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Frage an Anwälte

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Hallo!
Ich habe eine dringende Frage an die Anwälte hier im Forum.
Ich habe vor ca 2 Wochen mit meiner Familie bei einem Notar einen "Grundstücksübertragungsvertrag mit Auflassung und Abfindungsvereinbarung" aufsetzen lassen. Wir haben dort alles besprochen und vereinbart und der Notar hat - bis es nächste Woche zur Unterschrift des Vertrages kommt jedem ein Exemplar zur Überprüfung zukommen lassen.
Ich habe nun nochmals eine Anwältin,  beauftragt den Vetrag doch bitte  für mich auf eventuelle versteckte Fehler zu prüfen und mir noch ein paar offenen Fragen zu beantworten. Sprich - Ich habe ihr den 8seitigen Vertrag vorab zugefaxt und habe mich am Donnerstag 1 Stunde beraten lassen. Nun flattert mir gestern per Post eine Rechnung von 3.198,24 € ins Haus... Kann das sein? Mich hat es von den Socken gehauen...  Für etwas mehr als eine Stunde Arbeit? So viel Geld???
Sie bezieht sich wohl auf den Gegenstandswert des Hauses und auf  "1,3 Geschaftsgebühr gem. Vorb. 2.3 (3) Nr. 2300 VV RVG"!? Was immer das ist...???  Alleine die Auslagenpauschale von 20€ für was?????
Nochmal die Frage:  Wie kann es sein, dass die Anwältin eine so hohe Rechnung ausstellt, ist dies i.O. und was kann ich ggfls. dagegen tun?
Danke schonmal!
Gruß
S65
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Leider bist du in die RVG.-Falle getappt. Dieses "Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwälte" sieht in zivilrechtlichen Fällen die Berechnung nach dem Gegenstandswert vor, also wieviel die Sache Wert ist, um die es geht. Und das ist bei einem Haus nunmal der Kaufpreis. Die Beratungsgebühr wurde mit dem 1,3fachen angesetzt, höher darf sie nur angesetzt werden, wenn es sich um eine Sache von besonderer Schwierigkeit handelt. Und ebenso leider muss der Rechtsanwalt dir das nicht ungefragt vorher sagen:

"Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen" (BGH, Urt. v. 18. September 1997 - IX ZR 49/97, NJW 1998, 136, 137; v. 2. Juli 1998 - IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486, 3487).
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BGH, Urteil vom 24.5.2007

"Allerdings hat das Urteil in Bezug auf die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO entschieden, dass der Rechtsanwalt, der seiner Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachkommt, dem Mandanten bei einer Verletzung dieser Pflicht nach den Grundsätzen zum Verschulden bei Vertragsschluss nach § 311 Abs. 2 BGB haftet. Der BGH stellte klar, dass auch die Verletzung von Berufspflichten Schadensersatzansprüche des Mandanten begründet, wenn sie seinem Schutz dienen. Der Mandant müsse aber vortragen und ggf. unter Beweis stellen, wie er auf eine allgemeine Information darüber, dass nach Streitwert abgerechnet wird, reagiert hätte."

§ 49b Abs. 5 BRAO
lautet:
(5) Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.
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Völlig richtig. Der Anwalt muss allerdings ungefragt eben nur auf die Tatsache, dass nach Gegenstandswert abgerechnet wird, hinweisen, eben nicht auf dessen Höhe oder die sich daraus ergebenden Gebühren.
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Darauf hat sie devinitiv mit keiner Silbe hingewiesen!
Aber kann/muss ich das jetzt beweisen? Wenn Ja- Wie?
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erstmal mußt Du nichts beweisen, sondern kannst Dich bei ihr beschweren.

vor Gericht müßtest Du beweisen, daß Du sie nicht mandatiert hättest, wenn sie Dir gesagt hätte "die Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert"

wie Stefan gesagt hat: sie muß Dir nicht sagen "das werden dann so um die 3.000 Euro".

hast Du alleine mit ihr gesprochen/telefoniert?
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Hi, also ich denke, dass die Rechnung problematisch ist. Grundsätzlich ist natürlich der Gegenstandswert für die Rechnung der Kaufpreis. Das scheint also richtig erfasst zu sein. Aber der Knackpunkt liegt hier woanders. Wenn nämlich nur eine Beratung und keine sonstige Tätigkeit stattgefunden hat, dann wurde nach der falschen Vorschrift abgerechnet. Bei reinen Verbraucherberatungen ist nur die sogenannte Erstberatung ausdrücklich im RVG geregelt. Diese darf maximal 190 € netto zuzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer betragen. Wenn mehr beraten wird, muß der Anwalt eine schriftliche Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten treffen. Ob es sich tatsächlich nur um eine Erstberatung handelt ist sicher nicht ganz klar. Diese muß einmalig stattgefunden haben und darf den Rahmen von etwa einer Stunde nicht übersteigen. Bei der geschilderten Situation macht es Sinn anwaltlichen Rat einzuholen. Aber bitte vorher über die Kosten sprechen...
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A.L.A.B.
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Dann wäre ja nur noch zu klären was genau eine Erstberatung ist!?!?

