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Länderspielpause sinnvoll genutzt: Groundhopping- und Reisebericht aus Curacao und Aruba

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Gude,
da man Traditionen ja wahren soll und ich in den letzten Jahren im November immer einen Bericht hier veröffentlicht habe, mache ich das dieses Jahr auch wieder (auch wenn ich denke, dass ihn keiner lesen wird, weil  die exorbitante Länge wahrscheinlich einfach nur abschreckt…). Dieses Jahr ging es auch mal nicht nach Italien, sondern etwas weiter weg. Hoffentlich viel Spaß wünsche ich denjenigen, die sich das Geschwurbel antun

„Jetzt steh’n wir knöcheltief im Wasser in den West Indies
Sonne im Zenit, alles glänzt türkis“


Jup, mit ist durch aus bewusst, dass die in der südlichen Karibik lokalisierten ABC Inseln nicht zu den West Indies gehören. Nicht umsonst hatte ich Erdkunde als Leistungskurs und eine langjährige Karriere als Reggaeterrorist absolviert. Aber auch wenn es nicht zu 100% passt, beschreibt das trettmannsche Zitat meine Erwartung an die hoffentlich erholsame Auszeit auf den niederländischen Antillen doch perfekt. Curaçao – irgendwie wollte ich da schon immer mal hin. Warum auch immer? Wahrscheinlich wegen den bundischen Häuserfassaden in Willemstad. Der gleichnamige blaue Likör jedenfalls hat in der Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt – weder für das Urlaubsziel, noch für den heimische Schnapsschrank. Habe ich tatsächlich noch nie getrunken. Viel ausschlaggebender war das Angebot auf einer dieser Urlaubsschnäppchen (Schnäpschen?)  -seite, das exakt für den Zeitraum der Länderspielpause im November mit einem mehr als bezahlbaren All Inclusive Pakets warb. Klar, bis die Familie Sinner mal in die Pötte kam, war das Angebot so überholt wie ich es normalerweise auf deutschen Straßen werde, die Idee war aber geboren. Immerhin sollten im angedachten Zeitraum alle drei Auswahlteams der Fußballverbände ein Heimspiel in der nordamerikanischen Version der Nations League austragen. Und auch wenn in den jeweiligen Ligen noch nichts angesetzt war, so spielten diese in der Vergangenheit doch immer durch, so dass mit einer Gabelflugverbindung alle zwei bis drei – eben je nach Zählweise, da Bonaire zwar Concacaf, jedoch kein FIFA Mitglied ist – Länderpunkte drin sein könnten. Der Konjunktiv mag es suggerieren: Ganz so einfach wurde es dann doch nicht – wohlwollend ausgedrückt. Doch dazu im Laufe der Abhandlung mehr. Zunächst wurde nach langem Hin und Her probiere die beste Flugverbindung fixiert. Hin mit KLM via Amsterdam nach Curaçao, zurück neun Tage später ab Aruba. Und zack: schon war Bonaire raus. Da die Erholung einen nicht kleinen Teil der Reise einnehmen sollte, verzichteten wir auf den Abstecher genauso wie auf potentiell mögliches weiteres Inselhopping. Die Erholung war aber auch nötig. Rein jobtechnisch war der ausgewählte Termin nicht ganz die beste Idee. Am Samstag (!) vor Abflug zeigte die Ziffernkombination am rechten unteren Bildrand meines Bildschirms 21:30 an, als ich endlich mal das Büro verlassen konnte. Wenige Stunden später – es war 4:00 Uhr morgens – schreckte uns das schrecklichste aller Geräusche aus dem hochverdienten Schlaf. Der Wecker klingelte. Die Schildis riefen.

KLM steckte uns zwar in das wohl älteste Flugzeug ihrer Flotte, überzeugte aber wenigstens mit gutem Service und recht schmackhafter Nahrung. Während Kate die zehnstündige Luftreise fast vollständig verschlief, konnte ich endlich mal in Ruhe meinen angehäuften Fanzine Stapel abarbeiten. Kommt man ja sonst nicht mehr zu, wenn der Magen-Darm-Trakt nicht mehr ganz so exzessiv arbeitet wie noch vor einiger Zeit. Mit halbwegs funktionierenden Kopfhörern, was Gutem zu lesen und regelmäßigem Besuch der Sterwardessen lässt sich dann auch ein Flug in einer Maschine aus vorkriegszeitlicher Bauart wunderbar aushalten. Da braucht man gar nicht so einen übertriebenen modernen Schnickschnack wie Touchscreens oder gar Beinfreiheit. Aber leider ist auch irgendwann die schönste Entspannungsreise fertig, und kurz nachdem Kate aufwachte, dotzte der Vogel auch schon die Landebahn des Ergilio Hato International Airports auf Curaçao – überraschenderweise unter tosendem Applaus des restlichen Publikums. Da bin ich ja nicht so und klatsche mal euphorisch mit. Woohoo! Im Gegensatz zu den restlichen vollends begeisterten Passagieren war mein Promillepegel aber noch auf dem mathematischen Tiefststand. Schließlich hatte ich ja noch eine nicht ganz unwichtige Mission: Die Übernahme des Mietwagens. In meiner persönlichen Top Fünf der Dinge, die ich auf Reisen nicht gerne mache, dürfte dieser Akt den unangefochtenen Spitzenplatz einnehmen. Dabei fing das alles einmal so harmlos an. Ich hatte noch keinen Unfall oder sowas, hab mir noch nie was aufschwätzen lassen und wurde noch nie wirklich abgezockt – sieht man von dem Vogel auf Martinique ab, der allen Ernstes 100€ für eine Nachreinigung haben wollte. Komischerweise war er mit einem inoffiziellen Fünfer auf die Hand auch zufrieden. Und das Auto war damals echt dreckig. Aber das ist Schmutz von gestern. Die Probleme fingen vor vielleicht Einskommafünf Jahren an. Plötzlich hatten mehrere Anbieter Probleme mit meiner Kreditkarte, obwohl ich nachweislich immer alles korrekt angegeben hatte. Es war mehr als seltsam, trotzdem konnte ich am Ende wenigstens immer ein fahrtüchtiges Vehikel entgegennehmen, auch wenn das stellenweise echt Zeit und Nerven gekostet hat. Immer – bis auf einmal. Beim letzten Versuch. Vor sechs Wochen in Guimarães war nichts zu machen. Da standen wir plötzlich ohne Auto und ich wie der Depp da. Konnte ich wenigstens gleich saufen. Man muss ja immer das positive sehen. Lange Rede, kurzer Rock: Seitdem schwitze ich immer Blut und Wasser vor der Geschäftsabwicklung mit den Mietwagenmokeln. Heute könnte das Schwitzen jedoch auch von der Lufttemperatur gekommen sein. Losgeflogen bei knapp über dem Gefrierpunkt, knallten uns hier locker flockige 35 Grad nach Anders Celsius‘ Bewertungssystem entgegen. Bon Bini na Curaçao!

