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Landesarbeitsgericht schlägt Vergleich bei der "Maultaschenkündigung" vor

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Die Altenpflegerin, welche 6 Maultaschen( die ansonsten entsorgt worden wären)entwendet hatte, war deshalb nach 17 Jahren Betriebszeit fristlos gekündigt worden.

Vor dem Arbeitsgericht ist die fristlose Kündigung bestätigt worden.

Heute vor dem LAG hat das Gericht einen Vergleich vorgeschlagen:

-der Arbeitgeber soll die Kündigung in eine fristgemäße Beendigung umwandeln

- ferner würde die Arbeitnehmerin eine Abfindung erhalten( bin unsicher, 6 oder 8 Monatsgehälter)

Altenpflegerin wäre zum Vergleich bereit, Arbeitgeber zögert noch und hat bis zum 3 Mai Bedenkzeit.

Das Gericht habe u.a. ausgeführt, daß Diebstahl grundsätzlich immer ein Grund zur fristl. kündigung ist.Aber es seien dabei dann auch die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Des Ding is also noch nicht abschl. erledigt. Aber des Gericht hat mit dem Vorschlag ja aus meiner Sicht unzweideutig darauf hingewiesen, in welche Richtung die Reise im Falle eines notwendig werden Urteils hingeht.

Hätte ich nicht gedacht.

Im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit scheinen die Richter sich noch um Gerechtigkeit zu bemühen.Ob und inwiefern das mediale Interesse an diesem Fall Auswirkungen auf den gerichtl. Ermessensspielraum hatte, kann nicht ermittelt werden.

Es ist noch nicht alles schlecht in diesen schweren Zeiten

Schön, daß es noch solche Signale - Arbeitgeber paßt auf, so ganz einfach ist es dann doch nicht-für die Arbeitswelt gibt  
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Fast alle Richter sind um Gerechtigkeit bemüht.  Sie sind aber an Recht und Gesetz gebunden. Macht ja auch Sinn.

Als Arbeitgebervertreter würde ich den Vergleich widerufen.

Warum?


Weil ich ziemlich sicher bin den Prozeß zu gewinnen. Wenn nicht vor dem LAG, dann vor dem BAG in Erfurt.

Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen sehr streng. Eigentlich mit gutem Grund. Es ist ein Verstoß im Vertrauensbereich. Wo setze ich die Grenze wenn sich ein AN an meinem Eigetum vergreift?  Bei einem Euro oder bei hundert? Wo ist die Garantie ,dass die Dame  mich nicht schon  seit 17 Jahren bescheißt? Soviel zur Interessenabwägung.

Bei solchen Geschichten sind auch taktische Erwägungen zu berücksichtigen. Die Arbeitsbelastung von Richtern am Arbeitsgericht ist immens. Man bemüht sich in jedem Zeitpunkt des Verfahrens eine gütliche Einigung zu erzielen.  Wenn ein Vergleich geschlossen wird, muß ich kein Urteil schreiben . ...

Dementsprechend wird auf beide Parteien immenser Druck ausgeübt.  Nach derartigen Verhandlungen bin ich immer wie aus dem Wasser gezogen. Es ist wie im Boxring, mit dem Unterschied, das ich den Gegner eben nicht auf die Fresse hauen darf... Es ist ein Nervenspiel wenn so ein Vergleichsvorschlag unterbreitet wird.

Es kommt auch darauf an von wem der AG vertreten wird. AG lassen sich häufig von Verbänden vertreten. Deren Interesse liegt in einer ungeänderten Rechtsprechung, denn die meisten Prozesse werden in der ersten Instanz erledigt.
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Das in der 1. Instanz aus den von Dir genannten Gründen zunächst der Vergleich im Mittelpunkt steht, war mir bekannt.

Ich hätte nicht vermutet, daß dies bei dem LAG dann auch noch so läuft.

Dann war meine Vermutung- Vergleichsvorschlag ist ein Merkmal für das Urteil-wohl voll daneben?

Wenn dem so ist, würde ich von Arbg.- Seite selbstverständlich auch ablehnen.

Aufgrund des hochgeschraubten Medieninteresse kommt dann am Ende ein genau umgekehrtes Signal raus

Muß die SchnalXX auch die Maultaschen fresXX.

