Vor einigen Monaten, saß ich mit einem Komilitonen an einem der Straßentische unseres Lieblingsasiaten und wartete auf unser Essen. Ich hatte wie immer die 6 mit Sojasoße und er die 14 bestellt. Gerade in dem Moment als uns aufgetischt wurde, kamen einige unserer Professoren vorbei, die sich auch gleich im Vorbeigehen nach der Güte der Speisen erkundigten. Nach einer kurzen Beschreibung der zu erwartenden lukullischen Genüße, wendete ich mich wieder unserem Tisch und damit auch endlich dem Essen zu, als - wie aus dem Nichts - unsere Professorin an unserem Tisch saß. Mein erster Gedanke war: "Ach nööö, nicht die jetzt". Denn, so nett sie als Person auch sein mag, ihr Redebedarf verträgt sich einfach nicht mit warmem Essen. Sie begann auch gleich loszuplaudern und erzählte uns, das sie (sie und ein anderer Professor) sich gedacht hätten, dass wir zwei eine tolle Bereicherung für den geplanten Workshop in Brasilien wären und ob wir nicht Lust hätten mitzukommen. Von der Situation total überrascht und in einer Mischung aus Freude, Erstaunen und Hä?!?-Wie-Bitte-Gefühl sagten wir selbstverständlich sofort zu, zudem sie uns noch versprach, dass die Reise zu einem Großteil von der Hochschule getragen werden würde.
Schon bei einem der ersten Vortreffen, machte ich Henrique - unserem brasilianischem Austauschstudenten - klar, dass ich unbedingt ein brasilianisches Fussballspiel sehen wolle. Er meinte, dies sei kein Problem, zumal einige seiner Freunde zu nahezu jedem Spiel gehen würden. Die Vorfreude wuchs - zumal ich voll Freude feststellte, dass ich - dank Nationalmannschaft - kein Eintrachtspiel verpassen sollte.
Am Sonntag besuchte ich mit meinem Vater noch das Spiel gegen den HSV um mich dann am nächsten Tag in den Flieger Richtung Brasilien zu setzen. Genauer gesagt Richtung Atlanta. Denn da wir als Gruppe (2 Professoren, 8 Studenten) zusammen fliegen wollten und die Direktflüge keine Kapazität mehr für 10 Personen hatten, blieb uns nichts anderes übrig als diesen Umweg in Kauf zu nehmen. Das bedeutete zwei 9 Stunden Flüge und dazwischen einen Aufenthalt von 5 Stunden. Allerdings wusste das Amt für "Homeland Security" durch intensive Sicherheitskontollen mit Abnahme von Fingerabdrücken sowie Foto die Wartezeit mehr oder weniger unterhaltsam zu gestalten .
Endlich in Brasilien angekommen, erzählte mir Henrique (er war schon vor geflogen (Direktflug )) gleich, das am Mittwoch "Falflu" sei... Flaflu? Äh...toll, und was ist das? Damit outete ich mich zwar sofort als Banause in Sachen brasilianischen Fussballs, aber egal . Flaflu = Fla - Flu, oder Flamengo gegen Fluminense, das Lokalderby in Rio schlechthin - von der Brisanz her ungefähr vergleichbar mit Frankfurt gegen Oxxenbach. Da konnte ich mein Glück kaum fassen; kein Eintrachtspiel verpasst und dann noch zum Stadtderby in Rio. Es gibt zwar noch einige Stadtderbys mehr in Rio - was ja bei 4 Vereinen in der ersten Liga kein Wunder ist - aber Flaflu ist der Knaller schlechthin. Von Rafael, dem brasilianische Studenten bei dem ich untergebracht war, erhielt ich zudem noch wertvolle Backgroundinformationen, da dieser Fluminense-Fan (gesprochen Fluminehs) und dort sogar Mitglied der Ultras ist. So gibt es z. B. einige Leute die weit oben in der Hierarchie der Ultras stehen, die dies gewissermaßen als Beruf ausüben. Sicher gibt es auch hier Leute die einen Großteil ihrer Zeit für ihren Fussballclub opfern, aber dies geschieht doch in der Regel unentgeltlich. In Brasilien allerdings generieren die Ultras auf folgende Weise Geld, bzw. ihr Einkommen: Sie erhalten als Ultragruppierung von ihrem Club Freikarten für die Heimspiele, d. h. sie sagen:"Ok, wir kommen mit 900 Leuten" - in Wahrheit kommen dann nur 300 , womit sie einen Überschuss von 600 Tickets haben. Diese verkaufen sie in Eigenregie und finanzieren damit ihre Auswärtsfahrten und ihre "Führungsriege". Diese wird davon allerdings nicht reich, bzw. setzt es auch gar nicht darauf an wirklich Geld zu verdienen. Es ist vielmehr als Aufwandsentschädingung zu betrachten, denn für Arbeiten bleibt ja vor lauter Fussball keine Zeit mehr . Auswärtsfahrten bekommen schon durch die gigantischen Distanzen einen ganz anderen Charakter. Bei einem Land, das 24mal so groß ist wie Deutschland und über praktisch kein Eisenbahnnetz verfügt, werden Besuche von Auswärtsspielen schnell mal zu kurz Urlauben von mehreren Tagen, wobei Busfahrten von 50 Stunden und mehr keine Seltenheit sind. Die reisefreudigsten, bzw. fanatischsten Fans sind übrigens die der Corinthians. Rafael beschrieb dies so:"If Corinthians would play in hell, they will go there, too." Im Gegensatz dazu verfügt Flamenco allerdings über die größte Fangemeinde, die sogar die größte der Welt sein soll. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um "Kunden" wie beim FCBäh mit seinen was-weiss-ich-wievielen Mitgliedern, sondern um richtige Fans (soweit ich das einschätzen kann). Zudem ist Flamenco etwas, was man hier wohl einen Arbeiterverein nennen würde. Rafael - wie gesagt selbst Fluminense-Fan - meinte, daß jeder Dieb ein Flamencotrikot tragen würde; Und Diebe gibt es in Rio wahrlich viele. (So ist es z. B. erlaubt ab Mitternacht über rote Ampeln zu fahren, da schon zu viele Leute überfallen (oder Schlimmeres smile: wurden, während sie an der Ampel hielten) Sicherlich ist die Aussage von Rafael nicht ganz richtig. Sie zeigt aber gut, aus welchen Schichten die Mehrzahl der Anhänger von Flamenco kommen.
