Der Parkplatz ist voll, jede Menge Zuschauer sind gekommen, viele Fans darunter und wer mit dem Auto kommt, berappt vier Euro. Nach einiger Warterei wirst du abgetastet, der Scanner fiept, die Karte ist gültig. Ein Blick ins weite Rund zeigt: Auch hier Massencatering, serviert von uniformierten Angestellten, die mit Gummihandschuhen die Bierflaschen in Becher abfüllen. Ordner sind an vielen Stellen zu finden – und geraucht wird auf der „Raucher-Lounge“, einem zugigen Betonvorplatz vor der Jahrhunderthalle. Wir befinden uns nämlich nicht bei einem Fußballspiel, sondern bei einem Konzert von Manu Chao.
Thematische Schwerpunkte sind unter anderem die „Clandestinos“ und die Illegalität von Marijuana, die Musik eine Mischung aus Reggae, Punk und Rock. Solo voy con mi pena - Sola va mi condena - Correr es mi destino - Para burlar la ley - Perdido en el corazón - De la grande Babylon - Me dicen el clandestino - Por no llevar papel 2 Der Wunsch nach Freiheit und die Notwendigkeit des Kampfes steckt dahinter, die Band rockt – die Zuschauer sind ausgelassen, tragen Bierbecher für drei Euro in der Hand, gehen mit, tanzen, klatschen – und ich stocke ob der augenscheinlichen Widersprüche. Ich fühle mich in der Halle alles andere als frei, brauche keine genormten Bierausschank, keine Parkplatzgebühr, keine fiepende Eintrittskarten – und es fällt mir schwer Mano Negra clandestina - Peruano clandestino - Africano clandestino Marijuana ilegal 3 mitzusingen – wenn ich für ne selbstgedrehte in die zugige Kälte gehen muss.
Als ich zurückkomme liegt in der Halle nicht der Duft von Ganja, keine lichtdurchtränkte Rauchwolke , in der Realität und Musik zu einem Gemisch verschmelzen, welches das behauptete Gefühl von „Freiheit“ wirklich werden und dich tanzen lässt, umgibt mich. Im Gegenteil: ich nehme einen tiefen Zug – Schweiß, der die Rauchwolken in der modernen Zeit ersetzt. Hier wird in der Inszenierung des Konzertes eine Freiheit behauptet, die im wirklichen Leben nicht nur für die Clandestinos unerreichbar ist – und dennoch wird geklatscht, als gäbe es diese Realität nicht – eine Realität, diese zu ändern Manu Chao angetreten ist. In der Jahrhunderthalle mutiert dieser Kampf zur Unterhaltung derer, die alles hinnehmen, solange die Meinung stimmt, und das ist mit Sicherheit nicht der Band anzulasten.
Aber was willst du denn machen, könnte man fragen? Machen wir uns nichts vor, unsere Probleme sind fraglos nicht die Probleme der Clandestinos, der Heimatlosen, der Flüchtlinge, unsere Probleme sind Luxusprobleme, die dennoch eng verwandt sind mit den „großen Dingen“ der Welt, einer Welt, welche die Herren (und Damen) sich untereinander aufteilen, einer Welt, die nicht mehr aus Menschen und Natur besteht, sondern in deren Augen aus Märkten, die es „aufzuteilen“ – und zu nutzen gilt. Freedom’s just another word for nothin’ left to lose 4 sang Janis Joplin vor Jahren – dieser Satz mag stimmen, wenn es sich um materielle Dinge handelt, aber nicht, wenn es um Zeit geht, verlorene Zeit ist weg. Wir vergeuden Zeit, indem wir Dinge tun, die wir nicht machen wollen – uns aber scheinbar notwendig erscheinen. Arbeiten zum Beispiel. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, es gibt keine Gesellschaft, in der Arbeit nicht notwendig ist; Lebensmittel müssen produziert werden, Häuser gebaut, Menschen operiert und vieles viele mehr. Die Fragen sind nur: Unter welchen Bedingungen – und zu wessen nutzen?
Klar, diese Fragen sind mitnichten neu oder gar originell – aber vielleicht ist es notwendig, sich ab und an diese Fragen zu stellen, um unser Leben zu begreifen; unser Leben, dass sich anfühlt, wie eine Reise im Riesenrad, in der wir irgendwann vergessen haben, auszusteigen – und das sich nun mit uns dreht, wobei wir im festen Glauben verankert sind, mitzufahren. So sit us down, buy - us a drink, tell us a good story- Sing us a song we know to be true - I don't give a damn that I never will be worthy - Fear is the only enemy that I still know. 5
Fear is the only enemy – dieser Satz hat sich schon Jahrzehnten in mein Hirn eingefräst – Angst ist der einzige Feind. Die Angst, Dinge zu tun – weil vermeintliche Konsequenzen unsere Sicherheit gefährden, eine Sicherheit die mehr als trügerisch ist. Eine Sicherheit, die uns illusioniert wird, damit die Herren der Welt die Bonbons unter sich aufteilen können, und wir gar nicht daran denken sollen, dass es mehr gibt, als unter Aufsicht des Staates Riesenrad zu fahren.
Aus dem Wunsch nach Freiheit, den jedes Kind verspürt, wurde der Aufschrei nach Sicherheit – und in dieser vermeintlichen Sicherheit werden unsere Träume fett und bräsig und verschimmeln in der Ecke – bis wir selbst fett und bräsig - oder ausgezehrt und müde - werden und genau so verschimmelt in der Ecke liegen. Und so denken wir nicht mehr daran, dass unsere Träume tief in uns nach Erfüllung schreien – und wenn es nur der romantische Traum im Traum ist. Wir lassen uns Feindbilder vorsetzen, an die wir nur allzu gerne bereit sind zu glauben, mal die Russen, mal die Juden, mal die Islamisten und mal spielende Kinder im Garten oder im Hof, die etwas zu laut sind – und konzentrieren uns mit jeder Faser auf unsere Feindbilder, die gar nicht unsere sind. Zwischendrin sollen wir wöchentlich neue Telefone kaufen, oder Klingeltöne, oder irgendetwas anderes, damit wir den großen Kreislauf am Leben erhalten, der am End eh in den Tod führt. Einen Tod, den massenhaft Kreaturen jeden Tag sterben, vor Hunger, zerbombt – und die Viecher sterben ja schon industrialisiert beim Leben – und ich weigere mich, es ihnen gleich zu tun.
