischismus und lückenlose Unterstützung geht. Schließlich steht der „Capo“ über neunzig Minuten mit dem Rücken zum Spielfeld. Doch Klaffke sieht genau darin eine tiefere Form der Zuwendung - in einer Zeit, in der man sein Fantum nicht mehr nur über die alle paar Jahre durchgewechselte Mannschaft definieren kann. „Man klammert sich an die Idee des Vereins, die Gemeinschaft des Vereins. An traditionelle Werte wie Wappen und Farben.“
Fußball als Freiraum
Auch wenn sich die Ultras scheinbar vom modernen Fußball mit seinen ökonomischen Bedingungen und am Taktiktisch gewonnenen Erkenntnissen abkoppeln, geht es ihnen um die Rettung des Fußballs als eines nicht fremdbestimmten Freiraums. „Die Ultras haben unbewußt an der Kommerzialisierung des Sports mitgewirkt“, gibt der Jurastudent Kirschner zu. Jetzt, sagt Klaffke, kopiert der DFB mit seinem Laborfanclub die Stimmungstechniken der Ultras, während andererseits Angst geschürt wird vor „Menschenansammlungen in der Kurve, die nicht berechenbar sind“.
Schon wegen Bierbecherwürfen werden Stadionverbote verhängt. „Auf der Kurve“, sagt Klaffke, „sollte es aber gewachsene Rituale geben, die toleriert werden.“ Denn längst werde die Jugendkultur der „Ultras“ eingeholt von einer „Klingelton-Generation“, die mit Freundin im Arm und Fanshop-Tüte in der Hand ins Zentrum des Fanblocks eindringt, das doch nach alter italienischer Sitte den Ultras gehört, und sich dann, wenn die ganze Kurve hüpft, über Schmutzflecken auf ihren empfindlich weißen Turnschuhen beschwert. Das klingt nach jener Arroganz, die den Ultras oft vorgeworfen wird - aber die familienfreundlichen Sitzplatzstadien sind groß und die Ultras klein an der Zahl. „Die Fankurve“, sagt Klaffke, „ist in einer beliebigen Spaßgesellschaft eine Insel, die gleichbleibt.“
Wechselseitiger Respekt
Auch wenn die „Ultras“ keinen Spielerpersonenkult betreiben, gibt es Bundesligaprofis, die genau diese Form der Unterstützung schätzen. Der Schalker Torhüter Frank Rost, im Fall eines Rückzugs von Jens Lehmann womöglich als dritter Torhüter bei der WM, trägt auf dem Platz seit geraumer Zeit ein T-Shirt der „Ultras Gelsenkirchen“ unter seiner Torwartkluft und trifft sich immer wieder mit Vertretern der Ultras. Als Rost vor einigen Wochen auf seiner Homepage über das Verhalten einiger Fans klagte, die ihn mit aggressiven Sprüchen wie „Wir zahlen dein Gehalt“ im Alltag anmachten, versuchten die Boulevardmedien anfangs das Bild des arroganten Millionärs zu zeichnen - während in der Fanszene großes Verständnis für die Forderung nach höflichem Umgang und wechselseitigem Respekt artikuliert wurde.
Wahrscheinlich wird Frank Rost auch deswegen so geachtet, weil er auf aufsehenerregende und gerade deshalb unglaubwürdige Loyalitätsgesten verzichtet. „Es widerstrebt mir, das Vereinswappen zu küssen“, sagt Rost. „Ich war auch nicht gleich Schalker, als ich aus Bremen nach Gelsenkirchen kam.“ Im feinen Restaurant „Schloß Berge“ nahe der jetzigen „VeltinsArena“ bestellt er Scholle - er schätzt das gute Essen hier, das auch im Ruhrgebiet langsam die fettige Jägerschnitzel-Monokultur verdrängt. Der in Ostdeutschland aufgewachsene Torwart versteht sich mit den Ultras besser als mit den zum Starkult neigenden Modefans. „Die Ultras sind ganz normale Menschen, die sachlich mit dir reden. Ich weiß auch, was die für Entbehrungen auf sich nehmen.“
Reingepfercht und reingeprügelt
Für eine künstliche Fankultur, wie sie der DFB zur Weltmeisterschaft in Szene setzen möchte, hat Rost ebensowenig Sinn wie für Kunstrasen. „Wenn man so weit kommt, daß man offizielle Choreographen engagiert, dann ist der Fußball kaputt.“ Ihm steht der harte Kern der Fans, „Leute mit Ecken und Kanten“, näher als jene Eventfans, die schon zur Pause zu pfeifen beginnen. „Wenn ein Pferd Temperament hat“, sagt der Ehemann einer Reiterin mit einem schönen Vergleich, „kann ich auch nicht sagen, es darf nicht ausschlagen, soll aber andererseits Ausstrahlung haben.“ Daß die Ultra-Szene in jüngster Zeit wieder mit „Pauschalverurteilungen“ von seiten der Politik leben müsse und zum Teil ins Stadion „reingepfercht und reingeprügelt“ werde, hält er für absurd: „Diese Fans zahlen hohe Eintrittsgelder, um sich dann am Eingang die Unterhosen durchsuchen zu lassen.“
Frank Rost hat im DDR-Fußball bei Lokomotive Leipzig und dem 1. FC Markleeberg eine „eher rustikale Ausbildung“ genossen, wie er sie heute, da Jungstars schon nach wenigen Bundesligaspielen vom Trainer verhätschelt werden, ein wenig vermißt - ohne daß in dieser Sehnsucht der Ruf nach knallharter Disziplin mitklänge. „Fußball muß authentisch bleiben.“ Rost kann auch die Angst der Ultras verstehen, ihr Milieu zu verlieren und durch jüngere Spaßfans an den Rand der Kurve verdrängt zu werden. Auch dies, sagt der Torwart, sei eine Frage fehlenden Respekts. Vielleicht kann nur ein Keeper, der die Hälfte des Spiels dicht vor der eigenen Kurve steht und das Geschehen oft wie ein Zuschauer verfolgt, die Fußballwelt mit den Augen der Fans sehen.
Was ist "Ultrà"? Ich komme gerne immer wieder zu diesem Text zurück, der in Zeiten von "Moggigate" hoffnungslos romantisch überholt wirkt, aber trotzdem faszinierend ist.
Interview mit dem Capo des CUCN (Commando Ultrà Curva Nord) Reggina
"Vor fast genau zwanzig Jahren, als unsere heiß geliebte Mannschaft noch in den Niederungen der Serie C2 (4. Liga) herumdümpelte, beschlossen einige fußballbegeisterte Jugendliche, die Wirkungsstätte ihres Freundeskreises in das Stadio Granillo zu verlegen, um der Ultraszene in Reggio eine tatkräftige Unterstützung zu liefern. Die Bewegung steckte damals noch in den Kinderschuhen, niemand wusste genau, ob wir Erfolg haben oder an unseren Träumen scheitern würden. Zunächst sprachen wir nur die Jugendlichen in unserem Bezirk an, ob sie unser Vorhaben unterstützen wollen. Das Echo war riesig, die Leute waren von der Idee begeistert und die Nachricht über einen neuen Wind in der "Curva Nord" verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt. Wir waren regelrecht davon besessen, den älteren Ultras neue Impulse zu geben, etwas nie dagewesenes zu schaffen und den Namen unserer Stadt weit über die Grenzen Kalabriens hinaus zu tragen und mit Ruhm zu überhäufen.
Wenige Tage nachdem unser erstes großes Commando Ultra´ Curva Nord-Transparent fertiggemalt war, organisierten wir die ersten Auswärtsfahrten, auf die wir mit einem Hauch Nostalgie und voller Stolz zurückblicken. Seinerzeit hatten nur wenige von uns die materiellen Möglichkeiten, auch entferntere Stadien zu besuchen, dennoch war und ist unsere Gruppe seit ihrer Gründung immer und überall präsent. Wir blicken mit Wehmut auf die Zeiten zurück, als die Stadien noch keine von allen Seiten umzäunten Kerker waren in denen uniformierte Armeen für Recht und Ordnung sorgen. In jenen Jahren gab es nur in den wenigsten Stadien separate Gästebereiche und es war noch nicht üblich, dass von Kopf bis Fuß gepanzerte Polizisten die Gästefans am Bahnhof in Empfang nahmen und sie wie eine römische Legion zum Stadion eskortierten. Okay, einige Male kehrten wir verwundet oder mit einem blauen Auge heim, aber wir standen und kämpften voller Stolz für die Farben und das Wappen unserer glorreichen Mannschaft.
Unsere Philosophie hat sich in den all den Jahren nicht geändert. Seit 1982 tragen wir den Namen unserer Gruppe auch in den entferntesten Zipfel Italiens, damit die Leute uns kennen und schätzen lernen. Wir haben vor nichts und niemandem Angst und leben für ein Ideal, welches niemals sterben wird. Unsere Absicht ist es, den Sonntag zum Mittelpunkt unserer Existenz zu machen, damit sich die Mitglieder des CUCN nicht nur in den Kurven der Stadien als Ultras zu erkennen geben, sondern auch im normalen Leben. Jeden Tag. Ob dies richtig oder falsch ist, interessiert uns nicht. Genauso ist uns auch die Meinung der anderen gleichgültig. Unsere Geschichte spricht für uns. Sie bescherte uns, wie jede ehrenswerte Historie, wunderbare und grausame Momente.
Als Nevio Scala die "Amaranti" ("Die Blutroten", wie Reggina aufgrund seiner Vereinsfarben genannt wird) trainierte, beherrschte das CUCN fast die gesamte zweite Liga und konnte es stimmungstechnisch mit jedem Gegner aufnehmen. Selbst die Rückkehr in die C1 (3. Liga) vermochte uns nicht zu erschüttern, als aber eine nicht enden wollende Serie unglücklicher Ereignisse auch unsere Kurve in Mitleidenschaft zog, mobilisierten wir unsere letzten Reserven und versuchten wieder für unsere Mannschaft und unsere Gruppierung zu werben. Uns schmerzte in erster Linie die Gleichgültigkeit, mit der die Leute unseren Idealen im blutroten Trikot begegneten und ihnen genau in jener Zeit den Rücken zuwandten, wenn sie die Unterstützung am ehesten gebraucht hätte. Unsere Maximen "Niemals und unter keinem Umstand aufgeben", "Immer standhaft bleiben" und "Die Fahne immer hochzuhalten" halfen uns den schweren Zeiten stand zu halten. Letztendlich gab uns der Erfolg recht, und von unseren Aktionen angetan verlegte der italienische Fußballverband F.I.G.C. sogar ein Länderspiel in unser heiliges Reggio die Calabria.
Unser größter Stolz ist, dass wir unseren 18. Geburtstag im Herbst 1999 in der Serie A feiern durften. Unsere Mitgliederzahl explodierte nach dem Aufstieg auf ein Vielfaches, wir erreichten endlich ein Stadium unserer Evolutionsgeschichte, in der die Einführung des Mitgliedsausweises unumgänglich wurde. Obwohl unser Ausflug in die höchste Liga nur zwei Jahre währte, blieben unsere zahlreichen Sektionen (u.a. in den Provinzen Mailand, Brescia, Pisa, Triest, Bologna, Sizilien) bestehen und wir haben viel potentiellen Nachwuchs, welcher den Fortbestand unserer Gruppe hoffentlich auch für die nächsten zwanzig Jahre sichern wird.
Obwohl unsere Gruppe eine stattliche Zahl an Mitgliedern hat, besitzt das Commando keine eigenen Räume. Wir wollen auf diese Weise die Kontrollen der Gegenwart umgehen, um der Polizei keine Anhaltspunkte und greifbare Fakten bei ihrer Jagd auf uns Ultras zu liefern. Wer mehr über uns und unsere Ziele in Erfahrung bringen möchte, sollte unsere anerkannte Zeitung "Tradizione CUCN" lesen, welche zu jedem Heimspiel erscheint und für alle erschwingbar (da kostenlos) ist. Die Gruppe trifft sich jeden Tag an der Kreuzung zur Corso Garibaldi, ihr könnt uns dort ansprechen.
Eine der wichtigsten Änderungen inmitten der goldenen Augenblicke und kritischen Zeiten unseres CUCN erfolgte 1990. Der harte Kern unserer Gruppe gründete die "Oltranzisti" (Die Rebellen). Dieser Name lebt und gedeiht selbst heute noch, obwohl das Transparent nicht mehr auf dem Zaun vor der Südkurve weht.
Auf diesem Wege möchten wir auch unsere Freunde, die Boys und Fedayn (Roma), die Falange (Latina), alle Gruppen der Turiner Curva Maratona, die Ultras Ravenna und natürlich die Pessimi Elementi (Locri) ganz herzlich grüßen. Über unsere Feinde möchten wir nicht sprechen. Wir wollen nicht für Gruppen werben, die es nicht verdienen.
Schließlich möchten wir uns bei allen aktiven Mitgliedern unserer Gruppe bedanken, die stolz hinter unserem Banner stehen, aus unserer Gruppe ein Lebensmuster machten, und jeden, der sonntags mit uns in den Zug steigt, um sich mit uns gemeinsam gegen diejenigen zu stellen, die unsere Ansichten ersticken und hinter die Mattscheibe der Flimmerkiste drängen wollen.
Moden kommen und gehen, Gesichter wechseln, aber unser Name wird auch weiterhin die uneinnehmbare Bastion einer Liebe und eines Symbols bleiben."
Frank Rost, Torwart von S 04, mit dem wahrscheinlich Intelligentesten, was ein Fußballer je geschrieben hat:
Frank Rost auf seiner Homepage über sinnlose Schikanen gegen Fans:
"....Es ist aber in der letzten Woche etwas passiert was mich wirklich verärgert hat und was ich nicht unkommentiert lassen möchte. Ich meine das Verhalten der Ordnungskräfte beim Spiel in Barcelona. Wir bekommen ja meistens nicht mit, was um ein Spiel herum passiert und lesen dann nur irgendwelche Stellungnahmen von den Verantwortlichen in der Presse. Die wirklich Betroffenen kommen in den Medien leider nur selten zu Wort.Diesmal sind aber auch wir im Stadion ganz direkt mit dem unmöglichen und unfreundlichen Verhalten einiger übereifriger Aufpasser konfrontiert worden. Da wirst du als Spieler daran gehindert zu deinen eigenen Fans zu gehen und mit ihnen das Weiterkommen im UEFA Cup zu feiern. Was soll denn so etwas? Da frage ich mich wirklich was da für eine Sicherheitspolitik im internationalen Fußball verfolgt wird.Um es ganz klar zu sagen, ich verurteile jede Form der Gewalt in und um den Fußball aber ebenso sage ich, dass man Gewalt nicht mit Gewalt gegen alle Fans und überharten Strafen bekämpfen kann. Abschreckung wie sie momentan praktiziert wird, auch und besonders im Vorfeld der WM, kann der Kultur des Fußballs nur schaden. Im Moment werden Fußballfans an sich kriminalisiert. Als potentielle Straftäter und gewaltbereite Gruppe hingestellt und auch so behandelt. Wenn man den Medien vertraut ist jeder bekennender Fan ein gewaltbereiter Hooligan, vor dem die Gesellschaft geschützt werden muss. Das erlaubt Präventivmaßnahmen, die meiner Meinung nach nichts in unserem Sport zu suchen haben.
Einige Geschichten, die ich aus Barcelona gehört habe, sind wirklich gar nicht mehr zu nachzuvollziehen. Und damit meine ich nicht in erster Linie den Umgang mit der streng überwachten, so genannten „harten Szene“, das ist ein Kapitel für sich, sondern den gegenüber der ganz „normalen“ Gruppe der Fußballfans. Die Leute haben viel Geld ausgegeben um Schalke zu begleiten und zu unterstützen. Wie ich gehört habe, waren auch die Tage vor dem Spiel sehr schön in Barcelona aber was sich dann teilweise auf dem Weg zum Stadion und danach abgespielt hat erscheint mir absolut inakzeptabel.
Natürlich muss es verhindert werden, dass der Fußball als Spielwiese missbraucht wird von einigen wenigen, die nur ihren Frust abladen wollen. Aber deshalb alle Fans von vornherein wie potentielle Kriminelle zu behandeln entbehrt doch jeder Verhältnismäßigkeit. Fußballfans sind doch eine homogene Gruppe aus allen Teilen der Gesellschaft – keine eigene Spezies. Und sie sind nicht besser als die Gesellschaft an sich!Sicherlich fallen immer wieder einige aus dem Rahmen und die sollen und müssen auch hart bestraft werden. Allerdings auf der Basis des Rechtsstaates in dem wir doch leben.Aber bitte wo fängt Gewalt an?
Stadionverbote von bis zu sechs Jahren ohne gerichtliche Feststellung von Schuld, massive Polizeikessel vom Flughafen/Bahnhof zum Stadion, härteste Personenkontrollen mit z. T. Anal Untersuchungen, Erkennungsdienstliche Untersuchungen aufgrund der Tatsache, dass man in einem Fanbus fährt oder einen Vereinsschal trägt? Nur einige Beispiele, die einige von Euch vielleicht gar nicht kennen, die aber inzwischen auch in Deutschland zu Standard im Umgang mit Fans gehören.
Sicherlich muss die Fußballszene gewaltfrei sein aber durch Einsatz massiver Überwachung, vorbeugender Maßnahmen und kollektiver Schuldzuweisungen am Rande des Erlaubten in einer Demokratie, einen Raum „Stadion“ schaffen der mit der Realität drum herum nichts mehr zu tun hat? Das geht für mein Empfinden einfach mal zu weit.
