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Offener Brief der schwatzgelb.de Redaktion an Dietmar Hopp

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Habs grad erst per Mail bekommen und nirgends hier gesehen.
Sehr interessant zu lesen (auch wenn er es nie lesen wird)

Offener Brief der schwatzgelb.de Redaktion an Dietmar Hopp

Angesichts der Vorkommnisse beim Auswärtsspiel in Sinsheim und der
darauf folgenden Berichterstattung hat sich die Redaktion von
schwatzgelb.de entschlossen, einen offenen Brief an Dietmar Hopp zu
schreiben, um ihm die Motive der BVB-Fans näher zu bringen. Nachdem so
lange nur übereinander gesprochen wurde, ist es nun vielleicht an der
Zeit, in einen Dialog zu treten. An dieser Stelle veröffentlichen wir
den Wortlaut des Briefes, der zeitgleich auch an zahlreiche
Medienvertreter versandt wurde:

Sehr geehrter Herr Hopp,

angesichts der aktuellen Entwicklungen möchten wir als schwatzgelb.de
uns direkt an Sie wenden.

Immer und immer wieder ist zu lesen, dass Sie von beleidigenden und
zweifelsfrei niveaulosen Sprechchören, Gesängen und Transparenten gegen
Ihre Person tief getroffen werden. Sie betonen immer und immer wieder,
wie weh Ihnen das tut.

Dass Sie diese Schmährufe derart persönlich nehmen, ist schade und vor
allem völlig unangebracht.

Mit dem Schritt in den großen Profi-Fußball haben Sie und auch die TSG
Hoffenheim sich auf ein völlig neues Terrain gewagt. Doch während man
bundesligataugliche Spieler mit Geld kaufen und eine bundesligataugliche
Infrastruktur mit Geld bauen kann, kann man ein Umfeld, das mit der
Mentalität, die in den höheren Spielklassen herrscht, umzugehen weiß,
nicht kaufen. Um auf den Rängen mithalten zu können, braucht es
Erfahrung, viel Erfahrung. Und ein dickes Fell. Denn Beleidigungen
gehören auf den Rängen eines Fußballstadions so zum Alltag wie Fouls auf
dem Rasen.

Verbale Fouls und solche in Form von Tritten in die Wade gehen doch im
Fußball Hand in Hand. Nimmt es denn Spieler A persönlich, wenn Spieler B
ihm gerade mit einem Foul eine Torchance geraubt hat? Nein! In jedem
Foul steckt doch quasi die Metabotschaft: „Sorry, ist nicht persönlich,
aber ich muss dir jetzt die Beine wegtreten, weil ich nicht verantworten
kann, dass du ein Tor gegen meine Mannschaft schießt.“ Das ist doch
Konsens. Das wissen alle Spieler.

Auf den Rängen ist es identisch. Glauben Sie etwa, auch nur ein BVB-Fan
fühlt sich persönlich beleidigt, wenn er in Gladbach, Köln, Frankfurt…
und sogar in Hoffenheim das Lied von den „BVB-[bad]****[/bad]nsöhnen“ hören muss?
Wo kämen wir denn da hin? Das perlt ab, weil doch jeder weiß, wie es
gemeint ist. Hat Ihnen das wirklich niemand gesagt? War Ihnen das mit
all Ihrer Erfahrung und der Weisheit des Alters wirklich nicht bewusst?
Eines ist aber auch klar: Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen
der Diffamierung einer ganzen Gruppe und einer einzelnen Person. In
Ihrem Falle ist es doch aber so, dass Fans aller Vereine, außer
vermutlich Leverkusen, Wolfsburg und RB Leipzig, das Projekt Hoffenheim
konsequent ablehnen. Diese Ablehnung betrifft aber in ähnlichem oder
gleichem Maße Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und ganz besonders RB
Leipzig. Es gibt zwischen den drei genannten Klubs und der TSG
Hoffenheim allerdings einen feinen, aber wichtigen Unterschied: Sie.

