>

Brasilianer in Rotschwarz - Teil 1: Hengemühle? Verletzt!

#
Sommerloch, unendliche Leere. Es gibt kein Entrinnen vor Bela Rethy, Müller-Hohenstein oder einer  Mutti in Umkleidekabinen...

Daher zur Zerstreuung ein paar kleine Anekdoten von unseren brasilianischen Freunden bei der Eintracht, die es so zahlreich gab. Sogar ein weißer namens Ansgar war dabei...

Der erste Kicker aus dem WM-Land (zumindest seit Beginn der Bundesliga) war meines Wissens Butijao (Alessandro Alvarez da Silva), der es als 21-jähriges Talent von Sao Paulos B-Team 92/93 auf einen Einsatz unter Stepi brachte (yeah: 26 Minuten gegen die Bayern), bei Namensvetter Antonio Da Silva waren es 1997/1998 21 Minuten in der 1. Runde im DFB-Pokal.  Brasilianische Erfolgsgeschichten also bislang…

Doch springen wir in den März 2002, Tony Woodcock ist Sportvorstand, die Eintracht zweitklassig, Trainer Andermatt seit kurzem Geschichte und Armin Kraaz die Interimslösung für die total verkorkste Saison. Die Octagon-Kohle ist eh verprasst, so dass der neue Chefscout Charly Körbel dankbar ist, dass der ehemalige Eintrachtler Lothar Skala ihm zwei Nachwuchskicker aus der brasilianischen U 20-Nationalmannschaft für lau und - laut biesem Gerücht - einen kleinen schwarzen Koffer anbietet:

Henge? Mühle!! Ein zehnfach Vorbereitungs-Yeah!!!
Es sind Abwehrspieler Vivian und ein 20-jähriger Stürmer, der 1,88 Meter groß, 81 Kilo schwer und bereits mit Ronaldinho in einem Team stand, wie das fachblattigste aller Fachblätter zu tratschen weiß: Franciel Rodrigo Hengemühle vom Jugendinternat aus Gremio Proto Alegre. “Franciel hat uns gefallen, er ist zwar kein Filigrantechniker, aber vor dem Tor immer zur Stelle und hat ein sehr gutes Kopfballspiel", meint der Interims-Kraaz.

Ein paar Wochen später - nachdem die klitzekleinen Lizenzproblemlein mit dem DFB, dem Arxx-Kupka und diesen Gerichten elegant ausgeräumt wurden – bittet Neu-Willi am 9. Juli zum Trainingsauftakt. Nicht selbstverständlich, aber die beiden Brasilianer da. Das sieht zu Beginn vielversprechend aus, zumal der stürmische Polen-Paule Kryszalowicz mal wieder angeschlagen ist.

Und Hengemühle trifft gegen die Kellnerauswahlen, yeah! 7 auf einen Streich gegen die SG Westerburg/Wilmenrod! 1 Tor gegen RotWeiß Walldorf, gar 2 gegen die Bezirksauswahl Gießen. Henge? Mühle!!


Foto: Franks Eintracaht Archiv

Ein Interview im Schnellimbiss
"Es war mein Traum, nach Deutschland zu kommen“ erklärt Hengemühle und Vivian ergänzt für Beide: “Mein Ziel hier in Frankfurt ist, den europäischen Fußball kennen zu lernen und mir einen Stammplatz zu sichern." Dies erzählen sie Thomas Kilchenstein in einem Mc Donalds(!), trinken aber “gemeinsam nur eine kleine Cola und verdrücken “mitgebrachten Salat“!, wie der FR-Chronist berichtet. Doch blöd das:

Hengemühle? Verletzt!
Beim letzten Vorbereitungsspiel vor dem Saisonbeginn schießt er zwar zwei Tore, zieht sich aber einen Innenbandriss im Knie zu…

Der August verrinnt, Anfang September kann er wieder, soll aber erst mal bei den Amateuren testen. Ein 2:1-Sieg gegen Schweinfurt. Doch was im Spiel passiert… ist klar: Verletzt! Zunächst wird es als Prellung diagnostiziert, doch knapp 3  Wochen später(!) stellt Doc Seeger fest: Das linke Wadenbein ist gebrochen…

Hengemühle? Appartement abgebrannt…
Nun wird es caio. Nein, fenin: “Dass vor zwei Wochen sein Appartement, das er im mit Frau Priscila in einem Hotel bewohnte, abgebrannt ist, passt zur derzeitigen Situation des Angreifers, dem sein Freund und Mannschaftskamerad Matheus Vivian derzeit bei seinen ersten Gehversuchen im Rehazentrum Sporeg Gesellschaft leistet“ , schreibt die FR am 20. September 2002 und zitiert den Brasilianer: "Mir könnte es ein bisschen besser gehen".