Der Mittwoch rückte immer näher und mir wurde teilweise ein bisschen mulmig zumute. Denn was eigentlich als einfacher Besuch eines Fussballspiels gedacht war - sprich ein Komilitone, ich und ein oder zwei Brasilianer - geriet zunehmend zu einem "Massenevent". Jetzt wollten auch noch einige von unseren Mädels mitgehen und die Professoren (eine Sie und ein Er) überlegten auch schon, ob sie mitkommen wollten. Natürlich habe ich Nichts gegen Mädels beim Fussball, oder dergleichen. Aber ein Besuch in einem brasilianischen Stadion, muss für Touristen nicht immer glimpflich verlaufen (wie war das nochmal mit "Jeder Dieb ein Flamencotrikot"). Zumal ich mich als Initiator des Ganzen ein Wenig verantwortlich fühlte und ich gar nicht daran denken mochte, dass etwas passieren könnte (unsere Professoren fielen ohnehin eher in die Kategorie "leichtes Opfer"). Ausserdem erhöhte sich die Zahl der uns begleitenden Brasilianern nicht im gleichen Verhältnis wie die unserer Teilnehmer.
Am Ende ging unsere gesamte Gruppe (ohne Uhren, Schmuck, auffällige Klamotten, Digicams oder dergleichen) zu dem Spiel und wurde nur von Henrique und einer Brasilianerin auf dem Weg dorthin begleitet - Rafael und vielleicht ein paar andere sollten wir erst am Stadion treffen.
Nach einer vielleicht 40minütigen U-Bahnfahrt, fuhren wir endlich in die Haltestelle mit dem verheißungsvollen Namen "Maracana" ein. Die Spannung stieg merklich und ich war fast so aufgeregt, wie vor einem Spiel unserer Eintracht. Kaum aus der U-Bahn ausgestiegen, kam auch schon die mächtige Silhouette des Maracana-Stadions in unser Blickfeld. Man konnte zwar erst einen Teil des Stadions sehen, aber dieser genügte um sich einen Eindruck von dessen Größe zu verschaffen - riiiiiiiießig. Der Weg zum Stadion war nur noch kurz und erinnerte an hießige Verhältnisse. Man überquerte Straßenüberführungen und kam an Händlern vorbei, die Flamencotrikots oder Dosenbier verkauften. Vor dem Haupteingang angekommen, genehmigten wir uns erst einmal bei einem der Letzteren das obligatorische Stadionbier und genossen ein wenig die spätabendliche (20:30 Uhr) Atmosphäre vor dem Stadion. Die Flamecoanhänger waren hier schon klar in der Überzahl und vereinzelt wurden die ersten Sprechchöre angestimmt. Nachdem jeder seine Karte bekommen hatte (15 Reais, ca. 5 €), bei der es sich um ein schnödes kreditkartengroßes Stück Pappe mit Magnetstreife und einseitigem Werbeaufdruck handelte,
ging es endlich ins Stadion. Hier fingen dann die Unterschiede an... Im Gegensatz zu uns, kauft man sich dort eine Karte, die zum Zugang zu einem Block berechtigt - dann ist frei Platzwahl angesagt. Das Maracana Stadion, in den 50er Jahren gebaut und mit einer damaligen Kapazität von 220.000 Plätzen (in Worten zweihundertzwanzigtausend ), wird im Zuge von Richtlinien der Fifa gerade zu einem reinen Sitzplatzstadion umgebaut und wird dann über nur noch 100.000 Plätze verfügen. Auf Grund dieser Umbaumaßnahmen, war auch nur der Oberrang geöffnet, da auf dem unteren Rang gerade die Sitze angebracht wurden. Unsere Plätze befanden sich im "gemäßigterem" Bereich der Flamencokurve, was speziell für Rafael kaum zu ertragen war und ich auch durchaus nachvollziehen kann. Wer hat schon Lust sich als echter Eintrachtfan Frankfurt gegen Oxxenbach im gegnerischen Block anzuschauen. Auf Grund der Größe des Stadions, schien sich der Weg zu unseren Plätzen endlos hin zu ziehen; und da die Geometrie des Stadions ja einem Oval entspricht, wusste man nie, ob man sich jetzt noch in der Kurve oder schon auf der Gegengeraden befindet. Dann kam er endlich der lang ersehnte Moment ... durch den Blockeingang betraten wir das Innere des Stadiums und ein gignatisches Rund öffnete sich vor uns. Bigtime!!!! Wir suchten uns ein paar Plätze und kauften uns noch ein paar Bier bei einem der Händler, die die Reihen abliefen. Es wurde - bei uns undenkbar - Dosenbier verkauft; für knapp einen Euro die Dose, was bei uns im Stadion ebenfalls undenkbar ist. Zudem liefen ständig Leute umher die Trikots verkauften, wobei ich meine Bedenken hatte ob es sich hierbei um Originale handelte. [img]http://www.copacabana.info/images/bras_maracana_stadion550x400.jpg [/img]
Das Bild ist zwar nicht von mir, da dank Einmalkamera kein einziges meiner Fotos aus dem Stadion was geworden ist , stimmt aber nahezu perfekt mit meiner Perspektive im Stadion über ein.
