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Fanhistorie LXX: Als Richard Kress meinem Babba das Butterbrot gab

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Als in der letzten Sommerpause eine wahre Flut von Fanhistorien das Forum überschwemmte, wollte ich auch eine schreiben. Ich habe dazu aber auf ein bestimmtes Ereignis gewartet, das nun eingetreten ist, dazu aber später mehr.

Wie man an der Überschrift schon erahnen kann, ist mein Fandasein geprägt von meinem Vater und den Erinnerungen an schöne gemeinsame Momente mit der Eintracht. Mein Vater war in seiner Jugend ein guter Kicker und hat den Adler auf der Brust (und im Herzen) getragen. Seine Jugendzeit endete 1959 und ausgerechnet der spätere Meistertrainer Paul Osswald hat ihn nach der A-Jugend zur 2. Mannschaft beordert. Nun muss man wissen, dass damals die Amateure mit der 1. Mannschaft trainierten und das Vorspiel machten. So kam es also, dass mein Vater mit den ganzen Größen von damals trainierte und auch im Bus zu den Spielen fuhr. Er hat wohl damals immer neben Richard Kress gesessen, der ihm immer sein Butterbrot gab, damit aus dem schmächtigen Jungen „was wird“. Leider hat es nie zu einem Einsatz in der ersten Elf gereicht, was auch an der mangelten Unterstützung meiner Großeltern lag. Ich selbst habe es leider nie so weit gebracht, in der Bezirks-Oberliga war für mich Schluss.

Ende der 70er bin ich dann bewusst mit meinem Vater zur Eintracht gegangen. Ich war wohl schon vorher dort, aber meine Erinnerungen beginnen erst mit der Saison 1979/1980. http://www.eintracht.de/eintracht/archiv/eintracht-archiv/1979.php
Damals hatte die Eintracht eine ihrer besten Mannschaften. Namen wie Pezzey, Cha, Grabowski, Hölzenbein, Nickel, Karger und Nachtweih lassen noch heute das Herz jedes Anhängers, der dabei war, höher schlagen. Mir hatte es dabei besonders Bruno Pezzey angetan, ein eleganter Spieler, der mit einer beeindruckenden Leichtigkeit den Ball vom Gegner eroberte, um dann gleich den eigenen Angriff einzuleiten. Damals spielte die Eintracht den technisch besten Fußball und an guten Tagen hatten selbst die Bayern in Frankfurt keine Chance. Aus dieser Saison blieben mir zwei Spiele besonders in Erinnerung: Das 3:2 gegen den HSV und im nächsten Heimspiel das gleiche Ergebnis gegen die Bayern. Er war gleichzeitig der Aufstieg eines Jungen aus Burgsolms, „Schädel-Harry“ Karger.

Mein Vater stand damals immer mit seinen Kumpels im Block D, direkt unter der Anzeigen-Tafel. Als kleiner Bub war es jedes Mal etwas ganz Besonderes, mit den ganzen “Erwachsenen“ zum Fußball zu gehen. Am Ende dieser Saison durfte ich dann den größten Triumph der Eintracht erleben, mein erstes Europapokalspiel und gleich der UEFA-Cup-Sieg. An das Tor von Fred Schaub erinnere ich mich noch gut. Es war einer dieser magischen Momente, wo für eine Sekunde Totenstille herrscht und danach grenzenloser Jubel ausbricht - ähnlich wie bei Detaris Freistoßtor in Berlin und Fjørtofts Übersteiger.

Hier noch mehr zu dieser Saison:
http://www.im-herzen-von-europa.de/bilder/1979_80seiten.pdf

Besondere Erinnerungen habe ich auch an den Pokaltriumph gegen Lautern im nächsten Jahr. Die Eintracht spielte mit den Kartoffelnbauern Katz und Maus und hatte die Partie jederzeit im Griff. Es war ein großartiger Abschied für Holz, der direkt danach in die USA ging.