1. Geht so was nicht.

2. Wie dumm muß man sein, um bei so einem Arbeitgeber nicht die Stimmung/Arbg.-Haltung ausgelotet zu haben.Dann liefere ich nicht noch Steilvorlagen.

Natürlich wäre im Normalfall ne Abmahnung ein angemessenes Mittel gewesen..... Aber mit solchen Dingen liefere ich mich aus
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Ich habe halt im Pflegebreich als ehem. examin. Altenpfleger über viele Jahre miterleben müßen, wie-größtenteils.- unschuldige Mitarbeiter entsorgt worden sind .

fristgemäße Kündigung aber grundsätzlich keine Abfindung.
Diese wurde mit Lug und Betrug( irgendwelche Behauptungen)und Druck( ich mach dich beim nächsten Arbeitgeber schlecht)verhindert.

Viele haben diesem druck nicht stand gehalten und auf die AG-Klage gleich verzichtet oder zurückgezogen. Ich versteh es ja nicht,,,,,

ferner wurden Betriebsräte behindert. Gründungsabsichten waren kündigungsanläße....

So ein Urteil im Sinne des Vergleichsvorschläges hätte mich deshalb natürlich gefreut. Es hätte den kleinen  und mutlosen Pflegesklaven evtl.Kraft zum eigenen Handeln gegeben.

Obwohl dies ja auch nur Wunschdenken von mir ist. entweder man kämpft oder läßte es sein. ein Urteil hilft da nicht wirklich weiter....
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HeinzGründel schrieb:
Als Arbeitgebervertreter würde ich den Vergleich widerufen.

Warum?


Weil ich ziemlich sicher bin den Prozeß zu gewinnen. Wenn nicht vor dem LAG, dann vor dem BAG in Erfurt.

Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen sehr streng. Eigentlich mit gutem Grund. Es ist ein Verstoß im Vertrauensbereich. Wo setze ich die Grenze wenn sich ein AN an meinem Eigetum vergreift? Bei einem Euro oder bei hundert? Wo ist die Garantie ,dass die Dame mich nicht schon seit 17 Jahren bescheißt? Soviel zur Interessenabwägung.


Die Grenze ist genau dort, wo der Dienstherr ernsthaft Grund dazu hat, das Vertrauen zum Bediensteten in Zweifel zu ziehen. Das ist bei einer gestohlenen Maultasche nach 17 Jahren (in denen - in Wahrheit - "grundsätzlich" eigentlich immer nur der Bedienstete vom Dienstherren beschissen wurde), nicht der Fall. Denn nach richtiger Ansicht kann es beim Verhältnis des Bediensteten zum Eigentum des Dienstherren nicht um das zu einer heiligen Kuh gehen. Vielmehr ist eine "Güter"abwägung erforderlich, welches das Arbeitsverhältnis der Parteien als Ganzes in Relation dazu setzt, ob der Verstoß im jeweiligen Fall wirklich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Das über § 242 BGB auch im Arbeitsrecht geltende Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist dabei zu beachten. Bei der gebotenen Abwägung können im Einzelfall auch Grundsätze des Strafrechts von Belang sein, die den Gesetzgeber dazu bewogen, den Diebstahl geringwertiger Sachen von der Regelstrafverfolgung auszunehmen. Fehlt es, wie hier, bei der Abwägung nach der Anschauung aller billig und gerecht Denkenden am vertrauenszerstörenden Gehalt des Verstoßes, kann auch die Kündigung nicht gerechtfertigt sein.  
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Ich glaub ja, mein Schwein pfeift. Zum Entsorgen bestimmte Maultaschen geklaut? Eigentlich müßte die Frau eine Auszeichnung für gesellschaftlich und ökologisch sinnvolles Hamdeln bekommen. Und es liegt ja wohl auf der Hand, daß dies nicht der wahre Grund für den Kündigungsversuch des Arbeitgebers sein kann. Schließlich wurde er de facto überhaupt nicht geschädigt.
Und vielleicht hat sie ja schon 17 Jahre den Müll vom Arbeitgeber "geklaut"? Ja, hoffentlich. Die Frau verdient am Tag weniger, als das, was Ihr für eine Stunde abrechnet. Und der arme Arbeitgeber. Vielleicht ist es ja noch zufällig der, in dessen Verantwortung meinem Onkel ein Bein "weggepflegt" wurde. Aber ein um seinen Müll betrogener Arbeitgeber ist natürlich viel wesentlicher.
Ich habe gerade das heftige Bedürfnis, dem Arbeitgeber - und seinen juristischen Vertretern - intensiven und nachhaltigen Schmerz zuzufügen.

