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Fanhistorie Lxxxautern (schlusskonferenz' Schlusskonferenz)

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Ich hatte schon einmal (m)eine Fanhistorie aufgeschrieben; ebenso, wie heute, die erste neue Fanhistorie seit über einem Jahr. Motivation damals war eine niederschmetternde 0:4 Heimniederlage gegen den späteren Meister Stuttgart und massiv aufkommende Anfeindungen gegen Mannschaft (weniger) und Trainer (mehr). Bis heute wird die Leistung der damaligen Mannschaft (trotz Verletzungspechs und knappen Kaders eine ordentliche UEFA-Cup-Bilanz, Pokal-Halbfinale, 40 Punkte in der Liga) viel zu wenig gewürdigt, sie war meines Erachtens wesentlich höher zu bewerten als die beiden 46-Punkte-Saisons. Motivation heute ist … - Ihr dürft raten!

In meiner damaligen Fanhistorie war von Tränen die Rede, zu Grabis und Charlys Abschiedsspielen. Aber eigentlich habe ich in meinem Fandasein nicht geheult. Ich erinnere mich an eine völlig überraschende Freudenträne 1975 beim 1:0 gegen Atletico Madrid. Und je eine Träne links und rechts nur einen Monat nach dem Desaster gegen den VfB: Preuß hatte uns mit seinem Fallrückzieher gegen die Bayern gerade von einem Abstiegsplatz auf Platz zwölf geschossen und nebenbei den Bayern endgültig die Meisterschaft vermasselt. Richtig geheult habe ich aber nur einmal ...

Ich kann die Lauterer nicht ab. Die waren für mich immer eine Art Zwillingsbruder der Offenbacher: Platzumpflüger mit dumpfem Publikum, denen man nicht bei Nacht begegnen wollte. Rot-weiße Vereinsfarben sind mir wegen dieser beiden Vereine und ihrer Fans schon immer suspekt.  Eine Niederlage gegen diese roten Deppen schmerzte immer sehr, auch weil es meist besonders umkämpfte Spiele waren.

Platz 1 in meiner Schmerzliste verlorener "normaler" Spiele teilen sich Hertha (ein 0:5) und Lautern: Drei Tage bevor die Eintracht gegen Bayern ins Europacup-Finale einziehen sollte, war Lautern zu Gast in Frankfurt. Die Generalprobe verlief anfangs prima, die Eintracht spielte guten Fußball und lag nach einer Stunde verdient 3:1 in Führung. Dann verließ Hans-Peter Briegel, "die Walz von der Palz", seine Abwehrposition und machte die Aufholjagd zu seiner persönlichen Angelegenheit.

Es war ein Albtraum. Briegel panzerte mit Ball am Fuß im Stile eine Football-Spielers durch die gesamte Eintracht-Hälfte. Oder er flog gefühlte 10 m durch die Luft zum Kopfballrammstoß. Immer und immer wieder. Voller Panik warfen ihm sich unsere Spieler in den Weg und prallten doch nur von ihm ab. So eine Urgewalt habe ich nie wieder gesehen. Eine halbe Stunde später stand es 3:5, die ersten beiden Treffer hatte Briegel selbst erzielt, die anderen vorbereitet.

Ich war fassungslos. Genau wie der Lauterer hinter mir: "Wie des droi eenz gfolle is, honn isch nemmer dengt, doss die dos noh bagge." Wegen dieses - eigentlich harmlosen - Satzes werde ich die Lauterer niemals leiden können. Nach 20 Jahren höhnt der noch in meinen Ohren.

Aber es gab Revanche! Fast genau ein Jahr später sah ich von Briegel fast nichts mehr. Im Pokalfinale in Stuttgart schrumpfte die Eintracht Lautern zu niedlichen kleinen Teufelchen. Borchers hatte mit einem Heber über Hellström die Partie entschieden und Cha mit dem 3:0 dann alles klar gemacht. Das Lauterer Aufbäumen zum 3:1 kam dieses Mal erst in der Schlussminute.

Der Titel war wohl der schönste, den ich erleben durfte. Der Europacup war toll wegen seiner Vorgeschichte (Sitzkopfball, Rotterdam, Bayern) - aber dieser Sieg schmeckte noch ein wenig süßer. Ein Sieg über ein anderes "Bundesliga-Urgestein". Nicht im Traum hätte ich damals daran gedacht, dass von den ruhmreichen Vieren - Eintracht, Lautern, Köln, HSV - jemals einer absteigen könnte. Eher gäbe es kein Treets oder Raider mehr ...

Es kam anders.

Am 18.05.1996 stand die Eintracht schon seit zwei Wochen als Absteiger fest. Ich hatte das aber nicht verstanden. Ich war weder traurig noch wütend, ich hab's einfach nicht kapiert. Ich war nicht im Stadion, wollte von Fußball nichts hören.