Ein sehr schönes Erlebnis war auch das Relegationsspiel in Duisburg 1984. Eine der weinigen Partien, bei der auch meine Mutter dabei war. Im vollen Block war damals vor Erleichterung eine tolle Stimmung und sogar meine Mutter ließ sich kurzzeitig mitreisen.
Mehr über die tolle Saison und die Aufbruchstimmung von damals gibt’s hier zu lesen:
http://kid-klappergass.blogspot.com/2007/02/jetzt-erst-recht-der-2521984-oder-174.html

1988 habe ich dann in Berlin den vierten Pokalsieg der Eintracht erlebt, vor dem Freistoßtor von Detari hatte ich schon das Gefühl, dass er den reinhaut. Kennt ihr das? Man weiß genau, dass es nun passiert, so als ob man hellseherische Fähigkeiten hätte.

Das Drama 1992 konnte ich nur am Radio verfolgen, weil ich gerade selbst mit meinem Team um die Meisterschaft kämpfte. Besser war’s wohl so.

Ich habe also einiges erlebt, hauptsächlich im Waldstadion, aber ab und an auch Auswärts.

Auch wenn uns jüngeren bisher die Meisterschaft noch nicht vergönnt war, haltet durch da draußen, irgendwann kommt der Tag. Mit meinem Vater gehe ich nun also schon 30 Jahre zur Eintracht. Meine schönsten Kindheitserinnerungen sind damit verbunden, wir freuen uns gemeinsam und wir leiden gemeinsam.

Wer bis hierher durch gehalten hat, soll auch den Grund erfahren, warum ich meine Fanhistorie ausgerechnet jetzt veröffentliche. Am vergangenen Samstag gegen Duisburg war erstmals die dritte Generation unserer Familie im Stadion. Nun bin ich der Vater und mein Sohn macht hoffentlich ähnliche Erfahrungen mit der Eintracht wie ich und hat genauso viel Freude dabei. Dazu muss man wissen, dass bei ihm bisher kaum Interesse vorhanden war, es hat mich also überrascht, dass er sofort mitwollte. Als er das Stadion sah, war er natürlich beeindruckt, fast schon eingeschüchtert - vor allem die Lautstärke gefiel ihm nicht so. Deshalb bekam er auch die ersten beiden Tore nur am Rande mit und hielt sich dabei die Ohren zu. Mitte der ersten Halbzeit hat er dann gefragt, ob es den Spielern nicht in den Ohren wehtut, wenn die Fans so einen Lärm machen?  
Nach der Halbzeit ist er dann aufgetaut und als die Welle kam, war’s um ihn geschehen. Wie gebannt achtete er auf die Zuschauer und machte jedes Mal mit. Auch beim Torjubel war er nun dabei und am Schluss - bei der Runde der Mannschaft stand er auf seinem Sitz und applaudierte. Nach dem Spiel musste ich dann noch eine Fahne kaufen, weil er die bei der Heimfahrt unbedingt aus dem Fenster halten wollte…

Seit Samstag gibt es nun nur noch ein Thema bei uns - der Stadionbesuch und das dabei Erlebte: “Gell Papa, beim nächsten Spiel nimmst Du mich wieder mit“. Hurra, die nächste Generation hat das Eintracht-Fieber gepackt.

Wer mehr vom Stadionbesuch sehen will, darf gerne in meinen Steckbrief schauen.

Ich hoffe, Euch hat meine kleine Fanhistorie gefallen, danke fürs Lesen.
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Gänsehaut...
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einfach schön!  

auch meine familie ist, mittlerweile, in der 3.generation mit dem adler im herzen dabei.
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Vielen Dank für die schöne Historie!

Die 3:2 Siege gegen Hamburg und Bayern, UEFA-Cup-Sieg, DFB-Pokalsiege, Relegation Duisburg - das alles sind Stationen, bei denen auch ich vor Ort war und die mir bis zum heutigen Tag in guter Erinnerung sind.