Bis zum Anpfiff waren es keine 20 Minuten mehr und ich fragte mich, ob nicht langsam mal die Mannschaften zum Warmmachen kommen müssten. Wie ich später erfuhr, verfügt das Maracana-Stadion aber über einen/zwei (?) unterirdische Hallen in denen sich die Spieler auf das Match vorbereiten. Kurz vor Spielbeginn kamen dann die Mannschaften auf den Platz und anders als bei uns gab es keine Einlaufmusik, keine Musik überhaupt und auch keinen Stadionsprecher. Also gab es auch keine Bekanntgabe der Aufstellung, außer über eine der 4 "relativ" kleinen Anzeigetafeln, auf denen nie mehr als 2 Spielernamen gleichzeitig Platz fanden und die mich stark an die Anzeigetafeln im Münchner Olympiastadion erinnerten. Die Spieler trabten noch ein bisschen umher und passten sich ein paar Bälle zu. Schon beim Warmschießen des Torwarts wurde zum ersten Mal deutlich, dass hier anderer Fussball gespielt wird. Der Torwarttrainer (?) postierte sich Mittig an der Strafraumgrenze und drosch dem Torwart die Dinger seitlich Volley per Außenriss auf den Kasten. Da hätte der Menger sich wohl die Füße bei gebrochen ,-). Vor allem kamen die Schüsse auch alle gut und äußerst platziert.
Das Stadion war fest in Flamenco-Hand und bei weitem nicht ausverkauft, was mich schon ein Wenig verwunderte, da es sich ja schließlich um zwei Clubs aus Rio handelte und somit beide quasi ein Heimspiel hatten. Zum ersten Mal wurde es richtig Laut, als einige Anhänger von Fluminense mit großen Fahnen am Rand ihrer Kurve entlang rannten und so ein gellendes Pfeifkonzert provozierten. Kurz vor Anpfiff wurden dann auch die ersten Bengalos gezündet (im Gegensatz zu hier, sind diese dort erlaubt). Viel populärer sind aber "Fackeln" einer anderen Art. Hierbei handelt es sich wohl um so etwas Ähnliches wie eine bengalische Fackel, allerdings erzeugt diese keinen Rauch und ihr Licht geht ständig an und aus; fast so als würde jemand ständig seinen Blitz an seiner Kamera benutzen. Das Einzige was dort in Hinsicht auf Feuerwerkskörper verboten ist, sind Kanonenschläge. Aber auch diese waren natürlich zu hören - im Gegensatz zum Anpfiff. Da es, wie gesagt, keinen Stadionsprecher gibt, schien das Spiel "einfach" loszugehen. Die Mannschaften stellten sich auf und los ging es. Noch ehe ich mir einen Überblick über etwaige Formationen oder Taktiken machen konnte, erzielte Fluminense nach anfänglichem Geplänkel im Mittelfeld schon in der 3. oder 4. Minute das 1 zu 0. Ein langer Diagonalpass fand den bulligen Stürmer Fluminenses Tuta, der mit einer Kopfballbogenlampe aus vielleicht 8 Metern ins lange Eck traf. Die uns gegenüberliegende Seite tobte. Da weder Fluminense noch Flamengo den eigenen Ansprüchen in dieser Saison gerecht werden konnten (Flu 11., Fla 14. - 2 Punkte Abstand) war dieses Spiel auch über das Derby hinaus von Bedeutung. Wer hier gewann, ließ den anderen in der Tabelle hinter sich, bzw. zog an diesem vorbei.
Die Fans von Flamengo zeigten sich nur kurz geschockt und begannen gleich wieder ihre Mannschaft anzufeuern. Dies war wohl einige der wenigen Momente, in denen sie wirklich ihre Mannschaft unterstützten. Denn an sonsten bestanden ihre Sprechchöre in der Mehrzahl aus üblen Beschimpfungen des gegnerischen Teams, gegen welche das hier zu hörende H****söhne fast schon harmlos ist. Hier kam der Derbycharakter am deutlichsten durch. Das Spiel wirkte für europäische Augen irgendwie komisch, doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, warum dies so war, kam Flamengo keine 5 Minuten nach dem 1 zu 0 zum Ausgleich. Ein Spieler Flamengos wurde an der Strafraumgrenze gefoult und der darauf folgende Freistoß von Flamengos Renato dermaßen ins Netz gehämmert, dass auch eine Mauer - die ohnehin falsch plaziert schien - wohl nichts gebracht hätte. Daraufhin ging es hoch und runter. Ein Mittelfeld schien es nicht zu geben und eine wirklich organisierte Abwehr teilweise auch nicht. Das Spiel erinnerte fast mehr an englisches Kick&Rush als an Sambafussball und technisch versierte Ballstafetten. Die Bälle wurden hinten teilweise gnadenlos rausgedroschen, wobei auch die Verteidiger in einigen Situationen zeigten, was sie in Sachen Körpertäuschungen und Passspiel drauf hatten. Das Spiel fand im Grunde nur vor den beiden Toren statt, wobei die Angriffe von Fluminense immer häufiger im Keim erstickt wurden. So war es auch wieder ein Spieler von Flamengo, der nach einer Ecke die nächste große Chance hatte und denn Ball an die Latte zimmerte. Ich sehe mich leider nicht im Stande, wirklich beschreiben zu können, was den Fussball in Brasilien so anders im Gegensatz zur Bundesliga macht. Aber wir waren uns alle einig, das dem auf jeden Fall so ist. Wie man uns später sagte, scheint es wohl recht typisch für brasilianischen Ligafussball zu sein, auf das Mittelfeld zu "verzichten". Dieses wird eher mit einem langen Pass versucht zu überbrücken und dann wird auf die technischen Fähigkeiten der Stürmer vertraut. Manchmal erinnerte das Ganze fast schon an Handball, da immer um den 16er rumgespielt wurde. Fluminense konnte auf jeden Fall froh sein, nicht schon vor der Pause in Rückstand geraten zu sein, da sie kaum noch in der Lage waren sich Chancen zu erarbeiten und vollends damit beschäftigt waren die Bälle hinten raus zu schlagen.