In Wien wird jeden Tag soviel Brot weggeworfen, wie in Graz gegessen wird. Wenn Du dann sagst, warum packt man das ganze Zeug nicht in einen Flieger und schaffts in einem halben Tag dahin, wo die Leute verhungern, kommt garantiert auch irgendein ************ BWLer und erzählt Dir, warum das in seiner beschränkten Logik nicht sinnvoll ist. BWLer und Juristen - schön, wenn man sichs in seinem eigenen Paralleluniversum bequem machen kann.
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Spartacus schrieb:
Ich glaub ja, mein Schwein pfeift. Zum Entsorgen bestimmte Maultaschen geklaut? Eigentlich müßte die Frau eine Auszeichnung für gesellschaftlich und ökologisch sinnvolles Hamdeln bekommen. Und es liegt ja wohl auf der Hand, daß dies nicht der wahre Grund für den Kündigungsversuch des Arbeitgebers sein kann. Schließlich wurde er de facto überhaupt nicht geschädigt.
Und vielleicht hat sie ja schon 17 Jahre den Müll vom Arbeitgeber "geklaut"? Ja, hoffentlich. Die Frau verdient am Tag weniger, als das, was Ihr für eine Stunde abrechnet. Und der arme Arbeitgeber. Vielleicht ist es ja noch zufällig der, in dessen Verantwortung meinem Onkel ein Bein "weggepflegt" wurde. Aber ein um seinen Müll betrogener Arbeitgeber ist natürlich viel wesentlicher.
Ich habe gerade das heftige Bedürfnis, dem Arbeitgeber - und seinen juristischen Vertretern - intensiven und nachhaltigen Schmerz zuzufügen.

In Wien wird jeden Tag soviel Brot weggeworfen, wie in Graz gegessen wird. Wenn Du dann sagst, warum packt man das ganze Zeug nicht in einen Flieger und schaffts in einem halben Tag dahin, wo die Leute verhungern, kommt garantiert auch irgendein ************ BWLer und erzählt Dir, warum das in seiner beschränkten Logik nicht sinnvoll ist. BWLer und Juristen - schön, wenn man sichs in seinem eigenen Paralleluniversum bequem machen kann.


Danke. Ganz vielen Dank.
Ich kann bei solchen katastrophalen Vorgängen einfach nicht mehr hören, wie korrekt das ganze juristisch abläuft. Und von wegen "Vertrauen geht verloren" und "Diebstahl". Das ganze entbehrt doch jeglicher Verhältnismäßigkeit, scheißegal, wie wasserdicht das nach Recht und Gesetz ist.
So viele Maultaschen könnte ich gar net essen, wie ich kotzen könnte.
Der angestrebte Vergleich ist ein Schlag in die Fresse für die Frau und Arbeitnehmer in vergleichbarer Situation.
Ein Verwandter von mir hat einen kleinen Verlag mit drei, vier Angestellten.
Der wäre empört als Arbeitgeber über einen solchen Kündigungsgrund.
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Spartacus schrieb:
BWLer und Juristen - schön, wenn man sichs in seinem eigenen Paralleluniversum bequem machen kann.


Wo siehst du denn hier ein "es sich bequem machen"? Schau doch einfach in diesem thread nach oben. Da argumentieren zwei Juristen über den Fall und die allgemeine Rechtsanwendung, und vertreten hierbei gegensätzliche Positionen. Ich wüsste nicht, wie man das anders als juristisch lösen könnte. In einem gebe ich dir allerdings recht: Gäbe es keine Juristen, gäbe es den Fall nicht. Dann würde der Arbeitgeber die Frau einfach mit Fußtritten vom Hof jagen, und sie könnte sich weder juristisch noch sonstwie dagegen wehren.