Wir ernähren uns von Lebensmitteln, die mit Nahrung nichts mehr zu schaffen haben und stauben ab und an ein bisschen Freude ab, um anschließend umso entschlossener am Nichts teilhaben zu können, - solange wir mitspielen dürfen ist alles in Ordnung – ansonsten droht auf der Autobahn die rechte Spur, dort, wo sonst nur die Versager aus dem Osten mit ihren Ladas und Skodas dem ungebremsten Fortschritt im Wege standen. Wenn etwas schief läuft – und es läuft eine Menge schief – dann rufen wir nach dem Staat, der bitteschön Sorge tragen möge, dass in Ordnung kommt, was noch nie in Ordnung war – ansonsten lehnen wir den Sozialismus entschlossen ab.
Die Welt steht in weiten Teilen in Flammen – und wir rufen nach einem Rauchverbot – und dann verpfeifen wir auch gerne einen Raucher bei den Ordnern – wie neulich bei einem Konzert von New Model Army – einer Band, die angetreten ist, der herrschenden Ordnung einen Spiegel vorzuhalten – und welche die zum Leben notwendige Traurigkeit akzeptiert – und nicht verdrängt.
Wir drängeln uns mit aller Macht auf die richtige Seite – und dazu ist uns jedes Mittel recht; die Depressiven, die Clandestinos, die Schwachen, die Säufer, die Idealisten, die Träumer stehen dabei und schütteln mit dem Kopf – während sie peu peu aussortiert werden. Weil sie vergessen haben, für ihre Träume zu kämpfen – und an der Wirklichkeit scheitern, die grausam und gemein ist. Wir halten uns krampfhaft an den Belohnungen fest, die das Leben in unserer Zeit bereithält, uns aus Sorge diese zu verlieren, verpassen wir das, was die Kinder von Bullerbü gelebt haben – und was Generationen von Kindern zum Wunsch gebracht hat, dieses Lebensgefühl ein Leben lang in sich zu tragen.
Innerer Sicherheitswahn, Hartz4, Diätenerhöhungen, Benzinpreise, Polizeieinsätze während NPD-Demos und Fußballspielen – das sind nur einige Zumutungen der letzten Zeit – und dennoch betteln wir darum, an diesem Leben festhalten zu dürfen, weil wir Angst haben, was passiert, wenn wir uns diesem Leben verweigern.
Was tun?
Nein sagen, nicht alles mitmachen, Selbstverantwortung leben, Lebensfreude nicht am Geld festmachen – und uns daran erinnern, dass die größten Momente im Leben die kleinen Dinge sind; die Weinflasche am Strand von Lagos, die aufsteigende Möwe auf der Mainbrücke, der Fuchs im Schnee, die Hand deines Vaters auf deiner Schulter, dreizehn Menschen in einer Waldhütte, die vor einem Transistorradio einem Fußballspiel der Eintracht in der Allianz-Arena lauschen.
Was ist wirklich wichtig? Ganz sicher nicht der Konsum all der Dinge, die sie uns einreden wollen, auf dass das Riesenrad saust – und ganz sicher nicht die Inszenierung des modernen Fußballs – diese rosa-weiße industrielle Maschinerie deren Zweck es, ist Geld zu generieren, dass wir glauben verdienen zu müssen – und der uns gleichzeitig davon abhält, uns diese Fragen zu stellen. Geht raus in den Wald, küsst euer Mädchen, euren Mann – und denkt daran: Ihr ganz allein habt es in der Hand. Ihr könnt anhalten, wenn jemand über die Straße geht. Und ihr könnt weiter fahren.
Get me out, get me out of this place. Wehrt euch. Seid schwach. Und lasst euch nicht alles gefallen. Und habt keine Angst. Außer vor euren eigenen Abgründen. Lebe! Jetzt!
My name is Jacob Fleet. - I feel the solid world - Revolve beneath my feet. I stride over plains, - Through the copse - And through the glade... I pace through the day. - And a voice tells me - 'Never stop, never stay, Don't let your shadow fade' 6
1 - New Model Army - Purity 2 - Manu Chao – Clandestino Ich bin allein mit meinem Leid, einsam ist meine Verurteilung, meine Bestimmung ist es wegzulaufen, um das Gesetz zu hintergehen. Verloren im Herzen des großen Babylon, nennen sie mich den Heimlichen, weil ich keine Papiere habe. 3 - heimliche Mano Negra (schwarze Hand), heimlicher Peruaner, heimlicher Afrikaner, illegales Marihuana. 4 - Jans Joplin – Me an Bobby McGee 5 - New Model Army - Purity 6 - And also the trees - Jacob Fleet[/size]
Beverungen schrieb: Get me out, get me out of this place. Wehrt euch. Seid schwach. Und lasst euch nicht alles gefallen. Und habt keine Angst. Außer vor euren eigenen Abgründen. Lebe! Jetzt!
Danke schön.... Aber eigentlich sollte man/frau auch davor keine Angst haben.
Ach Beve, was soll ich sagen? Wie immer toller Text und viele wahre Worte, die das Forum abseits dieser fukelunalleannerrauswarumnedmehrgeldundermeierunderdingsbumskönnegarnix-Freds doch als einen angenehmen Ort erscheinen lässt. DaZke!
Beverungen schrieb: ich weiß: solche texte sind zu lang für ein forum.
Mag sein. Für mich ist die Hoffnung auf "solche Texte" aber der Grund, warum ich hier immer noch vorbei schaue. Heute bin ich für meine Hoffnung reich belohnt worden. Danke.
Die Janis Joplin, die Kris Kristoffersons "Me and Bobby McGee" resignierter interpretierte als Roger Miller und Gordon Lightfoot vor ihr, erwartete von ihrer eigenen Zukunft wohl tatsächlich nichts mehr und sang vielleicht deswegen diese Zeilen so überzeugend: "I'd trade all my tomorrows for a single yesterday."
Im September 1970 nahm Janis den Song auf, am 4. Oktober 1970 starb sie.
Möglicherweise meint Don McLean in "American Pie" - seiner Abrechnung mit den USA und der populären Musik von 59 bis 69 - wirklich Janis, wenn er singt: "I met a girl who sang the blues, and I asked her for some happy news. She just smiled and turned away..."
Janis hat irgendwann aufgegeben. Ich kann sie – glaube ich – verstehen. Es ist aber dennoch nicht so, wie Konstantin Wecker einst meinte, dass „alle, die aufgegeben haben, (..) die Mutigen und Suchenden erniedrigen“ wollen.
Hier trifft es Wecker in meinen Augen eher: "Manchen gelingt es, sich so zu entfalten, dass sie sich immer die Unschuld erhalten. Die warten im Schatten, um besser zu sehen, können ohne Applaus der Angst widerstehen. Die schreiben nie Lieder. Die sind Melodie. So aufrecht zu gehen lerne ich nie."
Rio Reiser sang mit den Scherben einst in "Der Traum ist aus": "Wir haben nichts zu verlieren außer unserer Angst."
Doch wenn das so ist und "uns trennt nichts vom Paradies außer unserer Angst" (Ton Steine Scherben: "Schritt für Schritt ins Paradies"), warum sind wir dann nicht schon längst dort?
