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Fanhistorie LVI – Vom Eisernen Steg zur Friedensbrücke

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Fanhistorie – Vom Eisernen Steg zur Friedensbrücke

Am 29.05.99 war mein Sohn acht Monate alt. Schönes Wetter zum Spazieren gehen an diesem Tag.
Am Morgen und an den Tagen zuvor habe ich, wie ihr alle, gerechnet, wie kann es der Eintracht eigentlich noch gelingen den Klassenerhalt zu schaffen?

Gegen Kaiserslautern gewinnen, Klassenerhalt schaffen – mit der Tordifferenz?
Aber das 2:1 gegen Bremen, das 2:0 gegen Dortmund und vor allem das 3:2 gegen Schalke ließen hoffen.

Letzte Infos holte ich mir per Videotext, Zeitung etc. ein. Stadionbesuch? Der war weit weg. Wenn man so kleines Kind zu Hause hat, dann ist das Geld knapp. Meine Frau brauchte mich natürlich auch, gerade am Wochenende. Ein Bobbelche macht Spaß, ist aber auch viel Arbeit.

Ich hatte also nur die Möglichkeit mich per Radiokonferenz und gleichzeitig per Videotext zu informieren.

Nach dem Mittagsschläfchen des Kleinen wollte mein Frau gerne einen schönen Spaziergang machen. Hin –und hergerissen zwischen daheim bleiben wollen (ich musste doch wissen, was in den Stadien passiert)  und lieber Papa+Ehemann sein, entschloß ich mich, mitzugehen.

0:0 stand es zur Halbzeit. Rostock führte in Bochum, Freiburg in Nürnberg und Stuttgart führte gegen Bremen. Vielleicht fiel mir deshalb der Entschluß mitzugehen auch etwas leichter.

Wir wohnten damals in der Altstadt, nahe dem Mainufer. Wir gingen dort gerne spazieren und so sollte es auch an diesem Tag sein. Irgendein Fest war damals dort, ich weiß nicht mehr welches. Jedenfalls wurden in einem Zelt alte Tauchanzüge ausgestellt, das wollte ich mir doch mal anschauen(?). Nein, dort gab es ein Radio und auch der Mann, der dort Sachen ausstellte war wohl Eintracht-Fan.

„1:1 durch Tore von Chen Yang und dem von Schjönberg verwandelten Handelfmeter, wir geben zurück ins Funkhaus“.

Ok, dachte ich. Schade eigentlich, dass die tollen Ergebnisse der letzten Wochen scheinbar nicht ausreichten.

Wir gingen weiter, schauten noch einige Sachen an.

Der Spaziergang sollte bis zur Friedensbrücke gehen und von dort aus über Dribbdebach zurück nach Hause.

Just in dem Moment als wir auf der Friedensbrücke waren, sagt meine Frau „was ist denn jetzt los? Hörst Du auch das Gehupe von da unten?“. Eine Hochzeit wird´s wohl sein, sagte ich.

Schwarz-weiße, schwarz-rote Fahnen, Schals von Fans die in einem Autocorso aus Richtung Kennedyallee kamen fuhren an uns vorbei. Ein endloser Strom.

Doch, was hatte das zu bedeuten? Klassenerhalt? Sieg – klar! Aber, ... Klassenerhalt?
Meine Frau baute mich wieder auf. „Die ham´s geschafft, doch noch geschafft!“  

Ich konnte das aber irgendwie nicht glauben.
Das Eintracht-Fans auch dann die Eintracht, per Autocorso gefeiert hätten, selbst,wenn´s nicht gereicht hätte, ist doch zuzutrauen. Ich beschloß deshalb mir die Spannung bis zum Schluß aufrecht zu erhalten.

Ich habe nicht im Videotext geschaut. Kein Radio gehört. Nichts. Ich habe gelitten und gewahrtet bis Erich Laaser sagte „ und dann kam Fjöööörtoooft“.

