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Chris - Erst Affenhaus, dann geknebelt bei Salvatores (Brasilianer in Rotschwarz Teil 2)

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Die Eintracht und ihre Brasilianer. Hengemühle hatten wir ja bereits und der ist auch noch da im August 2003, allerdings nur noch bei den Oberliga-Amateuren. Willis Eintracht hat den Aufstieg geschafft, doch der Bundesligawind ist rauer als die Vorbereitung auf den Sylter Inseln. Nach vier Spieltagen erst ein Punkt, Reimann ruft - nachdem gerade Preuß zurückkehrt - weiter ungehört nach Verstärkungen, denn sie haben zu tun. Fremdschämen wegen Dr. Seltsam Schuster ist angesagt, bevor sie ihn auf eine Insel schicken. Die Personaldecke ist dünn, Montero hat seine Alkoholkündigung gerade erhalten und Kapitän Jens Keller hat Knorpel, so dass Ersatz für den Abwehrrecken gesucht wird. So holt Willi einen Spieler ins Probetraining, der in der vorigen Rückrunde 13 Spiele für St. Pauli absolvierte und der nach dem Abstieg der Hamburger in die Regionalliga vereinslos ist:  

Es ist der 24-jährige Brasilianer Christian “Chris“ Maicon Hening mit einem “n“ (!), worauf wir noch zurückkommen…

Chris sei ein “1,86 Meter großer, ablösefreier Innenverteidiger, der aufgrund seiner technischen Fähigkeiten auch im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann“, heißt es über den im Winter vom brasilianischen Erstligisten Prudentopolis nach Deutschland gekommenen Spieler. Übrigens gemeinsam mit seinem Freund Vivaldo “Nascimento“ Barreto, der im kommenden Winter auch zur Eintracht kommen wird. Doch wie kompliziert es tatsächlich mit dem “vereinslosen“ Chris und seinen wahren Besitzverhältnissen ist, ahnt da noch keiner. Oder es fragt keiner nach…

31. August 2003: Pressedebüt im Affenhaus mit Schreibfehler…
Jedenfalls kommt er Ende August 2003, was bei seiner ersten Pressekonferenz in der berüchtigten Licher-Lounge des Waldstadions fast untergeht. “Handys bimmeln, kleine Kinder quengeln, hinten rauchen sie Kette, Journalisten schubsen und motzen sich lautstark an, es geht zu “wie im Affenhaus“ , schreibt die FR (1.09.03). Denn neben Chris, dem Willi und Interims-Vorstand Beek – den böse Zungen nur “den Rentner“ nennen - erscheint der 35-jährige “Messias von Sossenheim“ und raunzt: “Mach mal einer das Fenster auf“.

Sodann verkündet dieser salbungsvoll: “Die Sache hat irgendwie eine Eigendynamik angenommen, die Bild-Zeitung hat sich ins Zeug gelegt und die Leute kamen zu mir und sagten: ,Hey, Andi, schnür' die Schuhe, du musst uns helfen“… Warmer Beifall von “etwa 100 Neugierigen, einer jedoch schert aus und ruft mit tiefer, bedrohlicher Stimme: "Möller, bezahl' deine Schulden." Das war gar nicht nett…“

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Schalke, Chris‘ erstes Eintrachtspiel, Heintjes Präsentation - Foto: Franks Eintracht-Archiv

Wie auch immer. Chris geht völlig unter im Rummel um the return of Heintje, was wohl ganz gut ist, denn auf dem offiziellen Trikot haben die Frankfurter Verantwortlichen statt “Chris“ oder “Hening“ mal eben “Hennig“ geflockt (FR 29.09.03)… Zudem verletzt er sich sogleich im Training, aber im September ist es endlich soweit und der Einstand des Brasilianers gegen Schalke (28.09.) gelingt: “Chance erhalten, Chance genutzt - er war der beste Spieler auf dem Platz, stark im Zweikampf, stark am Ball, mit klugen Pässen, und dazu noch torgefährlich. Sein Treffer zum 1:1-Endstand sprach für seine Klasse.“

Im Gegensatz zur Eintracht etabliert er sich, so dass für den neuen Vorstand Heribert Bruchhagen schon vor dem Abstieg klar ist – Chris bleibt: "Wir haben die Option gezogen." Dafür muss die Eintracht eine Ablösesumme an ein brasilianisches Konsortium zahlen“ , schreibt die FNP am 28.04.2004. So weit, so gut, aber…

Juli/August 2004: “Ich habe keine Ahnung, wo er ist“
Das sagt drei Tage nach dem Trainingsstart der neue Trainer “mit verkniffenem Gesicht“ (FR 5.07.04). Funkel heißt dieser und die Eintracht bereitet sich auf Liga Zwo vor, natürlich im Zillertal. Aber auch 5 Tage nach Trainingsbeginn… Herr Hening fehlt. Sein Vertrag sei nichtig, weil er ihm nicht übersetzt wurde, lässt er anwaltlich ausrichten. Knackpunkt ist wohl eher die Unlust auf Unterhaus, oder ist es die Kohle (250 TEUR), die die Eintracht  an ein brasilianisches Konsortium überweisen soll, aber nicht weiß an wen da überhaupt? "Wir können das Geld ja schlecht in den Main schmeißen", meint der Heribert nur achselzuckend.