Vielleicht haben einige doch mehr zu verlieren als nur ihre Angst.
Freedom’s just another word for nothin’ left to lose 4 sang Janis Joplin vor Jahren – dieser Satz mag stimmen, wenn es sich um materielle Dinge handelt, aber nicht, wenn es um Zeit geht, verlorene Zeit ist weg. Wir vergeuden Zeit, indem wir Dinge tun, die wir nicht machen wollen – uns aber scheinbar notwendig erscheinen. Arbeiten zum Beispiel. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, es gibt keine Gesellschaft, in der Arbeit nicht notwendig ist; Lebensmittel müssen produziert werden, Häuser gebaut, Menschen operiert und vieles viele mehr. Die Fragen sind nur: Unter welchen Bedingungen – und zu wessen nutzen?
Arbeiten um zu leben? Oder doch eher leben um zu arbeiten?
Um 5:40 aufstehen, hastig duschen, abtrocknen, anziehen, Kaffee und eine Scheibe Toast herunterschlingen, abwechselnd auf die Uhr im Bad, im Flur und in der Küche starren, als Bestätigung, dass man eh wieder mal zu spät loskommt. Surrend schließen sich die Türen der Straßenbahn, gerade noch erwischt, der Puls klopft im Schädel vom rennen. 7 Minuten kann man sich treiben lassen, die ersten Minuten an diesem noch viel zu jungen Tag, für die man nicht selbst verantwortlich ist für sein weiterkommen. Surrend öffnen sich wieder die Türen, man hetzt hinaus, benutzt die Rolltreppe zur U-Bahn als Beschleuniger, sprintet die letzten Stufen damit man die Bahn noch bekommt. Nun sind es 24 Minuten, in denen man nichts tun muss, ein verschwindend geringer Zeitabschnitt in diesem langen Tag - welchem noch 4 weitere folgen werden in dieser Woche.
"Nächste Station: Dornbusch" Die U-Bahn verlässt den Tunnel, fährt nun oberirdisch, doch es ändert sich nichts an der Helligkeit. Die Sonne wird erst aufgehen, wenn man schon längst im Büro sitzt und wird untergegangen sein, wenn man es verlässt. Der Fluch des Winters eben, Sonnenlicht in Freiheit gibt es nur am Wochenende.
Der Arbeitstag ist grau und trist, was nicht nur an der Betonwand liegt, auf die man durch das kleine Fenster im Büro schielen kann. Entweder wird man mit Arbeit überhäuft, alles muss sofort erledigt sein, oder es gibt nichts zu tun, die Sekunden kommen einem wie Minuten vor.
Endlich sind die 8 Stunden für diesen Tag geschafft, der Kontrast von kaltem Neonlicht zu kaltem, nassem Winterabend besteht nur aus der Helligkeit.
Man geht noch einkaufen, schleppt die Tüten in die Wohnung, schiebt sich eine Pizza in den Ofen. Die Hemden für die Arbeit müssen noch gebügelt werden, Rechnungen bezahlt, der Hausflur gefegt werden. Alles ist erledigt, erschöpft fällt man vor den Fernseher und schläft gleich darauf ein. Bis um 5:40, bis der Wecker wieder klingelt, so wie jeden Werktag.
Und das alles, damit man lebt? Soll das ein Leben sein?
Jede einzelne Minute im Leben hat man nur ein einziges Mal. Was nutzt es mir, wenn ich im Alter eine gute Rente habe, aber morgen von einem LKW überfahren werde?
Wir sollten mehr dafür tun, dass wir jeden Moment genießen können und nicht nur für die Wochenenden zu leben arbeiten.
schöner Text. Den Satz von Janis Joplin verstehe ich ganz umfassend so, dass uns Freiheit immer an den Rand stellt – an den Rand wovon und wozu auch immer. Das ist natürlich keine Sicherheit im herkömmlichen Sinn, allenfalls eine solche, die „höher ist als alle Vernunft“ – eine jener phantastisch subversiven Formeln, welche uns, immerhin, die Kirche hinterlassen hat. Eine Sicherheit, die kein Gegenteil mehr kennt, und die sich einstellt, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Zu Rande kommen, mal etwas anders verstanden.
Mir fällt hierzu immer wieder ein: To live outside the law, you must be honest (Bob Dylan).
Ach ja, zum Fuchs noch. So einem bin ich auch mal begegnet, in einer Winternacht, mit Augen wie blanken Spiegeln.
Der Fuchs kommt graziös auf dich zugelaufen. Sein buschiger Schwanz weist in den Himmel. Es ist ein großer Fuchs (...). Dies ist ein sehr schöner Fuchs, mit einem glänzend rotbraunen Rücken und einem flaumigen weißen Bauch. Er tanzt über den Schnee, ohne jede Anstrengung hebt er die Pfoten. Er kommt direkt auf dich zu. Allmächtiger Gott, denkst du, es gibt noch Wunder auf der Welt. Ein Wesen, das nichts mit mir, einem Menschen, zu tun hat. Ein Tier, das im Wald wohnt, das jedes Geräusch, jede Gestalt hier kennt. Er ist groß, gesund und intelligent. Er hat genug zu fressen. Jede Mahlzeit ist ein Abenteuer. Der Fuchs kommt noch immer auf dich zu. Du denkst an nichts mehr, du willst nur noch dem Fuchs begegnen. Du hättest nicht einmal Angst gehabt, wenn dir auf diesem schmalen Pfad, gesäumt von mondbeschienenen Bäumen und gehüllt in die Stille der Nacht, ein Wolf oder ein Bär begegnet wäre. Der Fuchs verringert nicht seine Geschwindigkeit. Er kommt so dicht an dich heran, dass du ihm in die großen hellbraunen Augen sehen kannst. Auch er sieht dich an und springt, nicht nach deiner Kehle, sondern zur Seite, vom Pfad herunter, ohne den Rhythmus seiner Bewegungen zu ändern. Du schaust dich um, und er ist wieder auf dem Pfad, sein buschiger Schwanz wedelt auf und ab. Du siehst ihm nach, bis er in einer Biegung des Weges verschwindet.
Ein freier Geist schafft sich die Situationen, in denen er sich befinden möchte. Wie, verdammt, wird der Geizt frei? Klandestin: so verborgen, dass es offenbar ist.
Doch wenn das so ist und "uns trennt nichts vom Paradies außer unserer Angst" (Ton Steine Scherben: "Schritt für Schritt ins Paradies"), warum sind wir dann nicht schon längst dort?
vor dem paradies kommts leben - und werden wir sehen. janis starb übrigens an meinem sechsten geburtstag. was auch immer das heißt ...