Halbzeit.
In der Halbzeit bemerkte ich beim Bierholen, wie einige Ultras (?) eine rießige Blockfahne unterhalb unseres Blocks bereit legten. Diese kam dann auch kurz vor Beginn der 2. Hälfte zum Einsatz. Zuerst freute ich mich noch auf das Spektakel, aber dann, nachdem die ersten Meter über mich hinweggezogen waren, machte sich ein ekelhafter Schimmelgestank unter der Fahne breit .
Kurz nach Beginn der 2. Hälfte hatte Flamengo wieder die Gelegenheit per Freistoß in Führung zu gehen - welche sie auch nutzten. Wiederrum Renato zirkelte den Ball mit Wucht um die Mauer und brachte Flamengo auf die Siegerstraße. Der Führungstreffer gab Rafael dann den Rest. Er stand auf und verließ unseren Block ohne ein weiteres Wort. So blieb ihm immerhin der Gestank der Blockfahne erspart, die natürlich sofort wieder über unsere Köpfe gezogen wurde. Dies sollte allerdings nur ein schwacher Trost für ihn sein, den Fluminense kam in der Folge überhaupt nicht mehr gefährlich vor das Tor von Flamengo. Im Gegenteil, sie konnten froh sein, nicht schon einige Minuten später das 3 zu 1 zu fangen, als ein Spieler Flamengos wiederum nur die Latte traf. Allerdings ließ das 3:1 auch so nicht mehr lange auf sich warten. Diesmal fiel das Tor zumindest aus dem Spiel heraus, nachdem sich ein Spieler Flamengos über Außen durchgesetzt hatte und scharf nach innen spielte, wo ein anderer Spieler nur noch einzuschieben brauchte. Die Entscheidung war gefallen. Die Flamenco-Fans stimmten weitere Schmäh- und Spottgesänge an und starteten die ein oder andere Hüpfeinlage - alles begleitet von allgegenwärtigen Sambarhythmen. Flamenco spielte sich hiernach fast in einen Rausch (oder war Fluminense heute einfach so schlecht) und konnte sogar noch das 4:1 erzielen, was es zu einer totalen Demütigung für Fluminense werden ließ. Dies bedeutete allerdings auch eine Demütigung meiner Geruchszellen, da natürlich nach jedem Tor wieder die Blockfahne zum Einsatz kam.
Von den Spielern kannte ich keinen, es sei denn bei Luizao handelt es sich um den selben, der bei der Hertha eigentlich nie was gerissen hat. Außerdem soll der 2fache Torschütze Renato in der letzten Saison noch bei Madrid, oder bei irgendeinem anderen Club in Spanien gespielt haben. Am auffälligsten war für mich der eingewechselte 10er Flamencos (Körpertäuschungsgott, super Technik und Passspiel) und der 7er von Fluminense, auch wenn man von diesem in der 2. Halbzeit nichts mehr gesehen hat, da er als Stürmer einfach keine Bälle mehr bekam.
Mit dem Abpfiff verließen die Spieler (die Mehrzahl der Fluminense-Fans war ohnehin schon vorher gegangen) sofort das Spielfeld - selbst die Spieler von Flamenco! Kein Feiern mit den Fans, kein Winken, gar nichts - und das nach einem 4:1. Naja, andere Länder - andere Sitten....
Wir warteten noch, bis sich fast das gesamte Stadion geleert hatte und verließen dann in aller Ruhe unseren Block. Die Rückfahrt gestalltete sich ebenfalls sehr angenehm und ohne Komplikationen. Alles in allem war dies ein wirklich unterhaltsamer und interessanter Fussballabend und ein absolutes Highlight unseres Brasilienaufenthaltes.
Ich führte mit Rafael in den folgenden Tagen noch so manches Fussballfachgespräch ( ). Besonders erwähnenswert finde ich es, dass Brasilianer es lustig finden, dass es bei uns Schals als Fanutensil gibt und man diese bei den Spielen trägt. Ok, was soll man als Brasilianer auch mit einem Schal, wenn es im Winter gerade mal 15° kalt wird. Desweiteren hat der Weltpokal einen viel höheren Stellenwert in Brasilien als bei uns. Zumindest in meiner Wahrnehmung, ist das was zählt der Gewinn der Championsleague. Der Weltpokal ist dann nur noch eine Art Zusatzschmankerl, was zwar schön ist, aber auf das es nicht wirklich ankommt. In Brasilien wird es wirklich als der Gewinn der Clubweltmeisterschaft betrachtet, bzw. bekommt dieses eine Spiel eine ganz andere Wertigkeit zugesprochen als von uns (mir?).
Ich hoffe ich konnte Euch einen kleinen Einblick geben und bedauere es zu tiefst, Euch - bis auf die Karte - keine eigenen Bilder zeigen zu können (Scheiss Einwegkameras). Der Fussball hier hat sicherlich auf Grund des "Drumherums" einen viel größeren Eventcharakter. Dem kann (und muss) man sicherlich auch kritisch gegenüber stehen, aber so ganz ohne Event (Musik, Stadionsprecher, etc.) fehlte - zumindest mir als Europäer - etwas...
Ach ja, am nächsten Tag titelte die größte Sportzeitung ganz groß: MASSACRE! 4 a 1
Ich denke, Schönwetterspieler würde Studiengebühren schon akzeptieren, wenn sein klasse & supersized Bericht im Forum nur noch auf dem Umweg über die Kreditkarte aufgerufen werden könnte. Natürlich wären die zu zahlenden Beträge graduell nach Solvenz der Interessenten gestaffelt, von, ähm, achjetzt fällt mir wieder kein anderes Beispiel ein als Anwälte, bis hin zu bedürftigen Adlerkadabras, die selbstverständlich Gratisaccess zu haben hätten
Gerade in dem Moment als uns aufgetischt wurde, kamen einige unserer Professoren vorbei, die sich auch gleich im Vorbeigehen nach der Güte der Speisen erkundigten. Nach einer kurzen Beschreibung der zu erwartenden lukullischen Genüße, wendete ich mich wieder unserem Tisch und damit auch endlich dem Essen zu, als - wie aus dem Nichts - unsere Professorin an unserem Tisch saß. Mein erster Gedanke war: "Ach nööö, nicht die jetzt". Denn, so nett sie als Person auch sein mag, ihr Redebedarf verträgt sich einfach nicht mit warmem Essen.