Und doch schaltete ich irgendwann das Radio ein. Wenn es uns schon erwischt, dann soll es bitte diese Dreckspfälzer auch erwischen. Mein Wunsch wurde erfüllt. Lautern fehlte zum Schluss ein lächerliches Tor, sonst hätten sie es doch noch geschafft. Aus vier Urgesteinen wurden zwei, ohne die und ohne uns. Der Moderator sagte was von "...Kaiserslautern folgt der Eintracht in die zweite Liga ". Und da fing ich an zu heulen. Aber so richtig. Lautern abgestiegen in die zweite Liga. Mit uns. Mit zwei Wochen Verspätung realisierte ich, dass meine Fußballwelt nie mehr so sein würde wie zuvor.

Ich bereue es bis heute, dass ich ihnen den Abstieg gewünscht hatte. Vielleicht hatten meine Gedanken ja den Ausschlag gegeben, wer weiß? In einer Liga mit Bayer, VW, SAP und Gazprom kann man die Lauterer ruhig hassen - aber man wünscht ihnen nichts wirklich Böses. Und bei Fußballfans, deren Schlachtruf-Vokabular überwiegend nur noch auch "Schweine" und "Hvrensöhne" besteht, werde ich diesen merkwürdigen Dialekt als willkommene Bereicherung der Bundesliga ansehen. "Fakt" ist: Wenn in der Bundesliga die Eintracht gegen Lautern spielt, kann die Welt noch nicht völlig aus den Fugen geraten sein.

Am 32. Spieltag 2006 spielten wir letztmals gegeneinander. Mein Gott, was hatten die für eine Gurkentruppe. Dazu Halil Altintop. Unsere Abwehr war seinetwegen ähnlich panisch wie einst gegen Briegel. Am Ende gab es ein 2:2. Neben mir saß ein alter Pfälzer Sack, also mir durchaus vergleichbar. Wir versicherten uns 90 Minuten lang beide völlig ironiefrei, aber nur ich auf hochdeutsch, unserer gegenseitigen Abneigung. Am Ende verabschiedeten wir uns mit grimmiger Stimme: "Bis nächstes Jahr." Und etwas weniger grimmig: "Hoffentlich." Da wurde jedoch durch den Lauterer Abstieg nichts daraus. Hätten sie in Frankfurt gewonnen, hätte es wohl Wolfsburg erwischt ... ein Wolfsburger saß noch nie neben mir.

Willkommen zuhause, Ihr blöden Teufel!
... und vielleicht können sich die Dumpfbacken und Hassfressen ja jetzt wieder bei Euch versammeln (schlimm, wie die sich seit Eurem Abstieg verstreut haben).



PS: tschüss Forum

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Hier ist er also....
schlusskonferenz schrieb:
..ein Wolfsburger saß noch nie neben mir.

Tja, so ist es.
Meine, allerdings neuere Lautern-Story (auswärts) kannst Du hier lesen.
http://www.eintracht.de/meine_eintracht/forum/1/11177223,12469074/goto/
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Spiele gegen Lautern, Köln, Oxxenbach und Co machen doch erst den Fußball aus. Retorten wie VW, Hopp, RB braucht hingegen kein Mensch.  
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Treets gibt es nicht mehr? Hatte ich garnicht mitbekommen...  
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Danke Schluko!

Sehr schöne Fanhistorie...

aber: Warum das P.S.?
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Das stimmt Spiele gegen Lautern, Köln und Co macht es einfach aus.
Dankeschön für die Historie
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Eine schöne Fanhistorie, lieber Steffen

(Ich hoffe, das PS ist nicht ernst gemeint!)
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Sehr schön geschrieben. Bei dem 3:5 war ich auch.
Das war ein Gefühl, wie einer Lawine gegenüberzustehen. Du kannst sie nicht aufhalten.

Erinnert außerdem an ein "grandioses" 2:6 auf dem Betzenberg.
Eintracht führt bis ca. 41. Minute 2:0. Dann kam Briegel. Noch vor der Halbzeit der Ausgleich, danach haben sie uns zerlegt, dass es nur so schallerte.
Die Westkurve (damals noch nicht überdacht) verhöhnte uns. Und nebendran, die Bauern mit Gummistiefeln und Regenschirm ebenso.

Drecksverein.
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reggaetyp schrieb:
Sehr schön geschrieben. Bei dem 3:5 war ich auch.
Das war ein Gefühl, wie einer Lawine gegenüberzustehen. Du kannst sie nicht aufhalten.

Erinnert außerdem an ein "grandioses" 2:6 auf dem Betzenberg.
Eintracht führt bis ca. 41. Minute 2:0. Dann kam Briegel. Noch vor der Halbzeit der Ausgleich, danach haben sie uns zerlegt, dass es nur so schallerte.
Die Westkurve (damals noch nicht überdacht) verhöhnte uns. Und nebendran, die Bauern mit Gummistiefeln und Regenschirm ebenso.

Drecksverein.  


Bei dem Spiel war ich auch. 41 Minuten haben wir die schön vorgeführt, völlig verdient 2:0 geführt und dann sind wir aber sowas von eingebrochen. Damals war Lautern im Bezug auf die Atmosphäre schon noch besonders, total agressiv.