Bon Bini na Curaçao! Selbst derjenige, der kein Papiamentu spricht, wird es sich denken können: Willkommen auf Curaçao! Bis es das heißt – und bevor man sich mit der Mietwagen-Mafia rumschlagen darf -, muss man jedoch noch in der ewig langen Schlange am Immigrationsschalter ausharren. Also wenn man seine Einreise nicht vorher online registriert. Dann kann man nämlich einfach zur elektronischen Passkontrolle und einfach durchmarschieren. Warum von dieser zeitsparenden Methode so wenige Leute Gebrauch machten, obwohl man darauf ohne große Probleme bei einer rudimentären Vorabrechereche im  WWW zwangsläufig stößt, kann nur mit Dummheit der anreisenden Horden bleichgesichtiger Pauschaltouristen erklärt werden. Echt jetzt – sowas Dummes. Ich denke mal, ohne Kate würde ich jetzt auch noch in der Schlange stehen, hörte ich doch von dieser Onlineregistrierung das erste Mal etwas auf dem Flug. Manchmal fragt man sich echt, wie ich alleine in der Welt zu Recht komme. Ist ja nicht nur so, dass ich ab und an minimal verpeilt und unvorbereitet bin und noch seltener etwas tollpatschig bin, genauso oft frage ich mich dann auch, ob mich eigentlich die ganze Welt verarschen will. Und damit sind wir wieder bei den Mietwagen. Da bucht man schon bei einem angeblich seriösen Unternehmen wie Europcar (übrigens: fragt nicht nach dem Preis. Für individuelle Mobilität bezahlt man sich hier dumm und dusselig), und dann sind die die einzigen der überregional bekannten Autohustler, die ihr Büro nicht im Terminal haben. Und auch nicht in der Nähe. Ein unauffällig am Straßenrand hantierender Herr enttarnte mich wohl anhand meiner Verwrirrtheit als seinen potentiellen Kunden – und schwups, saßen Kate und ich in seinem Gefährt und wenige Minuten später auch wirklich im Europcar Office. Die Pulsuhr zeigte an, dass ich besser mal einen Arzt aufsuchen sollte, als ich die alles entscheidende Aufforderung nach Eingabe meines Kreditkarten PINs erhielt. Was bin ich an diesem Punkt schon so kläglich gescheitert. Auch wenn der folgende Schwank nicht ins Gebrauchtwagen Business zu verorten ist, könnt ihr gerne mal beim Inspektor nachfragen, wie das 2013 in Baku war, als er sich monetär auf mich verlassen hatte und ich mal locker flockig dreimal die falsche Zahlenkombination in die aserbaidschanischen Geldautomaten tippte. Gibt nicht viel besseres, als die erste Europapokaltour seit Jahren damit zu verbringen, in einem fremden Land an Bargeld zu kommen. Soviel dann auch zum Thema, wie ich in der Welt zu Recht komme. Gar nicht. Da ist echt ein Pottwal in der Sahara überlebensfähiger. Damit mir heute so etwas nicht passiert, habe ich a) alle finanziellen Transaktionen in Kates Hände gelegt und b) meine PIN durch eine Bargeldabhebung bei der Filiale der Hausbank verifiziert. Die 20€ kamen auch raus.  Dass die VR Bank für eine Abhebung an einem VR Bank Automaten mit einer VR Bank Kreditkarte jedoch 2€ Gebühr  nimmt, hat mich dann im Nachgang doch etwas erschrocken. So, und nach diesem langen Spannungsaufbau wartet alles sehnsüchtig auf die Pointe – und dann gibt es diese noch nicht einmal. Klappte alles einwandfrei. Als hätte es nie Probleme gegeben.

Eine gute Sache an Curaçao ist ja die kleine Größe – oder die große Kleine? Knapp 60km in der Länge, höchstens 15 in der Breite. Man kommt überall schnell hin. Vorausgesetzt, man gibt die richtige Adresse ins Navi ein. Machte Kate zunächst nicht, trotzdem fanden wir unsere für die gesamte Zeit auf der Insel (sechs Nächte) gebuchte Unterkunft doch noch. An dieser Stelle volle Empfehlung für das Bed & Bike in Jan Thiel. Tolle Anlage, super gepflegt und neu – letzteres erklärt wohl auch den Preis. Anders als ein Promo Angebot kann ich mir die aufgerufenen 50€ pro Zimmer und Nacht nicht erklären, vor allem in Anbetracht des hiesigen Preisniveaus. Letzteres wurde uns auch gleich im Supermarkt vor Augen gehalten: Eine Flasche Bier umgerechnet 1,50€. Für 0,25 Liter. Herzlichen Glückwunsch. Dadurch war am Ende der Reise die Anzahl meiner getrunkenen Biers auch nur so hoch wie die durchschnittliche Punktzahl der magischen SGE bei Auswärtsspielen in der Arroganz Arena . Wenn ich mich nicht verrechnet habe liegt diese bei 0,0667, was in Bier umgerechnet genau einem Schluck entspricht. Ein Hoch auf den Super Food auf Aruba, in dem man eben diesen Schluck eines neuen IPAs probieren durfte. Soweit waren wir jedoch noch nicht. Kernstück unseres heutigen Einkaufs war eine ein Kilogramm Packung Spaghetti und ein Glas Pesto. Immerhin wurde uns die Kochnische in der Unterkunft angepriesen. Blöd halt, wenn man sich diese erst nach dem Einkauf genauer anschaut. So eine Herdplatte wäre schon von Vorteil gewesen. Aber auch das sah ich positiv: Wenigstens geht der Zonk des Tages nicht alleine an mich. Und außerdem konnten wir so in den nächsten Tagen unsere Kochskills erweitern. Die wichtigste Erkenntnis der abendlichen Internetrecherche war, dass man Nudeln angeblich auch in der Mikrowelle weich bekommt. Schau’n mer mal. Die zweitwichtigste Erkenntnis war, dass es immer noch keine gesicherten Infos bezüglich eines eventuellen Ligabetriebs auf Curaçao und Aruba gab. Meinen Interpretationen zu folgen sollte hier morgen die Zweitligasaison starten. Eine Bestätigung hierfür oder gar eine Antwort auf meine vielen Nachfragen waren jedoch weiterhin inexistent. Schau’n mer also auch mal.