Sie begann auch gleich loszuplaudern und erzählte uns, das sie (sie und ein anderer Professor) sich gedacht hätten, dass wir zwei eine tolle Bereicherung für den geplanten Workshop in Brasilien wären und ob wir nicht Lust hätten mitzukommen. Von der Situation total überrascht und in einer Mischung aus Freude, Erstaunen und Hä?!?-Wie-Bitte-Gefühl sagten wir selbstverständlich sofort zu, zudem sie uns noch versprach, dass die Reise zu einem Großteil von der Hochschule getragen werden würde.
Schon bei einem der ersten Vortreffen, machte ich Henrique - unserem brasilianischem Austauschstudenten - klar, dass ich unbedingt ein brasilianisches Fussballspiel sehen wolle. Er meinte, dies sei kein Problem, zumal einige seiner Freunde zu nahezu jedem Spiel gehen würden. Die Vorfreude wuchs - zumal ich voll Freude feststellte, dass ich - dank Nationalmannschaft - kein Eintrachtspiel verpassen sollte.
Am Sonntag besuchte ich mit meinem Vater noch das Spiel gegen den HSV um mich dann am nächsten Tag in den Flieger Richtung Brasilien zu setzen. Genauer gesagt Richtung Atlanta. Denn da wir als Gruppe (2 Professoren, 8 Studenten) zusammen fliegen wollten und die Direktflüge keine Kapazität mehr für 10 Personen hatten, blieb uns nichts anderes übrig als diesen Umweg in Kauf zu nehmen. Das bedeutete zwei 9 Stunden Flüge und dazwischen einen Aufenthalt von 5 Stunden.
Allerdings wusste das Amt für "Homeland Security" durch intensive Sicherheitskontollen mit Abnahme von Fingerabdrücken sowie Foto die Wartezeit mehr oder weniger unterhaltsam zu gestalten .
Endlich in Brasilien angekommen, erzählte mir Henrique (er war schon vor geflogen (Direktflug )) gleich, das am Mittwoch "Falflu" sei...
Flaflu? Äh...toll, und was ist das?
Damit outete ich mich zwar sofort als Banause in Sachen brasilianischen Fussballs, aber egal .
Flaflu = Fla - Flu, oder Flamengo gegen Fluminense, das Lokalderby in Rio schlechthin - von der Brisanz her ungefähr vergleichbar mit Frankfurt gegen Oxxenbach. Da konnte ich mein Glück kaum fassen; kein Eintrachtspiel verpasst und dann noch zum Stadtderby in Rio. Es gibt zwar noch einige Stadtderbys mehr in Rio - was ja bei 4 Vereinen in der ersten Liga kein Wunder ist - aber Flaflu ist der Knaller schlechthin.
Von Rafael, dem brasilianische Studenten bei dem ich untergebracht war, erhielt ich zudem noch wertvolle Backgroundinformationen, da dieser Fluminense-Fan (gesprochen Fluminehs) und dort sogar Mitglied der Ultras ist.
So gibt es z. B. einige Leute die weit oben in der Hierarchie der Ultras stehen, die dies gewissermaßen als Beruf ausüben. Sicher gibt es auch hier Leute die einen Großteil ihrer Zeit für ihren Fussballclub opfern, aber dies geschieht doch in der Regel unentgeltlich. In Brasilien allerdings generieren die Ultras auf folgende Weise Geld, bzw. ihr Einkommen: Sie erhalten als Ultragruppierung von ihrem Club Freikarten für die Heimspiele, d. h. sie sagen:"Ok, wir kommen mit 900 Leuten" - in Wahrheit kommen dann nur 300 , womit sie einen Überschuss von 600 Tickets haben. Diese verkaufen sie in Eigenregie und finanzieren damit ihre Auswärtsfahrten und ihre "Führungsriege". Diese wird davon allerdings nicht reich, bzw. setzt es auch gar nicht darauf an wirklich Geld zu verdienen. Es ist vielmehr als Aufwandsentschädingung zu betrachten, denn für Arbeiten bleibt ja vor lauter Fussball keine Zeit mehr .
Auswärtsfahrten bekommen schon durch die gigantischen Distanzen einen ganz anderen Charakter. Bei einem Land, das 24mal so groß ist wie Deutschland und über praktisch kein Eisenbahnnetz verfügt, werden Besuche von Auswärtsspielen schnell mal zu kurz Urlauben von mehreren Tagen, wobei Busfahrten von 50 Stunden und mehr keine Seltenheit sind. Die reisefreudigsten, bzw. fanatischsten Fans sind übrigens die der Corinthians. Rafael beschrieb dies so:"If Corinthians would play in hell, they will go there, too."
Im Gegensatz dazu verfügt Flamenco allerdings über die größte Fangemeinde, die sogar die größte der Welt sein soll. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um "Kunden" wie beim FCBäh mit seinen was-weiss-ich-wievielen Mitgliedern, sondern um richtige Fans (soweit ich das einschätzen kann). Zudem ist Flamenco etwas, was man hier wohl einen Arbeiterverein nennen würde. Rafael - wie gesagt selbst Fluminense-Fan - meinte, daß jeder Dieb ein Flamencotrikot tragen würde; Und Diebe gibt es in Rio wahrlich viele. (So ist es z. B. erlaubt ab Mitternacht über rote Ampeln zu fahren, da schon zu viele Leute überfallen (oder Schlimmeres smile: wurden, während sie an der Ampel hielten) Sicherlich ist die Aussage von Rafael nicht ganz richtig. Sie zeigt aber gut, aus welchen Schichten die Mehrzahl der Anhänger von Flamenco kommen.