MainTower schrieb:
Wir sollten mehr dafür tun, dass wir jeden Moment genießen können und nicht nur für die Wochenenden zu leben arbeiten.
zumindest als grundhaltung könnte dies eine idee sein. aber kommt darauf an, was und wie man "arbeitet". benny, schreib weiter ...
adlerkadabra schrieb:
... Eine Sicherheit, die kein Gegenteil mehr kennt, und die sich einstellt, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Zu Rande kommen, mal etwas anders verstanden.
Mir fällt hierzu immer wieder ein: To live outside the law, you must be honest (Bob Dylan).
Ein freier Geist schafft sich die Situationen, in denen er sich befinden möchte. Wie, verdammt, wird der Geizt frei? Klandestin: so verborgen, dass es offenbar ist.
der fuchs im schnee - eine schöne beschreibung
Let me bring you songs from the wood: to make you feel much better than you could know. Dust you down from tip to toe. Show you how the garden grows. Hold you steady as you go. Join the chorus if you can: it'll make of you an honest man.
jethro tull - songs from the wood
die eine seite ist, mit dem ganzen klarzukommen - die andere seite ist, wie bietet man dem unverschämten treiben derer, die sich in die mitte drängeln einhalt.
@ lizard_king
ein bisschen mut gemacht? sehr schön - mut brauchts - und keine angst.
die eine seite ist, mit dem ganzen klarzukommen - die andere seite ist, wie bietet man dem unverschämten treiben derer, die sich in die mitte drängeln einhalt.
die frage ist, ob man selber in die mitte will und was die mitte überhaupt ist - vielleicht nichts anderes als die "hereinbrechenden ränder", wie ludwig hohl meint?
ansonsten:
warrior wanted? no problem.
1. "seiT sanft wie die tauben und listig wie die schlangen".
2. "Die Ein-Takt-Methode, den Gegner zu fällen.
Es gibt, um den Gegner zu fällen, die sogenannte Ein-Takt-Methode. Sobald man mit dem Gegner auf Schwertnähe ist und noch ehe dieser sich's versieht, hebt man, ohne zu zucken, ohne sich zu erregen, die Klinge und schlägt ihn blitzschnell mit einem gerade geführten Hieb nieder. Den Gegner zu fällen, bevor er sich entschieden hat, ob er ausweichen oder zuschlagen soll, dies nennt man die Ein-Takt-Methode. Die Methode ist gut zu üben; man muss sie so beherrschen, dass der Hieb mit größter Schnelligkeit erfolgt." (Miyamoto Musashi)
Doch wenn das so ist und "uns trennt nichts vom Paradies außer unserer Angst" (Ton Steine Scherben: "Schritt für Schritt ins Paradies"), warum sind wir dann nicht schon längst dort?
Die logische Antwort wäre: weil wir viel zu sehr die Hosen/Röcke vollhaben. Ich traue dieser Erklärung aber nicht ganz. Könnte es sein, dass es am Ende die Achtsamkeit ist, an der es mangelt? Wir wären dann immer schon im Paradies und müssten es nur noch merken.
Heinrich von Kleist hat ein anderes Bild dafür. Wir sind aus dem Paradies, dem Zustand vollkommenen Unbewustseins herausgefallen und müssen nun voll im Kreis herum gehen, durch die extreme Bewusstheit hindurch, um am Ende von hinten wieder in das Gärtlein einzutreten.
die eine seite ist, mit dem ganzen klarzukommen - die andere seite ist, wie bietet man dem unverschämten treiben derer, die sich in die mitte drängeln einhalt.
die frage ist, ob man selber in die mitte will und was die mitte überhaupt ist - vielleicht nichts anderes als die "hereinbrechenden ränder", wie ludwig hohl meint?
ansonsten:
warrior wanted? no problem.
1. "seiT sanft wie die tauben und listig wie die schlangen".
2. "Die Ein-Takt-Methode*, den Gegner zu fällen.
Es gibt, um den Gegner zu fällen, die sogenannte Ein-Takt-Methode. Sobald man mit dem Gegner auf Schwertnähe ist und noch ehe dieser sich's versieht, hebt man, ohne zu zucken, ohne sich zu erregen, die Klinge und schlägt ihn blitzschnell mit einem gerade geführten Hieb nieder. Den Gegner zu fällen, bevor er sich entschieden hat, ob er ausweichen oder zuschlagen soll, dies nennt man die Ein-Takt-Methode. Die Methode ist gut zu üben; man muss sie so beherrschen, dass der Hieb mit größter Schnelligkeit erfolgt." (Miyamoto Musashi)
die frage ist, ob man selber in die mitte will und was die mitte überhaupt ist - vielleicht nichts anderes als die "hereinbrechenden ränder", wie ludwig hohl meint?
nicht in die mitte wollen, klar - aber ich meinte eher diejenigen, die beherrschen wollen.
it's war amongst the rebels, madness, madness - war!
Wir lassen uns Feindbilder vorsetzen, an die wir nur allzu gerne bereit sind zu glauben, mal die Russen, mal die Juden, mal die Islamisten und mal spielende Kinder im Garten oder im Hof, die etwas zu laut sind – und konzentrieren uns mit jeder Faser auf unsere Feindbilder, die gar nicht unsere sind.
Nachbabbeln oder andere denken lassen ist doch auch so viel einfacher als Dinge zu hinterfragen oder nachzurechnen. Zwischen all dem Mist, der heute geschrieben wird, das Wertvolle (ausdrücklich auch dieser Beitrag!) zu filtern, ist die wahre Kunst.
Beverungen schrieb: danke fürs feedback; ich weiß: solche texte sind zu lang für ein forum.
Nö. Dass so manchen die Konzentration fehlt, einen Beitrag dieser Länge durchzustehen ist zwar sicher richtig, aber kein Internetproblem, sondern ebenfalls ein Produkt der plakativen Meinungsmacher.
den schönen text hab ich ja jetzt erst entdeckt. ui.... zu den soziokulturellen statements stellung zu nehmen, fehlt mir grad die zeit, deswegen ein paar verstreute bemerkungen zu manu chao und dem konzert in höchst:
- der ort war in der tat eigenartig. sozialdemokratische bürgerhaus-architektur, freundlich-irritierte kellnerinnen in einheitsweiß, dazwischen die brave globalisierungskritische jugend mit dreadlocks und ein paar ältere hanseln.
- im foyer dachte ich auch: "strange, so ein konzert ohne grasdunst, stattdessen nur bier- und schweissgestank...". aber du hat in der halle wahrscheinlich pech mit dem standort gehabt. wo wir standen, haben sich alle einen dreck ums rauchverbot geschert. vor uns tanzten und kifften vier latinos, die haben alle lieder mitgegröhlt und sich einen joint mit dem nächsten angesteckt.