Sie, Herr Hopp, sind das Gesicht der TSG Hoffenheim. Sie sind das
Gesicht des Projekts Hoffenheim. Sie sind das Gesicht einer Entwicklung,
die wir Fans ablehnen. Darum fokussieren sich Schmähgesänge auf Sie als
Person. Weil bei keinem der anderen genannten Vereine ein einzelner
Mensch so sinnbildlich für diese – wie wir finden – gefährliche
Entwicklung für den Fußball steht. Wir wollen keine Klubs aus der
Retorte. Und wir wollen keine Mäzene, die einen Klub hätscheln und
großziehen und ihm von jetzt auf gleich Dinge ermöglichen
(Jugendleistungszentren zum Beispiel), die sich andere Vereine sauer
verdienen müssen.

Sollte die Schall-Attacke in Hoffenheim wirklich das Werk zweier
übereifriger Männer gewesen sein, macht das die Sache im Übrigen auch
nicht besser. Vielmehr spräche diese Aktion Bände darüber, welches Klima
bei der TSG herrscht, dass sich Mitarbeiter im vorauseilenden Gehorsam
zu Ihren Vollstreckern machen und zur Selbstjustiz greifen und dabei
nicht nur möglicherweise gegen DFL-Statuten verstoßen, sondern in die
körperliche Unversehrtheit von Fans eingreifen. Ist man Ihnen bei der
TSG dermaßen hörig? Ist das das Klima, das Sie haben wollen?

Wenn Mäzene und Konzerne sich nach Belieben in Vereine „einkaufen“ und
die Bundesliga erobern können, dann muss das all den Fans sauer
aufstoßen, die seit Jahren und Jahrzehnten mit ihren Vereinen fiebern,
Abstiege betrauern mussten und Meisterschaften bejubeln durften. Die den
ganzen Fußball mit seiner Emotionalität und Unkalkulierbarkeit so sehr
lieben.

Man muss kein ewiggestriger Nostalgiker sein, wenn man fordert, dass im
Fußball bitte jeder Verein nur mit den Mitteln arbeitet, die er sich
erarbeitet. Als BVB-Fans wissen wir, wovon wir reden, denn wir sind
beinahe Opfer der Hybris eines Präsidenten geworden. Blind sind wir ihm
gefolgt und wären beinahe in unser Verderben gerannt. Viele sagen, der
BVB habe damals Glück gehabt. Das stimmt. Aber dass der BVB damals von
Sponsoren und Gläubigern gerettet wurde, hat er sich in gewisser Weise
auch erarbeitet. Nämlich durch Tradition und die daraus erwachsene
Verwurzelung nicht nur in Dortmund, sondern in den Köpfen und Herzen des
ganzen Landes.

Wer würde der TSG Hoffenheim in ähnlicher Situation helfen, wenn Sie
einmal nicht mehr da sind?

Viele Fans würden sicherlich gerne einmal sachlich über Ihre Rolle im
Fußball diskutieren und darüber, warum Modelle wie Hoffenheim oder
Leipzig auf so viel Abneigung stoßen. Allein: Wären Sie dazu bereit?
Haben Sie jemals in Erwägung gezogen, sich einer größeren Fanrunde zu
stellen und zu diskutieren? Hat es jemals eine Reaktion auf humorige und
kreative Plakate gegen das Projekt Hoffenheim gegeben? Nein. Keine
Beleidigung, keine Reaktion. Auf „Sohn einer [bad]****[/bad]“ kommt sofort eine
Reaktion, was offenbar viele zu der Ansicht bringt, dass Sie und die TSG
nur auf Schläge mit der großen Keule reagieren, während Sie aber
gleichzeitig nicht in der Lage sind, die Ängste der Fans anderer Klubs
ernst zu nehmen.

Herr Hopp, wir laden Sie hiermit herzlich nach Dortmund ein, um mit Fans
von Borussia Dortmund, vielleicht im Rahmen einer Podiumsdiskussion,
über das Projekt Hoffenheim und Ihre Rolle im Fußball zu diskutieren.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unserer Einladung Folge leisten würden.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir.

Hochachtungsvoll,

Ihre schwatzgelb.de-Redaktion


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