Bei mir war es devinitiv so, dass ich am Montag bei ihr anrief und sie direkt am Telefon war. Ich schilderte ihr kurz mein Anliegen, dass ich jemanden bräuchte, der mir den Vetrag prüft. Daraufhin machten wir einen Termin für donnerstag Mittag aus und ich sollte ihr doch noch schnell den Vertrag durchfaxen, dass sie sich besser auf das Gespräch vorbereiten kann.
Am Donnerstag war ich dann exakt eine Stunde bei ihr. Sie erkläte mir sogar Sachen, die ich gar nicht wissen wollte sehr ausführlich. Ging den ganzen Vertrag Punkt für Punkt duch. Eine genaue Zusammenfassung (4 Seiten) hat sie mir mit der Rechnung zugesand.
Über die Kosten wurde nie gesprochen!
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Tja, das dürfte eine Erstberatung sein. Die angesetzte Gebühr fällt nur an, wenn die Rechtsanwältin z.B. mit der Gegenseite Kontakt aufgenommen hat, um über den Vertragsinhalt zu verhandeln oder wenn sie den Vertrag selbst konzeptioniert hat. Wenn es nur so war wie geschildert, dann darf nur die Erstberatungsgebühr in Rechnung gestellt werden zzgl. Auslagenpauschale(maximal 20 €), falls angefallen sind Fotokopien und 19 % Umsatzsteuer. Ich würde die Rechtsanwältin mal darauf ansprechen. Nur um mal ein Gefühl für Kosten zu vermitteln: die durchschnittlichen Stundensätze( können frei verhandelt werden) liegen etwa zwischen 180 und 250 € netto pro Stunde.
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[sorry, Ironie]

wird zeit, dass da mal die Verbraucherschützer drüber schauen.
Denke ein ordentliches Beratungsprotokoll inkl. offenlegung aller vom Kunden/Mandanten zu zahlender Kosten wäre angebracht...

Wird ja in anderen Branchen auch angewandt...
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Der BGH sieht in der anwaltichen Erstberatung eine "pauschale, überschlägige Beratung." Dies dürfte hier nicht der Fall sein. Immerhin wurde vorab ein Vertrag geprüft, es fand eine einstündige Punkt-für-Punkt Beratung statt und das Ergebnis wurde schriftlich zusammengefasst. Nicht jede einmalige Beratung ist Erstberatung im Sinne des RVG, sonst würden Mandate wie diese, die regelmäßig keine weitere anwaltliche Tätigkeit zur Folge haben, bei Verbauchern immer nur die gedecklte Gebühr auslösen. Nach meiner Auffassung stellt das Telefonat die Erstberatung dar, bei der dann durch konkludentes Handeln (Übersenden des Vertrags) der Auftrag für eine voll gebührenpflichtige Vertragberatung erteilt wurde.
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stefank schrieb:
Der BGH sieht in der anwaltichen Erstberatung eine "pauschale, überschlägige Beratung." Dies dürfte hier nicht der Fall sein. Immerhin wurde vorab ein Vertrag geprüft, es fand eine einstündige Punkt-für-Punkt Beratung statt und das Ergebnis wurde schriftlich zusammengefasst. Nicht jede einmalige Beratung ist Erstberatung im Sinne des RVG, sonst würden Mandate wie diese, die regelmäßig keine weitere anwaltliche Tätigkeit zur Folge haben, bei Verbauchern immer nur die gedecklte Gebühr auslösen. Nach meiner Auffassung stellt das Telefonat die Erstberatung dar, bei der dann durch konkludentes Handeln (Übersenden des Vertrags) der Auftrag für eine voll gebührenpflichtige Vertragberatung erteilt wurde.



Deine Auffassung ist zutreffend, Stefan.
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Ich danke sowohl dem Herrn Frederöffner als auch stefank und CE für die Antworten. Wenn ich irgendwann mal in solch eine Situation komme, werde garantiert nicht in diese Falle tappen. Wieder was gelernt!
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Über 3Tsd. Euro Beratungsgebühr für geschätzte 3 Stunden Arbeit, dafür dürfen Millionen von Normalbürgern mehrere Monate arbeiten - nicht nur im Sessel sitzen, ein bißchen lesen und mit dem Diktiergerät spielen.

Man sollte es sich gleich mehrmals überlegen, bevor man zum Anwalt geht. Und vorher fragen, was es kostet.

Guter Rat ist manchmal viel zu teuer.
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ghostinthemachine schrieb:
Über 3Tsd. Euro Beratungsgebühr für geschätzte 3 Stunden Arbeit, dafür dürfen Millionen von Normalbürgern mehrere Monate arbeiten - nicht nur im Sessel sitzen, ein bißchen lesen und mit dem Diktiergerät spielen.