Um 20 Uhr wusste ich erst Bescheid. Und nach dem Spaziergang und Happa-Happa hat der Kleine dann wieder schön geschlafen.
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Fanhistorie mal anders - ein einzelner Schnappschuss und trotzdem schön zu lesen, so langsam dürfte Kid schlaflose Nächte haben  ,-)
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Für mich ist es immer wieder interessant zu hören oder zu lesen, wie der schönste Eintracht-Tag meines Lebens von anderen wahrgenommen wurde!
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miep0202 schrieb:
Für mich ist es immer wieder interessant zu hören oder zu lesen, wie der schönste Eintracht-Tag meines Lebens von anderen wahrgenommen wurde!


10000% Zustimmung
Das Lauternspiel fing für mich ebreits bei Bergers Einstand gegen Rostock (2:2) an. Man muß die Voraussetzungen vor den beiden Last-Minute-Spielen berücksichtigen. Wir waren über lange Zeit hinweg an den Aufstiegsplätzen dran und nach dem 33. Spieltag Dritter. Gegen Rostock haben einige aber bereits Untergangsstimmung verbreitet, denn das Unentschieden war zu wenig (und glücklich durch Westerthalers Ausgleichstreffer kurz vor Abpfiff). Dann kämpfte man sich nochmal heran, um gegen Schalke nach 15 min. den 2. Abstieg zu betrauern. Was dann kam war einfach nur der helle Waaahnsinn!
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Ich hatte damals kein 8 Monate altes Baby, sondern 3 Kinder im Alter von 10 – 14. Leider konnte ich das Spiel auch nicht mitverfolgen, das wir uns in Suedafrika aufhielten, um das richtige Domizil zu finden.

Da selbst ich verstand wie wichtig dieses Spiel ist, war ich schon etwas nervoes, da die 1 Bundesliga nicht gerade im Suedafrikanischen Radio kommt. Es zwar Internet-Cafe gibt, aber wie gesagt, wir haben uns Haeuser angesehen.

Am Freitag-Abend rief ich meine Schwester an, eine brillante Idee im Hinterkopf. „Hallo, kurz ne Frage geht dein Neffe Morgen zu Eintracht“. Genau so kurze Antwort, „ruf nochmal in 5 Minuten an“. Ich fand dann heraus, ja er geht. Ich bekam noch seine Handy-Nummer, meine geniale Idee nahm Formen an.

So gegen 14:00 am Samstag erreichte ich ihn endlich. Bitte nimm dein Handy mit, „Hab ich, bin schon unterwegs“. Jetzt muss man wissen, dass ein Gespraech mit D1-Karte von Suedafrika, wieder zurueck auf eine D2 Karte so um die 9 DM per Minute kostete. Also vereinbarte ich mit ihm, ich rufe dich an Haelfte der ersten Haelfte, in der Halbzeitpause, Haelfte der Zweiten Halbzeit und nach dem Spielende.

In der Halbzeitpause erfuhr ich dann, dass Freiburg in Nuernberg fuehrte, aber auch vom 0:0 der Eintracht. Der naechste Anruf muss so in der 67 Minute gewesen sein. Ich hoerte die Eintracht fuehrt 1:0, ploetzlich „so ein Mist – Elfmeter“, ca 1-2 Minuten spaeter 1:1. Ich legte auf und fluchte: „So ein schei.... , so ein Kack.“ Das war irgendwie nicht ganz so gluecklich, denn wir besichtigten gerade ein Haus, um mich herum (neben meiner Familie) der Agent und der Hausbesitzer, und die Bedeutung „Kack“ schein in Afrikaans die gleiche zu sein wie auf Deutsch. Irgendwie bezog man es auf das Haus, und ich geriet in Erklaerungsnot. 2 Minuten spaeter, waren alle Missverstaende ausgeraeumt.

Meine Frau konnnte der ganzen Sache nur positives abgewinnen, da ich jetzt nicht mehr unnoetiges Geld fuer Gespraeche ausgab. Diese meine Frau, die aber gegen 19:00 auf die glorreiche Idee kam meine Schwester anzurufen, um sie zu fragen, ob sie ihr was mitbringen soll. Ich rief also meine Schwester an, konnte noch nicht mal meine Frage stellen, als sie mir sagte, ich weis nicht um was es geht, aber ihr Neffe und Freunde feiern bei seinen Eltern.