Es mag sein, dass ich durch meine eigene Geschichte zu sensibel auf ein solches Vorgehen reagiere aber wenn ich mich so umhöre stehe ich nicht alleine mit meinen Vorbehalten da.Fans haben leider keine Lobby, wie es scheint, aber ich weiß nicht wohin das noch führen soll. Ich weiß nur, dass ich die Befürchtung habe, am Ende dieses Prozesses werden wir, die Fußballfans, und dazu zähle ich mich auch, die Verlierer sein.
So, das musste jetzt mal sein. Denn wenn ich als Fan mit auf Auswärtsfahrten gehen würde und man mich so behandelte, hätte ich mir (und die meisten meiner Kollegen wahrscheinlich auch) schon ein lebenslanges Stadionverbot eingehandelt - allein durch mein diplomatischen Wesen.
Bis zum Spiel in Hannover wünsch ich Euch allen einen schönen Frühlingsanfang und viel Schnee
DER Bericht zum 6:3 ! Weitere Kommentare überflüssig.
In Frankfurt steht es...
von Rigobert G
Abpfiff! 1:4. Regungslose, geradezu vor Angst gepeinigte Spieler im Mittelkreis des Spielfeldes. Panische Gesichter, live auf der Stadion-Videotafel zur Schau gestellt. Mittendrin mein (angeblich ehemaliger) Nachbar aus Frankfurt Nieder-Eschbach. Doch von der Gefühlswelt trennen uns - weiß Gott - mehr als nur zwei mickrige Straßenzüge. Er Trainer, eines bedeutungslosen Karnevalsclubs, der kurz vor dem größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte steht. Ich, ein einfacher aber stolzer Fan der ruhmreichen Frankfurter Eintracht, zu diesem Zeitpunkt, und das seit gut einer halben Stunde, nur noch ein Häufchen Elend...
Leere apathische Blicke auf die Videotafel. Wieso freuen die sich nicht? Der Fußballgott, der vor vier Jahren noch großzügig seinen Freudenbecher über die Eintracht ausschüttete, als eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd mit dem 5:1 gegen Lautern gipfelte, hatte doch schon längst die Seiten gewechselt. Niederlage aus heiteren Himmel gegen Trier, Unterkante der Latte gegen Union Berlin, Lastminute-Schock in Mainz... In Ahlen ließ er doch nur die Narrenkappen-Bande verlieren, damit wir uns - und das war zu diesem Zeitpunkt klar - in falscher Hoffnung wiegen konnten. Selbst mein wirklich schweres Opfer, nicht in Frankfurt zu sein, sondern hier, an dem Ort, der unmittelbar davor stand als Synonym für den größten Triumph des Rosenmontagszuges degradiert zu werden, schien ihn nicht wohlwollend zu stimmen. Hätte ich etwa noch meine Katze opfern sollen??? In Frankfurt steht es 4:3...
Sommer 2002. Eintracht Frankfurt und seine Fans standen vor dem Nichts. Ernsthafte Überlegungen wurden in der Kneipe und am Telefon gebrütet, Geld zu sammeln, damit wir irgendeinen finanzschwachen Landes- oder gar Oberligisten aufkaufen und ihn in SG Eintracht Frankfurt 02 e.V. umbenennen, damit wir nicht auf der Bertramswiese ganz von vorn anfangen müssen. Im letzteren Fall, sollte also die gesammelte Kohle nicht reichen, sahen wir uns schon selbst das Eintracht-Trikot überstreifen (eigentlich eine phantastische Vorstellung!), um, verstärkt durch die reaktivierten Uwe Bein und Bernd Hölzenbein, die Mission "In 10 Jahren wieder Profifußball!" anzugehen. Der Frankfurter Kommunal-Politiker als solcher, faselte unterdes etwas vom FC Rhein-Main, wenn nicht gerade voller Neid nach Mainz geschaut wurde. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich sammle meine ganze noch verbliebene Kraft, um meinen Kopf nach links zu bewegen und meinen Nachbarn, im gelbblauen Eintracht Braunschweig-Trikot gekleidet und mit einem seiner zwei Ohren am Radio, nur noch diese eine Frage zu stellen: "Steht's immer noch 4:3?" Danach sacke ich wieder in mich zusammen. Seine Antwort, dass er es glaube, aber eigentlich nicht den richtigen Sender drin habe, da er vorher in seinem Leben noch nie so viel Schlager hörte wie an diesem Tage usw., vernehme ich nur noch aus weiter Ferne. In Frankfurt steht es 4:3...
Die heiße Phase der WM in Asien wurde eingeläutet. Mittlerweile versuchten uns die Eintracht-Verantwortlichen, allen voran Volker Sparmann, damit zu beruhigen, dass man zuversichtlich sei, pünktlich zum Abgabetermin, Unterlagen bei der DFL-Zentrale abgeben zu können, die uns doch noch die so erhoffte Lizenz ermöglicht. Es war irgendein Achtel- oder Viertelfinalspiel der englischen Nationalmannschaft. Und es war der Samstag vor dem alles entscheidenden Montag, der von der DFL als letzte Frist für das Lizenzierungsverfahren bestimmt wurde. Wir saßen im Frankfurter Westend im English Pub. Wir, das waren verzweifelte Eintrachtfans und Axel, Vize des Vereins, der zu diesem Zeitpunkt mehr Panik vor der angekündigten Fan-Demo am folgenden Tag auf dem Römer, als vor dem Gang zur DFL am Montag hatte. "Jungs, es fehlen nur noch Zusagen für wenige tausend Euro, dann haben wir die Lizenz. Falls Ihr morgen am Römer seid, beschwichtigt dort die Fans. Nicht dass es dort zu unschönen Szenen kommt... - die Lizenz ist sicher!" Um uns herum hunderte von englischen Gastarbeitern, die Tod und Teufel schwitzten. Uns war das, was über die Fernseher aus dem fernen Asien übertragen wurde, so ziemlich schnuppe. In Frankfurt steht es 4:3...
Während der Typ links neben mir mittlerweile alle Schlagerhits von Karel Gott und Vicky Leandros rauf und runter beten kann, schien meine zweite, ach was sag ich, vierte Informationsquelle zu verstummen. Rechts von mir stehen ein paar Jungs - ich vermute Hannover 96 oder Wolfsburg-Fans, geben sich aber, rein aus Selbsterhaltungstrieben, nicht als solche zu erkennen - die durch Freunde, die sich den letzten Spieltag auf Premiere anschauen, per SMS über die Ergebnisse aus den anderen Stadien informiert werden. Ich brauche sie nicht zu fragen, es genügt ein verzweifelte Blick in ihre Richtung. "Nee, noch nichts aus Frankfurt gehört (...)" In Frankfurt steht es 4:3...
Die Bombe schlug ein! Ausgerechnet die im Vorfeld als wasserdicht angesehene HELABA-Bürgschaft, sorgte für Misstrauen bei den DFL-Funktionären und diente als Begründung für den "endgültigen" Lizenzentzug! Schock! Wir standen ziemlich gelackmeiert und mit leeren Händen da! Die Lizenz war doch sicher? Wieso jetzt doch nicht? Das gibst doch nicht! Wo ist die nächste Autobahnbrücke? Es folgte ein, für nicht Eintrachtfans, bestimmt unterhaltsames Gerichtsmarathon. Für uns, für die diese schwarzweiße Fahne mit dem roten Adler in der Mitte ungefähr den Stellenwelt einnimmt, wie für die christliche Welt das Abbild der Jungfrau Maria, war das allerdings überhaupt nicht unterhaltsam. Es war ein Albtraum! Ein Albtraum, in dem wir von grässlichen DFL-Monstern mit ihren furchteinflößenden Fratzen getreten, bespuckt und gedemütigt wurden. Gut nur, dass das Drehbuch für diese schlaflosen Nächte offenbar in Hollywood zu Papier gebracht wurde! Anders ist es nicht zu erklären, dass auf einmal, scheinbar aus dem Nichts, ein brillentragendes immerzu grinsendes Wesen - wir nennen es der Einfachheit wegen mal Schickhardt - mit den großen, zu Paragraphen geformten Schwertern, die Ungeheuer aus der Otto-Fleck-Schneise und der Münchner Vorstadt in die Knie zwang! Die Nachricht vom Schiedsspruch, der uns die Lizenz dann doch noch unverhofft einbrachte, erreichte mich damals in ... Braunschweig! Da wusste ich natürlich noch nicht, dass sich der Kreis gut zehn Monate später genau dort wider schließen sollte. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich werde angeschrieen, gerüttelt und getreten, die Jungs neben mir erhielten gerade eine SMS: Frankfurt führt 5:3! FRANKFURT FÜHRT 5:3!!! Kurz nachgerechnet, reicht nicht. Das Lebensbejahende war in mir schon längst erloschen... Nun bestätigt es auch der Stadionsprecher, während die Mannen, die gerade noch ein Auswärtsspiel mit 4:1 für sich entscheiden konnten, im Mittelkreis verzweifelt in ihre rotweißen Trikots beißen, hochoffiziell "In Frankfurt läuft das Spiel noch in der Nachspielzeit. Dort steht es 5:3 für Frankfurt. Wir informieren sie umgehend, wenn das Spiel dort beendet ist" Der Fußballgott ist echt ein Komiker. 5:3! Ein Ergebnis, dass in jedem Eintrachtfan seit 44 Jahren höchste Glücksgefühle auslöst. 5:3, das bisher geilste aller geilen Ergebnisse! Und nun? Für was steht nun das 5:3? Für tragisches Scheitern! Das große 5:3 von den Pfaffs und den Sztanis bis in alle Ewigkeit hinweggefegt durch so ein profanes, belangloses, unbedeutendes 5:3, das in Zukunft nur noch dafür steht, am letzten Spieltag den Aufstieg gegen einen Absteiger in die Amateurklasse jämmerlich vergeigt zu haben. In Frankfurt steht es 5:3...
Lizenz gerettet, aber einen Trainer, der seit zwei Jahren aus dem Geschäft war und eine Truppe, teils zusammengesetzt aus der enttäuschenden Eintracht-Truppe des Vorjahres und der aufs Abstellgleis geschobene Spieler anderer Vereine. Wir konnten froh sein, überhaupt noch im Kicker-Sonderheft als Mannschaftsfoto aufgeführt zu sein. Klar, eine große siegreiche Saison war nicht zu erwarten. Kampf gegen den Abstieg, gerade bei diesem Auftaktprogramm gegen drei aus der Bundesliga abgestiegenen Mannschaften aus Pauli, Freiburg und Köln, gerade mal kurz unterbrochen von dem Spiel gegen die ambitionierten Fürther. Nach dem vierten Spieltag stehen wir immer noch mit null Punkten da. Es wurden neun! Einzig in Köln verloren wir, trotz der meiner Ansicht nach besten Saisonleistung. Wir überwinterten auf einen Aufstiegsplatz! Ein Wunder! In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre auf die Braunschweiger Videowand, die Protagonisten auf eben dieser, kleben mit ihren Augen an den Monitoren, die auf den Anstoßkreis des Spielfeldes getragen wurden. Auf diesen Monitoren scheint die vom Stadionsprecher angesprochene Nachspielzeit in Frankfurt zu laufen. Oh Gott, Naheinstellung von Thurkdusau. Gleich wird er mit geballter Faust laut schreiend auf die Blöcke seiner Fans zurennen, wird sie abklatschen, küssen, auf den Zaun den Affen machen. Und wieso? Nur weil der Pole in Oberhausen das verdammte leere Tor nicht traf! Was mach ich hier? Wieso bin ich nicht schon längst an die nächste Bierbude und sauf mich besinnungslos (das Bier in Braunschweig war immerhin alkoholhaltig). So besinnungslos, dass ich ein Jahr ins Koma falle, danach kurz die Augen öffne, um mich zu vergewissern, dass die Eintracht endlich wieder auf- und Thurkdusau als Lachnummer der 1. Liga wieder abgestiegen ist. Es geht nicht. Mein Geist will zwar, mein Körper aber nach den vier Toren von Auer längst zu Salz erstarrt. Ich beschließe an dem Platz, von dem ich regungslos das Geschehen im Stadion wahrnehme, zu sterben. Hoffentlich weiß meine Frau, dass ich dort nicht auch noch beerdigt werden will! Sondern unter dem Tor meine letzte Ruhe finden will, auf das Holz sein Sitzkopfballtor gegen Bukarest, Schaub (Legenden sterben nie!) das Siegtor gegen Gladbach, Binz das 2:0 gegen Saarbrücken, Jay Jay sein Weltklassetor gegen Kahn und überhaupt die Eintracht alle fünf Tore gegen Kaiserslautern erzielte. Hoffentlich weiß das meine Frau, denn ich vergaß meinen letzten Willen im Testament festzuhalten. In Frankfurt steht es 5:3...
Es ist ja nun wirklich keine traditionsreiche Auseinandersetzung. Dazu gab es das Duell in der Vergangenheit gegen Mainz einfach zu selten. Tradition hat allenfalls die Schiffstour zur Bruchbude. Innerhalb der illustren Reisegruppe, die diesmal zum vermeintlich entscheidenden Spiel um den Aufstieg über den Main schipperte, war klar, wer nach dem Spiel auf einem Aufstiegsplatz steht, der steigt auch auf. Dazu würde uns das Standard-Ergebnis reichen. Ein Unentschieden. Danach sah es auch lange Zeit aus, bis auf einmal, es war wohl in der 89. Minute, der Schiri auf Freistoß für Mainz entschied. Ausgeführt, Nikolov lässt abprallen, Auer zur Stelle, Entsetzen! Pures Entsetzen! Nächstes Jahr Regensburg, Burghausen und Unterhaching. Das nächste Heimspiel, 4:1 gegen Mannheim, nahm ich eigentlich nur noch Schulterzuckend zur Kenntnis. Vielleicht hilft uns ja ein Wunder, am besten schon beim Mainzer Gastspiel in Ahlen! Aber so wie die Rückrunde bisher für uns verlief, insbesondere bei den Heimspielen, steigt dann wohl eher Fürth auf. Andere, beispielsweise ein gewisser Jens, sah die ganze Sache durchaus positiver. Er rief auf der Eintracht-Internetpage dazu auf, man möge Werner "Beinhart" Lorant mit Tonnen von Äppler eindecken, wenn seine Jungs den Sieg gegen den Karnevalsverein erringen. In einem dramatischen Spiel schafften sie es tatsächlich! Ehrensache, dass Lorant nun das gude Stöffche zu bekommen hat. Mit 40 Kisten Possmann fuhren wir nach Ahlen. Auf der Ahlener Geschäftsstelle war man sichtlich begeistert, dass wir unser Wort gehalten hatten. Selbst Lorant, der gewöhnlich nur grimmig dreinschauend seine Umwelt zur Kenntnis nimmt, war, untermalt durch ein Lächeln (!), hocherfreut beim Anblick der Lieferung! Die Ahlener Spieler unterstrichen für uns glaubhaft, dass sie schon vor ihrem Spiel von der Äppler-Aktion erfahren hatten, die richtige Motivation, um uns Schützenhilfe zu leisten. Sie werden, abzüglich der zwei Kisten, die Lorant für seine "Schwiegermutter" im Kofferraum seines SLK verschwinden ließ, nach einem erfolgreichen Spiel in Mannheim, den Äppler auf der Rückfahrt genüsslich leeren. Lorant unterdes, stellte uns gegenüber klar, was er von seinem Kollegen aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt hält: "Der Klopp? Der ist doch Offenbacher!" In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre schon eine halbe Ewigkeit auf diese verdammte Videotafel. Auf einmal, was war das? Was ist denn jetzt los? Bin ich jetzt ein Opfer von Halluzinationen??? Klopps Gesicht erklärt eigentlich alles, ich vermag es aber nicht zu interpretieren. Andere brechen in sich zusammen! Mein Gott... Ist es möglich? Blick auf die Mainzer Blöcke - Stille! Absolute Stille!!! Ich träume, da ich wohl schon unbemerkt sanft erschlummert bin und befinde mich nun ganz offensichtlich in Andy im Wunderland. Gleich werden weiße Kaninchen und Skatkarten über das Spielfeld feixend tanzen und eine unsichtbare Grinsekatze mir die Stinkekralle zeigen, um deutlich erkennen zu geben, dass ich mich mittlerweile in einer anderen Realität befinde. ****! Wie steht es in Frankfurt???
In meinen Freundeskreis erntete ich bestenfalls Kopfschütteln gepaart mit ungläubigen Blicken (in etwa der Art, als wenn man behaupten würde Napoleon zu sein und bei nächster Gelegenheit Wellington in seinen fetten britischen ***** treten wolle), als ich - durchaus zögernd - meinen Entschluss preis gab, dass ich beim letzten Saisonspiel der Eintracht gegen Reutlingen nicht im Waldstadion anwesend sein werde. Zumindest nicht physisch.