Ich beneide dich darum, das die Eintracht so in deiner Famile verankert ist und dieser gute Brauch nun wohl seine Fortsetzung findet. Ich selbst war da immer Einzelkämpfer. Aber das macht hart.  ,-)
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sehr, sehr schön. herzlichen dank, dass du deine erinnerungen teilst. und gratulation zur gelungenen sozialisation deines nachwuchses.  

peter
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Sehr schön. Vor allem das Foto Opa/Enkel im Stadion illustriert das Erzählte sehr gut.

Und ich kann das tolle Gefühl gut nachvollziehen, ein junges Menschlein auf den richtigen Weg zur Eintracht geführt zu haben. Ging mir auch mal so  

Danke für die Geschichte.
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Sehr schön geschrieben,

wunderbar, wenn unsere Eintracht so über Generationen tradiert wird.

Vielen Dank für Deinen tollen Beitrag.

Gruß
concordia-eagle
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Vielen Dank Euch 6 für die nette Rückmeldung.

Das nächste Mal eröffne ich auch einen

Fukel raus - ich hab den längsten - Schalke wird - Meister Tread

Das wird wenigstens gelesen.

Das Forum macht schon lange keinen Spaß mehr  
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Nicht die Klicks zählen und ein "raus" brauchst du auch nicht für diesen Beitrag! Das Lesen hat Spaß gemacht und deine Erziehung hat gefruchtet, klasse.

Das mit den Generationen übe ich am Samstag, der alte Riederwald geht, dafür kommt Max, laut singen und gröhlen kann er, das Trikot passt auch.  
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sgevolker schrieb:
Das Forum macht schon lange keinen Spaß mehr    



So ist es. Es gibt zwar viele, die das Maul aufreissen und opportunistisch etwas von Traditionen faseln - wirklich interessieren tun sich aber nur wenige dafür. Das ist leider auch regelmässig im Museum festzustellen.
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Mir macht das Forum Spaß. Zumindest immer dann, wenn ich Beiträge wie diese lese! Hab Dank!
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Mir macht das Forum auch noch Spass. Wenn dann solche Treads auftauchen da um somehr. Vielen Dank dafür.
http://eintracht-archiv.de/fanzines.html
Lese immer mal wieder geschichten mehrmals durch. Gänsehaut pur.
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Feine Geschichte, Volker. Ich habe sie gerne gelesen. Mehrmals sogar, wie du weißt.  
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Kid_Klappergass schrieb:
Feine Geschichte, Volker. Ich habe sie gerne gelesen. Mehrmals sogar, wie du weißt.    


Ja, Dazke nochmal, auch an die anderen, die geantwortet haben
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sgevolker schrieb:
Das nächste Mal eröffne ich auch einen
xxx-Tread
Das wird wenigstens gelesen.

Heute ist EM-Endspiel. Und weil mir an so einem Tag die Eintracht besonders fehlt, habe ich heute (endlich) Deine Fanhistorie entdeckt, die Du mir übrigens schon am 20.02.2007 angekündigt hattest

Und jetzt steht sie hier, Deine Geschichte. Nicht für die Ewigkeit, aber voraussichtlich für sehr lange. Mit einem bisschen Glück wird Dein Sohn sie zufällig finden, wenn er gerade nach dem ersten Weltpokalsieg der Eintracht nach Erinnerungen stöbert (Du hast mir gerade Lust gemacht, einen Sohn zu zeugen smile:
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Ich habe auch gerader erst Deine Geschichte entdeckt.
Sehr schön geschrieben, danke.
Nett traurig sein, wg. der geringen Resonanz.
So ist es halt mit Sachen, wo mer so viel lesen muss..

Ich möchte allerdings keine Mutter mehr werden.  
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auch gänsehaut !!!
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Echt klasse von dir, die "Generation Eintracht" weiter zu erhalten. Schöner Bericht/Thread. SUPER! THX

Ging mir übrigens auch so als kleiner Jung, nur mein Burder hatmich überzeugt, damsls wo wir 2:1 im Waldstadion gegen Gladbach verloren habne, wann genau des war weiss ich net mehr.
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Auch schön für die Sommerpause  
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gereizt schrieb:
Auch schön für die Sommerpause    


Das hast Du doch gar nicht gelesen  


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