- (auch wenn wir uns gerne mit den unterdrückten und entrechteten identifizieren wir sind nunmal keine clandestinos. manu chao weiß das. für ihn ist es ein konzert vor weißen mittelklasseleuten in einem reichen land. bringt geld und im idealfall auch spass. aber die adressaten seiner musik waren größtenteils nicht in der halle (naja, die vier jungs vielleicht. waren, glaub ich, studis aus kuba).
- weil er das weiss (und sowieso kein deutsch und nur mäßig englisch spricht), hat er auf sowas wie "botschaft" fast komplett verzichtet. stattdessen jeden song dreimal so schnell gespielt und mit skabeat unterlegt, fertig ist die politisch korrekte party.
- ich find daran nix anstößiges. hatte aber auch keinen raum erwartet, der freiheit (im sinne von abwesenheit gesellschaftlicher zwänger oder so) bietet. um davon eine ahnung zu bekommen, müsstest du in eine session von mano negra in den pyrenäen oder barcelona oder chiapas stolpern (behauptet zumindest meine frau). ausserdem waren alle freundlich zueinander - ist doch schon mal was.
- ich find daran nix anstößiges. hatte aber auch keinen raum erwartet, der freiheit (im sinne von abwesenheit gesellschaftlicher zwänger oder so) bietet. um davon eine ahnung zu bekommen, müsstest du in eine session von mano negra in den pyrenäen oder barcelona oder chiapas stolpern (behauptet zumindest meine frau). ausserdem waren alle freundlich zueinander - ist doch schon mal was.
stimmt, das ist nicht überall selbstverständlich. ich wollte die band ja explizit nicht angreifen - und stimme deinen ausführungen weitestgehend zu. vielleicht klappt es ja mal, in eine session von manu chao zu purzeln.
die große freiheit habe ich auch nicht erwartet - fand halt nur die diskrepanz zwischen wunsch und wirklichkeit frappierend.
Der Parkplatz ist voll, jede Menge Zuschauer sind gekommen, viele Fans darunter und wer mit dem Auto kommt, berappt vier Euro. Nach einiger Warterei wirst du abgetastet, der Scanner fiept, die Karte ist gültig. Ein Blick ins weite Rund zeigt: Auch hier Massencatering, serviert von uniformierten Angestellten, die mit Gummihandschuhen die Bierflaschen in Becher abfüllen. Ordner sind an vielen Stellen zu finden – und geraucht wird auf der „Raucher-Lounge“, einem zugigen Betonvorplatz vor der Jahrhunderthalle. Wir befinden uns nämlich nicht bei einem Fußballspiel, sondern bei einem Konzert von Manu Chao.
Thematische Schwerpunkte sind unter anderem die „Clandestinos“ und die Illegalität von Marijuana, die Musik eine Mischung aus Reggae, Punk und Rock. Solo voy con mi pena - Sola va mi condena - Correr es mi destino - Para burlar la ley - Perdido en el corazón - De la grande Babylon - Me dicen el clandestino - Por no llevar papel 2
Der Wunsch nach Freiheit und die Notwendigkeit des Kampfes steckt dahinter, die Band rockt – die Zuschauer sind ausgelassen, tragen Bierbecher für drei Euro in der Hand, gehen mit, tanzen, klatschen – und ich stocke ob der augenscheinlichen Widersprüche. Ich fühle mich in der Halle alles andere als frei, brauche keine genormten Bierausschank, keine Parkplatzgebühr, keine fiepende Eintrittskarten – und es fällt mir schwer Mano Negra clandestina - Peruano clandestino - Africano clandestino Marijuana ilegal 3 mitzusingen – wenn ich für ne selbstgedrehte in die zugige Kälte gehen muss.
Als ich zurückkomme liegt in der Halle nicht der Duft von Ganja, keine lichtdurchtränkte Rauchwolke , in der Realität und Musik zu einem Gemisch verschmelzen, welches das behauptete Gefühl von „Freiheit“ wirklich werden und dich tanzen lässt, umgibt mich. Im Gegenteil: ich nehme einen tiefen Zug – Schweiß, der die Rauchwolken in der modernen Zeit ersetzt.
Hier wird in der Inszenierung des Konzertes eine Freiheit behauptet, die im wirklichen Leben nicht nur für die Clandestinos unerreichbar ist – und dennoch wird geklatscht, als gäbe es diese Realität nicht – eine Realität, diese zu ändern Manu Chao angetreten ist. In der Jahrhunderthalle mutiert dieser Kampf zur Unterhaltung derer, die alles hinnehmen, solange die Meinung stimmt, und das ist mit Sicherheit nicht der Band anzulasten.
Aber was willst du denn machen, könnte man fragen? Machen wir uns nichts vor, unsere Probleme sind fraglos nicht die Probleme der Clandestinos, der Heimatlosen, der Flüchtlinge, unsere Probleme sind Luxusprobleme, die dennoch eng verwandt sind mit den „großen Dingen“ der Welt, einer Welt, welche die Herren (und Damen) sich untereinander aufteilen, einer Welt, die nicht mehr aus Menschen und Natur besteht, sondern in deren Augen aus Märkten, die es „aufzuteilen“ – und zu nutzen gilt.
Freedom’s just another word for nothin’ left to lose 4 sang Janis Joplin vor Jahren – dieser Satz mag stimmen, wenn es sich um materielle Dinge handelt, aber nicht, wenn es um Zeit geht, verlorene Zeit ist weg. Wir vergeuden Zeit, indem wir Dinge tun, die wir nicht machen wollen – uns aber scheinbar notwendig erscheinen. Arbeiten zum Beispiel. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, es gibt keine Gesellschaft, in der Arbeit nicht notwendig ist; Lebensmittel müssen produziert werden, Häuser gebaut, Menschen operiert und vieles viele mehr. Die Fragen sind nur: Unter welchen Bedingungen – und zu wessen nutzen?
Klar, diese Fragen sind mitnichten neu oder gar originell – aber vielleicht ist es notwendig, sich ab und an diese Fragen zu stellen, um unser Leben zu begreifen; unser Leben, dass sich anfühlt, wie eine Reise im Riesenrad, in der wir irgendwann vergessen haben, auszusteigen – und das sich nun mit uns dreht, wobei wir im festen Glauben verankert sind, mitzufahren. So sit us down, buy - us a drink, tell us a good story- Sing us a song we know to be true - I don't give a damn that I never will be worthy - Fear is the only enemy that I still know. 5
Fear is the only enemy – dieser Satz hat sich schon Jahrzehnten in mein Hirn eingefräst – Angst ist der einzige Feind. Die Angst, Dinge zu tun – weil vermeintliche Konsequenzen unsere Sicherheit gefährden, eine Sicherheit die mehr als trügerisch ist. Eine Sicherheit, die uns illusioniert wird, damit die Herren der Welt die Bonbons unter sich aufteilen können, und wir gar nicht daran denken sollen, dass es mehr gibt, als unter Aufsicht des Staates Riesenrad zu fahren.