Es war aus familiären Gründen bereits länger geplant ausgerechnet an diesem Wochenende, an dem dummerweise der letzte Spieltag in den Fußball-Bundesligen anstand, in Norddeutschland zu sein. Normalerweise würde mir das natürlich nicht passieren, aber unglücklicherweise ist mir die absolute Unkenntnis des Spielplanes zu eigen. Das geht sogar so weit, dass mir öfters auf dem Weg ins Stadion nicht immer ganz klar ist, gegen wen die Eintracht eigentlich spielen wird (erstaunlich genug, dass ich überhaupt weiß, dass die Eintracht spielt...). Bei Auswärtsspielen habe ich dieses Problem Gott sei Dank nicht. Denn Pferd ruft mich meist rechtzeitig an, ob ich am soundsovielten für das Spiel beim Wasweißichwem noch Karten bräuchte. Nun, erst bei der Urlaubsabsprache im Büro, wurde mir das ganze Dilemma bewusst "Bist Du gegen Reutlingen nicht da???" Schwitz, ausgerechnet gegen Reutlingen nicht da? Nein, kann ja wohl nicht sein! Wird auch nicht sein! Ich setze mich am Sonntag in den ICE und fahr zum Spiel in Frankfurt ein. Damit war für mich das Thema erledigt! Erledigt? Spielt da nicht noch Braunschweig gegen den Karnevalsverein? Bin ich nicht zufälligerweise an diesem Tag in Braunschweig? Schwachsinn! Was soll ich da? Erledigt!
Spätestens nach dem Spiel in Oberhausen war klar, dass das für mich nach dem Mainz-Spiel Unvorstellbare Realität wurde. Wir haben es am letzten Spieltag selbst in der Hand! Und diese Saison begann eigentlich schon mit einem Happyend! Ein Happyend, von dem ich erfuhr, als ich in Braunschweig war. Und jetzt könnte die Steigerung eintreten. Keinen Gedanken daran verschwendet, nicht bei der Eintracht zu sein! Seit dem ich zur Eintracht gehe, war ich bei allen entscheidenden Spielen im Stadion, ob UEFA-Cup, DFB-Pokal, Spiele gegen den Abstieg, um den Aufstieg, Relegation usw. Und jetzt? Bin ich komplett wahnsinnig oder einfach nur total abergläubig??? Beides schließlich Eigenschaften, die ja bekanntlich ziemlich untypisch für einen Fußballfan sind...
Bis Mittwoch vor dem Spiel war ich sicher, dass ich in Frankfurt sein muss - orderte aber schon vorher auf Verdacht bei Freunden eine Karte für das Braunschweig-Spiel. In der schlaflosen Nacht zum Donnerstag stand mein Entschluss fest. Wenn ich in Frankfurt bin, vergeigen wir den Aufstieg... Die Saison begann mit meiner Anwesenheit in Braunschweig, also muss sie dort auch enden! Alles wird gut!
Am Spieltag im Stadion angekommen, gaben sich doch einige Leute als Fans der Frankfurter Eintracht zu erkennen. Meist aus der näheren Umgebung (wir sind überall!), die keine Karten mehr für das Reutlingen-Spiel bekommen haben. Einige kamen allerdings direkt aus Frankfurt, welche Intention die hatten in Braunschweig zu sein, blieb mir allerdings unklar. Waren die etwa auch bei der Lizenzentscheidung in Braunschweig? Keine Ahnung. Ein Fan, aus Frankfurt "Bernem", hatte, so meinte er zumindest, einen direkten SMS-Draht zu Lizenspieler-Betreuer Falkenhain (!!!). Ohne mir darüber nähere Gedanken zu machen, wie Falkenhain es von der Spielerbank in Frankfurt bewerkstelligt, ihn mit einem SMS-Ergebnisdienst zu versorgen, erklärte ich ihn kurzerhand zu meiner ersten Informationsquelle. Er war später glücklich, dass meine zweite Informationsquelle, nämlich der direkte Handykontakt zu mehreren Leuten im Waldstadion, zumindest noch in der ersten Halbzeit halbwegs funktionierte. So war er wenigstens auch über die Zwischenstände aus Frankfurt informiert...
Das Braunschweiger Stadion platzte natürlich aus allen Nähten. Die ganze Stadt trug an diesem Tag blaugelb! Es herrschte die Zuversicht, dass die Mainzer geschlagen und der Klassenerhalt gemeistert werden kann. Einziges Unbehagen herrschte über den Spielausgang in Karlsruhe. Für den Ligenverbleib der Braunschweiger war eine Niederlage des KSC zwingend notwendig. Aber man hoffte, dass sich die Fürther schon nicht hängen lassen werden. Nun, das sorgte natürlich bei mir für ein flaues Gefühl im Magen, denn wenn meine Eintracht so ein blödes Unentschieden gegen Reutlingen präsentiert, und bei den ganzen Remis im Waldstadion während der Rückrunde, war das ja durchaus im Bereich des Möglichen, wären die Fürther der lachende Dritte...
Beim Einlauf der Mannschaften, bot sich für mich ein doch durchaus ungewohntes Bild. Denn war ich es bisher gewohnt, dass Choreos meist ihren Mittelpunkt in den Fanblöcken haben, fand diese in Braunschweig auf der Haupt- und Gegentribüne, nicht aber in der Eintrachtfan-Kurve statt! Es sollte nicht der einzige Aha-Effekt an diesem Spieltag bleiben.
Nach wenigen Minuten schien bereits alles nach Plan zu laufen! Nach der frohen Kunde aus Frankfurt, dass es 1:0 steht, erzielten die Braunschweiger ein Tor. Während ich realisieren musste, dass das Tor, wieso auch immer, nicht gegeben wurde, erreichte mich zeitgleich das 1:1 für Reutlingen... Kurze Zeit später das Führungstor durch (ich nenn ihn jetzt nur einmal, dann nie wieder) Auer. Erster Schock, aber eigentlich noch nichts passiert... Der zweite Schock saß deutlich tiefer, als die Mainzer nach knapp 20 Minuten mit 2:0 davoneilten. Von der Braunschweiger Eintracht sah man nichts mehr. Die Braunschweiger Fans um mich herum, konnten sich auch nicht so recht daran erinnern, wann ihre Truppe das letzte Mal drei Tore im heimischen Stadion erzielte. Die Messe war, zumindest in der Abstiegsfrage, für den norddeutschen Traditionsverein gesungen... Ich flehte alle mir bekannten Götter an, dass sie sich jetzt nicht noch abschlachten lassen. Aber genau das passierte in der zweiten Halbzeit! In Kenntnis über die 3:1-Führung der Adlerträger, spielte sich das Geschehen nur noch vor dem Braunschweiger Kasten ab. Die Braunschweiger Fans, bewusst geworden, dass der Abstieg besiegelt schien (mittlerweile führte auch der KSC), interessierten sich fortan nur noch für die Aufstiegsfrage. Im gesamten Stadion, mit Ausnahme bestimmter Blöcke, wurde lautstark "Und ihr, steigt sowieso nicht auf!" gesungen, ach, eigentlich fast schon gebrüllt!
0:3 und keinen Handy-Kontakt mehr nach Frankfurt! Die Reutlinger Tore blieben mir aber dennoch nicht verborgen, da diese durch die Reaktion der etwa 2.000 Mainzer mir ganz persönlich kund getan wurden... 0:4 und zusätzliches zweimaliges Jubeln in der Faschings-Kurve. Ich sackte zusammen. Weltuntergang. Um mich herum tobte die blaugelbe Masse! Es stand 0:4 und es verließ nicht ein Mensch das Stadion! Nicht mal ich, wobei ich dazu allerdings auch körperlich nicht mehr in der Lage war. Die Braunschweiger, und zwar alle (!!!), feuerten ihre Truppe an, standen ohne Ausnahme bei "Steht auf wenn ihr Löwen seid" und zeigten den Mainzern verbal auf, wer bisher Fußballgeschichte geschrieben hat: "Nie Deutscher Meister, ihr wart noch nie Deutscher Meister!". Immer wieder peitschte es aus allen Kehlen "Eintracht, Eintracht!" Wenn ich mit meinen Gedanken nicht schon sonst wo gewesen wäre, hätte ich aufgrund der Stimmung bei DIESEM Spielstand schon längst mein Gänsehaut-Feeling gehabt! Es ging mir aber am ***** vorbei...
Zu unrecht, wie sich aber erst später noch herausstellen sollte. Über 20.000 Braunschweiger forderten von ihrer Mannschaft lautstark "Und zum Abschied, schenkt uns noch ein Tor!" Das Tor, das ich eigentlich gar nicht mehr richtig zur Kenntnis nahm, weil es mir einfach nur noch egal war, fiel tatsächlich! Und es wurde gefeiert wie die Deutsche Meisterschaft! Erst Stunden später erfuhr ich, dass dieses - für mich zu diesem Zeitpunkt völlig unbedeutende - Tor in Frankfurt Signalwirkung hatte...
Nun schaue ich fassungslos auf das Spielfeld. Klopp stürmt Richtung Haupttribüne in die Katakomben. Spieler in rotweißen Trikots fallen wir vom Blitz getroffen in sich zusammen. Der Mainzer-Präsident heult auf dem Boden sitzend hemmungslos. Irgendwie, ganz langsam, fang ich an zu begreifen! Es muss das Unvorstellbare passiert sein! Aber der Stadionsprecher meldet nichts aus Frankfurt... Verdammt, was ist los? Ich erwache aus meiner Lethargie, stehe auf, taumel zum Zaun. Um mich herum ratlose Gesichter. Ich begreife immer mehr, so feiert man keinen Aufstieg! Nicht mal die Mainzer! Dann die ersten Rufe hinter mir "SECHSZUDREI! 6:3!!!". Ich traue dem nicht. Ich will dem nicht trauen. Immer mehr Gebrülle hinter mir: "Das gibt's nicht, die Frankfurter haben es gepackt!!!". Die ersten Braunschweiger stürzen auf mich zu, gratulieren mir, umarmen mich, tanzen mit mir "Ihr seid aufgestiegen!!!" Ich reiße mich los, renn wir ein Irrer durch den Block, mindestens 750 Kilometer in Sekundenbruchteilen! Die Braunschweiger fallen unterdessen auf alles was Frankfurt-Trikots an hat freudestrahlend ein. Ich häng am Zaun, lieg am Boden, heule, schreie, bin einfach nur überwältigt! Stammel vor mich hin, das gibt's nicht, das gibt's nicht, das kann doch nicht, nein, das glaub ich nicht, WAHNSINN!!! Ich flehe mein Handy an! Kein Durchkommen nach Frankfurt, nur die blöde Mailbox an! Es muss wahr sein, es kann nur wahr sein, ja, ich will jetzt einfach, dass es wahr ist!!! WIR SIND AUFGESTIEGEN! Ich klettere auf den Zaun und schreie es in Richtung Mainzer Kurve. Renne aus dem Stadion raus und wieder rein, wieder auf den Zaun, über den Zaun, renne in das Tor, in DAS TOR! Erkläre es heilig, klammere mich ans Tornetz, schreie, jubel, tanze. Um mich herum bemerke ich aus dem Augenwinkel die panischen Ordner. Egal, sollen sie mich abführen und mir für die nächsten hundert Jahre Stadionverbot erteilen, ich habe jetzt meinen ganz persönlichen Platzsturm! Aber sie interessieren sich überhaupt nicht für mich. Um mich herum sind bereits einige hundert Braunschweigfans auf dem Platz. Sie feiern. Keine Ahnung was. Ihren Abstieg, unseren Aufstieg? Egal! Weitere tausend sind gerade dabei die Fluchttore zu stürmen und wenige Augenblicke später auch auf dem Platz! Verbrüderungsszenen zwischen Frankfurter und Braunschweiger Eintrachtfans an der Stelle, wo wenige Minuten zuvor Mainzer Spieler ins Tal der Tränen stürzten. Erst jetzt schießt es mir durch den Kopf: Was, was, um alles auf der Welt, muss eigentlich in Frankfurt jetzt gerade abgehen, und vor allem, was ist da eigentlich passiert??? War da überhaupt noch irgendwer im Stadion, oder setzte nach dem 3:3 die große Flucht aus dem Stadion ein? Wer erzielte wann die Tore? Läuft am Ende noch das Spiel und die Reutlinger schießen in diesem Augenblick das vierte Tor??? Schwachsinn! Wir haben es geschafft!!! JAAAAAAAAAAAAAA!!!
Was tun, wenn die Zeit bis zum Anstoß nicht rum gehen will ? Jermainator weiß Rat:
Empfehlung: Zeitplan bis Samstag, 15.30 Uhr
von Jermainator / 22.04.04 09:26
Ok, der Tag gestern stand ganz im Zeichen von lebhaften Diskussionen über potentielle Neuzugänge, denkbare Abgänge, Trainer- und Taktikfragen und aufgeregter Nervosität.
Doch nun ist es soweit, der Samstag rückt näher und der Vorhang geht auf für ein neues Kapitel der beliebten Serie „Das Wunder vom Main“. Der Spezialist in Sachen spannende Entscheidung wird sich gewissenhaft auf ein zunächst vorentscheidendes Spiel vorbereiten und die Verantwortlichen haben die letzten Stunden vor dem Spiel sorgfältig geplant.
Grund genug, liebe Freunde, dass auch wir uns Gedanken über die Spielvorbereitung machen: ------------------------------------------------ Freitag, 23.04.04
10.00 Uhr: Aufruf der Seite www.sge4ever.de , mit voll aufgedrehten Lautsprechern hören wir uns das Aufstellungsintro mit integrierter Radioberichterstattung vom 6:3 an. Wir schließen dabei die Augen und freuen uns darauf, Ähnliches schon wieder erleben zu dürfen. Es folgen so viele Wiederholungen, wie notwendig sind, dass uns Tränen des Glücks aus den Augen schießen. Geduld haben, da wir uns noch im Stadium des Zweifelns befinden.
11.00 Uhr: Wir checken, ob die Karten fürs HSV-Spiel noch am Aufbewahrungsort liegen. Ja? Alles ok, ein leichter Kuß auf das Ticket der Glückseligkeit. Nein? Wir rufen uns die Seite www.hsv.de auf und folgen der Beschreibung zum Online-Ticketing und bestellen uns genau zwei Karten mehr als wir brauchen. Wir werden damit zwei Freunde unendlich glücklich machen und in den Himmel kommen. Aufkommende Zweifel daran können mit einem ersten Weizen gemildert werden. Alternativ Äppler erlaubt.
12.00 Uhr: Wir gucken mal im Forum vorbei. Es herrscht nicht die beste Stimmung. Wir schreiben erstmal nix.
12.05 Uhr: Wir drehen die Stereoanlage auf und hören uns die CD mit dem 5:1 und dem 6:3 an. Zwischen den ca. 15 Wiederholungen spielen wir die Stadionlieder der vergangenen Jahre. Sobald unser Körper ein gefühltes Extremdoping wahrnimmt, können wir wieder ins Forum schauen.
15:00 Uhr: Wir schreiben einige Postings. Wir fühlen uns frei und schweben auf einer Wolke aus Hoffnung, Zuversicht und Verdrängung. Nicht alle sind unserer Meinung. Wir verstehen das zunächst nicht.
16:00 Uhr: Wir bestellen Wolfburg-Tickets.
17:00 Uhr: Die Wirkung lässt nach. Wir bemerken, dass wir an Reimann zweifeln, kritische Gedanken plagen uns. Zeit für Weizen (Äppler).
17:00 Uhr: Zu viel Realismus holt uns auf den Boden zurück. Wir bewahren noch die Fassung, klinken uns aus und begeben uns zum DVD-Player (Video-Recorder). Wir haben das Essen bisher vergessen und rufen beim Pizza-Service an. Wollen eine Pizza Schwarz-Weiß-Rot. Gibt’s nur mit Oliven. Wir hassen Oliven. Wir wollen keine Pizza.
17.30 Uhr: Wir gucken die Aufzeichnung des Spiels Eintracht-Kaiserslautern. Nach dem 5:1 rufen wir den Pizza-Service an und bestellen die Pizza. Wir lieben Oliven, denn sie beinhalten eine der Farben unserer Eintracht.
19.45 Uhr: Die Pizza kommt. Wir essen, hören dabei Stepis „zuletzt lacht“-Song. Als Peter Maffay sein Eintrachtlied summt, kommen wir zum Pizzateil mit Oliven. Nun wird’s schwierig. Wir klingeln kurz beim Nachbarn. Er soll Schur imitieren. Wir ziehen die Schuhe aus und stellen die Aufstiegsfeier nach. In einer Hand der Schuh, in der anderen die Olivenpizza. Ok, das klappt. Ab jetzt folgen keine Getränke-Empfehlungen mehr. Individuelle Levelerreichung wird empfohlen.
20:25 Uhr: Nachbar imitiert nun Zampach. Igitt, wir werfen ihn raus. (jaaaa, Tani – auch du!)
20.30 Uhr: Im Forum versteht uns zunächst niemand. Wir holen diesen Thread hervor und fordern auf, sich exakt daran zu halten.
20.45 Uhr: Keiner mehr im Forum. Video läuft vom Reutlingenspiel. Alle meditieren und prägen sich jede Spielszene des 6:3 ein. Immer wieder haltet ihr inne, um euch zu fragen, wie so etwas möglich sein kann. Wo die Hoffnung doch schon gewichen war.
21.35 Uhr: Halbzeit. Volles Rohr Eintrachtsongs. Geiles Gefühl. Andere Nachbarn klingeln wg. Lärm. Sind Mainzfans. Wir halten Papiertaschentücher bereit und trösten, dass man Platz 4 in dieser Saison noch erreichen kann.
23.00 Uhr: Haben das vollständige Spiel erlebt und noch ein wenig gefeiert. Ups, sehr laut. Polizei kommt. Typ ist OXC-Fan. Hatten noch Taschentücher übrig und trösten, dass man in der Oberliga doch viel bessere Platzierung erreichen könne.