Endlich Urlaub! Um 6:00 Uhr morgens wird’s hier hell. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Die Vorfreude währte nur kurz, da fanden wir uns schon im Stau ein. Der Nachteil unserer Herberge: Wir befanden uns östlich der Hauptstadt Willemstad, die für heute anvisierten Strände im Westen davon. Suboptimal, da wohl jeder der 160.000 Inseleinwohner sein berufliches Dasein in Willemstad fristet. Und jeder davon in seinem eigenen Auto fährt. ÖPNV scheint bis auf ein paar Busse nicht zu existieren, und diese Reihen sich natürlich auch in die endlose Blechlawine ein. Abbiegespuren gibt es so viele wie Antworten auf Fragen nach Spieltermine, so dass das ganze generalstabsmäßig durchgeplante Verkehrssystem zusammenbricht, sobald ein Fahrer auf die zweifelhafte Idee kommt, die Hauptverkehrsrichtung in eine Seitenstraße zu verlassen. Natürlich ohne Vorher ein visuelles Signal zu geben. Das Konzept eines Blinkers scheinz hier noch nicht angekommen zu sein. Da wunderten uns die beiden Auffahrunfälle, die wir passierten, kein Stück. Und zu allem Überfluss – welch Hohn dieses Wort im Zusammenhang mit einem kilometerlangen Stau doch ist - läuft auf Paradise FM, einem der beiden Radiosender, die es hier gibt, Coldplay. Jap, so hat man sich das Paradies vorgestellt. Der ausschließlich Soca spielende Alternativsender war auch nicht unbedingt eine viel bessere Wahl. Kann ich mir ja mal eine Zeitlang anhören, aber irgendwann stresst mich diese Musik dann doch. Vor allem dann, wenn es nicht vorwärts geht. Also auf der Straße, nicht aus den Boxen. Kurz bevor ich unsere Mission abgebrochen und einen Pooltag im Hotel angesetzt hätte – und lange nach zweimaligen Falschabbiegens meinerseits – löste sich die Scheiße dann doch noch auf und wir waren rechtzeitig in Williwood. Hier gibt es alte Salinen, die heute stillgelegt sind und zu einem Naturschutzgebiet umfunktioniert worden, in dem sich morgens – und wie wir später feststellten auch mittags und abends – jede Menge Flamingos aufhalten. Die Krabbenfresser sind dann auch wirklich so anmutig wie sie angeblich auch nicht gerade intelligent sein sollen und bilden zusammen mit dem einfallenden Licht der auf- bzw. untergehenden Sonne phantastische Fotomotive. So schön die Kulisse aber auch heutzutage ist, so schrecklich war sie in der Vergangenheit. Die Salzgewinnungsanlagen waren einer der Haupteinsatzorte der hierher importierten Sklaven, die unter grausamsten Bedingungen arbeiten mussten. In der Hochphase des Sklavenhandels hatte die niederländische Flotte 400 Schiffe, die alleine für diesen Zweck genutzt wurden. Und der komplette Import für die Karibik wurde über Curaçao abgewickelt – also sofern die Überfahrt überlebt wurde. Dadurch entwickelte sich das kleine Eiland zum Hauptumschlagplatz für Sklaven in der Karibik und man kann heute auch noch überall durch Reste alter Festungen, Gedenktafeln oder Museen daran erinnert werden. Oder aber man wirft sich nur an den Strand und beobachtet die Unterwasserwelt. Letzteres machten wir im Anschluss am Playa Porto Marie, wobei wir diesen fast nicht erreicht hätten. Die letzten Kilometer zu dieser postkartenidyllischen Bucht führte durch dickes Gestrüpp über Schotterpisten. Und in den kargen Bäumen und meterhohen Kakteen am Wegesrand hielten sich Vögel auf. Bunte Vögel. Große und kleine. Wer schon mal eine unserer Reiseberichterstattungen gelesen hat, der dürfte sicherlich erahnen können, was bei Kate und mir jetzt los war. Safarimodus on. Irgendwann erreichten wir den Eingang zum Strand, blockierten aber direkt die Zufahrt zum Parkplatz. Da hatte sich doch einfach ein ausgewachsener grüner Leguan in der Baumkrone breit gemacht. Da kann man ja nicht einfach vorbeifahren. Iguana pon de corner - keeps me calmer – makes me smarter

Dabei hätten wir gar nicht so lange in die Baumwipfel schauen müssen. Direkt am Strand wuselten doch noch weitere dieser imposanten Echsen rum, waren damit aber trotzdem nicht das animalische Highlight des Tages. Nicht nur auf den Bahamas, auch am Playa Porto Marie gibt es (zwei – Willi und Woody) wild lebende Schweine, die hier auch gerne mal ins Wasser kacken. Ich muss sagen, das ist schon echt zum Brüllen komisch, wenn man über diesen Bilderbuchsand läuft und dann dort auf einmal ein Schweinchen im Schatten liegt und ab und an mit dem Schwänzchen wedelt oder ein Grunzerschen von sich gibt. Ich jedenfalls habe mich vor Kichern kaum noch einbekommen. Auch sonst hatten wir eine super Zeit hier, obwohl der Strand im Laufe des Vormittags doch recht voll wurde, handelt es hierbei doch um so ziemlich das beliebteste Ausflugsziel der fast täglich strandenden Kreuzfahrtpassagiere. Sieht man von dem quiekenden Kleinkind neben uns ab, störte das aber nicht weiter. Uns gefiel es sogar so gut, dass wir entgegen jeglicher finanzieller Vernunft das Strandrestaurant aufsuchten. War gar nicht so exorbitant teuer. Uns gefiel es sogar so gut, dass wir das geplante Beachhopping für heute absagten und den kompletten Tag hier verbrachten. Wir waren immerhin im Urlaub. Und natürlich gehört zu jedem guten Urlaub auch der gute alte Fußball. Und der sollte heute heute rollen. Zumindest hatte ich das wie bereits angemerkt so interpretiert.

Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte die FFK (=Federashon Futbol Korsou – wie unschwer zu erkennen der Fußballverband Curaçaos) auf ihrer Facebookseite – und zwar ausschließlich dort – einen Text, der den Beginn der ersten und zweiten Liga anpries. Problem an diesem Pamphlet: Es war ausschließlich auf Papiamentu verfasst. Dabei handelt es sich um eine Kreolsprache, die neben Niederländisch die zweite Amtssprache auf den ABC Inseln ist und sich durch einen wilden Mix aus Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und einigen weiteren Einflüssen auszeichnet. Dem Google Translator ist sie jedoch noch unbekannt. Egal welche Sprache ich zum Übersetzen des Textes auswählte, das Ergebnis war immer auf Papiamentu. So blieb mir nichts weiter übrig, als mich auf meine Grundkenntnisse in Spanisch zu verlassen und das ein oder andere Wort so zu verstehen. Ergebnis meiner Interpretation war, dass heute auf dem Gelände der FFK die Zweitligasaison eröffnet werden sollte. Stutzig machte mich lediglich, dass dies die einzige Vorabinfo zu einem eventuellen Ligastart bleiben sollte. Trotz unterschiedlichster bemühter Kontakte erhielt ich keine Bestätigung – weder vom Verband, noch von den beteiligten Vereinen, noch von Sportzeitungen. Also fuhren wir einfach mal auf gut Glück zum Gelände. Mein Papiamentu wird schon nicht so schlecht sein. Vorbei an den Flamingos (Fotosession bei Sonnenuntergang), Getränkekauf im chinesischen Supermarkt (wie überall, wird auch hier jeder zweite Supermarkt von Chinesen geführt) und vorbei am Feierabendstau Willemstads (zum Glück nur in entgegengesetzter Richtung) begann mein Herz beim Erblicken leuchtender Flutlichtmaster wild zu klopfen und ich mich konträr dazu stark zu beruhigen. Es schien zu stimmen. Einzig eine Sache machte ich dann doch stutzig: Die Lichtstrahler waren eindeutig zu groß für den angepriesenen Nebenplatz mit seiner lediglich auf einer Seiten ausgebauten Tribüne für 2.000 karibische Prachtärsche. Nein, im Hellen lag eindeutig das größte Stadion des Landes. Die wollen jetzt nicht wirklich da drin spielen, oder? Eine Resthoffnung, dass dem nicht so wäre, bestand zwar noch, jedoch brachte der Rundgang über den ganzen Komplex außer eines ebenfalls gerade genutzten Wasserballstadions und einigen offen Hallen keine Verbesserung der Situation. Es half alles nix. Da mussten wir jetzt rein. Für je drei Antillengulden (1,79 ANG = 1,- USD –fix. Und damit ist aktuell 1,- ANG fast genau 0,50€. Macht das Rechnen leicht) erhielten wir einen Abriss einer Kassenrolle, durften uns einer Leibesvisitation ergeben und durften danach vollbepackt Ergilio Hato Stadion betreten. Jep, die sollten tatsächlich hier drin spielen. Kacke. Ein auf einem ausgebauten Nebenplatz angekündigtes Spiel, das plötzlich im größten Stadion des Landes stattfindet. Normalerweise nennt man so etwas Jackpot. Normalerweise würde ich jetzt jubeln und schreien. Normalerweise schaue ich aber auch nicht drei Tage später eh ein Spiel in diesem Stadion. Und bei diesem sind sowohl Ort als auch Zeit bestätigt. Da wird man einfach um einen Ground beraubt. Tz. Aber was soll’s. Hauptsache ein Kick. Bevor ich aber zu diesem komme, stelle ich die Frage in den Raum, ob jemanden von euch die Ähnlichkeit des Flughafen- und des Stadionnamens aufgefallen ist? Richtig, beide sind nach Herrn Ergilio Hato benannt. Jetzt könnte man anhand der auf seinen Namen hörenden Gebäude beinahe denken, dass der werte Herr Zeit seines Lebens zwei große Leidenschaften hatte: Die Luftfahrt und den Fußball. Tatsächlich hatte er aber Zeit seines Lebens zwei wirklich Leidenschaften: Den Fußball und die Luftfahrt. Zu seiner aktiven Zeit – in den 50ern –galt Ergilio Hato als bester Torwart Zentralamerikas. U.a. führte der als Schwarzer Panther, fliegender Vogel oder elastischer Mann bezeichnete Goalie Curaçao zu den olympischen Spielen 1952. Und obwohl er Angebote von Ajax, Feyenoord und sogar Real Madrid erhielt, kam ein Wechsel für ihn nicht in Betracht, da er nicht professionell spielen wollte. Stattdessen entschied er sich für eine Karriere bei ALM Airlines, der ehemals größten Fluggesellschaft der Niederländischen Antillen. Von seinem Erbe ist jedoch nicht mehr viel übrig: Die Airline ging 2001 pleite, und mit seinem Tod 2013 dürfte er auch einen Großteil des gesamten Torwarttalentes auf Curaçao mit ins Grab genommen haben, wie wir in den folgenden Stunden sehen sollten.

Deportivo Santa Rosa – New Song FC 0:1
100 Zuschauer
Mo. 11.11.2019, 2.Liga Curaçao


Das zu erwartende fußballerische Niveau wurde uns noch weit vor Anpfiff vor Augen geführt. Viel zu weit. Um 19:00 Uhr sollte es losgehen mit der neuen Saison. Ungefähr zu dieser Zeit kamen die Mannschaften erst zum Warmmachen aufs künstliche Feld. Oder zum Warmtanzen? Oder was machten die da? Egal was – es war mehr als unterhaltsam. Direkt vor unseren Augen brachten die Akteure des Teams mit dem fantastischen Namen New Song FC ihre müden Knochen und noch schlapperen Muskeln in Wallung. Sensationell. Gelaufen ist glaube ich keiner. Ein bisschen Alibi Eckchen spielen, und das war es dann schon mit der sportlichen Vorbereitung. Ansonsten wurde miteinander geflachst oder die Hüften zu den karibischen Riddims aus den viel zu laut aufgedrehten Boxen gekreist. Den Trainer störte das alles weniger. Ist er anscheinend gewohnt. Genauso ist er wohl gewohnt, dass bei seiner Ansprache keiner wirklich zuhört, tanzten die Spieler bei dieser doch einfach weiter – allen voran der wohl noch nicht volljährige junge Mann mit der Nummer 13 auf dem Buckel. Ich behaupte aber auch, selbst diejenigen, die den taktischen Anweisungen des Coaches folgten, hatten keine Ahnung, was der alte Mann von ihnen wollte. Das letzte Mal solche leeren und ratlosen Gesichter hatte ich wohl nach dem Pokalfinale 2017 gesehen. Die geistige frische wird auch den Ausschlag gegeben haben, wieso der Spieler mit der Nummer 3 nur auf der Bank Platz nehmen durfte, immerhin schaffte er es, den Ball beim Jonglieren mehr als dreimal mit dem Fuß zu berühren, bevor er den Boden berührte. Dieses ungeahnte fußballerische Megatalent wunderte uns jedoch nicht im Geringsten, kam er mit seiner Radfahrerbrille und den Dreads seinem augenscheinlich großen Vorbild Edgar Davids doch sehr nahe. Dass er trotzdem nicht von Beginn an ran durfte, sahen wir als einen Affront an. Hier müssen Köpfe rollen!