Der Mittwoch rückte immer näher und mir wurde teilweise ein bisschen mulmig zumute. Denn was eigentlich als einfacher Besuch eines Fussballspiels gedacht war - sprich ein Komilitone, ich und ein oder zwei Brasilianer - geriet zunehmend zu einem "Massenevent". Jetzt wollten auch noch einige von unseren Mädels mitgehen und die Professoren (eine Sie und ein Er) überlegten auch schon, ob sie mitkommen wollten. Natürlich habe ich Nichts gegen Mädels beim Fussball, oder dergleichen. Aber ein Besuch in einem brasilianischen Stadion, muss für Touristen nicht immer glimpflich verlaufen (wie war das nochmal mit "Jeder Dieb ein Flamencotrikot"). Zumal ich mich als Initiator des Ganzen ein Wenig verantwortlich fühlte und ich gar nicht daran denken mochte, dass etwas passieren könnte (unsere Professoren fielen ohnehin eher in die Kategorie "leichtes Opfer"). Ausserdem erhöhte sich die Zahl der uns begleitenden Brasilianern nicht im gleichen Verhältnis wie die unserer Teilnehmer.
Am Ende ging unsere gesamte Gruppe (ohne Uhren, Schmuck, auffällige Klamotten, Digicams oder dergleichen) zu dem Spiel und wurde nur von Henrique und einer Brasilianerin auf dem Weg dorthin begleitet - Rafael und vielleicht ein paar andere sollten wir erst am Stadion treffen.
Nach einer vielleicht 40minütigen U-Bahnfahrt, fuhren wir endlich in die Haltestelle mit dem verheißungsvollen Namen "Maracana" ein. Die Spannung stieg merklich und ich war fast so aufgeregt, wie vor einem Spiel unserer Eintracht.
Kaum aus der U-Bahn ausgestiegen, kam auch schon die mächtige Silhouette des Maracana-Stadions in unser Blickfeld. Man konnte zwar erst einen Teil des Stadions sehen, aber dieser genügte um sich einen Eindruck von dessen Größe zu verschaffen - riiiiiiiießig.
Der Weg zum Stadion war nur noch kurz und erinnerte an hießige Verhältnisse. Man überquerte Straßenüberführungen und kam an Händlern vorbei, die Flamencotrikots oder Dosenbier verkauften. Vor dem Haupteingang angekommen, genehmigten wir uns erst einmal bei einem der Letzteren das obligatorische Stadionbier und genossen ein wenig die spätabendliche (20:30 Uhr) Atmosphäre vor dem Stadion. Die Flamecoanhänger waren hier schon klar in der Überzahl und vereinzelt wurden die ersten Sprechchöre angestimmt. Nachdem jeder seine Karte bekommen hatte (15 Reais, ca. 5 €), bei der es sich um ein schnödes kreditkartengroßes Stück Pappe mit Magnetstreife und einseitigem Werbeaufdruck handelte,
ging es endlich ins Stadion. Hier fingen dann die Unterschiede an...
Im Gegensatz zu uns, kauft man sich dort eine Karte, die zum Zugang zu einem Block berechtigt - dann ist frei Platzwahl angesagt. Das Maracana Stadion, in den 50er Jahren gebaut und mit einer damaligen Kapazität von 220.000 Plätzen (in Worten zweihundertzwanzigtausend ), wird im Zuge von Richtlinien der Fifa gerade zu einem reinen Sitzplatzstadion umgebaut und wird dann über nur noch 100.000 Plätze verfügen. Auf Grund dieser Umbaumaßnahmen, war auch nur der Oberrang geöffnet, da auf dem unteren Rang gerade die Sitze angebracht wurden.
Unsere Plätze befanden sich im "gemäßigterem" Bereich der Flamencokurve, was speziell für Rafael kaum zu ertragen war und ich auch durchaus nachvollziehen kann. Wer hat schon Lust sich als echter Eintrachtfan Frankfurt gegen Oxxenbach im gegnerischen Block anzuschauen.
Auf Grund der Größe des Stadions, schien sich der Weg zu unseren Plätzen endlos hin zu ziehen; und da die Geometrie des Stadions ja einem Oval entspricht, wusste man nie, ob man sich jetzt noch in der Kurve oder schon auf der Gegengeraden befindet. Dann kam er endlich der lang ersehnte Moment ... durch den Blockeingang betraten wir das Innere des Stadiums und ein gignatisches Rund öffnete sich vor uns. Bigtime!!!!
Wir suchten uns ein paar Plätze und kauften uns noch ein paar Bier bei einem der Händler, die die Reihen abliefen. Es wurde - bei uns undenkbar - Dosenbier verkauft; für knapp einen Euro die Dose, was bei uns im Stadion ebenfalls undenkbar ist. Zudem liefen ständig Leute umher die Trikots verkauften, wobei ich meine Bedenken hatte ob es sich hierbei um Originale handelte.
[img]http://www.copacabana.info/images/bras_maracana_stadion550x400.jpg [/img]
Das Bild ist zwar nicht von mir, da dank Einmalkamera kein einziges meiner Fotos aus dem Stadion was geworden ist , stimmt aber nahezu perfekt mit meiner Perspektive im Stadion über ein.