Aus dem Wunsch nach Freiheit, den jedes Kind verspürt, wurde der Aufschrei nach Sicherheit – und in dieser vermeintlichen Sicherheit werden unsere Träume fett und bräsig und verschimmeln in der Ecke – bis wir selbst fett und bräsig - oder ausgezehrt und müde - werden und genau so verschimmelt in der Ecke liegen. Und so denken wir nicht mehr daran, dass unsere Träume tief in uns nach Erfüllung schreien – und wenn es nur der romantische Traum im Traum ist.
Wir lassen uns Feindbilder vorsetzen, an die wir nur allzu gerne bereit sind zu glauben, mal die Russen, mal die Juden, mal die Islamisten und mal spielende Kinder im Garten oder im Hof, die etwas zu laut sind – und konzentrieren uns mit jeder Faser auf unsere Feindbilder, die gar nicht unsere sind. Zwischendrin sollen wir wöchentlich neue Telefone kaufen, oder Klingeltöne, oder irgendetwas anderes, damit wir den großen Kreislauf am Leben erhalten, der am End eh in den Tod führt. Einen Tod, den massenhaft Kreaturen jeden Tag sterben, vor Hunger, zerbombt – und die Viecher sterben ja schon industrialisiert beim Leben – und ich weigere mich, es ihnen gleich zu tun.
Wir ernähren uns von Lebensmitteln, die mit Nahrung nichts mehr zu schaffen haben und stauben ab und an ein bisschen Freude ab, um anschließend umso entschlossener am Nichts teilhaben zu können, - solange wir mitspielen dürfen ist alles in Ordnung – ansonsten droht auf der Autobahn die rechte Spur, dort, wo sonst nur die Versager aus dem Osten mit ihren Ladas und Skodas dem ungebremsten Fortschritt im Wege standen. Wenn etwas schief läuft – und es läuft eine Menge schief – dann rufen wir nach dem Staat, der bitteschön Sorge tragen möge, dass in Ordnung kommt, was noch nie in Ordnung war – ansonsten lehnen wir den Sozialismus entschlossen ab.
Die Welt steht in weiten Teilen in Flammen – und wir rufen nach einem Rauchverbot – und dann verpfeifen wir auch gerne einen Raucher bei den Ordnern – wie neulich bei einem Konzert von New Model Army – einer Band, die angetreten ist, der herrschenden Ordnung einen Spiegel vorzuhalten – und welche die zum Leben notwendige Traurigkeit akzeptiert – und nicht verdrängt.
Wir drängeln uns mit aller Macht auf die richtige Seite – und dazu ist uns jedes Mittel recht; die Depressiven, die Clandestinos, die Schwachen, die Säufer, die Idealisten, die Träumer stehen dabei und schütteln mit dem Kopf – während sie peu peu aussortiert werden. Weil sie vergessen haben, für ihre Träume zu kämpfen – und an der Wirklichkeit scheitern, die grausam und gemein ist. Wir halten uns krampfhaft an den Belohnungen fest, die das Leben in unserer Zeit bereithält, uns aus Sorge diese zu verlieren, verpassen wir das, was die Kinder von Bullerbü gelebt haben – und was Generationen von Kindern zum Wunsch gebracht hat, dieses Lebensgefühl ein Leben lang in sich zu tragen.
Innerer Sicherheitswahn, Hartz4, Diätenerhöhungen, Benzinpreise, Polizeieinsätze während NPD-Demos und Fußballspielen – das sind nur einige Zumutungen der letzten Zeit – und dennoch betteln wir darum, an diesem Leben festhalten zu dürfen, weil wir Angst haben, was passiert, wenn wir uns diesem Leben verweigern.
Was tun?
Nein sagen, nicht alles mitmachen, Selbstverantwortung leben, Lebensfreude nicht am Geld festmachen – und uns daran erinnern, dass die größten Momente im Leben die kleinen Dinge sind; die Weinflasche am Strand von Lagos, die aufsteigende Möwe auf der Mainbrücke, der Fuchs im Schnee, die Hand deines Vaters auf deiner Schulter, dreizehn Menschen in einer Waldhütte, die vor einem Transistorradio einem Fußballspiel der Eintracht in der Allianz-Arena lauschen.
Was ist wirklich wichtig? Ganz sicher nicht der Konsum all der Dinge, die sie uns einreden wollen, auf dass das Riesenrad saust – und ganz sicher nicht die Inszenierung des modernen Fußballs – diese rosa-weiße industrielle Maschinerie deren Zweck es, ist Geld zu generieren, dass wir glauben verdienen zu müssen – und der uns gleichzeitig davon abhält, uns diese Fragen zu stellen. Geht raus in den Wald, küsst euer Mädchen, euren Mann – und denkt daran: Ihr ganz allein habt es in der Hand. Ihr könnt anhalten, wenn jemand über die Straße geht. Und ihr könnt weiter fahren.
Get me out, get me out of this place. Wehrt euch. Seid schwach. Und lasst euch nicht alles gefallen. Und habt keine Angst. Außer vor euren eigenen Abgründen. Lebe! Jetzt!
My name is Jacob Fleet. - I feel the solid world - Revolve beneath my feet.
I stride over plains, - Through the copse - And through the glade...
I pace through the day. - And a voice tells me - 'Never stop, never stay,
Don't let your shadow fade' 6
1 - New Model Army - Purity
2 - Manu Chao – Clandestino
Ich bin allein mit meinem Leid, einsam ist meine Verurteilung, meine Bestimmung ist es wegzulaufen, um das Gesetz zu hintergehen. Verloren im Herzen des großen Babylon, nennen sie mich den Heimlichen, weil ich keine Papiere habe.
3 - heimliche Mano Negra (schwarze Hand), heimlicher Peruaner, heimlicher Afrikaner, illegales Marihuana.
4 - Jans Joplin – Me an Bobby McGee
5 - New Model Army - Purity
6 - And also the trees - Jacob Fleet[/size]
We never asked
For any of this
New Model Army - 225
Ich kann dich sehr gut verstehen und muss dir in vielen Punkten Recht geben...
Leider viele unerfreuliche Tatsachen, aber auch eine Message, die jeder verinnerlichen sollte:
Danke, Beve, für ein wenig Hoffnung. Danke für ein kleines bisschen Mut.
I'm free - I'm free,
And I'm waiting for you to follow me
(The Who, 1969)
Danke schön....
Aber eigentlich sollte man/frau auch davor keine Angst haben.
Nur hätten wir es niemals so anspruchsvoll beschreiben können.
Freu mich, wenn wir an Deiner nächsten Musestunde wieder teilhaben können.