Was auf der Gegenseite beim Aufsteiger aus der dritten Liga – ja, so etwas gibt es hier scheinbar auch – so passierte, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Aufgrund des Spektakels vor uns verpassten wir es, einen Blick rüber zu werfen, so dass wir uns von deren Fähigkeiten direkt unter Wettkampfbedingungen überzeugen wollten. Bis es jedoch soweit war, galt es noch das Prozedere der Saisoneröffnung zu überstehen. Der Rangerhut-tragende Päsident des Fußballverbands hielt vor den zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 100 Zuschauern eine lange und emotionale Rede, die wohl zum Inhalt das übliche Blabla einer jeden Eröffnung von irgendwas hat, von uns aber wegen Sprachbarrieren nicht verstanden wurde. Danach die Nationalhymne – logisch. Und dann, mit lediglich 40 Minuten Verspätung, der Anstoß. Ausgeführt von einer wohl in irgendeiner Weise bekannten und schick gekleideten Frau. In jede Richtung einmal. Alter – irgendwann war’s auch mal gut. Als sie unter tosendem Beifall (also keinem) endlich das Rasenrechteck verließ, war das nicht nur das Startsignal für die beiden Teams, um endlich mit den sportlichen Wettkämpfen zu beginnen, sondern auch für Kate, um in den „ich-schäme-mich-für-diesen-Typ“-Modus zu wechseln. Dieser Typ schnallte nämlich die Kamera um und drehte in allerbester Groundhopper-Nerd-Manier eine Fotorund durch das Stadion. Ich sah so nicht nur die beiden weitläufigen Kurven, in denen die verschiedenen Blöcke durch unterschiedliche Farben voneinander abgegrenzt sind, die überdachte Gegengerade, auf der wir eigentlich saßen und die als einzig (in Landesfarben) bestuhlte Haupttribüne, bei der die VIP Kabine als Überdachung dient, sondern auch die erste Slapstickszene des Spiels. Ein viel zu langer Pass auf einen Stürmer des neuen Liedes konnte dieser natürlich nicht erreichen und war eine sichere Beute für den herauseilenden Keeper. Also eigentlich. In der Realität lief er einfach wie von Sinnen am Ball vorbei, nur um sich Millisekunden, nachdem er seinen Fauxpas bemerkte, umzudrehen und in Richtung des weiterhin rollenden Spielgerätes zu hechten, respektive der vielzitierten Bahnschranke Konkurrenz zu machen und einfach auf den Boden zu knallen. Ohne Ballkontakt. Der trudelte nämlich einfach meterweit ins Aus. Allerfeinstes Kino. Und auf diesem Niveau ging das hier weiter. Ebenfalls in unsere Herzen spielte sich der zentrale Mittelfeldspieler New Songs, der nicht nur wegen seiner Rückennummer so etwas wie der Fußballgott war. In selten gesehener Art und Weise übte er nicht nur die Funktion des Bälleverteilers aus, sondern gleich sämtlicher Offensivposten auf einmal. Er war sein bester Anspielpartner, leider konnte er die Chancen nicht verwerten, da es ihm wohl zu einfach war, den Ball einfach am Torwart vorbei in den Kasten zu schieben. Wenn mein Bruder und ich früher in unserem Garten die entscheidenden Spieltage unsere Phantasieliga ausspielten, zählten nur schöne Tore. Was dabei schön war, lag wohl im Auge des Betrachters. Jedenfalls hatte ich einen höheren Anspruch an die Ästhetik meiner Buden. Vielleicht hab ich deshalb immer verloren. Ich denke mal, einen ähnlichen Gedanken wird der 14er auch gehabt haben, sonst hätte er nicht aus jeder Situation Vollspann auf den Winkel gezielt – und meterweit an diesem vorbeigeschossen. Andererseits konterkarierte er das mit der Ästhetik auch schon wieder selbst, wenn man sich mal seine Frisur anschaute, trug der Bub doch ein eigentlich nicht zu beschreibendes rotgefärbtes Vogelnest auf dem Kopf spazieren.

Selten so gut unterhalten worden. Und im zweiten Durchgang kam sogar im Publikum so etwas wie Stimmung auf – wenn auch eher gewöhnungsbedürftiger Art. Neben uns auf der Tribüne befanden sich vier jüngere Damen, die auch ohne irgendwelche Vorurteile herauszuholen so aussahen, als hätten sie persönlich Modell für Frau Antje gestanden, sieht man mal von den fehlenden Holzschuhen ab. Knöchellange Röcke, gestrickte Jacken, blonde Zöpfe und eine selbst für einen Mitteleuropäer goudaweiße Haut. In welcher Beziehung genau sie zu den Kickern des New Songs standen, weiß ich nicht. Aber sie waren die größten Fans. Jede Aktion wurde mit einem euphorischen Kreischen begleitet, dass einem im Vergleich dazu die Jubelorkane in einer Ryanairmaschine nach erfolgreicher Landung vorkommen wie die Sangesleistung eines Wolfsburger Gästemobs. Nach dem Schwein und dem Kleinkind heute Morgen war das jetzt schon das dritte penetrante Quieken, das meine Ohren erreichte. Im Gegensatz zu den ersten beiden drang es diesmal aber in den linken Lauscher ein, weshalb mein Gleichgewichtssinn wieder hergestellt war. Subber Sach. Ansonsten bot sich auf dem künstlichen Grün weiterhin das unveränderte Bild: Fehlpässe wechselten sich mit kilometerweit vorbeigesetzten Schüssen ab, das Tempo und der Bewegungsradius der meisten Spieler war mit denen einer Tischfußballfigur vergleichbar, der 14er drehte weiterhin seine Pirouetten und schoss alle Ecken auf sich selbst, Santa Rosas Keeper hatte weiterhin Probleme mit der Ball-Hand-Koordination und trotz allem schmorrte Edgar Davids weiterhin auf der Bank. Ein Affront. Hier müssen Köpfe rollen!