23.25 Uhr: Wir bestellen die Hannover-Tickets.
23.30 Uhr: Forum. Mh, nicht alle halten sich an die Empfehlungen. Kritik kommt auf, man dürfe nicht so tun, als ob Friede, Freude Eierkuchen herrsche. Eierkuchen? Klingeln bei der süßen kleinen Blonden schräg gegenüber. Macht uns einen Eierkuchen mit Marmelade, Mozzarella und…mist, hat keine Oliven da. Nehmen Lakritze. Geht auch, aber nur, weil sie uns das Eintracht-Tattoo auf ihrem Busen zeigt. Sie bietet uns interessante Dinge an. Hat aber nix mit der Eintracht zu tun. Wir lehnen ab und gehen wieder.
Samstag, 24.04.
00.10 Uhr: Forum. Ja, es herrscht Friede und Freude. Der Eierkuchen wurde auch abgehandelt. Wir freuen uns gemeinschaftlich auf einen tollen Fußballtag.
02.00 Uhr: Wir gehen ins Bett und träumen von den Wundern der Vergangenheit.
03.00 Uhr: Wir pinkeln und treffen genau den OXC-Aufkleber.
05.00 Uhr: Wir träumen von den Wundern der Zukunft. Mein Gott war das Tor in Hamburg geil.
08:00 Uhr: Pizza und Eierkuchen muss raus. Gucken uns das Ergebnis an. Der Aufkleber guckt kaum noch raus. Sieht irgendwie schön aus. Lachen: „Haha, in Oxxenbach ist die Kacke am Dampfen“
10:00 Uhr: Wir träumen von Wundern der fernen Zukunft. Mein Gott war das Tor gegen Real geil.
11:00 Uhr: Aufwachen, duschen, Abmarschbereitschaft herstellen. Nochmal visuelles und akustisches Doping. Zwei Stunden lang Video-/DVD-/CD-Studium um uns zu pushen.
13:30 Uhr: Ankunft Gleisdreieck. Gelächter. Nicole und Tani erzählen, sie haben sich exakt an die Empfehlung gehalten und dabei für sie seltsame Erfahrungen gemacht. Kurvenfan, Raideg und Schwanheimer gestehen, sie hätten sich jedes Mal aufs OXC-Emblem im Klo übergeben müssen. Es stellt sich heraus, dass es mehreren so ging. Basaltkopp ist traurig, er hat im Westerwald keine Nachbarin gefunden, die ihm Eierkuchen macht. Tani tröstet ihn und hat noch ihren Eierkuchen dabei. Sie sagt, sie hätte keinen Bissen herunterbekommen, als ihre Nachbarin ihr das Busen-Tattoo zeigen wollte.
14:50 Uhr: Alle sind glücklich. Erikeasy und Basalti tanzen Samba miteinander.
14:55 Uhr: Stadion. Die Stimmung ist wahnsinnig geil. Die Mannschaft macht sich warm und man merkt ihr wieder das Feuer an.
Noch nie standen die Meister fast aller europäischer Top-Fußballligen so früh fest wie diesmal - bevor es überhaupt spannend wurde. Ein Fall entweder fürs Kartellamt oder für ein Abschieben der Monopolsieger.
Eindeutig marktbeherrschend. Karl Marx hatte doch Recht. Der Kapitalismus tendiert zu gräuslichen Monopolbildungen, die den Markt außer Kraft setzen. Verschätzt hat sich Marx nur darin, dass das erst in den ersten Wochen 2006 unerträgliche Ausmaße annehmen würde - seit feststeht, dass Bayern München seinen Monopolanspruch auf die deutsche Fußballmeisterschaft diesmal schon zur Saison-Halbzeit umsetzt.
Der weltgrößte Wettanbieter Betfair hat daraufhin diese Woche angekündigt, dass er ab sofort keine Wetten mehr auf die Bayern annimmt und den Verein wegen Überlegenheit aus dem Wettbewerb holt. Kapitalismus kaputt.
Der Schritt hat etwas Hochsymbolisches. In sämtlichen europäischen Topligen stehen kurz nach der Winterpause die Meister so gut wie fest, bevor es ansatzweise spannend werden konnte. Entscheidend war immer das akkumulierte Kapital. Tendenz steigend. Da hilft nach bewährter bundesdeutscher Manier nur noch das Kartellamt - oder die rasche Ausweisung bayerischer Großgeldklubs nach Europa. Viel Spaß dort.
Zehn Punkte Vorsprung haben die Bayern derzeit auf den Zweiten der Bundesliga, bis Platz vier sind es schon 15 Punkte. In Italien heißen die Bayern Juve, die Turiner deklassieren die Pseudokonkurrenz um 12 und 16 Punkte. In Frankreich demütigt Lyon den Rest, und auf der Insel hält Chelsea die Laufkundschaft mit 21 Punkten bis Platz vier zum Narren. Nur Spaniens FC Barcelona täuscht seit zwei Spieltagen Schwäche vor und wiegt die ausgebeutete Restliga vorübergehend in der Illusion, dass doch noch was Spannendes passieren könnte.
Monopolkapitalistische Spitzenreiter
Das Schlimme ist, dass die Chancen der anderen derzeit mit jeder Spielzeit weiter zu schwinden scheinen. In der Bundesliga hat es kein einziger Aufsteiger der vergangenen zwei Jahre in die erste Tabellenhälfte geschafft; sie belegen zurzeit sechs der acht letzten Plätze. Und was dahintersteckt, liegt nahe. Die designierten monopolkapitalistischen Spitzenreiter der europäischen Topligen sind auch die, die in ihren Ländern mit Abstand die teuersten Spieler akkumulieren.
Nach der am Donnerstag veröffentlichten 2005er Rangliste der geldgrößten Fußballvereine der Welt stehen Bayern, Barça, Chelsea und Juve alle weit vorne. Wie die neue Auswertung der Unternehmensberatung Deloitte ergab, machen diese großen vier mit je 190 bis 230 Mio. Euro mittlerweile doppelt so viel Umsatz wie selbst unmittelbar folgende Konkurrenten à la Schalke. Geradezu hinreißend, wenn Bayerns Manager beklagen, dass sie zu wenig Geld haben.
Von wegen. Nach deutschem Kartellrecht liegt eine gefährliche Marktbeherrschung vor, wenn ein Unternehmen "keinem wesentlichen Wettbewerb" mehr ausgesetzt ist. Das trifft hier eindeutig zu. Ab einem Drittel Marktanteil gilt sogar die Monopolvermutung. Die Bayern haben mehr als 80 Prozent aller Spiele der laufenden Saison gewonnen, 70 Prozent aller Meisterschaften der vergangenen zehn Jahre und 100 Prozent der großen deutschen Titel 2005. Und sie verwalten immerhin fast 20 Prozent der geschätzten Transferwerte sämtlicher Bundesligaspieler; in Spaniens Primera Division beschäftigen die ersten drei sogar das halbe Humankapital der insgesamt 20 Vereine.
In Amerika werden derart monopolisierende Konzerne einfach zerschlagen. Das wäre vielleicht ein bisschen hart, mit nur noch sechs Feldspielern würden selbst die Bayern Konditionsprobleme bekommen. Eine andere Variante wäre, den Verein nach Bundeskartellamts-Tradition einfach mit ein paar Auflagen zu belegen. Etwa so: Der Erste muss, wenn er während der Saison eine näher zu definierende Übermachtstellung erreicht, seinen teuersten Spieler automatisch an den Tabellenletzten abgeben. Dann müsste Michael Ballack jetzt zum 1. FC Köln, statt womöglich zu den Altherrenstars von Real Madrid, wie seit Monaten gemunkelt wird.
Absehbar ist, dass die Bayern spätestens dann allerdings wieder zu jammern anfangen, dass sie mit solchen Hindernissen und ohne die freiwillige finanzielle Selbstaufgabe der deutschen Ligakonkurrenz überhaupt nicht mehr mit der noch viel reicheren Konkurrenz auf europäischer Topebene mithalten können (weshalb sie ja unbedingt auch noch mehr TV-Gelder brauchen). Das geht natürlich auch nicht.
Keine Karnevalskonkurrenz mehr
Bliebe noch als Ausweg, die Marktdefinition zu erweitern und die Bayern hochachtungsvoll nach Europa abzuschieben. Europas Topvereine könnten ihre eigene Liga gründen, dort mit jeweils ähnlich dreistelligen Millionen-Budgets Woche für Woche in einer eigenen Meisterschaft gegeneinander antreten und am Ende einen Supermeister ermitteln. Die Letzten der Tabelle würden am Ende jeweils in ihre nationale Liga absteigen, während der dortige Meister dann in die Euro-Liga aufsteigt, so ähnlich wie das in Deutschland, sagen wir, zwischen Regional- und Oberliga ja auch praktiziert wird.
Der Vorteil für Bayern wäre, dass sie sich erstens nicht mehr anhören müssten, sie würden ohnehin immer Meister. Zum Zweiten bräuchten sie ihre Wochenenden nicht mehr bei Karnevalsvereinen zu verbringen. Umgekehrt könnten vielleicht sogar Schalke und Leverkusen deutsche Meister werden und müssten nicht mehr sinnlos Tore vor sich hin schießen.
Könnte sein, dass Bayern-Anhänger dann vorübergehend psychologische Betreuung brauchen - wenn Herr Kahn sich künftig in der zweiten Tabellenhälfte festsetzt. Oder mit Chelsea auch mal gegen den drohenden Abstieg spielt.
Für den Rest der Welt wäre selbst das in jedem Fall die schönere Perspektive. Der Verkrustungstrend zum Einheitsmeister ist nicht nur fußballerisch langweilig, sondern auch stark systemgefährdend. Mit oder ohne Marx: Auch die DDR hat sich damals immerhin aufzulösen begonnen, nachdem dort der Berliner FC Dynamo 1988 im zehnten Jahr in ununterbrochener Folge Fußballmeister geworden war."
Thomas Fricke ist Chefökonom der Financial Times Deutschland. Er schreibt jeden Freitag an dieser Stelle.
Der Racing Club de Avellaneda aus Buenos Aires gewann zwischen 1915 und 1918 vier Mal hintereinander die argentinische Meisterschaft und zwischen 1949 und 1953 sogar fünf Mal in Folge. 1967 hatte der Klub insgesamt 13 Meistertitel gesammelt und schaffte dann auch noch den größten Triumph der Vereinsgeschichte: den Gewinn des Weltpokals.
Doch mit dem Tag des Finalsiegs über Celtic Glasgow begann der Niedergang. Wahrend die Fans von Racing noch feierten, brachen Anhänger des größten Rivalen Independiente in das Stadion ihres verhassten Nachbarn ein und vergruben dort sieben schwarze Katzen, um die Stätte mit einem Fluch zu belegen. Es wird die Legende verbreitet, dass dabei sogar der Platzwart mit dem Gegner kollaboriert hatte.
Jahrelang suchten Offizielle und Fans von Racing Club die Tierleichen, denn mit ihrem Klub ging es kontinuierlich bergab. 35 lange Jahre blieben weitere Titel aus, 1999 stand man sogar vor dem Bankrott und ein Priester versuchte, das Stadion von seinem Fluch zu befreien. Angeblich jubelten die Fans jedes Mal, wenn der Priester Horacio della Barca Weihwasser in eines der Tore spritzte. Doch auch das half nicht, weshalb 2001 der neue Trainer Reinaldo Merlo eine groß angelegte Suche nach der siebten Katze initiierte.
Im Laufe der Jahrzehnte waren zwar sechs der toten Katzen gefunden und beseitigt worden, die letzte aber fehlte immer noch. Also wurden selbst Flächen aufgerissen, die nach 1967 betoniert worden waren, und an einer Stelle, wo früher ein Wassergraben gewesen war, fand man tatsächlich das Skelett einer Katze. Der Racing Club wurde noch in derselben Saison Meister.
aus "Fast alles über Fußball", Christoph Biermann, KiWi Paperback, 2005
immer wieder werden hier im Forum gute Texte verfasst bzw. verlinkt und verschwinden dann viel zu schnell im digitalen Nirwana. Deshalb hab ich mir überlegt, hier mal einen Sammelthread für gute Fußballtexte aufzumachen. Ist egal, ob über die Eintracht oder Fußball allgemein. Wenn nur der Link reingestellt wird, vielleicht eine kurze Beschreibung dazu geben.
Hier einer meiner persönlichen Favoriten:
Bayernfans sind Feiglinge
Von Johannes Keller
Eine Polemik aus gegebenem Anlass.
Jeder Fußballfan weiß es intuitiv. Es ist nicht nötig, es auszusprechen. Keiner zweifelt daran. Und doch gibt es das Bedürfnis, es ein für alle Mal festzustellen: Es gibt keine Bayern-Fans. Ohne Zweifel, es gibt Menschen, die sich einbilden, Fans von Bayern München zu sein. Ihrem äußeren Verhalten nach könnte man sie auch als solche wahrnehmen. Sie tragen die Trikots ihrer Mannschaft, jubeln bei Treffern für ihr Team, lesen in der Zeitung jede noch so unwichtige Meldung über ihren Verein und fiebern dem nächsten Spieltag entgegen. Aber ihnen fehlt doch das Eigentliche, die Essenz des Fan-Seins: Verzweiflung.
Es gibt keine Anhänger des FC Bayern, die jemals von diesem Gefühl gepackt wurden. Über Tage hinweg wie gelähmt zur Arbeit zu gehen, im Kopf nur der Gedanke an die drohende Niederlage, das endgültige Aus, den Abstieg, den verpaßten Aufstieg oder UEFA-Cup-Platz. Bayern-Anhänger haben immer eine Gewißheit, die sie immun macht gegenüber jedem Gefühl der Angst und der Ausweglosigkeit. Sie wissen, ihr Klub kann jede verpaßte Chance nachholen. Wenn nicht diesmal, dann eben nächste Saison. Was soll's, wir holen uns schon die richtigen Leute.
Es gibt keinen Bayern-Anhänger, der jemals mitansehen mußte, wie sein Team zum sechsten Mal in Folge verliert. Kein Bayern-Anhänger saß jemals zitternd vor dem Radio und fürchtete sich davor, daß der Reporter ein Tor aus einem Stadion verkündet, in dem sein Klub gerade das überlebenswichtige 0:0 über die Zeit zu retten versucht. Ein Erlebnis, das am Samstag den Fans des VfL Wolfsburg, sofern es diese geben sollte, zuteil wurde, als Elber in der 87. Minute doch noch traf - für Bayern, versteht sich.
Natürlich, Bayern hat schon bittere Niederlagen hinnehmen müssen, etwa 1982 im Europacup-Finale gegen Aston Villa. Oder 1987 gegen Porto. Mehrfach wurde die Meisterschaft knapp verpaßt. Aber dieses Gefühl, das 30.000 Werder-Fans ergriff, als Kutzop den Elfmeter an den Pfosten setzte, werden Bayern-Anhänger nie erleben. Kein Bayern-Anhänger wird je verstehen, was die Frankfurter Fans 1992 durchlitten, als ihr Team in Rostock die Meisterschaft verspielte. Dieser Aspekt der verzweifelten Hingabe fehlt jedem, der sich für den FC Bayern entschieden hat. Und höchstwahrscheinlich ist es gerade das, was diesen Verein für Millionen Menschen so attraktiv macht.
Der natürliche Grundzustand des Bayern-Anhängers ist also nicht Verzweiflung, das Gefühl der Ausweglosigkeit und Schwäche, sondern Bayern-Anhänger leben in einem Ausgangszustand der Arroganz und Überlegenheit. Verzweiflung wegen und durch ihren Fußballclub ist diesen Menschen vollkommen fremd. Bayern-Anhänger sind keine Fußballfans, sondern Feiglinge, unfähig zu wahrer Hingabe, die das Risiko einschließt, tief enttäuscht zu werden.
http://www.florian-albert.de/fundstueck-bayernfans%20sind%20feiglinge.htm
Sie können sich ihre Wappen selber basteln
Von Andreas Rosenfelder
23. November 2005
Noch in den späten achtziger Jahren kam niemand auf die Idee, Fußball als Teil der Popkultur zu betrachten. Damals traf man in einer ganz normalen Fankurve, die selten ausverkauft war, auf eine Monokultur von Röhrenjeansträgern mit Schnäuzer und Vokuhila.
Der Durchschnittsfan trug einen meterlangen Häkelschal in den Vereinsfarben und mindestens einen Aufnäher auf der Jeansjacke. Über weite Strecken beherrschte ein von heiseren Schreien durchbrochenes Gemurmel das Klangbild, aus dem sich nur manchmal Gesänge herausschälten, in denen man den Gästefans meistens zu Rod-Stewart-Melodien unterstellte, unter Brücken oder in der Bahnhofsmission zu schlafen - und das war noch eine der diplomatischeren Botschaften.
Man muß sich an diesen rauhen Urzustand erinnern, wenn im Vorfeld der WM nun jeder Theaterintendant seit Jahrzehnten eingefleischter Fußballfan gewesen sein will. Vor fünfzehn Jahren gab es noch keine Intellektuellenmagazine für Fußballkultur, sondern nur maschinengetippte und handkopierte Fanzines, die in den Halbzeitpausen verteilt wurden und die Vorfreude auf die berüchtigte „Dritte Halbzeit“ anheizten. Daß sich Fußball zum hippen Gesamtkunstwerk entwickelt hat, das alle Gesellschaftsbereiche durchstrahlt, ist keineswegs nur den üblichen Verdächtigen wie Franz Beckenbauer, Nick Hornby oder dem Sender Premiere zu verdanken.