Bis zum Anpfiff waren es keine 20 Minuten mehr und ich fragte mich, ob nicht langsam mal die Mannschaften zum Warmmachen kommen müssten. Wie ich später erfuhr, verfügt das Maracana-Stadion aber über einen/zwei (?) unterirdische Hallen in denen sich die Spieler auf das Match vorbereiten. Kurz vor Spielbeginn kamen dann die Mannschaften auf den Platz und anders als bei uns gab es keine Einlaufmusik, keine Musik überhaupt und auch keinen Stadionsprecher. Also gab es auch keine Bekanntgabe der Aufstellung, außer über eine der 4 "relativ" kleinen Anzeigetafeln, auf denen nie mehr als 2 Spielernamen gleichzeitig Platz fanden und die mich stark an die Anzeigetafeln im Münchner Olympiastadion erinnerten.
Die Spieler trabten noch ein bisschen umher und passten sich ein paar Bälle zu. Schon beim Warmschießen des Torwarts wurde zum ersten Mal deutlich, dass hier anderer Fussball gespielt wird. Der Torwarttrainer (?) postierte sich Mittig an der Strafraumgrenze und drosch dem Torwart die Dinger seitlich Volley per Außenriss auf den Kasten. Da hätte der Menger sich wohl die Füße bei gebrochen ,-). Vor allem kamen die Schüsse auch alle gut und äußerst platziert.
Das Stadion war fest in Flamenco-Hand und bei weitem nicht ausverkauft, was mich schon ein Wenig verwunderte, da es sich ja schließlich um zwei Clubs aus Rio handelte und somit beide quasi ein Heimspiel hatten.
Zum ersten Mal wurde es richtig Laut, als einige Anhänger von Fluminense mit großen Fahnen am Rand ihrer Kurve entlang rannten und so ein gellendes Pfeifkonzert provozierten.
Kurz vor Anpfiff wurden dann auch die ersten Bengalos gezündet (im Gegensatz zu hier, sind diese dort erlaubt). Viel populärer sind aber "Fackeln" einer anderen Art. Hierbei handelt es sich wohl um so etwas Ähnliches wie eine bengalische Fackel, allerdings erzeugt diese keinen Rauch und ihr Licht geht ständig an und aus; fast so als würde jemand ständig seinen Blitz an seiner Kamera benutzen. Das Einzige was dort in Hinsicht auf Feuerwerkskörper verboten ist, sind Kanonenschläge. Aber auch diese waren natürlich zu hören - im Gegensatz zum Anpfiff. Da es, wie gesagt, keinen Stadionsprecher gibt, schien das Spiel "einfach" loszugehen. Die Mannschaften stellten sich auf und los ging es.
Noch ehe ich mir einen Überblick über etwaige Formationen oder Taktiken machen konnte, erzielte Fluminense nach anfänglichem Geplänkel im Mittelfeld schon in der 3. oder 4. Minute das 1 zu 0. Ein langer Diagonalpass fand den bulligen Stürmer Fluminenses Tuta, der mit einer Kopfballbogenlampe aus vielleicht 8 Metern ins lange Eck traf. Die uns gegenüberliegende Seite tobte.
Da weder Fluminense noch Flamengo den eigenen Ansprüchen in dieser Saison gerecht werden konnten (Flu 11., Fla 14. - 2 Punkte Abstand) war dieses Spiel auch über das Derby hinaus von Bedeutung. Wer hier gewann, ließ den anderen in der Tabelle hinter sich, bzw. zog an diesem vorbei.
Die Fans von Flamengo zeigten sich nur kurz geschockt und begannen gleich wieder ihre Mannschaft anzufeuern. Dies war wohl einige der wenigen Momente, in denen sie wirklich ihre Mannschaft unterstützten. Denn an sonsten bestanden ihre Sprechchöre in der Mehrzahl aus üblen Beschimpfungen des gegnerischen Teams, gegen welche das hier zu hörende H****söhne fast schon harmlos ist. Hier kam der Derbycharakter am deutlichsten durch.
Das Spiel wirkte für europäische Augen irgendwie komisch, doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, warum dies so war, kam Flamengo keine 5 Minuten nach dem 1 zu 0 zum Ausgleich. Ein Spieler Flamengos wurde an der Strafraumgrenze gefoult und der darauf folgende Freistoß von Flamengos Renato dermaßen ins Netz gehämmert, dass auch eine Mauer - die ohnehin falsch plaziert schien - wohl nichts gebracht hätte.
Daraufhin ging es hoch und runter. Ein Mittelfeld schien es nicht zu geben und eine wirklich organisierte Abwehr teilweise auch nicht. Das Spiel erinnerte fast mehr an englisches Kick&Rush als an Sambafussball und technisch versierte Ballstafetten. Die Bälle wurden hinten teilweise gnadenlos rausgedroschen, wobei auch die Verteidiger in einigen Situationen zeigten, was sie in Sachen Körpertäuschungen und Passspiel drauf hatten.
Das Spiel fand im Grunde nur vor den beiden Toren statt, wobei die Angriffe von Fluminense immer häufiger im Keim erstickt wurden. So war es auch wieder ein Spieler von Flamengo, der nach einer Ecke die nächste große Chance hatte und denn Ball an die Latte zimmerte.
Ich sehe mich leider nicht im Stande, wirklich beschreiben zu können, was den Fussball in Brasilien so anders im Gegensatz zur Bundesliga macht. Aber wir waren uns alle einig, das dem auf jeden Fall so ist. Wie man uns später sagte, scheint es wohl recht typisch für brasilianischen Ligafussball zu sein, auf das Mittelfeld zu "verzichten". Dieses wird eher mit einem langen Pass versucht zu überbrücken und dann wird auf die technischen Fähigkeiten der Stürmer vertraut. Manchmal erinnerte das Ganze fast schon an Handball, da immer um den 16er rumgespielt wurde.
Fluminense konnte auf jeden Fall froh sein, nicht schon vor der Pause in Rückstand geraten zu sein, da sie kaum noch in der Lage waren sich Chancen zu erarbeiten und vollends damit beschäftigt waren die Bälle hinten raus zu schlagen.
Halbzeit.