Wie immer toller Text und viele wahre Worte, die das Forum abseits dieser fukelunalleannerrauswarumnedmehrgeldundermeierunderdingsbumskönnegarnix-Freds doch als einen angenehmen Ort erscheinen lässt.
DaZke!
Mag sein. Für mich ist die Hoffnung auf "solche Texte" aber der Grund, warum ich hier immer noch vorbei schaue. Heute bin ich für meine Hoffnung reich belohnt worden.
Danke.
Die Janis Joplin, die Kris Kristoffersons "Me and Bobby McGee" resignierter interpretierte als Roger Miller und Gordon Lightfoot vor ihr, erwartete von ihrer eigenen Zukunft wohl tatsächlich nichts mehr und sang vielleicht deswegen diese Zeilen so überzeugend:
"I'd trade all my tomorrows for a single yesterday."
Im September 1970 nahm Janis den Song auf, am 4. Oktober 1970 starb sie.
Möglicherweise meint Don McLean in "American Pie" - seiner Abrechnung mit den USA und der populären Musik von 59 bis 69 - wirklich Janis, wenn er singt:
"I met a girl who sang the blues, and I asked her for some happy news. She just smiled and turned away..."
Janis hat irgendwann aufgegeben. Ich kann sie – glaube ich – verstehen.
Es ist aber dennoch nicht so, wie Konstantin Wecker einst meinte, dass „alle, die aufgegeben haben, (..) die Mutigen und Suchenden erniedrigen“ wollen.
Hier trifft es Wecker in meinen Augen eher:
"Manchen gelingt es,
sich so zu entfalten,
dass sie sich immer
die Unschuld erhalten.
Die warten im Schatten,
um besser zu sehen,
können ohne Applaus
der Angst widerstehen.
Die schreiben nie Lieder.
Die sind Melodie.
So aufrecht zu gehen
lerne ich nie."
Rio Reiser sang mit den Scherben einst in "Der Traum ist aus":
"Wir haben nichts zu verlieren außer unserer Angst."
Doch wenn das so ist und "uns trennt nichts vom Paradies außer unserer Angst" (Ton Steine Scherben: "Schritt für Schritt ins Paradies"), warum sind wir dann nicht schon längst dort?
Vielleicht haben einige doch mehr zu verlieren als nur ihre Angst.
Arbeiten um zu leben? Oder doch eher leben um zu arbeiten?
Um 5:40 aufstehen, hastig duschen, abtrocknen, anziehen, Kaffee und eine Scheibe Toast herunterschlingen, abwechselnd auf die Uhr im Bad, im Flur und in der Küche starren, als Bestätigung, dass man eh wieder mal zu spät loskommt. Surrend schließen sich die Türen der Straßenbahn, gerade noch erwischt, der Puls klopft im Schädel vom rennen. 7 Minuten kann man sich treiben lassen, die ersten Minuten an diesem noch viel zu jungen Tag, für die man nicht selbst verantwortlich ist für sein weiterkommen. Surrend öffnen sich wieder die Türen, man hetzt hinaus, benutzt die Rolltreppe zur U-Bahn als Beschleuniger, sprintet die letzten Stufen damit man die Bahn noch bekommt. Nun sind es 24 Minuten, in denen man nichts tun muss, ein verschwindend geringer Zeitabschnitt in diesem langen Tag - welchem noch 4 weitere folgen werden in dieser Woche.
"Nächste Station: Dornbusch" Die U-Bahn verlässt den Tunnel, fährt nun oberirdisch, doch es ändert sich nichts an der Helligkeit. Die Sonne wird erst aufgehen, wenn man schon längst im Büro sitzt und wird untergegangen sein, wenn man es verlässt. Der Fluch des Winters eben, Sonnenlicht in Freiheit gibt es nur am Wochenende.
Der Arbeitstag ist grau und trist, was nicht nur an der Betonwand liegt, auf die man durch das kleine Fenster im Büro schielen kann.
Entweder wird man mit Arbeit überhäuft, alles muss sofort erledigt sein, oder es gibt nichts zu tun, die Sekunden kommen einem wie Minuten vor.
Endlich sind die 8 Stunden für diesen Tag geschafft, der Kontrast von kaltem Neonlicht zu kaltem, nassem Winterabend besteht nur aus der Helligkeit.
Man geht noch einkaufen, schleppt die Tüten in die Wohnung, schiebt sich eine Pizza in den Ofen. Die Hemden für die Arbeit müssen noch gebügelt werden, Rechnungen bezahlt, der Hausflur gefegt werden. Alles ist erledigt, erschöpft fällt man vor den Fernseher und schläft gleich darauf ein. Bis um 5:40, bis der Wecker wieder klingelt, so wie jeden Werktag.
Und das alles, damit man lebt? Soll das ein Leben sein?
Jede einzelne Minute im Leben hat man nur ein einziges Mal. Was nutzt es mir, wenn ich im Alter eine gute Rente habe, aber morgen von einem LKW überfahren werde?
Wir sollten mehr dafür tun, dass wir jeden Moment genießen können und nicht nur für die Wochenenden zu
lebenarbeiten.schöner Text. Den Satz von Janis Joplin verstehe ich ganz umfassend so, dass uns Freiheit immer an den Rand stellt – an den Rand wovon und wozu auch immer. Das ist natürlich keine Sicherheit im herkömmlichen Sinn, allenfalls eine solche, die „höher ist als alle Vernunft“ – eine jener phantastisch subversiven Formeln, welche uns, immerhin, die Kirche hinterlassen hat. Eine Sicherheit, die kein Gegenteil mehr kennt, und die sich einstellt, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Zu Rande kommen, mal etwas anders verstanden.
Mir fällt hierzu immer wieder ein: To live outside the law, you must be honest (Bob Dylan).
Ach ja, zum Fuchs noch. So einem bin ich auch mal begegnet, in einer Winternacht, mit Augen wie blanken Spiegeln.
Der Fuchs kommt graziös auf dich zugelaufen. Sein buschiger Schwanz weist in den Himmel. Es ist ein großer Fuchs (...).
Dies ist ein sehr schöner Fuchs, mit einem glänzend rotbraunen Rücken und einem flaumigen weißen Bauch. Er tanzt über den Schnee, ohne jede Anstrengung hebt er die Pfoten. Er kommt direkt auf dich zu.
Allmächtiger Gott, denkst du, es gibt noch Wunder auf der Welt. Ein Wesen, das nichts mit mir, einem Menschen, zu tun hat. Ein Tier, das im Wald wohnt, das jedes Geräusch, jede Gestalt hier kennt.
Er ist groß, gesund und intelligent. Er hat genug zu fressen. Jede Mahlzeit ist ein Abenteuer.