Revolution in den Stadien
Wesentlichen Anteil an der Wiederbelebung des lange Zeit als Proletensport verpönten Fußballs hatte die „Ultra“-Bewegung, die in den neunziger Jahren von Südeuropa nach Deutschland schwappte und die Atmosphäre in hiesigen Stadien revolutionierte. Die tribünenfüllenden Choreographien, die vor jeder Live-Übertragung als Stimmungsmacher eingeblendet werden und beim Stadionbesuch vor dem Anpfiff für unvergleichliche Gänsehaut sorgen, gäbe es ohne die „Ultras“ nicht.
Daß nun Sicherheitsexperten und zweifelhafte Fansoziologen mit Begriffen wie „Hooltras“ das Bild einer diffusen Bedrohung aus den Fanblöcken zeichnen und daß Reporter in jedem Bengalfeuer ein Vorzeichen des Bürgerkriegs ausmachen, während gleichzeitig der DFB mit dem offiziellen „Fan Club Nationalelf“ den lächerlichen Versuch unternimmt, in der Retorte eine keimfreie Fankultur heranzuzüchten - dieser kritische Punkt in der jungen Geschichte der deutschen Ultras sollte Anlaß geben, ihren Standort zu bestimmen.
Tradition und Avantgarde
Wie bei vielen Jugendkulturen führt auch der Weg zu den Ultras über eine Negation. So verkörpert die urige Fankneipe „Auf Schalke“ an der Kurt-Schumacher-Straße 119 in Gelsenkirchen - ein holzvertäfeltes Museum für Fanschals und Trikots - all das, was die Ultras nicht sein wollen. Hier sitzt der „Schalker Fanclub Verband“, der fast zwölfhundert Schalke-Fanclubs mit rund fünfundzwanzigtausend Mitgliedern zusammenfaßt. Im Gegensatz dazu haben sich die Ultras immer als Avantgarde verstanden: In Gelsenkirchen zählen sie rund achthundert Mitglieder.
In der Südtribüne der alten Glückauf-Kampfbahn, ebenfalls an der Kurt-Schumacher-Straße, sitzt das „Schalker Fanprojekt“. Der selbständige Designer Jan Klaffke und der Jurastudent Thomas Kirschner, beide fünfundzwanzig Jahre alt, sind die Vorsitzenden der „Ultras Gelsenkirchen“ und waren schon in den späten Neunzigern dabei, als in der Schalker Kurve die ersten Choreographien auftauchten. Nach Deutschland übergesprungen war der Funke in Leverkusen, wo die „Madboyz“ schon 1994 beim Uefa-Cup-Spiel gegen den FC Parma mit Pyrotechnik und Großschwenkfahnen experimentierten und das damals unscheinbare Ulrich-Haberland-Stadion in einen Hexenkessel verwandelten.
Das Ende der Kuttenkultur
Während, wie Klaffke sich erinnert, vorher die „Kuttenkultur aus dem Proletariat“ die Stadien prägte, stammen die Ultras überwiegend aus „gutbürgerlichen Kreisen“. Eine wichtige Rolle bei der Aneignung der neuen Fankultur spielten das Deutsche Sportfernsehen mit seinen Übertragungen aus südlichen Ligen und das Internet, wo man auf Audiodateien mit neuartigen Fangesängen stieß, die alte Brüller wie „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ verblassen ließen. Eines der deutlichsten Merkmale der Ultra-Kultur ist die Ersetzung des Schlachtrufs „Ole“ durch „Allez“ - auch wenn diese feine Lautverschiebung, wie Kirschner abwinkend feststellt, beim breiten Publikum längst noch nicht durchgedrungen ist.
In Italien existierte die „Ultra“-Bewegung, die für ultimative Unterstützung des Heimatvereins auch bei Auswärtsfahrten eintrat, seit den sechziger Jahren. Viele ihrer Formen - das Megaphon des „Capo“, der als „Kopf“ der Kurve die Gesänge vorgibt, oder die mit zwei Stangen getragenen Doppelhalter - wanderten aus der Protestkultur in die Stadien. So spielten die „Brigate Rossonere“ des AC Mailand mit ihrem Namen nicht nur auf die Vereinsfarben Schwarz-Rot, sondern auch auf die Roten Brigaden an. Auch wenn die „Ultra“-Szene nie politisch festgelegt war und es in Italien immer sowohl rechte als auch linke Kurven gab, verband sie doch der Wille, die Autonomie der Fanblöcke zu verteidigen. Man lehnte Trikots und kommerzielle Fanartikel ab, um statt dessen in Zivil zum Spiel zu kommen und alle für den „Support“ wichtigen Gegenstände selbst zu basteln.
Small talk hält sich in Grenzen
Mit der üblichen Fanfolklore hat dieser unabhängig von Sponsoring und Vereinsgeldern hochgehaltene Anspruch, „die Stadionatmosphäre optisch und akustisch zu verbessern“, nicht viel gemein. „Wir sehen die Spieler nicht als Idole an, mit denen man Arm in Arm fotografiert werden will“, erklärt Klaffke. So spielt Small talk über das Privatleben der Profis oder die optimale Aufstellung natürlich auch bei den Ultras eine Rolle, hält sich aber in Grenzen. „Ich kann nicht beeinflussen, wer in der Viererkette spielt“, sagt Klaffke. „Wir können aber die Farben zeigen, die wir hochhalten.“ Auch Kirschner betont den expressiven Wettbewerb, den die Ultras unterschiedlicher Vereine mit ihren Choreographien führen - und der das gewaltsame Austragen der Konkurrenz nach dem Schlußpfiff fast ganz abgelöst hat.
Viele „Normalos“ unter den Fans argwöhnen, daß es den Ultras gar nicht mehr um den Spielverlauf, sondern nur noch um Symbolfetischismus und lückenlose Unterstützung geht. Schließlich steht der „Capo“ über neunzig Minuten mit dem Rücken zum Spielfeld. Doch Klaffke sieht genau darin eine tiefere Form der Zuwendung - in einer Zeit, in der man sein Fantum nicht mehr nur über die alle paar Jahre durchgewechselte Mannschaft definieren kann. „Man klammert sich an die Idee des Vereins, die Gemeinschaft des Vereins. An traditionelle Werte wie Wappen und Farben.“
Fußball als Freiraum
Auch wenn sich die Ultras scheinbar vom modernen Fußball mit seinen ökonomischen Bedingungen und am Taktiktisch gewonnenen Erkenntnissen abkoppeln, geht es ihnen um die Rettung des Fußballs als eines nicht fremdbestimmten Freiraums. „Die Ultras haben unbewußt an der Kommerzialisierung des Sports mitgewirkt“, gibt der Jurastudent Kirschner zu. Jetzt, sagt Klaffke, kopiert der DFB mit seinem Laborfanclub die Stimmungstechniken der Ultras, während andererseits Angst geschürt wird vor „Menschenansammlungen in der Kurve, die nicht berechenbar sind“.
Schon wegen Bierbecherwürfen werden Stadionverbote verhängt. „Auf der Kurve“, sagt Klaffke, „sollte es aber gewachsene Rituale geben, die toleriert werden.“ Denn längst werde die Jugendkultur der „Ultras“ eingeholt von einer „Klingelton-Generation“, die mit Freundin im Arm und Fanshop-Tüte in der Hand ins Zentrum des Fanblocks eindringt, das doch nach alter italienischer Sitte den Ultras gehört, und sich dann, wenn die ganze Kurve hüpft, über Schmutzflecken auf ihren empfindlich weißen Turnschuhen beschwert. Das klingt nach jener Arroganz, die den Ultras oft vorgeworfen wird - aber die familienfreundlichen Sitzplatzstadien sind groß und die Ultras klein an der Zahl. „Die Fankurve“, sagt Klaffke, „ist in einer beliebigen Spaßgesellschaft eine Insel, die gleichbleibt.“
Wechselseitiger Respekt
Auch wenn die „Ultras“ keinen Spielerpersonenkult betreiben, gibt es Bundesligaprofis, die genau diese Form der Unterstützung schätzen. Der Schalker Torhüter Frank Rost, im Fall eines Rückzugs von Jens Lehmann womöglich als dritter Torhüter bei der WM, trägt auf dem Platz seit geraumer Zeit ein T-Shirt der „Ultras Gelsenkirchen“ unter seiner Torwartkluft und trifft sich immer wieder mit Vertretern der Ultras. Als Rost vor einigen Wochen auf seiner Homepage über das Verhalten einiger Fans klagte, die ihn mit aggressiven Sprüchen wie „Wir zahlen dein Gehalt“ im Alltag anmachten, versuchten die Boulevardmedien anfangs das Bild des arroganten Millionärs zu zeichnen - während in der Fanszene großes Verständnis für die Forderung nach höflichem Umgang und wechselseitigem Respekt artikuliert wurde.
Wahrscheinlich wird Frank Rost auch deswegen so geachtet, weil er auf aufsehenerregende und gerade deshalb unglaubwürdige Loyalitätsgesten verzichtet. „Es widerstrebt mir, das Vereinswappen zu küssen“, sagt Rost. „Ich war auch nicht gleich Schalker, als ich aus Bremen nach Gelsenkirchen kam.“ Im feinen Restaurant „Schloß Berge“ nahe der jetzigen „VeltinsArena“ bestellt er Scholle - er schätzt das gute Essen hier, das auch im Ruhrgebiet langsam die fettige Jägerschnitzel-Monokultur verdrängt. Der in Ostdeutschland aufgewachsene Torwart versteht sich mit den Ultras besser als mit den zum Starkult neigenden Modefans. „Die Ultras sind ganz normale Menschen, die sachlich mit dir reden. Ich weiß auch, was die für Entbehrungen auf sich nehmen.“
Reingepfercht und reingeprügelt
Für eine künstliche Fankultur, wie sie der DFB zur Weltmeisterschaft in Szene setzen möchte, hat Rost ebensowenig Sinn wie für Kunstrasen. „Wenn man so weit kommt, daß man offizielle Choreographen engagiert, dann ist der Fußball kaputt.“ Ihm steht der harte Kern der Fans, „Leute mit Ecken und Kanten“, näher als jene Eventfans, die schon zur Pause zu pfeifen beginnen. „Wenn ein Pferd Temperament hat“, sagt der Ehemann einer Reiterin mit einem schönen Vergleich, „kann ich auch nicht sagen, es darf nicht ausschlagen, soll aber andererseits Ausstrahlung haben.“ Daß die Ultra-Szene in jüngster Zeit wieder mit „Pauschalverurteilungen“ von seiten der Politik leben müsse und zum Teil ins Stadion „reingepfercht und reingeprügelt“ werde, hält er für absurd: „Diese Fans zahlen hohe Eintrittsgelder, um sich dann am Eingang die Unterhosen durchsuchen zu lassen.“
Frank Rost hat im DDR-Fußball bei Lokomotive Leipzig und dem 1. FC Markleeberg eine „eher rustikale Ausbildung“ genossen, wie er sie heute, da Jungstars schon nach wenigen Bundesligaspielen vom Trainer verhätschelt werden, ein wenig vermißt - ohne daß in dieser Sehnsucht der Ruf nach knallharter Disziplin mitklänge. „Fußball muß authentisch bleiben.“ Rost kann auch die Angst der Ultras verstehen, ihr Milieu zu verlieren und durch jüngere Spaßfans an den Rand der Kurve verdrängt zu werden. Auch dies, sagt der Torwart, sei eine Frage fehlenden Respekts. Vielleicht kann nur ein Keeper, der die Hälfte des Spiels dicht vor der eigenen Kurve steht und das Geschehen oft wie ein Zuschauer verfolgt, die Fußballwelt mit den Augen der Fans sehen.
Text: F.A.Z., 23.11.2005, Nr. 273 / Seite 46
http://www.faz.net/s/RubFB1F9CD53135470AA600A7D04B278528/Doc~E86E29D899247434EB4F32D516AE84B3A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Interview mit dem Capo des CUCN (Commando Ultrà Curva Nord) Reggina
"Vor fast genau zwanzig Jahren, als unsere heiß geliebte Mannschaft noch in den Niederungen der Serie C2 (4. Liga) herumdümpelte, beschlossen einige fußballbegeisterte Jugendliche, die Wirkungsstätte ihres Freundeskreises in das Stadio Granillo zu verlegen, um der Ultraszene in Reggio eine tatkräftige Unterstützung zu liefern. Die Bewegung steckte damals noch in den Kinderschuhen, niemand wusste genau, ob wir Erfolg haben oder an unseren Träumen scheitern würden. Zunächst sprachen wir nur die Jugendlichen in unserem Bezirk an, ob sie unser Vorhaben unterstützen wollen. Das Echo war riesig, die Leute waren von der Idee begeistert und die Nachricht über einen neuen Wind in der "Curva Nord" verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt. Wir waren regelrecht davon besessen, den älteren Ultras neue Impulse zu geben, etwas nie dagewesenes zu schaffen und den Namen unserer Stadt weit über die Grenzen Kalabriens hinaus zu tragen und mit Ruhm zu überhäufen.
Wenige Tage nachdem unser erstes großes Commando Ultra´ Curva Nord-Transparent fertiggemalt war, organisierten wir die ersten Auswärtsfahrten, auf die wir mit einem Hauch Nostalgie und voller Stolz zurückblicken. Seinerzeit hatten nur wenige von uns die materiellen Möglichkeiten, auch entferntere Stadien zu besuchen, dennoch war und ist unsere Gruppe seit ihrer Gründung immer und überall präsent. Wir blicken mit Wehmut auf die Zeiten zurück, als die Stadien noch keine von allen Seiten umzäunten Kerker waren in denen uniformierte Armeen für Recht und Ordnung sorgen. In jenen Jahren gab es nur in den wenigsten Stadien separate Gästebereiche und es war noch nicht üblich, dass von Kopf bis Fuß gepanzerte Polizisten die Gästefans am Bahnhof in Empfang nahmen und sie wie eine römische Legion zum Stadion eskortierten. Okay, einige Male kehrten wir verwundet oder mit einem blauen Auge heim, aber wir standen und kämpften voller Stolz für die Farben und das Wappen unserer glorreichen Mannschaft.
Unsere Philosophie hat sich in den all den Jahren nicht geändert. Seit 1982 tragen wir den Namen unserer Gruppe auch in den entferntesten Zipfel Italiens, damit die Leute uns kennen und schätzen lernen. Wir haben vor nichts und niemandem Angst und leben für ein Ideal, welches niemals sterben wird. Unsere Absicht ist es, den Sonntag zum Mittelpunkt unserer Existenz zu machen, damit sich die Mitglieder des CUCN nicht nur in den Kurven der Stadien als Ultras zu erkennen geben, sondern auch im normalen Leben. Jeden Tag. Ob dies richtig oder falsch ist, interessiert uns nicht. Genauso ist uns auch die Meinung der anderen gleichgültig. Unsere Geschichte spricht für uns. Sie bescherte uns, wie jede ehrenswerte Historie, wunderbare und grausame Momente.
Als Nevio Scala die "Amaranti" ("Die Blutroten", wie Reggina aufgrund seiner Vereinsfarben genannt wird) trainierte, beherrschte das CUCN fast die gesamte zweite Liga und konnte es stimmungstechnisch mit jedem Gegner aufnehmen. Selbst die Rückkehr in die C1 (3. Liga) vermochte uns nicht zu erschüttern, als aber eine nicht enden wollende Serie unglücklicher Ereignisse auch unsere Kurve in Mitleidenschaft zog, mobilisierten wir unsere letzten Reserven und versuchten wieder für unsere Mannschaft und unsere Gruppierung zu werben. Uns schmerzte in erster Linie die Gleichgültigkeit, mit der die Leute unseren Idealen im blutroten Trikot begegneten und ihnen genau in jener Zeit den Rücken zuwandten, wenn sie die Unterstützung am ehesten gebraucht hätte. Unsere Maximen "Niemals und unter keinem Umstand aufgeben", "Immer standhaft bleiben" und "Die Fahne immer hochzuhalten" halfen uns den schweren Zeiten stand zu halten. Letztendlich gab uns der Erfolg recht, und von unseren Aktionen angetan verlegte der italienische Fußballverband F.I.G.C. sogar ein Länderspiel in unser heiliges Reggio die Calabria.
Unser größter Stolz ist, dass wir unseren 18. Geburtstag im Herbst 1999 in der Serie A feiern durften. Unsere Mitgliederzahl explodierte nach dem Aufstieg auf ein Vielfaches, wir erreichten endlich ein Stadium unserer Evolutionsgeschichte, in der die Einführung des Mitgliedsausweises unumgänglich wurde. Obwohl unser Ausflug in die höchste Liga nur zwei Jahre währte, blieben unsere zahlreichen Sektionen (u.a. in den Provinzen Mailand, Brescia, Pisa, Triest, Bologna, Sizilien) bestehen und wir haben viel potentiellen Nachwuchs, welcher den Fortbestand unserer Gruppe hoffentlich auch für die nächsten zwanzig Jahre sichern wird.
Obwohl unsere Gruppe eine stattliche Zahl an Mitgliedern hat, besitzt das Commando keine eigenen Räume. Wir wollen auf diese Weise die Kontrollen der Gegenwart umgehen, um der Polizei keine Anhaltspunkte und greifbare Fakten bei ihrer Jagd auf uns Ultras zu liefern. Wer mehr über uns und unsere Ziele in Erfahrung bringen möchte, sollte unsere anerkannte Zeitung "Tradizione CUCN" lesen, welche zu jedem Heimspiel erscheint und für alle erschwingbar (da kostenlos) ist. Die Gruppe trifft sich jeden Tag an der Kreuzung zur Corso Garibaldi, ihr könnt uns dort ansprechen.