Und mit deiner Brot-mit-Flugzeug-Idee hapert es doch gewaltig. Die ärmsten Länder der Welt sind Nahrungsmittelexporteure. Leute hungern nicht, weil es kein Brot gibt, sondern weil sie kein Geld haben, es zu kaufen.
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Ich möchte das Thema einmal nicht von der juristischen Seite aufgreifen, sondern aus der Sicht eines AG.

Zu Beginn meiner Karriere war ich auch einmal Filial/Bezirksleiter. In dieser Zeit durfte ich leider miterleben wie gewieft die Mitarbeiter Diebstähle begangen. Der traurige Höhepunkt war der Lagerverwalter eines großen Supermarktes. Er stellte diverse Nonfood-Artikel in blaue Müllsäcken und legte diese in die große Abfalltonne, die Mitarbeiter der Putzkolonne, die involviert waren, abends raus stellten und in der Nacht "ausräumten". Schaden, knapp eine halbe Million.

Oder die Kassiererinnen, die ja leicht an die Zigaretten an der Kasse kamen. Das Inventurminus lag bei dieser Filiale bei -4,5%.

Oder der Markleiter, der einen Spirituosencontainer unter der Bürodecke verschwinden lies.

Die Liste ist unendlich lang und auch ich bin für ein hartes durchgreifen auch wg. nur ein paar Cents.

Zu der Maultaschengeschichte fällt mir nur spontan ein, sie hätte ihren Chef danach fragen können.
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reggaetyp schrieb:
Der angestrebte Vergleich ist ein Schlag in die Fresse für die Frau und Arbeitnehmer in vergleichbarer Situation.


Der Vergleich ist aus mehreren Gründen nunmehr geboten:

- Nachdem die Maultasche nun mal zu der Kündigung führte und die Parteien
  sich seit geraumer Zeit fetzen, ist auch ohne die Maultasche das Verhältnis
  so zerrüttet, daß es auch bei Unwirksamkeit der Kündigung keinem der
  Beteiligten wirklich zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

- Die Berufungsklägerin erhält nach dem Vergleich eine Abfindung für den
  Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 42.500,- €, deren Höhe sich aus    
 ihrem Gehalt und der 17 Jahre langen Beschäftigungszeit ergibt, also den
 in gebotenen Auflösungsfällen üblichen Betrag.

- Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt ist noch mal darum herumgekommen,
 mit einem Fall konfrontiert zu werden, der die Anschauungen weitester Teile
 der Bevölkerung mit seiner Vertrauensjurisprudenz bei Diebstählen
 geringwertiger Sachen des Dienstherren in Widerspruch brachte. Es wäre
 für die Glaubwürdigkeit der obersten Arbeitsrichter in der Bevölkerung
 zum Problem geworden, mit der jahrzehntelangen Rechtsprechung des
 Gerichts in diesen Fällen angesichts der Empörung, die das erstintanzliche,
 an diesen Grundsätzen angelehnte Urteil auslöste, einfach fortzufahren.

 Andererseits folgt die generelle Tendenz des Bundesarbeitsgerichts derzeit
 eher den Vorgaben der neoliberalen Visionen, die die Arbeitsmarkt- und
 Kündigungsrechtspolitik in ganz Europa seit den Verträgen von Lissabon
 beherrscht. Eine Kehrtwendung des Bundesarbeitsgerichts in ihrer
 Vertrauensrechtsprechung könnte hier unerwünschte Signalwirkung haben.
 