Man sollte es sich gleich mehrmals überlegen, bevor man zum Anwalt geht. Und vorher fragen, was es kostet.

Guter Rat ist manchmal viel zu teuer.


Die Anwältin hat sich sicher fies (und ggf. auch rechtswidrig, s.o.) verhalten. Aber die Rechnung geht auch andersrum: Falsche  Posten auf der Telefonrechnung, Streitwert 30 Euro, eine Stunde Arbeit, 39,- Euro Stundenlohn. Und davon wollen Anwaltsgehilfin, Miete, Anwaltshaftpflicht etc. auch noch etwas abhaben.

Dein Rat, in jedem Fall vorher über die Kosten zu sprechen, ist selbstverständlich absolut richtig.
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ghostinthemachine schrieb:
Über 3Tsd. Euro Beratungsgebühr für geschätzte 3 Stunden Arbeit, dafür dürfen Millionen von Normalbürgern mehrere Monate arbeiten - nicht nur im Sessel sitzen, ein bißchen lesen und mit dem Diktiergerät spielen.


Da hat mancher Anwalt wohl was falschgemacht, wenn er mehr als drei Stunden Ausbildung benötigte, um möglichst jeden noch so abstrusen Sachverhalt - vielleicht auch mal eine existenzielle Frage wegen eines Immobilienkaufvertrages - auf Nachfrage einordnen zu können.

Konsequent weitergedacht verdienen dann ja auch nur dämliche Anwälte ihr Geld zurecht. Die müssen für einen schmissigen Schriftsatz ja auch länger schuften.

Man sollte es sich gleich mehrmals überlegen, bevor man zum Anwalt geht.


Genau.
Außerdem sollte man eine OP am offenen Bauch erstmal selbst versuchen. Da könnte der schöne Jahresbonus verloren gehen.
Und seine Firmensoftware dürfte mit etwas XP-Erfahrung auch jeder selbst schreiben können.

Guter Rat ist manchmal viel zu teuer.


Witzisch ist, dass in diesem Thread nicht zur Sprache kam, um welchen wirtschaftlichen Wert es dem Threadersteller ging. Eine Kosten/Nutzen-Abwägung wie die Deine kann man ja ansonsten wohl nur schwerlich anstellen. Finde ich. So ganz bescheiden.
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Vielleicht sollten wir mal unser Augenmerk darauf richten, ob die Gebühr nach Ziff. 2300 VV-RVG überhaupt entstanden ist.
Grds. ist das nämlich ein Gebührentatbestand, der entsteht, wenn der Anwalt tätig geworden ist, also nicht nur - mündlich oder schriftlich - beraten hat. Da es aber kein Prinzip ohne Ausnahme gibt, sieht die Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 vor, dass die Gebühr auch für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags entsteht.
Bei einer schlichten Prüfung eines Vertrags, womöglich mit dem einfachen Ergebnis, dass alles richtig ist, handelt es sich m.A.n. nicht um Vertragsgestaltung, sondern um Beratung, bei welcher der Gebührentatbestand nicht erfüllt ist. Es kommt aber auf den Einzelfall an! Im Falle einfacher Beratung ohne Honorarvereinbarung kann nur eine angemessene ortsübliche Gebühr nach BGB (Dienstvertrag) verlangt werden, gekappt wie hier schon weiter oben ausgeführt.
Der Threaderöffner sollte also nochmal kritisch prüfen, ob eine Vertragsgestaltung beauftragt wurde oder nicht. Übrigens: Ist die Rechnung erstmal bezahlt, oder wurde um Zahlung auf Raten nachgesucht, ist sie mehr oder weniger anerkannt, dann kommt man nur noch ausnahmsweise davon weg...
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@ stefanK

Mir ging es in meinem Beitrag einfach nur mal um Verhältnismässigkeiten im Sinne von Fairness.

Natürlich hat die Medaille immer 2 Seiten, und niemand verlangt von einem Anwalt, am Hungertuch zu nagen.

Sind Anwälte denn dazu verpflichtet, die festgelegten Sätze auch zu berechnen? Mir ist da schon mal der Begriff "Im Kosteninteresse" begegnet, und ich bin sicher, mit einer angemessenen Berücksichtigung täte man sich langfristig einen größeren Gefallen.

Im vorliegenden Fall stösst "deine Kollegin" ihrem "Mandanten" geradezu vor den Kopf, Rechtmässigkeit hin oder her.
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Der Threaderöffner kann die Anwältin ja mal freundlich fragen, ob sie nicht nach Stundenaufwand abrechnen kann. Vielleicht hat sie nur 2 Stunden geprüft und eine Stunde Besprechung gehalten. Kommt dann billiger als dreitausend- irgendwas Euro.


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