Dann kommt er tatsächlich: Sein Freund “Franciel Hengemühle hat ihn zur Rückkehr aus Brasilien bewogen und ihm klar gemacht, dass er, wenn es dumm läuft, im nächsten Jahr überhaupt kein Fußball spielt - außer vielleicht am Strand“ (FR 16.07.). Allerdings fährt er nicht ins Waldstadion, “ein befreundeter Pizzabäcker“ hatte Chris am Flughafen abgeholt. Markus Pröll und Jens Keller trafen ihren ehemaligen Mitspieler bei eben jenem Pizzabäcker in dessen Restaurant “Da Paolo – Salvatores Pizza“ in Neu-Isenburg.  Zwei Tage später erscheint er doch im Wald: “Chris, spielst du wieder für die Eintracht, wird er gefragt. "Keine Ahnung," antwortet er, "ich muss erst mit meiner Frau sprechen." Wilde Spekulationen kommen auf:

“Längst ist Chris ein Fall, es ist von Hintermännern die Rede, von Knebelverträgen. Chris, heißt es, sei fremdgesteuert, habe seine Persönlichkeitsrechte schon in früher Jugend abgetreten, sodass er heute quasi als Marionette, an Strippen durch die Scheinwelt Bundesliga gezogen wird. Chris, wird kolportiert, sei hoch verschuldet, habe in Santa Catarina, im Süden Brasiliens, Häuser gebaut, die er nicht zahlen könne, er werde unter Druck gesetzt..“ (FR 16.07.04). Nun gut, nach Dutzenden Gesprächen, noch mehr Spekulatius und so kommt er am 31. August tatsächlich reumütig zurück, trainiert fleißig und beim 4:2-Pokalerfolg gegen Fürth darf er wieder ran.

Vorgespult: 2009 – Dem Imitat sein Gladiator
Diesmal bleibt er, während Funkel irgendwann, also im Sommer 2009, durch den Neuen mit dem attraktiven Kickversprechen abgelöst wird. Erstmals kann Chris erstmals fast komplett durchspielen, auf 29 Einsätze kommt er, ansonsten war es mal der Rücken, die Leiste oder das Sonstwo, was Skibbes Kapitän zu Pausen zwingt. Führungsspieler ist er, wenn er denn fit ist: “Wie Chris da in die Zweikämpfe gegangen ist…“ – Skibbeske Kunstpause - “wie er da reingegangen ist, dass geht schon in Richtung Gladiator“ (Nach dem 0:0 gegen Schalke am 23.10.2010). Danach ist er wieder verletzt, eine Nervenwurzelentzündung im Rücken lässt ihn pausieren. Und pausieren… Im Februar 2011 schließlich: “Eintracht-Kapitän Chris wird am Montag zum zweiten Mal an der Bandscheibe operiert. Der Brasilianer kämpft um seine Karriere. In dieser Saison wird er wohl nicht mehr spielen können…“


Schalke, Chris‘ letztes Eintrachtspiel - Foto: Franks Eintracht-Archiv

Stimmt. Ohne ihn ist mal wieder Schluss mit Bundesliga, sein Gladiatoreneinsatz gegen S04 war sein letzter Ligaeinsatz für die Eintracht…

24. August 2011: Der Felix winkt mit VW-Kohle…
“Obwohl sein Vertrag in Frankfurt ausgelaufen war, hatte der Chris mit Reha-Trainer Michael Fabacher ein spezielles Aufbautraining absolviert. „So etwas macht man für einen verdienten Spieler“, hatte Armin Veh gesagt“ , denn sie hofften ihn wieder fit zu kriegen, auf das er für die Eintracht noch einmal kickt. “Selbst wenn Chris nur zehn Spiele für uns macht, die wir durch seine Klasse gewinnen, haben wir 30 Punkte“, sagte Bruno Hübner, der Chris’ Wechsel nach Wolfsburg, anders als manch andere im Klub, nicht „als Nackenschlag“ empfindet“, schreibt die FR…

Mai 2012 - Chris will zurück, aber diesmal will die Eintracht nicht…
Doch er kommt nur auf 8 Einsätze und klingelt mal eben: “Frankfurt ist für ihn eine Option, aber er hat auch im Ausland fünf Optionen“ , wirbt der Rogon-Berater, aber diesmal haben sie am Main keine Lust mehr. Stattdessen kommt Anderson und so geht der Ex-Kapitän ins Dolle Dorf. Da spielt er nicht und beendet im November 2013 seine Karriere, wie die FR berichtet: Gladiator im Ruhestand
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Werter Herr gereizt, da kommt tatsächlich Wehmut auf. Also bei mir. Die Art, Fußball zu spielen, machte Chris in Frankfurt einzigartig. Und sie entschied ganze Spiele ganz alleine. Unvergessen der Auswärtssieg in Dortmund, die Heim-Unentschieden gegen Hoffenheim und drei Jahre zuvor gegen Bayern. Und so viele weitere Spiele.
Eine große Zeit, wenn auch leider mit Patchwork-Charakter.
Danke fürs Erinnern.
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Auch von mir herzlichen Dank. Chris war eigentlich immer mein Lieblingsspieler - wenn er denn spielen konnte.