Eine der wichtigsten Änderungen inmitten der goldenen Augenblicke und kritischen Zeiten unseres CUCN erfolgte 1990. Der harte Kern unserer Gruppe gründete die "Oltranzisti" (Die Rebellen). Dieser Name lebt und gedeiht selbst heute noch, obwohl das Transparent nicht mehr auf dem Zaun vor der Südkurve weht.
Auf diesem Wege möchten wir auch unsere Freunde, die Boys und Fedayn (Roma), die Falange (Latina), alle Gruppen der Turiner Curva Maratona, die Ultras Ravenna und natürlich die Pessimi Elementi (Locri) ganz herzlich grüßen. Über unsere Feinde möchten wir nicht sprechen. Wir wollen nicht für Gruppen werben, die es nicht verdienen.
Schließlich möchten wir uns bei allen aktiven Mitgliedern unserer Gruppe bedanken, die stolz hinter unserem Banner stehen, aus unserer Gruppe ein Lebensmuster machten, und jeden, der sonntags mit uns in den Zug steigt, um sich mit uns gemeinsam gegen diejenigen zu stellen, die unsere Ansichten ersticken und hinter die Mattscheibe der Flimmerkiste drängen wollen.
Moden kommen und gehen, Gesichter wechseln, aber unser Name wird auch weiterhin die uneinnehmbare Bastion einer Liebe und eines Symbols bleiben."
http://www.realhomepage.de/members/OlDirtyBastard2015/mehr2.html
Frank Rost auf seiner Homepage über sinnlose Schikanen gegen Fans:
"....Es ist aber in der letzten Woche etwas passiert was mich wirklich verärgert hat und was ich nicht unkommentiert lassen möchte. Ich meine das Verhalten der Ordnungskräfte beim Spiel in Barcelona. Wir bekommen ja meistens nicht mit, was um ein Spiel herum passiert und lesen dann nur irgendwelche Stellungnahmen von den Verantwortlichen in der Presse. Die wirklich Betroffenen kommen in den Medien leider nur selten zu Wort.Diesmal sind aber auch wir im Stadion ganz direkt mit dem unmöglichen und unfreundlichen Verhalten einiger übereifriger Aufpasser konfrontiert worden. Da wirst du als Spieler daran gehindert zu deinen eigenen Fans zu gehen und mit ihnen das Weiterkommen im UEFA Cup zu feiern. Was soll denn so etwas? Da frage ich mich wirklich was da für eine Sicherheitspolitik im internationalen Fußball verfolgt wird.Um es ganz klar zu sagen, ich verurteile jede Form der Gewalt in und um den Fußball aber ebenso sage ich, dass man Gewalt nicht mit Gewalt gegen alle Fans und überharten Strafen bekämpfen kann. Abschreckung wie sie momentan praktiziert wird, auch und besonders im Vorfeld der WM, kann der Kultur des Fußballs nur schaden. Im Moment werden Fußballfans an sich kriminalisiert. Als potentielle Straftäter und gewaltbereite Gruppe hingestellt und auch so behandelt. Wenn man den Medien vertraut ist jeder bekennender Fan ein gewaltbereiter Hooligan, vor dem die Gesellschaft geschützt werden muss. Das erlaubt Präventivmaßnahmen, die meiner Meinung nach nichts in unserem Sport zu suchen haben.
Einige Geschichten, die ich aus Barcelona gehört habe, sind wirklich gar nicht mehr zu nachzuvollziehen. Und damit meine ich nicht in erster Linie den Umgang mit der streng überwachten, so genannten „harten Szene“, das ist ein Kapitel für sich, sondern den gegenüber der ganz „normalen“ Gruppe der Fußballfans. Die Leute haben viel Geld ausgegeben um Schalke zu begleiten und zu unterstützen. Wie ich gehört habe, waren auch die Tage vor dem Spiel sehr schön in Barcelona aber was sich dann teilweise auf dem Weg zum Stadion und danach abgespielt hat erscheint mir absolut inakzeptabel.
Natürlich muss es verhindert werden, dass der Fußball als Spielwiese missbraucht wird von einigen wenigen, die nur ihren Frust abladen wollen. Aber deshalb alle Fans von vornherein wie potentielle Kriminelle zu behandeln entbehrt doch jeder Verhältnismäßigkeit. Fußballfans sind doch eine homogene Gruppe aus allen Teilen der Gesellschaft – keine eigene Spezies. Und sie sind nicht besser als die Gesellschaft an sich!Sicherlich fallen immer wieder einige aus dem Rahmen und die sollen und müssen auch hart bestraft werden. Allerdings auf der Basis des Rechtsstaates in dem wir doch leben.Aber bitte wo fängt Gewalt an?
Stadionverbote von bis zu sechs Jahren ohne gerichtliche Feststellung von Schuld, massive Polizeikessel vom Flughafen/Bahnhof zum Stadion, härteste Personenkontrollen mit z. T. Anal Untersuchungen, Erkennungsdienstliche Untersuchungen aufgrund der Tatsache, dass man in einem Fanbus fährt oder einen Vereinsschal trägt? Nur einige Beispiele, die einige von Euch vielleicht gar nicht kennen, die aber inzwischen auch in Deutschland zu Standard im Umgang mit Fans gehören.
Sicherlich muss die Fußballszene gewaltfrei sein aber durch Einsatz massiver Überwachung, vorbeugender Maßnahmen und kollektiver Schuldzuweisungen am Rande des Erlaubten in einer Demokratie, einen Raum „Stadion“ schaffen der mit der Realität drum herum nichts mehr zu tun hat? Das geht für mein Empfinden einfach mal zu weit.
Es mag sein, dass ich durch meine eigene Geschichte zu sensibel auf ein solches Vorgehen reagiere aber wenn ich mich so umhöre stehe ich nicht alleine mit meinen Vorbehalten da.Fans haben leider keine Lobby, wie es scheint, aber ich weiß nicht wohin das noch führen soll. Ich weiß nur, dass ich die Befürchtung habe, am Ende dieses Prozesses werden wir, die Fußballfans, und dazu zähle ich mich auch, die Verlierer sein.
So, das musste jetzt mal sein. Denn wenn ich als Fan mit auf Auswärtsfahrten gehen würde und man mich so behandelte, hätte ich mir (und die meisten meiner Kollegen wahrscheinlich auch) schon ein lebenslanges Stadionverbot eingehandelt - allein durch mein diplomatischen Wesen.
Bis zum Spiel in Hannover wünsch ich Euch allen einen schönen Frühlingsanfang und viel Schnee
Euer Faeustel"
In Frankfurt steht es...
von Rigobert G
Abpfiff! 1:4. Regungslose, geradezu vor Angst gepeinigte Spieler im Mittelkreis des Spielfeldes. Panische Gesichter, live auf der Stadion-Videotafel zur Schau gestellt. Mittendrin mein (angeblich ehemaliger) Nachbar aus Frankfurt Nieder-Eschbach. Doch von der Gefühlswelt trennen uns - weiß Gott - mehr als nur zwei mickrige Straßenzüge. Er Trainer, eines bedeutungslosen Karnevalsclubs, der kurz vor dem größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte steht. Ich, ein einfacher aber stolzer Fan der ruhmreichen Frankfurter Eintracht, zu diesem Zeitpunkt, und das seit gut einer halben Stunde, nur noch ein Häufchen Elend...
Leere apathische Blicke auf die Videotafel. Wieso freuen die sich nicht? Der Fußballgott, der vor vier Jahren noch großzügig seinen Freudenbecher über die Eintracht ausschüttete, als eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd mit dem 5:1 gegen Lautern gipfelte, hatte doch schon längst die Seiten gewechselt. Niederlage aus heiteren Himmel gegen Trier, Unterkante der Latte gegen Union Berlin, Lastminute-Schock in Mainz... In Ahlen ließ er doch nur die Narrenkappen-Bande verlieren, damit wir uns - und das war zu diesem Zeitpunkt klar - in falscher Hoffnung wiegen konnten. Selbst mein wirklich schweres Opfer, nicht in Frankfurt zu sein, sondern hier, an dem Ort, der unmittelbar davor stand als Synonym für den größten Triumph des Rosenmontagszuges degradiert zu werden, schien ihn nicht wohlwollend zu stimmen. Hätte ich etwa noch meine Katze opfern sollen??? In Frankfurt steht es 4:3...
Sommer 2002. Eintracht Frankfurt und seine Fans standen vor dem Nichts. Ernsthafte Überlegungen wurden in der Kneipe und am Telefon gebrütet, Geld zu sammeln, damit wir irgendeinen finanzschwachen Landes- oder gar Oberligisten aufkaufen und ihn in SG Eintracht Frankfurt 02 e.V. umbenennen, damit wir nicht auf der Bertramswiese ganz von vorn anfangen müssen. Im letzteren Fall, sollte also die gesammelte Kohle nicht reichen, sahen wir uns schon selbst das Eintracht-Trikot überstreifen (eigentlich eine phantastische Vorstellung!), um, verstärkt durch die reaktivierten Uwe Bein und Bernd Hölzenbein, die Mission "In 10 Jahren wieder Profifußball!" anzugehen. Der Frankfurter Kommunal-Politiker als solcher, faselte unterdes etwas vom FC Rhein-Main, wenn nicht gerade voller Neid nach Mainz geschaut wurde. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich sammle meine ganze noch verbliebene Kraft, um meinen Kopf nach links zu bewegen und meinen Nachbarn, im gelbblauen Eintracht Braunschweig-Trikot gekleidet und mit einem seiner zwei Ohren am Radio, nur noch diese eine Frage zu stellen: "Steht's immer noch 4:3?" Danach sacke ich wieder in mich zusammen. Seine Antwort, dass er es glaube, aber eigentlich nicht den richtigen Sender drin habe, da er vorher in seinem Leben noch nie so viel Schlager hörte wie an diesem Tage usw., vernehme ich nur noch aus weiter Ferne. In Frankfurt steht es 4:3...
Die heiße Phase der WM in Asien wurde eingeläutet. Mittlerweile versuchten uns die Eintracht-Verantwortlichen, allen voran Volker Sparmann, damit zu beruhigen, dass man zuversichtlich sei, pünktlich zum Abgabetermin, Unterlagen bei der DFL-Zentrale abgeben zu können, die uns doch noch die so erhoffte Lizenz ermöglicht. Es war irgendein Achtel- oder Viertelfinalspiel der englischen Nationalmannschaft. Und es war der Samstag vor dem alles entscheidenden Montag, der von der DFL als letzte Frist für das Lizenzierungsverfahren bestimmt wurde. Wir saßen im Frankfurter Westend im English Pub. Wir, das waren verzweifelte Eintrachtfans und Axel, Vize des Vereins, der zu diesem Zeitpunkt mehr Panik vor der angekündigten Fan-Demo am folgenden Tag auf dem Römer, als vor dem Gang zur DFL am Montag hatte. "Jungs, es fehlen nur noch Zusagen für wenige tausend Euro, dann haben wir die Lizenz. Falls Ihr morgen am Römer seid, beschwichtigt dort die Fans. Nicht dass es dort zu unschönen Szenen kommt... - die Lizenz ist sicher!" Um uns herum hunderte von englischen Gastarbeitern, die Tod und Teufel schwitzten. Uns war das, was über die Fernseher aus dem fernen Asien übertragen wurde, so ziemlich schnuppe. In Frankfurt steht es 4:3...
Während der Typ links neben mir mittlerweile alle Schlagerhits von Karel Gott und Vicky Leandros rauf und runter beten kann, schien meine zweite, ach was sag ich, vierte Informationsquelle zu verstummen. Rechts von mir stehen ein paar Jungs - ich vermute Hannover 96 oder Wolfsburg-Fans, geben sich aber, rein aus Selbsterhaltungstrieben, nicht als solche zu erkennen - die durch Freunde, die sich den letzten Spieltag auf Premiere anschauen, per SMS über die Ergebnisse aus den anderen Stadien informiert werden. Ich brauche sie nicht zu fragen, es genügt ein verzweifelte Blick in ihre Richtung. "Nee, noch nichts aus Frankfurt gehört (...)" In Frankfurt steht es 4:3...
Die Bombe schlug ein! Ausgerechnet die im Vorfeld als wasserdicht angesehene HELABA-Bürgschaft, sorgte für Misstrauen bei den DFL-Funktionären und diente als Begründung für den "endgültigen" Lizenzentzug! Schock! Wir standen ziemlich gelackmeiert und mit leeren Händen da! Die Lizenz war doch sicher? Wieso jetzt doch nicht? Das gibst doch nicht! Wo ist die nächste Autobahnbrücke? Es folgte ein, für nicht Eintrachtfans, bestimmt unterhaltsames Gerichtsmarathon. Für uns, für die diese schwarzweiße Fahne mit dem roten Adler in der Mitte ungefähr den Stellenwelt einnimmt, wie für die christliche Welt das Abbild der Jungfrau Maria, war das allerdings überhaupt nicht unterhaltsam. Es war ein Albtraum! Ein Albtraum, in dem wir von grässlichen DFL-Monstern mit ihren furchteinflößenden Fratzen getreten, bespuckt und gedemütigt wurden. Gut nur, dass das Drehbuch für diese schlaflosen Nächte offenbar in Hollywood zu Papier gebracht wurde! Anders ist es nicht zu erklären, dass auf einmal, scheinbar aus dem Nichts, ein brillentragendes immerzu grinsendes Wesen - wir nennen es der Einfachheit wegen mal Schickhardt - mit den großen, zu Paragraphen geformten Schwertern, die Ungeheuer aus der Otto-Fleck-Schneise und der Münchner Vorstadt in die Knie zwang! Die Nachricht vom Schiedsspruch, der uns die Lizenz dann doch noch unverhofft einbrachte, erreichte mich damals in ... Braunschweig! Da wusste ich natürlich noch nicht, dass sich der Kreis gut zehn Monate später genau dort wider schließen sollte. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich werde angeschrieen, gerüttelt und getreten, die Jungs neben mir erhielten gerade eine SMS: Frankfurt führt 5:3! FRANKFURT FÜHRT 5:3!!! Kurz nachgerechnet, reicht nicht. Das Lebensbejahende war in mir schon längst erloschen... Nun bestätigt es auch der Stadionsprecher, während die Mannen, die gerade noch ein Auswärtsspiel mit 4:1 für sich entscheiden konnten, im Mittelkreis verzweifelt in ihre rotweißen Trikots beißen, hochoffiziell "In Frankfurt läuft das Spiel noch in der Nachspielzeit. Dort steht es 5:3 für Frankfurt. Wir informieren sie umgehend, wenn das Spiel dort beendet ist" Der Fußballgott ist echt ein Komiker. 5:3! Ein Ergebnis, dass in jedem Eintrachtfan seit 44 Jahren höchste Glücksgefühle auslöst. 5:3, das bisher geilste aller geilen Ergebnisse! Und nun? Für was steht nun das 5:3? Für tragisches Scheitern! Das große 5:3 von den Pfaffs und den Sztanis bis in alle Ewigkeit hinweggefegt durch so ein profanes, belangloses, unbedeutendes 5:3, das in Zukunft nur noch dafür steht, am letzten Spieltag den Aufstieg gegen einen Absteiger in die Amateurklasse jämmerlich vergeigt zu haben. In Frankfurt steht es 5:3...
Lizenz gerettet, aber einen Trainer, der seit zwei Jahren aus dem Geschäft war und eine Truppe, teils zusammengesetzt aus der enttäuschenden Eintracht-Truppe des Vorjahres und der aufs Abstellgleis geschobene Spieler anderer Vereine. Wir konnten froh sein, überhaupt noch im Kicker-Sonderheft als Mannschaftsfoto aufgeführt zu sein. Klar, eine große siegreiche Saison war nicht zu erwarten. Kampf gegen den Abstieg, gerade bei diesem Auftaktprogramm gegen drei aus der Bundesliga abgestiegenen Mannschaften aus Pauli, Freiburg und Köln, gerade mal kurz unterbrochen von dem Spiel gegen die ambitionierten Fürther. Nach dem vierten Spieltag stehen wir immer noch mit null Punkten da. Es wurden neun! Einzig in Köln verloren wir, trotz der meiner Ansicht nach besten Saisonleistung. Wir überwinterten auf einen Aufstiegsplatz! Ein Wunder! In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre auf die Braunschweiger Videowand, die Protagonisten auf eben dieser, kleben mit ihren Augen an den Monitoren, die auf den Anstoßkreis des Spielfeldes getragen wurden. Auf diesen Monitoren scheint die vom Stadionsprecher angesprochene Nachspielzeit in Frankfurt zu laufen. Oh Gott, Naheinstellung von Thurkdusau. Gleich wird er mit geballter Faust laut schreiend auf die Blöcke seiner Fans zurennen, wird sie abklatschen, küssen, auf den Zaun den Affen machen. Und wieso? Nur weil der Pole in Oberhausen das verdammte leere Tor nicht traf! Was mach ich hier? Wieso bin ich nicht schon längst an die nächste Bierbude und sauf mich besinnungslos (das Bier in Braunschweig war immerhin alkoholhaltig). So besinnungslos, dass ich ein Jahr ins Koma falle, danach kurz die Augen öffne, um mich zu vergewissern, dass die Eintracht endlich wieder auf- und Thurkdusau als Lachnummer der 1. Liga wieder abgestiegen ist. Es geht nicht. Mein Geist will zwar, mein Körper aber nach den vier Toren von Auer längst zu Salz erstarrt. Ich beschließe an dem Platz, von dem ich regungslos das Geschehen im Stadion wahrnehme, zu sterben. Hoffentlich weiß meine Frau, dass ich dort nicht auch noch beerdigt werden will! Sondern unter dem Tor meine letzte Ruhe finden will, auf das Holz sein Sitzkopfballtor gegen Bukarest, Schaub (Legenden sterben nie!) das Siegtor gegen Gladbach, Binz das 2:0 gegen Saarbrücken, Jay Jay sein Weltklassetor gegen Kahn und überhaupt die Eintracht alle fünf Tore gegen Kaiserslautern erzielte. Hoffentlich weiß das meine Frau, denn ich vergaß meinen letzten Willen im Testament festzuhalten. In Frankfurt steht es 5:3...