Der Fuchs kommt noch immer auf dich zu. Du denkst an nichts mehr, du willst nur noch dem Fuchs begegnen. Du hättest nicht einmal Angst gehabt, wenn dir auf diesem schmalen Pfad, gesäumt von mondbeschienenen Bäumen und gehüllt in die Stille der Nacht, ein Wolf oder ein Bär begegnet wäre.
Der Fuchs verringert nicht seine Geschwindigkeit. Er kommt so dicht an dich heran, dass du ihm in die großen hellbraunen Augen sehen kannst. Auch er sieht dich an und springt, nicht nach deiner Kehle, sondern zur Seite, vom Pfad herunter, ohne den Rhythmus seiner Bewegungen zu ändern.
Du schaust dich um, und er ist wieder auf dem Pfad, sein buschiger Schwanz wedelt auf und ab. Du siehst ihm nach, bis er in einer Biegung des Weges verschwindet.
Ein freier Geist schafft sich die Situationen, in denen er sich befinden möchte. Wie, verdammt, wird der Geizt frei? Klandestin: so verborgen, dass es offenbar ist.
Ach ja, und dankschön nochmal, dass du nicht "Holt mich hier raus" drübergeschrieben hast
vor dem paradies kommts leben - und werden wir sehen. janis starb übrigens an meinem sechsten geburtstag. was auch immer das heißt ...
zumindest als grundhaltung könnte dies eine idee sein. aber kommt darauf an, was und wie man "arbeitet". benny, schreib weiter ...
der fuchs im schnee - eine schöne beschreibung
Let me bring you songs from the wood:
to make you feel much better than you could know.
Dust you down from tip to toe.
Show you how the garden grows.
Hold you steady as you go.
Join the chorus if you can:
it'll make of you an honest man.
jethro tull - songs from the wood
die eine seite ist, mit dem ganzen klarzukommen - die andere seite ist, wie bietet man dem unverschämten treiben derer, die sich in die mitte drängeln einhalt.
@ lizard_king
ein bisschen mut gemacht? sehr schön - mut brauchts - und keine angst.
@ all
dazke.
die frage ist, ob man selber in die mitte will und was die mitte überhaupt ist - vielleicht nichts anderes als die "hereinbrechenden ränder", wie ludwig hohl meint?
ansonsten:
warrior wanted? no problem.
1. "seiT sanft wie die tauben und listig wie die schlangen".
2. "Die Ein-Takt-Methode, den Gegner zu fällen.
Es gibt, um den Gegner zu fällen, die sogenannte Ein-Takt-Methode. Sobald man mit dem Gegner auf Schwertnähe ist und noch ehe dieser sich's versieht, hebt man, ohne zu zucken, ohne sich zu erregen, die Klinge und schlägt ihn blitzschnell mit einem gerade geführten Hieb nieder. Den Gegner zu fällen, bevor er sich entschieden hat, ob er ausweichen oder zuschlagen soll, dies nennt man die Ein-Takt-Methode. Die Methode ist gut zu üben; man muss sie so beherrschen, dass der Hieb mit größter Schnelligkeit erfolgt."
(Miyamoto Musashi)
Die logische Antwort wäre: weil wir viel zu sehr die Hosen/Röcke vollhaben. Ich traue dieser Erklärung aber nicht ganz. Könnte es sein, dass es am Ende die Achtsamkeit ist, an der es mangelt? Wir wären dann immer schon im Paradies und müssten es nur noch merken.
Heinrich von Kleist hat ein anderes Bild dafür. Wir sind aus dem Paradies, dem Zustand vollkommenen Unbewustseins herausgefallen und müssen nun voll im Kreis herum gehen, durch die extreme Bewusstheit hindurch, um am Ende von hinten wieder in das Gärtlein einzutreten.
Bon voyage
*Hessische Variante: Schlappe-und-druff
nicht in die mitte wollen, klar - aber ich meinte eher diejenigen, die beherrschen wollen.
it's war amongst the rebels, madness, madness - war!
(linton kwesi johnson)
Nachbabbeln oder andere denken lassen ist doch auch so viel einfacher als Dinge zu hinterfragen oder nachzurechnen. Zwischen all dem Mist, der heute geschrieben wird, das Wertvolle (ausdrücklich auch dieser Beitrag!) zu filtern, ist die wahre Kunst.
Nö. Dass so manchen die Konzentration fehlt, einen Beitrag dieser Länge durchzustehen ist zwar sicher richtig, aber kein Internetproblem, sondern ebenfalls ein Produkt der plakativen Meinungsmacher.
DA
ui....
zu den soziokulturellen statements stellung zu nehmen, fehlt mir grad die zeit, deswegen ein paar verstreute bemerkungen zu manu chao und dem konzert in höchst:
- der ort war in der tat eigenartig. sozialdemokratische bürgerhaus-architektur, freundlich-irritierte kellnerinnen in einheitsweiß, dazwischen die brave globalisierungskritische jugend mit dreadlocks und ein paar ältere hanseln.
- im foyer dachte ich auch: "strange, so ein konzert ohne grasdunst, stattdessen nur bier- und schweissgestank...". aber du hat in der halle wahrscheinlich pech mit dem standort gehabt. wo wir standen, haben sich alle einen dreck ums rauchverbot geschert. vor uns tanzten und kifften vier latinos, die haben alle lieder mitgegröhlt und sich einen joint mit dem nächsten angesteckt.
- (auch wenn wir uns gerne mit den unterdrückten und entrechteten identifizieren wir sind nunmal keine clandestinos. manu chao weiß das. für ihn ist es ein konzert vor weißen mittelklasseleuten in einem reichen land. bringt geld und im idealfall auch spass. aber die adressaten seiner musik waren größtenteils nicht in der halle (naja, die vier jungs vielleicht. waren, glaub ich, studis aus kuba).
- weil er das weiss (und sowieso kein deutsch und nur mäßig englisch spricht), hat er auf sowas wie "botschaft" fast komplett verzichtet. stattdessen jeden song dreimal so schnell gespielt und mit skabeat unterlegt, fertig ist die politisch korrekte party.
- ich find daran nix anstößiges. hatte aber auch keinen raum erwartet, der freiheit (im sinne von abwesenheit gesellschaftlicher zwänger oder so) bietet. um davon eine ahnung zu bekommen, müsstest du in eine session von mano negra in den pyrenäen oder barcelona oder chiapas stolpern (behauptet zumindest meine frau).
ausserdem waren alle freundlich zueinander - ist doch schon mal was.
stimmt, das ist nicht überall selbstverständlich. ich wollte die band ja explizit nicht angreifen - und stimme deinen ausführungen weitestgehend zu. vielleicht klappt es ja mal, in eine session von manu chao zu purzeln.
die große freiheit habe ich auch nicht erwartet - fand halt nur die diskrepanz zwischen wunsch und wirklichkeit frappierend.
viele grüße
beve