 Der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht hat diese gnadenlose
 Rechtsprechung noch einmal vor dem "Volkszorn" gerettet und den
 Kelch der Entscheidung zwischen Ansehensverlust oder aber einer fälligen  
 Veränderung am Bundesarbeitsgericht vorbeigehen lassen.
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Ich finde die Regelung 'Was nicht gegessen wird, kommt in den Müll' in einem Altenheim sehr sinnvoll, in einer normalen Betriebskantine hingegen nicht, da sich die Gäste in letzterem Fall deutlich besser wehren können, als im ersteren. Die Regelung dient m.E. zum Schutze der Heimbewohner.
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Das BAG verfolgt alles Pedro. Aber eines nicht. Eine neoliberale Rechtsprechung.
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Spartacus schrieb:
Ich glaub ja, mein Schwein pfeift. Zum Entsorgen bestimmte Maultaschen geklaut? Eigentlich müßte die Frau eine Auszeichnung für gesellschaftlich und ökologisch sinnvolles Hamdeln bekommen. Und es liegt ja wohl auf der Hand, daß dies nicht der wahre Grund für den Kündigungsversuch des Arbeitgebers sein kann. Schließlich wurde er de facto überhaupt nicht geschädigt.
Und vielleicht hat sie ja schon 17 Jahre den Müll vom Arbeitgeber "geklaut"? Ja, hoffentlich. Die Frau verdient am Tag weniger, als das, was Ihr für eine Stunde abrechnet. Und der arme Arbeitgeber. Vielleicht ist es ja noch zufällig der, in dessen Verantwortung meinem Onkel ein Bein "weggepflegt" wurde. Aber ein um seinen Müll betrogener Arbeitgeber ist natürlich viel wesentlicher.
Ich habe gerade das heftige Bedürfnis, dem Arbeitgeber - und seinen juristischen Vertretern - intensiven und nachhaltigen Schmerz zuzufügen.

In Wien wird jeden Tag soviel Brot weggeworfen, wie in Graz gegessen wird. Wenn Du dann sagst, warum packt man das ganze Zeug nicht in einen Flieger und schaffts in einem halben Tag dahin, wo die Leute verhungern, kommt garantiert auch irgendein ************ BWLer und erzählt Dir, warum das in seiner beschränkten Logik nicht sinnvoll ist. BWLer und Juristen - schön, wenn man sichs in seinem eigenen Paralleluniversum bequem machen kann.


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HeinzGründel schrieb:
Das BAG verfolgt alles Pedro. Aber eines nicht. Eine neoliberale Rechtsprechung.


Das ist sicher richtig, ich verstehe Pedro Aussage aber auch nicht dahingehend. Vielmehr weist er doch ausdrücklich auf die Signalwirkung hin, die eine Änderung der ständigen Rechtsprechung in dieser Frage doch sicher hätte.

Wir reden hier doch auch gar nicht über die totale Abschaffung des Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund bei Diebstähl von geringwertigen Sachen. Aber wäre es wirklich so schlimm, wenn in solchen Fällen eine einmalige vorherige Abmahnung erforderlich wäre? Zumal das doch der Lebensrealität entspricht. Wenn alle Kugelschreiber, die aus Büros mitgenommen wurden, wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehrten, könnte in deutschen Haushalten nichts mehr geschrieben werden.
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HeinzGründel schrieb:
Das BAG verfolgt alles Pedro. Aber eines nicht. Eine neoliberale Rechtsprechung.


Das ist ja auch nicht wirklich Thema hier. Aber fest steht, daß angesichts der Empörung in der Bevölkerung die Maultasche für die Arbeitgeberseite mit 42.500,- € so teuer wurde, daß es für's Erste eine solche Kündigung so bald nicht mehr geben dürfte und Erfurt ebenfalls verschont bleibt.
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stefank schrieb:
Spartacus schrieb:
BWLer und Juristen - schön, wenn man sichs in seinem eigenen Paralleluniversum bequem machen kann.


Wo siehst du denn hier ein "es sich bequem machen"? Schau doch einfach in diesem thread nach oben. Da argumentieren zwei Juristen über den Fall und die allgemeine Rechtsanwendung, und vertreten hierbei gegensätzliche Positionen. Ich wüsste nicht, wie man das anders als juristisch lösen könnte. In einem gebe ich dir allerdings recht: Gäbe es keine Juristen, gäbe es den Fall nicht. Dann würde der Arbeitgeber die Frau einfach mit Fußtritten vom Hof jagen, und sie könnte sich weder juristisch noch sonstwie dagegen wehren.