Es ist ja nun wirklich keine traditionsreiche Auseinandersetzung. Dazu gab es das Duell in der Vergangenheit gegen Mainz einfach zu selten. Tradition hat allenfalls die Schiffstour zur Bruchbude. Innerhalb der illustren Reisegruppe, die diesmal zum vermeintlich entscheidenden Spiel um den Aufstieg über den Main schipperte, war klar, wer nach dem Spiel auf einem Aufstiegsplatz steht, der steigt auch auf. Dazu würde uns das Standard-Ergebnis reichen. Ein Unentschieden. Danach sah es auch lange Zeit aus, bis auf einmal, es war wohl in der 89. Minute, der Schiri auf Freistoß für Mainz entschied. Ausgeführt, Nikolov lässt abprallen, Auer zur Stelle, Entsetzen! Pures Entsetzen! Nächstes Jahr Regensburg, Burghausen und Unterhaching. Das nächste Heimspiel, 4:1 gegen Mannheim, nahm ich eigentlich nur noch Schulterzuckend zur Kenntnis. Vielleicht hilft uns ja ein Wunder, am besten schon beim Mainzer Gastspiel in Ahlen! Aber so wie die Rückrunde bisher für uns verlief, insbesondere bei den Heimspielen, steigt dann wohl eher Fürth auf. Andere, beispielsweise ein gewisser Jens, sah die ganze Sache durchaus positiver. Er rief auf der Eintracht-Internetpage dazu auf, man möge Werner "Beinhart" Lorant mit Tonnen von Äppler eindecken, wenn seine Jungs den Sieg gegen den Karnevalsverein erringen. In einem dramatischen Spiel schafften sie es tatsächlich! Ehrensache, dass Lorant nun das gude Stöffche zu bekommen hat. Mit 40 Kisten Possmann fuhren wir nach Ahlen. Auf der Ahlener Geschäftsstelle war man sichtlich begeistert, dass wir unser Wort gehalten hatten. Selbst Lorant, der gewöhnlich nur grimmig dreinschauend seine Umwelt zur Kenntnis nimmt, war, untermalt durch ein Lächeln (!), hocherfreut beim Anblick der Lieferung! Die Ahlener Spieler unterstrichen für uns glaubhaft, dass sie schon vor ihrem Spiel von der Äppler-Aktion erfahren hatten, die richtige Motivation, um uns Schützenhilfe zu leisten. Sie werden, abzüglich der zwei Kisten, die Lorant für seine "Schwiegermutter" im Kofferraum seines SLK verschwinden ließ, nach einem erfolgreichen Spiel in Mannheim, den Äppler auf der Rückfahrt genüsslich leeren. Lorant unterdes, stellte uns gegenüber klar, was er von seinem Kollegen aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt hält: "Der Klopp? Der ist doch Offenbacher!" In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre schon eine halbe Ewigkeit auf diese verdammte Videotafel. Auf einmal, was war das? Was ist denn jetzt los? Bin ich jetzt ein Opfer von Halluzinationen??? Klopps Gesicht erklärt eigentlich alles, ich vermag es aber nicht zu interpretieren. Andere brechen in sich zusammen! Mein Gott... Ist es möglich? Blick auf die Mainzer Blöcke - Stille! Absolute Stille!!! Ich träume, da ich wohl schon unbemerkt sanft erschlummert bin und befinde mich nun ganz offensichtlich in Andy im Wunderland. Gleich werden weiße Kaninchen und Skatkarten über das Spielfeld feixend tanzen und eine unsichtbare Grinsekatze mir die Stinkekralle zeigen, um deutlich erkennen zu geben, dass ich mich mittlerweile in einer anderen Realität befinde. ****! Wie steht es in Frankfurt???
In meinen Freundeskreis erntete ich bestenfalls Kopfschütteln gepaart mit ungläubigen Blicken (in etwa der Art, als wenn man behaupten würde Napoleon zu sein und bei nächster Gelegenheit Wellington in seinen fetten britischen ***** treten wolle), als ich - durchaus zögernd - meinen Entschluss preis gab, dass ich beim letzten Saisonspiel der Eintracht gegen Reutlingen nicht im Waldstadion anwesend sein werde. Zumindest nicht physisch.
Es war aus familiären Gründen bereits länger geplant ausgerechnet an diesem Wochenende, an dem dummerweise der letzte Spieltag in den Fußball-Bundesligen anstand, in Norddeutschland zu sein. Normalerweise würde mir das natürlich nicht passieren, aber unglücklicherweise ist mir die absolute Unkenntnis des Spielplanes zu eigen. Das geht sogar so weit, dass mir öfters auf dem Weg ins Stadion nicht immer ganz klar ist, gegen wen die Eintracht eigentlich spielen wird (erstaunlich genug, dass ich überhaupt weiß, dass die Eintracht spielt...). Bei Auswärtsspielen habe ich dieses Problem Gott sei Dank nicht. Denn Pferd ruft mich meist rechtzeitig an, ob ich am soundsovielten für das Spiel beim Wasweißichwem noch Karten bräuchte. Nun, erst bei der Urlaubsabsprache im Büro, wurde mir das ganze Dilemma bewusst "Bist Du gegen Reutlingen nicht da???" Schwitz, ausgerechnet gegen Reutlingen nicht da? Nein, kann ja wohl nicht sein! Wird auch nicht sein! Ich setze mich am Sonntag in den ICE und fahr zum Spiel in Frankfurt ein. Damit war für mich das Thema erledigt! Erledigt? Spielt da nicht noch Braunschweig gegen den Karnevalsverein? Bin ich nicht zufälligerweise an diesem Tag in Braunschweig? Schwachsinn! Was soll ich da? Erledigt!
Spätestens nach dem Spiel in Oberhausen war klar, dass das für mich nach dem Mainz-Spiel Unvorstellbare Realität wurde. Wir haben es am letzten Spieltag selbst in der Hand! Und diese Saison begann eigentlich schon mit einem Happyend! Ein Happyend, von dem ich erfuhr, als ich in Braunschweig war. Und jetzt könnte die Steigerung eintreten. Keinen Gedanken daran verschwendet, nicht bei der Eintracht zu sein! Seit dem ich zur Eintracht gehe, war ich bei allen entscheidenden Spielen im Stadion, ob UEFA-Cup, DFB-Pokal, Spiele gegen den Abstieg, um den Aufstieg, Relegation usw. Und jetzt? Bin ich komplett wahnsinnig oder einfach nur total abergläubig??? Beides schließlich Eigenschaften, die ja bekanntlich ziemlich untypisch für einen Fußballfan sind...
Bis Mittwoch vor dem Spiel war ich sicher, dass ich in Frankfurt sein muss - orderte aber schon vorher auf Verdacht bei Freunden eine Karte für das Braunschweig-Spiel. In der schlaflosen Nacht zum Donnerstag stand mein Entschluss fest. Wenn ich in Frankfurt bin, vergeigen wir den Aufstieg... Die Saison begann mit meiner Anwesenheit in Braunschweig, also muss sie dort auch enden! Alles wird gut!
Am Spieltag im Stadion angekommen, gaben sich doch einige Leute als Fans der Frankfurter Eintracht zu erkennen. Meist aus der näheren Umgebung (wir sind überall!), die keine Karten mehr für das Reutlingen-Spiel bekommen haben. Einige kamen allerdings direkt aus Frankfurt, welche Intention die hatten in Braunschweig zu sein, blieb mir allerdings unklar. Waren die etwa auch bei der Lizenzentscheidung in Braunschweig? Keine Ahnung. Ein Fan, aus Frankfurt "Bernem", hatte, so meinte er zumindest, einen direkten SMS-Draht zu Lizenspieler-Betreuer Falkenhain (!!!). Ohne mir darüber nähere Gedanken zu machen, wie Falkenhain es von der Spielerbank in Frankfurt bewerkstelligt, ihn mit einem SMS-Ergebnisdienst zu versorgen, erklärte ich ihn kurzerhand zu meiner ersten Informationsquelle. Er war später glücklich, dass meine zweite Informationsquelle, nämlich der direkte Handykontakt zu mehreren Leuten im Waldstadion, zumindest noch in der ersten Halbzeit halbwegs funktionierte. So war er wenigstens auch über die Zwischenstände aus Frankfurt informiert...
Das Braunschweiger Stadion platzte natürlich aus allen Nähten. Die ganze Stadt trug an diesem Tag blaugelb! Es herrschte die Zuversicht, dass die Mainzer geschlagen und der Klassenerhalt gemeistert werden kann. Einziges Unbehagen herrschte über den Spielausgang in Karlsruhe. Für den Ligenverbleib der Braunschweiger war eine Niederlage des KSC zwingend notwendig. Aber man hoffte, dass sich die Fürther schon nicht hängen lassen werden. Nun, das sorgte natürlich bei mir für ein flaues Gefühl im Magen, denn wenn meine Eintracht so ein blödes Unentschieden gegen Reutlingen präsentiert, und bei den ganzen Remis im Waldstadion während der Rückrunde, war das ja durchaus im Bereich des Möglichen, wären die Fürther der lachende Dritte...
Beim Einlauf der Mannschaften, bot sich für mich ein doch durchaus ungewohntes Bild. Denn war ich es bisher gewohnt, dass Choreos meist ihren Mittelpunkt in den Fanblöcken haben, fand diese in Braunschweig auf der Haupt- und Gegentribüne, nicht aber in der Eintrachtfan-Kurve statt! Es sollte nicht der einzige Aha-Effekt an diesem Spieltag bleiben.
Nach wenigen Minuten schien bereits alles nach Plan zu laufen! Nach der frohen Kunde aus Frankfurt, dass es 1:0 steht, erzielten die Braunschweiger ein Tor. Während ich realisieren musste, dass das Tor, wieso auch immer, nicht gegeben wurde, erreichte mich zeitgleich das 1:1 für Reutlingen... Kurze Zeit später das Führungstor durch (ich nenn ihn jetzt nur einmal, dann nie wieder) Auer. Erster Schock, aber eigentlich noch nichts passiert... Der zweite Schock saß deutlich tiefer, als die Mainzer nach knapp 20 Minuten mit 2:0 davoneilten. Von der Braunschweiger Eintracht sah man nichts mehr. Die Braunschweiger Fans um mich herum, konnten sich auch nicht so recht daran erinnern, wann ihre Truppe das letzte Mal drei Tore im heimischen Stadion erzielte. Die Messe war, zumindest in der Abstiegsfrage, für den norddeutschen Traditionsverein gesungen... Ich flehte alle mir bekannten Götter an, dass sie sich jetzt nicht noch abschlachten lassen. Aber genau das passierte in der zweiten Halbzeit! In Kenntnis über die 3:1-Führung der Adlerträger, spielte sich das Geschehen nur noch vor dem Braunschweiger Kasten ab. Die Braunschweiger Fans, bewusst geworden, dass der Abstieg besiegelt schien (mittlerweile führte auch der KSC), interessierten sich fortan nur noch für die Aufstiegsfrage. Im gesamten Stadion, mit Ausnahme bestimmter Blöcke, wurde lautstark "Und ihr, steigt sowieso nicht auf!" gesungen, ach, eigentlich fast schon gebrüllt!
0:3 und keinen Handy-Kontakt mehr nach Frankfurt! Die Reutlinger Tore blieben mir aber dennoch nicht verborgen, da diese durch die Reaktion der etwa 2.000 Mainzer mir ganz persönlich kund getan wurden... 0:4 und zusätzliches zweimaliges Jubeln in der Faschings-Kurve. Ich sackte zusammen. Weltuntergang. Um mich herum tobte die blaugelbe Masse! Es stand 0:4 und es verließ nicht ein Mensch das Stadion! Nicht mal ich, wobei ich dazu allerdings auch körperlich nicht mehr in der Lage war. Die Braunschweiger, und zwar alle (!!!), feuerten ihre Truppe an, standen ohne Ausnahme bei "Steht auf wenn ihr Löwen seid" und zeigten den Mainzern verbal auf, wer bisher Fußballgeschichte geschrieben hat: "Nie Deutscher Meister, ihr wart noch nie Deutscher Meister!". Immer wieder peitschte es aus allen Kehlen "Eintracht, Eintracht!" Wenn ich mit meinen Gedanken nicht schon sonst wo gewesen wäre, hätte ich aufgrund der Stimmung bei DIESEM Spielstand schon längst mein Gänsehaut-Feeling gehabt! Es ging mir aber am ***** vorbei...
Zu unrecht, wie sich aber erst später noch herausstellen sollte. Über 20.000 Braunschweiger forderten von ihrer Mannschaft lautstark "Und zum Abschied, schenkt uns noch ein Tor!" Das Tor, das ich eigentlich gar nicht mehr richtig zur Kenntnis nahm, weil es mir einfach nur noch egal war, fiel tatsächlich! Und es wurde gefeiert wie die Deutsche Meisterschaft! Erst Stunden später erfuhr ich, dass dieses - für mich zu diesem Zeitpunkt völlig unbedeutende - Tor in Frankfurt Signalwirkung hatte...
Nun schaue ich fassungslos auf das Spielfeld. Klopp stürmt Richtung Haupttribüne in die Katakomben. Spieler in rotweißen Trikots fallen wir vom Blitz getroffen in sich zusammen. Der Mainzer-Präsident heult auf dem Boden sitzend hemmungslos. Irgendwie, ganz langsam, fang ich an zu begreifen! Es muss das Unvorstellbare passiert sein! Aber der Stadionsprecher meldet nichts aus Frankfurt... Verdammt, was ist los? Ich erwache aus meiner Lethargie, stehe auf, taumel zum Zaun. Um mich herum ratlose Gesichter. Ich begreife immer mehr, so feiert man keinen Aufstieg! Nicht mal die Mainzer! Dann die ersten Rufe hinter mir "SECHSZUDREI! 6:3!!!". Ich traue dem nicht. Ich will dem nicht trauen. Immer mehr Gebrülle hinter mir: "Das gibt's nicht, die Frankfurter haben es gepackt!!!". Die ersten Braunschweiger stürzen auf mich zu, gratulieren mir, umarmen mich, tanzen mit mir "Ihr seid aufgestiegen!!!" Ich reiße mich los, renn wir ein Irrer durch den Block, mindestens 750 Kilometer in Sekundenbruchteilen! Die Braunschweiger fallen unterdessen auf alles was Frankfurt-Trikots an hat freudestrahlend ein. Ich häng am Zaun, lieg am Boden, heule, schreie, bin einfach nur überwältigt! Stammel vor mich hin, das gibt's nicht, das gibt's nicht, das kann doch nicht, nein, das glaub ich nicht, WAHNSINN!!! Ich flehe mein Handy an! Kein Durchkommen nach Frankfurt, nur die blöde Mailbox an! Es muss wahr sein, es kann nur wahr sein, ja, ich will jetzt einfach, dass es wahr ist!!! WIR SIND AUFGESTIEGEN! Ich klettere auf den Zaun und schreie es in Richtung Mainzer Kurve. Renne aus dem Stadion raus und wieder rein, wieder auf den Zaun, über den Zaun, renne in das Tor, in DAS TOR! Erkläre es heilig, klammere mich ans Tornetz, schreie, jubel, tanze. Um mich herum bemerke ich aus dem Augenwinkel die panischen Ordner. Egal, sollen sie mich abführen und mir für die nächsten hundert Jahre Stadionverbot erteilen, ich habe jetzt meinen ganz persönlichen Platzsturm! Aber sie interessieren sich überhaupt nicht für mich. Um mich herum sind bereits einige hundert Braunschweigfans auf dem Platz. Sie feiern. Keine Ahnung was. Ihren Abstieg, unseren Aufstieg? Egal! Weitere tausend sind gerade dabei die Fluchttore zu stürmen und wenige Augenblicke später auch auf dem Platz! Verbrüderungsszenen zwischen Frankfurter und Braunschweiger Eintrachtfans an der Stelle, wo wenige Minuten zuvor Mainzer Spieler ins Tal der Tränen stürzten. Erst jetzt schießt es mir durch den Kopf: Was, was, um alles auf der Welt, muss eigentlich in Frankfurt jetzt gerade abgehen, und vor allem, was ist da eigentlich passiert??? War da überhaupt noch irgendwer im Stadion, oder setzte nach dem 3:3 die große Flucht aus dem Stadion ein? Wer erzielte wann die Tore? Läuft am Ende noch das Spiel und die Reutlinger schießen in diesem Augenblick das vierte Tor??? Schwachsinn! Wir haben es geschafft!!! JAAAAAAAAAAAAAA!!!