Sah er wohl genauso, weswegen er die Sache eben mal selbst in die Hand nahm und sich intensivst aufwärmte. Bevor er jedoch den Günter Netzer machen und sich selbst einwechseln konnte, gab es einen Freistoß für sein Team, der zum einzigen Treffer des Tages versenkt wurde: Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass der nicht gerade stramm geschossene Ball für einen nur halbwegs talentierten Menschen nicht ganz unhaltbar gewesen wären. Ich überlegte zwischendurch jedenfalls gar nicht mal so unernsthaft, ob ich vielleicht nicht doch noch einmal die an den imaginären Nagel gehängten Reusch-Handschuhe auspacken und meine teilweise weggeworfene Karriere in der Karibik zu einem versöhnlichen Ende bringen sollte. Ich würde es hier ja aushalten – genau wie Edgar Davids auf der Bank. Dort musste er nämlich bleiben. Jetzt wurde die Defensive gestärkt. Da war für einen solchen Ballkünstler kein Platz. Machte ihm aber auch nichts. Seinem lauten Lachen und ständigen Späßchen mit einem weiteren Auswechselspieler nach zu urteilen, hatte er trotzdem Spaß. Immerhin waren sie jetzt der zwischenzeitliche Tabellenführer der noch jungen Spielzeit. Die Frage war nur: Wie lange noch? Im Anschluss startete nämlich direkt ein weiteres Spiel. Und spätestens als wir die Spieler der schwarz gekleideten Mannschaft beim Warmmachen sahen, war uns klar: Die sind der haushohe Aufstiegsfavorit. Teilweise ganz schöne Mutanten und alle einen Kopf größer und breiter als die eben gesehen Spieler. Und dann haben auch noch fast alle Dreads bis zu den Arschbacken. Die fressen hier alles auf. Das ist so sicher wie ein Pimmel vorm Ausbruch im Keuchheitsgürtel. Andererseits, was Aussehen und Dreads am Ende bedeuten, haben wir ja gerade bei Edgar Davids gesehen. You don’t haffi dread to be Superstar

Ob sie ihren riesigen Vorschusslorbeeren gerecht werden, werdet ihr – genauso wie wir – jedenfalls nie erfahren. Wir machten uns nämlich genauso zügig von dannen wie es mittlerweile auch war. Wird doch recht frisch hier abends, wenn man noch seine nicht ganz getrocknete Badehose an hat. Und es war ja auch schon reichlich spät. Durch den stark verzögerten Kick Off deutete der Zeitanzeiger schon beinahe auf die Zehn. Und damit war es auch heute zu spät für das Spaghetti-Experiment. Keine Kohlenhydrate nach 20:00 Uhr! Wir stießen auf den Länderpunkt lediglich noch mit einem Arizona Eistee an. Mit Zucker. Auf die Kohlenhydrate nach 20:00 Uhr! Soul Rebels.

Die Geschichte wiederholt sich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Und täglich grüßt das Murmeltier. I got You, Babe. Wieder ging es gen Westen, wieder durch den Stau, wieder im Kreisel falsch abgebogen, wieder kurzer Fotostop bei den Flamingos – eingeschobener Flachwitz allez: Was steht auf einem Bein und ist behindert? Ganz klar: Ein Flamongo -  und wieder ab an den Strand. Übrigens: Wusstet ihr, warum Flamingos auf einem Bein stehen? Ich wusste es nicht und hab deshalb mal gelookedtoknow. Entgegen des weitverbreiteten Glaubens, dass sie sich so vor Unterkühlung schützen, ist es wohl nach aktuellem Forschungsstand eher so, dass dies an der Anatomie und der ganz besonderen Gelenkstellung der Beine liegt. Ins Detail gehen will ich jetzt nicht (was vielleicht auch darin begründet sein könnte, dass ich das im Detail gar nicht verstanden habe…), aber es ist wohl wirklich so, dass es für sie wesentlich anstrengender ist, auf zwei als auf einem Bei zu stehen. Sogar tote Flamingos können noch einbeinig stehen bleiben. Völlig verrückte Vögel.

Der Rest des Tages bestand dann nur noch im Beachhopping und Schnorcheln – und darin, die beschlagene Scheibe der Schwimmbrille sauberzuwischen und das eingeatmete Wasser asuzuhusten. Den Auftakt machte Cas Abou, für viele einer der schönsten Strände der Karibik und in Deutschland wohl bekannt, da hier schon DSDS seinen Recall absolvierte. Aha. Ein wunderschönes Fleckchen, das offiziell erst um 9:30 Uhr öffnet. Daher hier unser Tipp: Wenn ihr früh aufsteht, könnt ihr hier locker zwei Stunden alleine rumliegen, bevor Eintritt kassiert wird und andere Gäste kommen. Sobald ihr den ersten mit einem Klingelbeutel seht, sattelt die Hühner und steuert die nächste Bucht an, z.B. Lagun. Auch schön da, und da will auch keiner Geld von einem. Außer der Klofrau. Die hat mich noch heftiger angeschissen als ich es gerne in ihr Klo gemacht hätte. Und dabei hatte ich bis dato nur am Türgriff hantiert. Nichts wie weg hier. Grote Knip. Das nächste Stückchen Paradies, allerdings auch ein Hauptanlaufpunkt für Kreuzfahrer, wie man nur unschwer an den hier parkenden Reisebussen erkennen konnte. Da diese schon zur Abfahrt bereit waren, wagten wir uns doch einmal ans feinsandige Ufer, machten die Rechnung aber ohne den Security Mann des Parkplatzes. Nach einem etwas längerem Austausch von jeweils für die Gegenseite unverständlichen Wortfetzen erkannten wir doch, was dieser von uns wollte. Wir sollten doch lieber unsere ganzen Wertsachen mit uns nehmen. Er – der für die Sicherheit beauftragte Mann – könne nicht für Sicherheit garantieren. Als wir schlussendlich mit Sack und Pack runter uns Wasser gingen, warf ich nochmals einen Blick zurück und konnte danach bestätigen, dass er uns nicht angelogen hatte, saß er doch in gemütlicher Position mit dem Rücken an einen Baum gelehnt auf dem Schattigen Boden. Und hatte dabei die Augen geschlossen. Was für ein Top Lad. Beklaut hat uns trotzdem keiner - vielleicht auch einfach, weil sich keiner unserem ausgewählten Plätzchen nähern wollte, wimmelte es dort doch nur so von Fliegen und Mücken, so dass wir nicht länger als einen Schnorchelgang im unfassbar klaren Wasser verblieben. An der kleinen Knip stand der letzte Halt an einer Badebucht an. Hier ist es – wie der Name schon suggeriert – alles etwas kleiner und weniger touristisch, dafür sucht die einheimische Jugend mit übelst gepumpten 90er-Jahre G-Funk und Rum-Cola nach naiven Touristinnen, die mit ihnen die lauen Spätsommernächte verbringen. Mich hätten sie sofort bekommen. Aber wir mussten ja los. Heute sollte es endlich so weit sein. Die Spaghettipackung wurde aufgerissen.