Ich sehe, abgesehen von den Fußtritten, den wesentlichen Unterschied nicht. Die Frau hat 17 Jahre für den Laden gearbeitet und wird fristlos gekündigt. Das muß man ja wohl "vom Hof jagen" nennen. Damit hat sie dann vermutlich  auch eine ganz hervorragende Beurteilung, die ihr einen Neuanfang woanders ermöglicht. Und ich denke, es sollte klar sein, daß es viel mehr solcher Fälle gibt, als die, die vor Gericht verhandelt werden. Weil sich nämlich die Krankenpflegerin vielleicht von ihrem Gehalt nicht leistet, Anwalts Liebling zu sein oder das Glück hat, von ihrer Gewerkschaft unterstützt zu werden. Oder sie wäre gar nicht auf die Idee gekommen, daß sie in irgendwelche Rechtshändel verstrickt wird.

Denn nochmal: Laut der angegebenen Lage, und von der muß man ja ausgehen, da anscheinend nichts anderes juristisch ermittelt werden konnte, hat die Frau keine wichtigen Papiere entwendet oder in die Kasse gegriffen, sondern Abfall geklaut. Wie man daraus ernsthaft ein gestörtes Vertrauensverhältnis verargumentieren kann, ist mir völlig schleierhaft. Und wenn das juristisch möglich und normal ist, dann klemmt es m.e. ganz erheblich bei der Juristerei. Nebenbei bemerkt, fände ich eine kleine Berechnung interessant, was diese ganze Veranstaltung für Kosten verursacht, im Vergleich zu 6 Maultaschen.
stefank schrieb:

Und mit deiner Brot-mit-Flugzeug-Idee hapert es doch gewaltig. Die ärmsten Länder der Welt sind Nahrungsmittelexporteure. Leute hungern nicht, weil es kein Brot gibt, sondern weil sie kein Geld haben, es zu kaufen.

Dem letzten Satz kann ich nur zustimmen. Nur gehst Du anscheinend davon aus, daß ich hungernden Afrikanern unseren Abfall verkaufen will. Das mag zwar marktwirtschaftlich und juristisch irgendwie logisch und zwingend zu sein, für meine persönlichen Maßstäbe ist es das mitnichten. Wenn es möglich ist, Leute für 20-80€ pro Nase an den portugisischen Strand zu fliegen, sollte es auch möglich sein, überzähliges Brot in Flieger zu packen und dort zu verteilen, wo man nix zu kauen hat. Das wäre z.B. mal eine ganz einfache und wirkungsvolle Maßnahme für unser Entwicklungshilfeministerium bzw. das der Ösis. Und erzähle mir jetzt bitte keiner, das würde deren Ökonomie durcheinander bringen. Dagegen spricht eigentlich nur ideologische Verbortheit und/oder die Fixierung auf Privateigentum als dem höchsten aller Werte. Nix gegen Privateigentum, jeder sollte ein bißchen davon haben. Wenn aber die Eigentumsrechte auf Abfall höher bewertet werden als sinnvolle Nahrungsverwertung, hörts bei mir auf.

Mir macht es heute noch ein unangenehmes Gefühl, wenn ich Essen wegwerfe. Mir ist rational bewußt, daß dies in Zeiten industrieller Nahrungsmittelproduktion unsinnig ist. Aber wenn ich mal wieder noch mehr gekocht habe, als ich zuviel essen kann und Reste oder Verdorbenes entsorge, beschleicht mich immer ein wenig das schlechte Gewissen. Und weißt Du was: Inzwischen finde ich das sogar gut. Ich habe es zwar als Kind schon nicht verstanden, was die Kinder in Indien davon haben, wenn ich meinen Teller aufesse (Ca. 70% des in der Schweiz verspeisten Getreides kommen übrigens aus Indien. Welche perverse Logik mag solchen Warenströmen wohl zugrunde liegen?). Aber ich habe einfach immer noch Respekt vor Nahrung als lebenswichtigem Gut (Und vielleicht tickt die gekündigte Verbrecherin ja genauso).
Meine Elterngeneration hat noch den Krieg miterlebt und ich denke, Ihr, Heinz, Pedro und Du, seit alle in etwa in meinem Alter + X. Ihr kennt vielleicht ähnliche Geschichten. Die Großeltern saßen im bombardierten Frankfurt und die Töchter waren aufs Land evakuiert und haben versucht, ab und zu was zu essen nach Hause zu bringen. Keine Ahnung, wahrscheinlich war das damals juristisch auch nicht in Ordnung. Aber ich finds okay. Genau wie die Frau mit den Maultaschen. Und ich sehe auch heute noch, quasi wöchentlich, Leute, die in Mülleimern nach essen suchen.