Danke, Gaff!
http://www.eintracht.de/fans/forum/1/11101218/
Empfehlung: Zeitplan bis Samstag, 15.30 Uhr
von Jermainator / 22.04.04 09:26
Ok, der Tag gestern stand ganz im Zeichen von lebhaften Diskussionen über potentielle Neuzugänge, denkbare Abgänge, Trainer- und Taktikfragen und aufgeregter Nervosität.
Doch nun ist es soweit, der Samstag rückt näher und der Vorhang geht auf für ein neues Kapitel der beliebten Serie „Das Wunder vom Main“. Der Spezialist in Sachen spannende Entscheidung wird sich gewissenhaft auf ein zunächst vorentscheidendes Spiel vorbereiten und die Verantwortlichen haben die letzten Stunden vor dem Spiel sorgfältig geplant.
Grund genug, liebe Freunde, dass auch wir uns Gedanken über die Spielvorbereitung machen:
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Freitag, 23.04.04
10.00 Uhr: Aufruf der Seite www.sge4ever.de , mit voll aufgedrehten Lautsprechern hören wir uns das Aufstellungsintro mit integrierter Radioberichterstattung vom 6:3 an. Wir schließen dabei die Augen und freuen uns darauf, Ähnliches schon wieder erleben zu dürfen. Es folgen so viele Wiederholungen, wie notwendig sind, dass uns Tränen des Glücks aus den Augen schießen. Geduld haben, da wir uns noch im Stadium des Zweifelns befinden.
11.00 Uhr: Wir checken, ob die Karten fürs HSV-Spiel noch am Aufbewahrungsort liegen. Ja? Alles ok, ein leichter Kuß auf das Ticket der Glückseligkeit. Nein? Wir rufen uns die Seite www.hsv.de auf und folgen der Beschreibung zum Online-Ticketing und bestellen uns genau zwei Karten mehr als wir brauchen. Wir werden damit zwei Freunde unendlich glücklich machen und in den Himmel kommen. Aufkommende Zweifel daran können mit einem ersten Weizen gemildert werden. Alternativ Äppler erlaubt.
12.00 Uhr: Wir gucken mal im Forum vorbei. Es herrscht nicht die beste Stimmung. Wir schreiben erstmal nix.
12.05 Uhr: Wir drehen die Stereoanlage auf und hören uns die CD mit dem 5:1 und dem 6:3 an. Zwischen den ca. 15 Wiederholungen spielen wir die Stadionlieder der vergangenen Jahre. Sobald unser Körper ein gefühltes Extremdoping wahrnimmt, können wir wieder ins Forum schauen.
15:00 Uhr: Wir schreiben einige Postings. Wir fühlen uns frei und schweben auf einer Wolke aus Hoffnung, Zuversicht und Verdrängung. Nicht alle sind unserer Meinung. Wir verstehen das zunächst nicht.
16:00 Uhr: Wir bestellen Wolfburg-Tickets.
17:00 Uhr: Die Wirkung lässt nach. Wir bemerken, dass wir an Reimann zweifeln, kritische Gedanken plagen uns. Zeit für Weizen (Äppler).
17:00 Uhr: Zu viel Realismus holt uns auf den Boden zurück. Wir bewahren noch die Fassung, klinken uns aus und begeben uns zum DVD-Player (Video-Recorder). Wir haben das Essen bisher vergessen und rufen beim Pizza-Service an. Wollen eine Pizza Schwarz-Weiß-Rot. Gibt’s nur mit Oliven. Wir hassen Oliven. Wir wollen keine Pizza.
17.30 Uhr: Wir gucken die Aufzeichnung des Spiels Eintracht-Kaiserslautern. Nach dem 5:1 rufen wir den Pizza-Service an und bestellen die Pizza. Wir lieben Oliven, denn sie beinhalten eine der Farben unserer Eintracht.
19.45 Uhr: Die Pizza kommt. Wir essen, hören dabei Stepis „zuletzt lacht“-Song. Als Peter Maffay sein Eintrachtlied summt, kommen wir zum Pizzateil mit Oliven. Nun wird’s schwierig. Wir klingeln kurz beim Nachbarn. Er soll Schur imitieren. Wir ziehen die Schuhe aus und stellen die Aufstiegsfeier nach. In einer Hand der Schuh, in der anderen die Olivenpizza. Ok, das klappt. Ab jetzt folgen keine Getränke-Empfehlungen mehr. Individuelle Levelerreichung wird empfohlen.
20:25 Uhr: Nachbar imitiert nun Zampach. Igitt, wir werfen ihn raus. (jaaaa, Tani – auch du!)
20.30 Uhr: Im Forum versteht uns zunächst niemand. Wir holen diesen Thread hervor und fordern auf, sich exakt daran zu halten.
20.45 Uhr: Keiner mehr im Forum. Video läuft vom Reutlingenspiel. Alle meditieren und prägen sich jede Spielszene des 6:3 ein. Immer wieder haltet ihr inne, um euch zu fragen, wie so etwas möglich sein kann. Wo die Hoffnung doch schon gewichen war.
21.35 Uhr: Halbzeit. Volles Rohr Eintrachtsongs. Geiles Gefühl. Andere Nachbarn klingeln wg. Lärm. Sind Mainzfans. Wir halten Papiertaschentücher bereit und trösten, dass man Platz 4 in dieser Saison noch erreichen kann.
23.00 Uhr: Haben das vollständige Spiel erlebt und noch ein wenig gefeiert. Ups, sehr laut. Polizei kommt. Typ ist OXC-Fan. Hatten noch Taschentücher übrig und trösten, dass man in der Oberliga doch viel bessere Platzierung erreichen könne.
23.25 Uhr: Wir bestellen die Hannover-Tickets.
23.30 Uhr: Forum. Mh, nicht alle halten sich an die Empfehlungen. Kritik kommt auf, man dürfe nicht so tun, als ob Friede, Freude Eierkuchen herrsche. Eierkuchen? Klingeln bei der süßen kleinen Blonden schräg gegenüber. Macht uns einen Eierkuchen mit Marmelade, Mozzarella und…mist, hat keine Oliven da. Nehmen Lakritze. Geht auch, aber nur, weil sie uns das Eintracht-Tattoo auf ihrem Busen zeigt. Sie bietet uns interessante Dinge an. Hat aber nix mit der Eintracht zu tun. Wir lehnen ab und gehen wieder.
Samstag, 24.04.
00.10 Uhr: Forum. Ja, es herrscht Friede und Freude. Der Eierkuchen wurde auch abgehandelt. Wir freuen uns gemeinschaftlich auf einen tollen Fußballtag.
02.00 Uhr: Wir gehen ins Bett und träumen von den Wundern der Vergangenheit.
03.00 Uhr: Wir pinkeln und treffen genau den OXC-Aufkleber.
05.00 Uhr: Wir träumen von den Wundern der Zukunft. Mein Gott war das Tor in Hamburg geil.
08:00 Uhr: Pizza und Eierkuchen muss raus. Gucken uns das Ergebnis an. Der Aufkleber guckt kaum noch raus. Sieht irgendwie schön aus. Lachen: „Haha, in Oxxenbach ist die Kacke am Dampfen“
10:00 Uhr: Wir träumen von Wundern der fernen Zukunft. Mein Gott war das Tor gegen Real geil.
11:00 Uhr: Aufwachen, duschen, Abmarschbereitschaft herstellen. Nochmal visuelles und akustisches Doping. Zwei Stunden lang Video-/DVD-/CD-Studium um uns zu pushen.
13:30 Uhr: Ankunft Gleisdreieck. Gelächter. Nicole und Tani erzählen, sie haben sich exakt an die Empfehlung gehalten und dabei für sie seltsame Erfahrungen gemacht. Kurvenfan, Raideg und Schwanheimer gestehen, sie hätten sich jedes Mal aufs OXC-Emblem im Klo übergeben müssen. Es stellt sich heraus, dass es mehreren so ging. Basaltkopp ist traurig, er hat im Westerwald keine Nachbarin gefunden, die ihm Eierkuchen macht. Tani tröstet ihn und hat noch ihren Eierkuchen dabei. Sie sagt, sie hätte keinen Bissen herunterbekommen, als ihre Nachbarin ihr das Busen-Tattoo zeigen wollte.
14:50 Uhr: Alle sind glücklich. Erikeasy und Basalti tanzen Samba miteinander.
14:55 Uhr: Stadion. Die Stimmung ist wahnsinnig geil. Die Mannschaft macht sich warm und man merkt ihr wieder das Feuer an.
Alles wird gut.
Jermi
http://www.eintracht.de/fans/forum/1/10882472/#f11096288
von Thomas Fricke
Noch nie standen die Meister fast aller europäischer Top-Fußballligen so früh fest wie diesmal - bevor es überhaupt spannend wurde. Ein Fall entweder fürs Kartellamt oder für ein Abschieben der Monopolsieger.
Eindeutig marktbeherrschend. Karl Marx hatte doch Recht. Der Kapitalismus tendiert zu gräuslichen Monopolbildungen, die den Markt außer Kraft setzen. Verschätzt hat sich Marx nur darin, dass das erst in den ersten Wochen 2006 unerträgliche Ausmaße annehmen würde - seit feststeht, dass Bayern München seinen Monopolanspruch auf die deutsche Fußballmeisterschaft diesmal schon zur Saison-Halbzeit umsetzt.
Der weltgrößte Wettanbieter Betfair hat daraufhin diese Woche angekündigt, dass er ab sofort keine Wetten mehr auf die Bayern annimmt und den Verein wegen Überlegenheit aus dem Wettbewerb holt. Kapitalismus kaputt.
Der Schritt hat etwas Hochsymbolisches. In sämtlichen europäischen Topligen stehen kurz nach der Winterpause die Meister so gut wie fest, bevor es ansatzweise spannend werden konnte. Entscheidend war immer das akkumulierte Kapital. Tendenz steigend. Da hilft nach bewährter bundesdeutscher Manier nur noch das Kartellamt - oder die rasche Ausweisung bayerischer Großgeldklubs nach Europa. Viel Spaß dort.
Zehn Punkte Vorsprung haben die Bayern derzeit auf den Zweiten der Bundesliga, bis Platz vier sind es schon 15 Punkte. In Italien heißen die Bayern Juve, die Turiner deklassieren die Pseudokonkurrenz um 12 und 16 Punkte. In Frankreich demütigt Lyon den Rest, und auf der Insel hält Chelsea die Laufkundschaft mit 21 Punkten bis Platz vier zum Narren. Nur Spaniens FC Barcelona täuscht seit zwei Spieltagen Schwäche vor und wiegt die ausgebeutete Restliga vorübergehend in der Illusion, dass doch noch was Spannendes passieren könnte.
Monopolkapitalistische Spitzenreiter
Das Schlimme ist, dass die Chancen der anderen derzeit mit jeder Spielzeit weiter zu schwinden scheinen. In der Bundesliga hat es kein einziger Aufsteiger der vergangenen zwei Jahre in die erste Tabellenhälfte geschafft; sie belegen zurzeit sechs der acht letzten Plätze. Und was dahintersteckt, liegt nahe. Die designierten monopolkapitalistischen Spitzenreiter der europäischen Topligen sind auch die, die in ihren Ländern mit Abstand die teuersten Spieler akkumulieren.
Nach der am Donnerstag veröffentlichten 2005er Rangliste der geldgrößten Fußballvereine der Welt stehen Bayern, Barça, Chelsea und Juve alle weit vorne. Wie die neue Auswertung der Unternehmensberatung Deloitte ergab, machen diese großen vier mit je 190 bis 230 Mio. Euro mittlerweile doppelt so viel Umsatz wie selbst unmittelbar folgende Konkurrenten à la Schalke. Geradezu hinreißend, wenn Bayerns Manager beklagen, dass sie zu wenig Geld haben.
Von wegen. Nach deutschem Kartellrecht liegt eine gefährliche Marktbeherrschung vor, wenn ein Unternehmen "keinem wesentlichen Wettbewerb" mehr ausgesetzt ist. Das trifft hier eindeutig zu. Ab einem Drittel Marktanteil gilt sogar die Monopolvermutung. Die Bayern haben mehr als 80 Prozent aller Spiele der laufenden Saison gewonnen, 70 Prozent aller Meisterschaften der vergangenen zehn Jahre und 100 Prozent der großen deutschen Titel 2005. Und sie verwalten immerhin fast 20 Prozent der geschätzten Transferwerte sämtlicher Bundesligaspieler; in Spaniens Primera Division beschäftigen die ersten drei sogar das halbe Humankapital der insgesamt 20 Vereine.
In Amerika werden derart monopolisierende Konzerne einfach zerschlagen. Das wäre vielleicht ein bisschen hart, mit nur noch sechs Feldspielern würden selbst die Bayern Konditionsprobleme bekommen. Eine andere Variante wäre, den Verein nach Bundeskartellamts-Tradition einfach mit ein paar Auflagen zu belegen. Etwa so: Der Erste muss, wenn er während der Saison eine näher zu definierende Übermachtstellung erreicht, seinen teuersten Spieler automatisch an den Tabellenletzten abgeben. Dann müsste Michael Ballack jetzt zum 1. FC Köln, statt womöglich zu den Altherrenstars von Real Madrid, wie seit Monaten gemunkelt wird.
Absehbar ist, dass die Bayern spätestens dann allerdings wieder zu jammern anfangen, dass sie mit solchen Hindernissen und ohne die freiwillige finanzielle Selbstaufgabe der deutschen Ligakonkurrenz überhaupt nicht mehr mit der noch viel reicheren Konkurrenz auf europäischer Topebene mithalten können (weshalb sie ja unbedingt auch noch mehr TV-Gelder brauchen). Das geht natürlich auch nicht.
Keine Karnevalskonkurrenz mehr
Bliebe noch als Ausweg, die Marktdefinition zu erweitern und die Bayern hochachtungsvoll nach Europa abzuschieben. Europas Topvereine könnten ihre eigene Liga gründen, dort mit jeweils ähnlich dreistelligen Millionen-Budgets Woche für Woche in einer eigenen Meisterschaft gegeneinander antreten und am Ende einen Supermeister ermitteln. Die Letzten der Tabelle würden am Ende jeweils in ihre nationale Liga absteigen, während der dortige Meister dann in die Euro-Liga aufsteigt, so ähnlich wie das in Deutschland, sagen wir, zwischen Regional- und Oberliga ja auch praktiziert wird.
Der Vorteil für Bayern wäre, dass sie sich erstens nicht mehr anhören müssten, sie würden ohnehin immer Meister. Zum Zweiten bräuchten sie ihre Wochenenden nicht mehr bei Karnevalsvereinen zu verbringen. Umgekehrt könnten vielleicht sogar Schalke und Leverkusen deutsche Meister werden und müssten nicht mehr sinnlos Tore vor sich hin schießen.
Könnte sein, dass Bayern-Anhänger dann vorübergehend psychologische Betreuung brauchen - wenn Herr Kahn sich künftig in der zweiten Tabellenhälfte festsetzt. Oder mit Chelsea auch mal gegen den drohenden Abstieg spielt.
Für den Rest der Welt wäre selbst das in jedem Fall die schönere Perspektive. Der Verkrustungstrend zum Einheitsmeister ist nicht nur fußballerisch langweilig, sondern auch stark systemgefährdend. Mit oder ohne Marx: Auch die DDR hat sich damals immerhin aufzulösen begonnen, nachdem dort der Berliner FC Dynamo 1988 im zehnten Jahr in ununterbrochener Folge Fußballmeister geworden war."
Thomas Fricke ist Chefökonom der Financial Times Deutschland. Er schreibt jeden Freitag an dieser Stelle.
Der Racing Club de Avellaneda aus Buenos Aires gewann zwischen 1915 und 1918 vier Mal hintereinander die argentinische Meisterschaft und zwischen 1949 und 1953 sogar fünf Mal in Folge. 1967 hatte der Klub insgesamt 13 Meistertitel gesammelt und schaffte dann auch noch den größten Triumph der Vereinsgeschichte: den Gewinn des Weltpokals.
Doch mit dem Tag des Finalsiegs über Celtic Glasgow begann der Niedergang. Wahrend die Fans von Racing noch feierten, brachen Anhänger des größten Rivalen Independiente in das Stadion ihres verhassten Nachbarn ein und vergruben dort sieben schwarze Katzen, um die Stätte mit einem Fluch zu belegen. Es wird die Legende verbreitet, dass dabei sogar der Platzwart mit dem Gegner kollaboriert hatte.
Jahrelang suchten Offizielle und Fans von Racing Club die Tierleichen, denn mit ihrem Klub ging es kontinuierlich bergab. 35 lange Jahre blieben weitere Titel aus, 1999 stand man sogar vor dem Bankrott und ein Priester versuchte, das Stadion von seinem Fluch zu befreien. Angeblich jubelten die Fans jedes Mal, wenn der Priester Horacio della Barca Weihwasser in eines der Tore spritzte. Doch auch das half nicht, weshalb 2001 der neue Trainer Reinaldo Merlo eine groß angelegte Suche nach der siebten Katze initiierte.
Im Laufe der Jahrzehnte waren zwar sechs der toten Katzen gefunden und beseitigt worden, die letzte aber fehlte immer noch. Also wurden selbst Flächen aufgerissen, die nach 1967 betoniert worden waren, und an einer Stelle, wo früher ein Wassergraben gewesen war, fand man tatsächlich das Skelett einer Katze. Der Racing Club wurde noch in derselben Saison Meister.
aus "Fast alles über Fußball", Christoph Biermann, KiWi Paperback, 2005