Es ist inzwischen Mitte November. Hengemühle trainiert wieder und wird erneut zu den Amateuren abgestellt, “um Spielpraxis zu bekommen“, wie Willi betont. Immerhin, da verletzt er sich nicht und soll langsam an die erste Mannschaft ran geführt werden. So ist er mit dabei im Winter-Trainingslager, hat aber konditionelle Defizite, so dass Reimann schimpft: “Einige meinen wohl, sie haben Fieber, wenn sie schwitzen.“ Doch er arbeitet sich ran und mangels Alternativen (Kryszalowicz und Jones sind verletzt) sitzt er am 28.02.2003 gegen den KSC erstmals auf der Ersatzbank. Zwei Wochen später schließlich, neun Monate nach seiner Verpflichtung, schlägt seine große Stunde, da nun auch noch Beierle verletzt ist. "Franciel merkt selbst, dass er nun die Chance hat, von Anfang an zu spielen. Wenn sein Nervenkostüm hält, könnte er uns helfen", meint Co-Trainer Kocian.

Hengemühle? Er kommt, spielt und... Ja.
Tatsächlich kommt er in Aachen gegen die Alemannia zum Einsatz. Allerdings erst in der 65. Minute für David Montero beim Stand von 1:1. Doch es klappt nicht viel: “Am Sonntag hat Willi Reimann alle eingewechselt, die irgendwann mal ein Tor geschossen haben, etwa einen wie Serge Branco. Selbst ein Brasilianer mit dem lustigen Namen Franciel Hengemühle, der noch nie in der Zweiten Liga spielen durfte, sollte auf Torejagd gehen. Doch der Siegtreffer wollte nicht fallen“, schreibt die FR und die FNP urteilt: “Der langsame Brasilianer deutete bei einem Schuss aus der Drehung an, was er eventuell drauf hat.“

Immerhin das. Mehr ist nämlich nicht. Zerrung. Somit war Aachen sein erster und letzter Pflichtspieleinsatz für die Frankfurter Profis! Wir halten fest: Hengemühle 25 Minuten/ 0Tore. Die Choreo fiel aus wegen Verletzung der Bannerträger…

Von der Ersatzbank rochiert er wieder zu den Amateuren, die sich im erfolglosen Abstiegskampf in der Regionalliga befinden. Die erste Mannschaft hingegen steigt auf, Franciel soll weg und wird von Willi aussortiert.

Henge? Ausgemühlt...
So absolviert er erfolglos ein Probetraining bei zwei Vereinen in der Schweiz und beim KSC, kickt weiter bei uns Eintracht-Amateuren in der Oberliga (18 Spiele/10 Tore) und unterschreibt schließlich im Januar 2004 einen Vertrag beim damaligen Regionalligisten 1. FC Eschborn. 10 Einsätze und 1 Tor später wechselt er in die Schweiz zum FC Schaffhausen. 2011 enden seine Spuren beim italienischen Viertligisten L‘Aquila Calcio…
#
Danke, klasse Rückblick!!!  

Schon der Teil

[...]März 2002, Tony Woodcock ist Sportvorstand, die Eintracht zweitklassig, Trainer Andermatt seit kurzem Geschichte und Armin Kraaz die Interimslösung für die total verkorkste Saison. Die Octagon-Kohle ist eh verprasst,[...]

lässt mich noch heute zusammenzucken.  
#
Tackleberry schrieb:
Danke, klasse Rückblick!!!  

Schon der Teil

[...]März 2002, Tony Woodcock ist Sportvorstand, die Eintracht zweitklassig, Trainer Andermatt seit kurzem Geschichte und Armin Kraaz die Interimslösung für die total verkorkste Saison. Die Octagon-Kohle ist eh verprasst,[...]

lässt mich noch heute zusammenzucken.    


Jepp, da wurde vorher schön ins Risiko gegangen.
#
Ich warne dich schon mal vorsorglich. Caio.... du weißt schon.  
#
Danke, schön.
#
wie so oft, DAZKE für die schön geschriebenen zeilen.
#
Tackleberry schrieb:
Danke, klasse Rückblick!!!  

Schon der Teil

[...]März 2002, Tony Woodcock ist Sportvorstand, die Eintracht zweitklassig, Trainer Andermatt seit kurzem Geschichte und Armin Kraaz die Interimslösung für die total verkorkste Saison. Die Octagon-Kohle ist eh verprasst,[...]

lässt mich noch heute zusammenzucken.    


Wenn man in andere Threads guckt, könnte man denken, es wäre nie schlimmer gewesen als heute. Selig die Geschichtsvergessenen...
#
gereizt schrieb:

Hengemühle? Er kommt, spielt und... Ja.
Tatsächlich kommt er in Aachen gegen die Alemannia zum Einsatz. Allerdings erst in der 65. Minute für David Montero beim Stand von 1:1. [/color]

Ich saß gerade zweifelnd vor meinem PC und nuschelte vor mich hin, "Hengemühle? Den hast du doch mal spielen sehen, aber du warst doch nie in Aachen."
Die Lösung: es war nicht in Aachen sondern im Waldstadion an einem wunderschönen, sonnigen Sonntagmittag. Tatsächlich erinnere ich mich sogar noch an eine Szene, als er den Ball über rechts durchs Mittelfeld in Richtung der Ostkurve tragen wollte aber keine Anspielstation fand und das Spiel beim Stand von 1:1 langsam machte.