Das kannst Du moralisch, ideologisch, ethisch oder sonst was nennen, und das das alles nicht zählt. Ab einem gewissen Punkt bewerte ich den substanziellen Gehalt der Dinge höher, als die dazu passende Rechtslage und die, wissenschaftlich verbrämten, entsprechenden ökonomischen Glaubenssätze. Juristische Abwägung gut und schön, aber wenn wir diesen Rahmen in jedem Fall einfach so akzeptieren, dann gut nacht. Vielleicht hat mir auch einfach nur die klare Aussage gefehlt, "Das ist Scheize!"
Vielleicht wirds ja Madonna mit ihrem Mädcheschulprojekt in 20 Jahren reißen, keine Ahnung. Aber in Afrika verhungern jetzt die Menschen und wir schmeißen das Zeug weg. Irgendwelche Leute können in den Weltraum fliegen, aber es ist nicht möglich, nahrungsrelevanten Abfall nach Afrika zu bringen? Und wenn hier jemand Abfall essen will, wird er vor den Kadi geschleift und muß sich freuen, wenn er mit einem Vergleichsangebot evtl., vielleicht, u.U. halbwegs ehrenhaft davon kommt?
Sorry, aber solche Wertigkeiten sind nicht die meinen. Und ich werde sie auch nie akzeptieren können.
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Spartacus schrieb:
(Ca. 70% des in der Schweiz verspeisten Getreides kommen übrigens aus Indien. Welche perverse Logik mag solchen Warenströmen wohl zugrunde liegen?)


Warum findest du diese Logik pervers?
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Rahvin schrieb:
Spartacus schrieb:
(Ca. 70% des in der Schweiz verspeisten Getreides kommen übrigens aus Indien. Welche perverse Logik mag solchen Warenströmen wohl zugrunde liegen?)


Warum findest du diese Logik pervers?  


Weil gleichzeitig zig Millionen Inder massiv unterernährt sind.
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Rahvin schrieb:
Spartacus schrieb:
(Ca. 70% des in der Schweiz verspeisten Getreides kommen übrigens aus Indien. Welche perverse Logik mag solchen Warenströmen wohl zugrunde liegen?)


Warum findest du diese Logik pervers?  


Dass du diese Frage stellst, ist wiederum nicht pervers, sondern logisch.
Schließlich ist sie deiner marktliberalen Weltsicht, die Profitmaximierung als oberstes Ziel kennt, geschuldet.

zu Beitrag #16: Bravo, bravissimo und chapeau.
Es gibt Fälle, da scheiß ich auf das Gesetzbuch.
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Der Denkfehler hierbei ist einfach, dass ihr davon ausgeht, dass diese Nahrungsmittel auf jeden Fall hergestellt werden würden. Und nur da sie in die Schweiz gehen, stehen sie den unterernährten indischen Kindern nicht zur Verfügung. Das ist so aber nicht richtig. Es lohnt sich eben nur für die Hersteller, wenn sie für gutes Geld exportieren können, aber nicht, wenn sie es an die eigene Bevölkerung verkaufen. Würde man etwas dagegen tun, wäre die einzige Folge nur noch mehr unterernährte indische Kinder. Die Tatsache, dass Nahrungsmittel in die Schweiz exportiert werden, hilft indischen Farmern und bekämpft somit im Gegenzug die Unterernährung. Die indische Regierung ist gefragt, mit Programmen die Armut und Unterernährung im Volk zu bekämpfen. Damit diese Leute dann auch genug Geld haben, um Farmen zu eröffnen und Nahrungsmittel in die Schweiz zu exportieren...

Sorry für Offtopic. Finde im Übrigen auch die Kündigung wegen 6 weggeworfener Maultaschen völlig lächerlich. Nicht dass ich eine solche Vorgehensweise der Arbeitgeber jetzt in irgendeiner Weise gutheißen würde, aber wären die Kündigungsschutz-Gesetze nicht so streng, wären Arbeitgeber nicht gezwungen, sich durch solche ekelhaften Maßnahmen von Arbeitnehmern zu trennen...


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