Jetzt vertand ich die Welt gar nicht mehr, also Geburtstag hatte er keinen, das wuste ich, ich koennte ihn ja auch mal anrufen. Nee, jetzt geht der „Depp“ nicht an sein Handy. Ich sagte nur noch kurz tschau und schon sass ich im Auto auf den Weg zum Internet-Cafe. Oeffnungszeiten von 10:00 bis 19:00, nur es war schon 19:20. Halt ein Licht und eine Person war auch noch zu sehen. Ich klopfte an der Tuere. Man sollte wissen, Suedafrikaner sind sehr nette und hilfsbereite Menschen. Die Dame war es!, ich denke aber ihr war schon mulmig zu mute, 190cm Riese mit ausgepraegter Bauchmuskulatur, und schaltete nochmals den Computer ein.

Damals gab es hier noch kein ADSL, es dauerte Minuten. Doch dann konnte ich meinen Augen nicht traeuen, die Eintracht hat es geschafft. Mir schossen Traenen in die Augen, waehrend ich aufsprang und nur noch Ja, Ja, Ja schrie. Ich habe die Dame besser nicht gefragt, wass sie von mir haelt.

Aufgewuehlt kam ich in unsere Ferienwohnung, erzaehlte vom Wunder in Frankfurt, und sagte zur Feier des Tages lade ich euch zum Essen ein. Einziger Kommentar meiner Frau, „Schatz, ich haette eh nichts mehr gekocht, wir sind schon alle fertig warten nur auf dich. Der Neffe deiner Schwester hat angerufen und irgendwas von einem 5:1 gelallt und die Eintracht bleibt drin“

Vielleicht versteht ihr jetzt, warum fuer mich dieses Spiel emotional hoeher angesiedelt ist als das 6:3

Gruss aus Kapstadt

Ich sag nur, es wird einstellig
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Hallo @all.

Afrigaaner: Wir sind uns ähnlich, vor allem, was die Größe und Bauchmuskulatur betrifft.  

Und was den 29.05.99 betrifft sind wir uns wohl auch alle einig, egal, wer wo war und es wie miterlebt hat - ein großer Tag für Eintracht Frankfurt und seine Fans.
Auch das 6:3 war nichts für Herzschwache.

SGE-Wuschel
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SGE-Wuschel schrieb:
Hallo @all.

Afrigaaner: Wir sind uns ähnlich, vor allem, was die Größe und Bauchmuskulatur betrifft.  

Und was den 29.05.99 betrifft sind wir uns wohl auch alle einig, egal, wer wo war und es wie miterlebt hat - ein großer Tag für Eintracht Frankfurt und seine Fans.
Auch das 6:3 war nichts für Herzschwache.

SGE-Wuschel


Natuerlich war das 6:3 auch super. Spannend vor allen Dingen.

Ich wollte die Geschichte gar nicht so ausbauen. Nur ihr haette den ueberheblich aroganten Blick meiner Frau sehen muessen. Es war naemlich so, dass der Neffe ca. 2 Minuten nach meinem Anruf angerufen hat und alles erzaehlte. (er kann sich uebrigens nur noch dunkel daran erinnern). Meine Frau also lange zuvor davon wusste, sie mich aber (aus erzieherischen Massnahmen) nicht arief. Hatte ja ganz vergessen ihr zu sagen, dass ich ins Internet-Cafe fahre.

Diesen Blick, den so manchen Frauen zu eigen ist, wenn sie uns Maennern ueberlegn sind (und dass sind sie leider oft).

Gruss aus Kapstadt

Ich sag nur, es wird einstellig
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Sommerloch.....da kann man sich mit so wunderschönen Geschichten wie diese doch über Wasser halten.

Danke für all die schönen Historien!


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