Man nehme eine Schüssel (oder in unserem Falle einen tiefen Teller), fülle in diese die zu kochende Pasta und gebe dann so viel Wasser hinzu, das sie ca. einen Zentimeter bedeckt sind. Idealerweise salzt man das Wasser vorher noch, aber das sind ja Nuancen, die man später noch verbessern kann. Die Nudeln können dann auf jeden Fall schon in die Mikrowelle. Einfach ein paar wenige Minuten mehr einstellen, als auf der Packung steht, und dann sollten sie auch schon weich sein. Man kann ab und an mal überprüfen, ob das Wasser schon verdampft ist und dann noch etwas nachgeben, aber man muss es ja auch nicht übertreiben. Als der improvisierte Herd nach 14 Minuten bingte, waren wir so gespannt wie überrascht. Die länglichen Teigstücke waren tatsächlich weich, fast schon al dente. Unglaublich. Und das mit Abstand günstigste Pesto aus dem Supermarkt schmeckte auch echt gut. Welch opulentes Mahl! Ab jetzt konnte nichts mehr schief gehen. Wir waren unsterblich. In unserem Übermut buchten wir gar ganz spontan einen Ausflug nach Kein Curaçao für übermorgen. Lächerliche 100,-€ pro Person. Pfff. Druff geschissen. Niemand ganz uns mehr aufhalten. Cause we’re so solid as rock they just can stop us now

Die Geschichte wiederholt sich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Und täglich grüßt das Murmeltier. I got You, Babe. Aber Moment. Irgendetwas war anders. Kein Stau? Naja, logisch. Wir fuhren ja auch nach Osten. Die Infrastruktur ließ etwas nach, die Landschaft wurde karger und die Strände waren weniger klischeehaft und eher rau, dafür das Wasser aber fast noch klarer und die Korallen intakter. Und das Schnorcheln am Tug Boat, einem vor 30 Jahren gesunkenen Kutters, war schon ein Erlebnis. Am Nachmittag komplettierten wir das UNESCO Welterbe Curaçao (1/1) mit dem Schlendern durch Willemstad. Machte auch Spaß, hier durch die Gassen und über die schwimmende Königin-Emma-Brücke zu laufen, die bunten Häuserfassaden oder die ausgeprägte Street-Art zu bewundern oder einen Blick in die individuell und liebevoll eingerichteten Geschäfte zu werfen. Echt schön ganz schön hier, man ist aber auch schnell durch. Zur Feier des Tages kauften wir uns auf einem Markt für das Abendmahl sogar noch eine Gurke, um die Spaghetti richtig abzurunden. Leider fand ich aber auch hier nicht den absoluten Modetrend der hiesigen Strände: Eine hellblaue Badehose mit aufgedruckten Flamingos. Irgendwo muss es die doch geben, so viele Leute wie mit diesem todschicken Beinkleid rumlaufen.

Egal was auf dem Tagesprogramm stand, die Geschichte wiederholte sich täglich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Aber heute gab es keinen Toast mit Käse und auch keinen mit Erdnussbutter. Gekackt wurde auch nicht, dafür die Schnorchelausrüstung umso klarer gemacht. Ab auf die kleine, ca. 15km südwestlich vor dem Haupteiland gelegene Schwesterinsel Klein Curaçao. Verschiedene Anbieter offerieren Touren dorthin, wir entscheiden uns natürlich für den teuersten Mermaid Boattrips. Machte preislich aber jetzt auch fast keinen Unterschied, dafür legte unser Kutter bereits um 7:00 Uhr – und somit weit vor allen anderen – ab und außerdem verfügt die Meerjungfrau als einziger über ein schattenspendendes Strandhaus und eigene Toiletten. Beides ein durchaus nicht zu unterschätzender Faktor. Nach der zweistündigen Überfahrt, die für weniger seefeste Mägen gerne auch mal etwas entleerend wirken kann, gab es zunächst einmal reichlich belegte Sandwiches. Da schlugen wir elende Geier doch mal richtig zu - allerdings auch nicht so übertrieben, wie die anderen Gäste: Einsiedlerkrebse. Tausende. Und blau-grün leuchtende Echsen. Hunderte. Wer Angst vor Krabbelviechern hat, sollte sich den Besuch hier lieber sparen. Wir fanden es hingegen absolut faszinierend. So ein Schauspiel hatten wir jetzt auch noch nicht gesehen. Das war schon leicht apokalyptisch, womit ich wieder einmal eine astreine Brücke zum nächsten Tagesordnungspunkt gebaut habe. Sollte ich jemals auf die Idee kommen, einen Endzeitfilm zu drehen, wüsste ich jetzt wenigstens die Location. Oder anders ausgedrückt: Sollte ich jemals einen Endzeitfilm drehen, wüsste ich wo. Die Idee hatte ich ja schon öfters, ist bis jetzt nur an der Umsetzung gescheitert. Und am fehlenden Drehbuch. Und am Budget. Und an allem anderen auch. Wie dem auch sei: So stelle ich mir die Welt nach dem Untergang der Menschheit vor – also so ungefähr in 20 Jahren. Da das Archipel nur drei Kilometer lang und einen breit ist, bietet sich eine barfüßige Umrundung ja quasi an. Sieht man vom schneeweißen Traumstrand  an der Südwestküste ab, erblickt man nur karges Gestrüpp, Steine und überall herumflitzende Echsen. In der Mitte der Insel steht ein verlassener, aber dadurch auch absolut pittoresker Leuchtturm, dahinter liegen zwei Schiffswracks am Strand. Dazu peitscht das Meer gegen die felsige Küste, dass das Wasser meterweit hochspritzt. Das Ganze Schauspiel findet unter der sengenden Sonne statt, wodurch eine irgendwie krasse Atmosphäre entsteht. Und ordentlicher Schweißfluss. Man mag sich nicht ausmalen, was die Sklaven hier früher ausgestanden hatten, die nach mehrwöchiger Überfahrt erstmal vier Wochen zur Quarantäne hier verbringen mussten.

