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Alltagskonflikt „Schule vs. Fussball“

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Geil zu lesen.  

Quelle: Stephan Bass

Alltagskonflikt „Schule vs. Fussball“
Wir datieren Sonntag, den 22.06.2007. Auf dem Rasenplatz vom FC Herdecke-Ende läuft das Kreisliga-A-Entscheidungsspiel der B-Jugend zwischen dem SC Concordia Hagen und der SpVgg Linderhausen. Es steht 1:0 zur Halbzeit für Concordia und der nächste Angriff läuft. Linderhausen hat keine andere Möglichkeit, als ihr Spiel in die Offensive zu verlagern und damit Chancen zum Kontern zu bieten. Über rechts setzt sich mein Mitspieler durch. Es scheint, als ob die Flanke kommt. Da die Flanken im Training auch immer zu kurz gekommen sind, entscheide ich mich meinem Mitspieler entgegenzulaufen. Die Flanke kommt. Mein Gegenspieler reagiert zu langsam und ich treffe den Ball volley mit der rechten Innenseite. Ich schaue wie der Ball fliegt. Es kommt mir vor wie in Zeitlupe. Der Ball fliegt und fliegt, die Zeit bleibt fast stehen. Plötzlich: TOR! Der Ball zappelt im Netz, nachdem er den langen Innenpfosten tuschierte. Der Torwart von Linderhausen schaut verdutzt seinen Abwehrspieler an, der bemerkt, dass nun in der 70.Minute das Spiel entschieden und der Traum vom Aufstieg geplatzt zu sein scheint.


In den letzten zehn Minuten des Spiels schaffen wir sogar noch das 3:0 und die Freude ist riesig. Meine Mannschaftskollegen, welche auf der Auswechselbank gesessen haben, rennen auf das Spielfeld. Das Unmögliche ist geschafft: Der Aufstieg in die Kreisleistungsliga. Das ein oder andere Bier fließt und unser Trainer schafft es auch nicht der „Bierdusche” zu entkommen. Das ganze Ereignis endet mit einem dicken Brummschädel am nächsten Tag. Egal, der Aufstieg ist geschafft und es gibt für mich nichts anderes mehr.


Zwei Tage später sitze ich im Klassenzimmer. Die letzte Englischklausur im Schuljahr steht an. Der Lehrer kommt hinein und verteilt die Aufgabenzettel. Als ich das Blatt umdrehe sehe ich Buchstaben, welche Wörter und Sätze ergeben sollen. Die zweistündige Klausur ist der pure Wahnsinn. Es ist wie ein Spiel gegen die englische Nationalmannschaft, indem man chancenlos eine Niederlage erleidet, die man so schnell nicht vergisst. Meine Mannschaftkameraden im Klassenzimmer scheinen konzentriert zu sein und geben alles. Jedoch bin ich hier auf mich alleine gestellt.


Ich schaue nach rechts, ich schaue nach links. Keine Anspielmöglichkeit! Auch Täuschungen helfen nicht. Der Abwehrspieler erscheint zu groß, zu kräftig, zu beweglich. Kurz gesagt: Unüberwindbar.

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Ich schwitze und ackere, jedoch vergeblich. Der Lehrer pfeift das Spiel ab. Die zwei Stunden sind vorüber. Fazit: Es waren Torchancen da, jedoch konnte ich sie nicht verwerten, da ich nicht genug trainiert habe. Des Weiteren steckt die Niederlage ganz schön in den Knochen.


Zweieinhalb Wochen später gibt es die Klausur zurück. Das Spiel war verloren und das Abstiegsgespenst schleicht umher. Ich habe Angst. Angst versagt zu haben. „Das ist nicht meine Art.”, sage ich mir. „Du musst kämpfen. Aufgeben? Nein!” Das Ergebnis ist eine Fünf plus. Der Nicht-Abstieg liegt nun nicht mehr in meinen Händen. Ich bin angewiesen auf andere. Auf meine Lehrer. Werden sie mich nicht versetzen? Werde ich durch die schlechte Klausurnote das Schuljahr wiederholen müssen?


Es ist noch zu sagen, dass wir damals den Aufstieg mit Concordia Hagen in die Kreisleistungsliga nicht wahrnehmen konnten. Uns fehlten Mitspieler, um eine schlagkräftige Mannschaft für die neue Saison zu stellen. Ich meldete mich ab.


Wie bereits bemerkt sein worden dürfte, lebe ich den Fußball. Ist es richtig den Fußball zu leben? Sollte man nicht andere Prioritäten setzen, wenn man das utopische Ziel Fußballprofi zu werden, nicht erreichen kann?


Diese Fragen stelle ich mir jetzt. Zwei Jahre später. Das Schuljahr habe ich übrigens mit „Hängen und Würgen” geschafft. Ich bin gerade so versetzt worden, mit einem


Notendurchschnitt von 3,4. Nun bin ich in der zwölften Klasse des Fichte Gymnasiums in Hagen. Ich bin gut in der Schule, habe einen Notendurchschnitt von 2,4. Nächstes Jahr stehen die Abiturprüfungen an. Wie ich es geschafft habe? Ich habe mich zusammengerissen und gelernt. Am Anfang vergeblich, doch mit der Zeit regnete es Zweien und Dreien. Jetzt fragt sich der Leser sicherlich, was mit dem Fußball passiert ist. Nun… ich spiele noch Fußball. Allerdings nicht mehr im Verein. Ich spiele in der Hobbymannschaft „Flinke Flasche” mit meinen Kumpels und wir spielen jede Woche samstags oder sonntags. Im Anschluss an die Bundesligaspiele vom BVB und dem FC spielen wir zwei Stunden auf dem kleinen Ascheplatz von Rot-Weiss Oberwengern in Wetter an der Ruhr. Spaß macht es, auch wenn man einmal oder zweimal ein Testspiel verliert. Das „Bierchen” danach gehört quasi zur Nachspielzeit und meinen Freunde und Mannschaftskollegen vergeht einfach nicht das Lachen und die Fußballgeschichten, welche in letzter Zeit anstanden oder anstehen werden, sind immer Gesprächsthema.


DAS bezeichne ich als Erfolg und es scheint für mich die Ideallösung zu sein: Spaß.


Man darf den Spaß nicht vergessen und vor allem nicht seine Pflichten. Schule ist mein Beruf und Fußball ist einfach die schönste Nebensache der Welt. Wenn sich das nicht überschlägt, ist es für mich, als würde ich jede Woche am Bolzplatz nach zwei Stunden kicken die Meisterschale in der Hand halten.


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