Unvergessen für mich auch ein Heimspiel Ende der Siebziger als mir mein damals selbstgestrickter Schal vorm Block von 2 Lauterer abgenommen wurde und ich diesen kurz danach im Block von denen brennen sah. Wohlgemerkt, zwei Mitte Zwanzigjährige gegen einen Zehnjährigen  
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sgevolker schrieb:

Unvergessen für mich auch ein Heimspiel Ende der Siebziger als mir mein damals selbstgestrickter Schal vorm Block von 2 Lauterer abgenommen wurde und ich diesen kurz danach im Block von denen brennen sah. Wohlgemerkt, zwei Mitte Zwanzigjährige gegen einen Zehnjährigen    

Genau das ist mir beim 3:5 vor dem G-Block (!) auch passiert. Ich war allerdings schon 14...
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3zu7 schrieb:
sgevolker schrieb:

Unvergessen für mich auch ein Heimspiel Ende der Siebziger als mir mein damals selbstgestrickter Schal vorm Block von 2 Lauterer abgenommen wurde und ich diesen kurz danach im Block von denen brennen sah. Wohlgemerkt, zwei Mitte Zwanzigjährige gegen einen Zehnjährigen    

Genau das ist mir beim 3:5 vor dem G-Block (!) auch passiert. Ich war allerdings schon 14...



Da zehren die heut noch von.


@Schluko

Nette Geschichte mit einem traurigen Ende. Aber nachvollziehbar isses.
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sgevolker schrieb:
Damals war Lautern im Bezug auf die Atmosphäre schon noch besonders, total agressiv.
 


In der Tat. Das ist aber vorbei. Inzwischen werden die locker an die Wand gesungen.
Aber damals war es sehr, sehr, sehr laut und ungemütlich dort.
Und die alten Bauern auf der Gegentribüne und rechts neben dem Gästeblock, in der Ecke, waren das größte Dreckspack, was man so jenseits einer Kurve finden konnte, mit Ausnahme der Kölner im Oberrang über dem Gästeblock.
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Aber beim Pokalenspiel 81 haben wir die nicht nur auf dem Platz, sondern auch stimmungsmäßig weggefegt!  

Ansonsten unvergessen Kruses Stinkefinger in Richtung pfälzer Haupttribünen-Rentner. Oder der Zungenkuss mit Dietmar Roth. Das war noch ehrlicher Fußball. Nicht diese ganze Mimosenkacke heute...  
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3zu7 schrieb:
Das war noch ehrlicher Fußball. Nicht diese ganze Mimosenkacke heute...    

Das darfst Du meiner Meinung nach aber net unseren Jungs vorwerfen, wenn einmal sagen, das die Schiedsrichtentscheidung falsch ist 5 T Euro kostet, und jubeln mit den Fans ein Spiel Sperre (bzw. die gelbe Karte).
Will mir gar net vorstellen, was ein Stinkefinger gg. die Heimfans einbringen würde...
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Sehr schöner Text -- leider mit störendem PS. Wir bräuchten hier mehr Herzblut statt Schweineblut, nicht weniger.
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3zu7 schrieb:
Aber beim Pokalenspiel 81 haben wir die nicht nur auf dem Platz, sondern auch stimmungsmäßig weggefegt!  
 


Da war isch aach. *schwelg*

Jetzt aber noch schnell die Fleischerschürze bügeln, dann geht's los.
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womeninblack schrieb:
3zu7 schrieb:
Das war noch ehrlicher Fußball. Nicht diese ganze Mimosenkacke heute...    

Das darfst Du meiner Meinung nach aber net unseren Jungs vorwerfen, wenn einmal sagen, das die Schiedsrichtentscheidung falsch ist 5 T Euro kostet, und jubeln mit den Fans ein Spiel Sperre (bzw. die gelbe Karte).

Auch wenn mein Einwand mit Smilie nicht ganz ernst gemeint war, stimmt das natürlich, was Du schreibst. Spontanität, Emotionen, derber Witz - das alles wollen die Funktionäre in ihrem "sauberen" Sport nicht sehen...    
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3zu7 schrieb:


Ansonsten unvergessen Kruses Stinkefinger in Richtung pfälzer Haupttribünen-Rentner.  

Und Tobolliks Stinkefinger nach einem Heimtor zum völlig assigen A-Block.
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Ganz herzlichen Dank für diesen Text, der so wunderbar melancholisch auf den Punkt bringt, warum die wenigsten Dinge nicht entweder schwarz oder weiß, sondern in der Regel beides sind, dass man sich nicht mögen und trotzdem miteinander verbandelt sein kann, dass auch wechselseitige Abneigung erst einmal verdient sein will - und dass sie am Ende vielleicht das Schlimmste nicht ist.

Dieser Schlusskonferenz-Text Schlusskonferenz? Nein. Glaub ich nicht. Will ich nicht glauben. Hey... auch hier gilt: "Bis demneggst." Hoffentlich!  


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