Danke für die Anekdote, richtig kurzweilig und interessant geschrieben. Guter Stoff für die Saure-Gurken-Zeit *top*
#
DaZke für danke  

...Adler², du hast ein gutes Gedächtnis und natürlich absolut recht. Danke für den Hinweis. Der hengemühlende Einsatz gegen Aachen war im Waldstadion unter Leitung des allseits beliebten Sportkameraden Fandel. Und der Platz war knallehart, rohrspatzte uns Willi: "zu meiner Zeit in Kanada waren die Plätze genauso hart und uneben gewesen, die Bälle sind wie Flummies gesprungen."

Im nächsten Teil geht es übrigens u.a. um eine Pressekonferenz im Affenhaus (!) mit dem Messias von Sossenheim und einem Schreibfehler auf dem offiziellen Trikot. Chris kommt zur Eintracht...
#
gereizt schrieb:
...bei Namensvetter Antonio Da Silva waren es 1997/1998 21 Minuten in der 1. Runde im DFB-Pokal.  Brasilianische Erfolgsgeschichten also bislang…

 


Im Spätherbst seiner Karriere holte ihn Jürgen Klopp noch einmal nach Dortmund - kennengelernt hatten sich beide bei der Zusammenarbeit bei Mainz 05 - und da hatte er noch einige Einsätze, so konnte auch er sich Deutscher Meister nennen.

Antonio da Silva war ein großes Talent, das konnte man beim Testspiel der Eintracht kurz vor Beginn der Saison 1997/98 beim FSV Frankfurt sehen. Die erste Mannschaft der Eintracht geriet sang- und klanglos 0:2 ins Hintertreffen (das Spiel wurde auch verloren), doch als die Einwechsler rund um da Silva so um die 70. Minute hinein kamen, da wurde noch einmal Gas gegeben und guter Fussball gezeigt. Horst Ehrmanntraut setzte (zu Recht) auf die Erfahrenen und da Silva bekam keine Einsatzzeiten. So zog er zum SV Wehen weiter, da war Bruno Hübner als Funktionär tätig und bastelte an einer Erfolgsgeschichte.
#
Auch ich will nicht versäumen, Dazke zu sagen. Ich liebe Deinen Geschichtsunterricht und manchmal, so wie hier, stelle ich fest, was ich alles an Gewesenem verdrängt habe. Ist entweder Alzheimer oder Selbstschutz oder ne Mischung aus Beidem! ,-)

Jedenfalls ist es eine Schande für die besten Fans der Welt, das wir diese Choreo nicht hinbekommen haben. Man sollte dies in einem der nächsten Heimspiele nachholen. ,-)
#
@gereizt.

Die Geschichten und Anekdoten sind wirklich gut. . Wie SGE_Werner schon bemerkt hat, verdrängt man doch im Laufe der Zeit das Ganze ein wenig.

sotirios005 schrieb:
gereizt schrieb:
...bei Namensvetter Antonio Da Silva waren es 1997/1998 21 Minuten in der 1. Runde im DFB-Pokal.  Brasilianische Erfolgsgeschichten also bislang…

 


Im Spätherbst seiner Karriere holte ihn Jürgen Klopp noch einmal nach Dortmund - kennengelernt hatten sich beide bei der Zusammenarbeit bei Mainz 05 - und da hatte er noch einige Einsätze, so konnte auch er sich Deutscher Meister nennen.

[...]

So zog er zum SV Wehen weiter, da war Bruno Hübner als Funktionär tätig und bastelte an einer Erfolgsgeschichte.


Wenn man die Parallelen noch weiter ziehen will: 2006/07 wurde er von einem gewissen Armin Veh von Mainz nach Stuttgart geholt, mit dem er dann ebenfalls Meister wurde.
#
Also ich fand ich hätte einfach mehr Spiele am Stück gebraucht - 30, 40 in Folge vielleicht. Jessas was wären des für Zeiten gewodde !


LG, Hengemuehle
#
Hengemuehle schrieb:
Also ich fand ich hätte einfach mehr Spiele am Stück gebraucht - 30, 40 in Folge vielleicht. Jessas was wären des für Zeiten gewodde !


LG, Hengemuehle  


   
#
WuerzburgerAdler schrieb:
Ich warne dich schon mal vorsorglich. Caio.... du weißt schon.    


Das ganze ist ja 12 Jahre her.

Das bedeutet zur WM 2026 wir der geschätzte Herr Gereizt uns mit einen Beitrag über Caio erfreuen.


@gereizt, lass dich ned einschüchtern.
#
cool, danke. wobei der erste brasilianer natürlich wolfgang solz war  


Teilen