Und weil ich wegen meines Wohnorts nur selten ins Waldstadion kann, fand ich es immer super, dass ich bei seinem Debut dabei war. Dachte ich zumindest. Kann es nicht sein, dass das bei einem Heimspiel gegen Lautern war?
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Vielen Dank! Macht immer Spaß zu lesen!
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Richtig gut, danke!

Aber wie die Zeit vergeht ist schon erschreckend!    Und dass Chris im Rahmen des "Heintje-Comebacks" vorgestellt wurde, war mir gar nicht mehr bewusst.

Leider hat Chris' Verletzungsanfälligkeit eine richtig große Karriere verhindert.  
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Vielen Dank auch von mir, immer wieder ein Genuß  
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@tibor.dombi, du hast recht. Gegen Lautern wurde er eingewechselt am 6. Spieltag. Sein Startelfdebüt gab er am Folgespieltag auf Schalke, wo er sogleich den Treffer zum 1:1 erzielte.
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Wie immer - danke für den unterhaltsamen Text!
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Vielen Dank lieber gereizt,

Chris war eindeutig mein Lieblingsspieler der neueren Zeit. Die ungezählten Verletzungen verhinderten eine größere Karriere, beließen ihn aber auch bei der Eintracht.
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ich kann mich nur wiederholen.
DAZKE für die amüsanten zeilen.
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Knallhart im Zweikampf und zusätzlich so elegant in seinen weissen Schuhen beim Aufbauspiel...mein absoluter Lieblingsspieler der letzten 10 Jahre !!!
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Die Einwürfe wurden vergessen =)
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ui, auch schon wieder drei jahre her. chris. warn guter. danke.
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Hab ihn damals zum ersten mal beim Freundschaftsspiel beim FV Lauda im Taubertal gesehen. War auch Möllers erstes Spiel. Chris ist mir und meinem Vater sofort mit seinen dynamischen Vorstößen aufgefallen. Möller eher nicht. Auf seinem Trikot stand da auch noch nicht Chris. Glaub Henning oder Hennig? War n Guter, leider zu oft verletzt.
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ein sensationelles kofballspiel hatte der. in größter bedrängnis dem 10 meter entfernten mitspieler noch genau in den fuß oder den lauf geköpft.

@gereizt:
danke für den starken aufsatz!
ich erinnere mich noch gut an eine weitere episode, wo er zwei verträge unterschrieben hatte und schließlich von der fifa (?) zu einer geldstrafe von 250.000 euro verurteilt wurde.
von einer zeitung damit konfrontiert hielt er sich eine imagniäre pistole an de kopf und sagte, dass er soviel geld nicht besitze und sich dann gleich erschießen könne.
schließlich hatte ihm die eintracht dann das geld geliehen, was hier im forum zu einer mega-empörungswelle führte ("erst vertragsbrüchig und dann noch belohnt werden") ...
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concordia-eagle schrieb:
Vielen Dank lieber gereizt,

Chris war eindeutig mein Lieblingsspieler der neueren Zeit. Die ungezählten Verletzungen verhinderten eine größere Karriere, beließen ihn aber auch bei der Eintracht.


Auf den Punkt gebracht. Chris hat sehr oft den Unterschied ausgemacht und stach aus der Mannschaft heraus. Leider viel zu selten.
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Schön zu lesen, vielen Dank, Herr gereizt
Ja, der Chris... Toller Fußballer, leider ziemlich verletzungsanfällig.
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Aragorn schrieb:
Vielen Dank! Macht immer Spaß zu lesen!  


Absolut. Weil´s auch richtig klasse geschrieben ist!!!  
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Mittelbucher schrieb:
concordia-eagle schrieb:
Vielen Dank lieber gereizt,

Chris war eindeutig mein Lieblingsspieler der neueren Zeit. Die ungezählten Verletzungen verhinderten eine größere Karriere, beließen ihn aber auch bei der Eintracht.


Auf den Punkt gebracht. Chris hat sehr oft den Unterschied ausgemacht und stach aus der Mannschaft heraus. Leider viel zu selten.


Also gleichzeitig sehr oft und viel zu selten?  
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Danke, gereizt.

Alles noch garnicht sooo lange her, und doch....Die Welt dreht sich immer schneller, die Zeit zum innehalten, Revue passieren lassen, würdigen - sie wird immer knapper.

Mich macht das alles sehr nachdenklich.


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