In der Halbzeit bemerkte ich beim Bierholen, wie einige Ultras (?) eine rießige Blockfahne unterhalb unseres Blocks bereit legten. Diese kam dann auch kurz vor Beginn der 2. Hälfte zum Einsatz. Zuerst freute ich mich noch auf das Spektakel, aber dann, nachdem die ersten Meter über mich hinweggezogen waren, machte sich ein ekelhafter Schimmelgestank unter der Fahne breit .
Kurz nach Beginn der 2. Hälfte hatte Flamengo wieder die Gelegenheit per Freistoß in Führung zu gehen - welche sie auch nutzten. Wiederrum Renato zirkelte den Ball mit Wucht um die Mauer und brachte Flamengo auf die Siegerstraße.
Der Führungstreffer gab Rafael dann den Rest. Er stand auf und verließ unseren Block ohne ein weiteres Wort. So blieb ihm immerhin der Gestank der Blockfahne erspart, die natürlich sofort wieder über unsere Köpfe gezogen wurde. Dies sollte allerdings nur ein schwacher Trost für ihn sein, den Fluminense kam in der Folge überhaupt nicht mehr gefährlich vor das Tor von Flamengo.
Im Gegenteil, sie konnten froh sein, nicht schon einige Minuten später das 3 zu 1 zu fangen, als ein Spieler Flamengos wiederum nur die Latte traf.
Allerdings ließ das 3:1 auch so nicht mehr lange auf sich warten. Diesmal fiel das Tor zumindest aus dem Spiel heraus, nachdem sich ein Spieler Flamengos über Außen durchgesetzt hatte und scharf nach innen spielte, wo ein anderer Spieler nur noch einzuschieben brauchte. Die Entscheidung war gefallen.
Die Flamenco-Fans stimmten weitere Schmäh- und Spottgesänge an und starteten die ein oder andere Hüpfeinlage - alles begleitet von allgegenwärtigen Sambarhythmen.
Flamenco spielte sich hiernach fast in einen Rausch (oder war Fluminense heute einfach so schlecht) und konnte sogar noch das 4:1 erzielen, was es zu einer totalen Demütigung für Fluminense werden ließ. Dies bedeutete allerdings auch eine Demütigung meiner Geruchszellen, da natürlich nach jedem Tor wieder die Blockfahne zum Einsatz kam.
Von den Spielern kannte ich keinen, es sei denn bei Luizao handelt es sich um den selben, der bei der Hertha eigentlich nie was gerissen hat. Außerdem soll der 2fache Torschütze Renato in der letzten Saison noch bei Madrid, oder bei irgendeinem anderen Club in Spanien gespielt haben. Am auffälligsten war für mich der eingewechselte 10er Flamencos (Körpertäuschungsgott, super Technik und Passspiel) und der 7er von Fluminense, auch wenn man von diesem in der 2. Halbzeit nichts mehr gesehen hat, da er als Stürmer einfach keine Bälle mehr bekam.
Mit dem Abpfiff verließen die Spieler (die Mehrzahl der Fluminense-Fans war ohnehin schon vorher gegangen) sofort das Spielfeld - selbst die Spieler von Flamenco! Kein Feiern mit den Fans, kein Winken, gar nichts - und das nach einem 4:1. Naja, andere Länder - andere Sitten....
Wir warteten noch, bis sich fast das gesamte Stadion geleert hatte und verließen dann in aller Ruhe unseren Block. Die Rückfahrt gestalltete sich ebenfalls sehr angenehm und ohne Komplikationen. Alles in allem war dies ein wirklich unterhaltsamer und interessanter Fussballabend und ein absolutes Highlight unseres Brasilienaufenthaltes.
Ich führte mit Rafael in den folgenden Tagen noch so manches Fussballfachgespräch ( ). Besonders erwähnenswert finde ich es, dass Brasilianer es lustig finden, dass es bei uns Schals als Fanutensil gibt und man diese bei den Spielen trägt. Ok, was soll man als Brasilianer auch mit einem Schal, wenn es im Winter gerade mal 15° kalt wird.
Desweiteren hat der Weltpokal einen viel höheren Stellenwert in Brasilien als bei uns.
Zumindest in meiner Wahrnehmung, ist das was zählt der Gewinn der Championsleague. Der Weltpokal ist dann nur noch eine Art Zusatzschmankerl, was zwar schön ist, aber auf das es nicht wirklich ankommt. In Brasilien wird es wirklich als der Gewinn der Clubweltmeisterschaft betrachtet, bzw. bekommt dieses eine Spiel eine ganz andere Wertigkeit zugesprochen als von uns (mir?).
Ich hoffe ich konnte Euch einen kleinen Einblick geben und bedauere es zu tiefst, Euch - bis auf die Karte - keine eigenen Bilder zeigen zu können (Scheiss Einwegkameras).
Der Fussball hier hat sicherlich auf Grund des "Drumherums" einen viel größeren Eventcharakter. Dem kann (und muss) man sicherlich auch kritisch gegenüber stehen, aber so ganz ohne Event (Musik, Stadionsprecher, etc.) fehlte - zumindest mir als Europäer - etwas...
Ach ja, am nächsten Tag titelte die größte Sportzeitung ganz groß: MASSACRE! 4 a 1
... und ich war dabei.
sehr schöner, eindrucksvoller Bericht ! Klasse, was Du da erlebt hast !
Grüße
Adler aus Freiburg
P.S. : Was studierst Du denn, wenn ich fragen darf ? Ein Fach mit so netten Professorinnen... ,-)
Um deine Bildungslücken in Sachen Bras. Futebol zu verkleinern ,ein kleiner Tipp
Futebol. Fussball: Die brasilianische Kunst des Lebens (Broschiert)
von Alex Bellos
http://www.amazon.de/Futebol-Fussball-brasilianische-Kunst-Lebens/dp/3893200770
*neid*
Immerwieder schön sowas zu lesen.
vielen dank dafür,das thema studiengebühren hat heinz ja schon aufgegriffen...
*clap-clap*
Danke!