Zur Abkühlung retteten wir im unfassbar türkisen Wasser erstmal eine verletzte Meeresschildkröte, die von einer Bootsschraube getroffen und dadurch einen Riss im Panzer hatte. Unser Tourleiter hatte diese vor einigen Tagen entdeckt und wollte sie heute fangen, um sie mit auf die Hauptinsel zu nehmen und dort zu behandeln. Für die Suche nach ihr durfte man ihm gerne helfen, wofür man Kate und mich nicht zweimal bitten musste. Wir waren dann natürlich auch die ersten, die eine Schildkröte erblickten, war allerdings nicht dir richtige. Trotzdem konnte die Mission nach relativ kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden. Welch gute Tat. Das BBQ (im Preis inbegriffen) hatten wir uns redlich verdient. Endlich einfach in sich reinschaufeln. Ganz stolz brüstetr ich mich vor Kate, was ich ja für ein geiler Typ bin, da es tatsächlich mein erstes nicht vegetarisches Essen des Urlaubs war. Und während ich so weiter vor mich hinschwadronierte, und – völlig zu Recht und ernstgemeint – übertriebenen Fleischkonsum und Massentierhaltung anprangerte, holte ich mir meinen Nachschlagteller vom Buffet, dessen einzige nicht carnivore Komponente die Cocktailsauce war. Was ein Typ. Fire pon a Deadas!  

Der Rest des Ausfluges ist schnell abgehandelt: Chillen, Lesen (Schande über mein Haupt: ENDLICH kam ich mal dazu, Tim Parks‘ „Eine Saison mit Verona“ zu lesen), Planschen, mit Schildis schnorcheln, auf so einer Matte im Wasser herumtollen und massenhaft Cola in uns reinschütten. War ja im Preis inbegriffen. Auf der Rückfahrt verdünnte Kate die braune Zuckerflüssigkeit mit einer anderen, alkoholhaltigen braunen Zuckerflüssigkeit, was den Geschmack stark aufwertete, während ich die Reste vom Buffet naschen wollte, die Spare Rips durch den Wellengang aber mehr auf dem Boden als in meinem Mund verteilte. Business as usual.

Als wir um 17:00 Uhr wieder zurück waren, war nur noch die Antwort auf die Frage offen, ob der Tag denn die 100€ wert war. Einstimmiges Fazit: Aber sowas von! Wer mal hier in der Ecke ist und sich ähnliches fragt: Wir sprechen eine vollste Empfehlung für Klein Curaçao aus. Und dann waren wir auch noch absolut perfekt in der Zeit. Ohne jeglichen Zeitdruck tuckerten wir zum leider bereits gekreuzten Stadion Ergilio Hato. Heute sollte etwas mehr los sein, da galt es nicht zu trödeln. Dank meines wie immer perfekt getakteten Zeitmanagements kamen wir auch mehr als rechtzeitig an und fanden somit noch einen guten Parkplatz und eine nicht vorhandene Schlange am Kassenhäuschen vor. 15€ pro Person ärmer (billigste Kategorie!), dafür eine schön gestaltete Eintrittskarte reicher, betraten wir das bekannte Oval, in dem wir es uns diesmal in der Kurve hinter dem Tor bequem machten.

Curaçao – Costa Rica 1:2
10.000 Zuschauer (100 Ticos)
Do. 14.11.2019, Concacaf Nations League


Jup, auch der nordamerikanische Fußballverband spielt jetzt seine eigene Version der Nations League. Der Modus ist quasi analog zur europäischen Variante. Es gibt drei Ligen mit jeweils vier Gruppen. Die Gewinner der vier Gruppen der höchsten Liga (A) spielen in einem Endturnier den Gesamtsieger aus. Und um den Teilnehmer der Endrunde sollte es heute gehen. Tatsächlich konnte sich Curaçao nämlich für die A Liga qualifizieren. Für diese waren die sechs Teilnehmernationen der fünften WM Qualirunde gesetzt, die restlichen sechs Plätze wurden in einer Vorabquali ausgespielt. Und da war Curaçao wohl recht erfolgreich. Überhaupt scheint hier ein kleiner Fußballriese heranzuwachsen. Bis auf Platz 74 der Weltrangliste ist man inzwischen gestiegen. In den letzten Jahren konnte gar Titel auf Titel gewonnen werden: 2019 der hochangesehene King’s Cup in Thailand, bei dem man sich gegen Indien und Vietnam durchsetzte, sowie 2017 die letzte Edition der Karibikmeisterschaft. An dieser nahmen jedoch auch nur noch vier Teams teil. Nichtsdestotrotz scheint sich hier etwas zu bewegen, schließlich war man vor dem letzten und entscheidenden Gruppenspieltag mit fünf Punkten ungeschlagener Spitzenreiter vor dem heutigen Gegner Costa Rica und Haiti (jeweils zwei Punkte). Ergo: Bereits mit einem Unentschieden wäre das kleine Curaçao für das Final Four qualifiziert.

Bei diesem historischen Ereignis wollte gefühlt die halbe Insel dabei sein. Die oben angegebene Zuschauerzahl ist nur eine grobe Schätzung und dürfte wohl eher noch höher gewesen sein. Beste Voraussetzungen also für einen stimmungsvollen Abend. Das Publikum hatte Bock- und Durst. Die mobilen Bierverkäufer machten einen ähnlichen Umsatz wie ihre Pendants im Waldstadion, wenn MJ mal wieder Durst hat. Der Stadion-DJ spielte eine ähnlich tanzbare Musik wie am Montag, die Zuschauer nahmen diese dankend an und bewegten die wohlgeformten Hüften. Kinder spielten am Zaun Fußball oder bliesen in ihre Tröten. Und dadurch, dass sehr viele Fans ein neongrünes Oberteil trugen, ergab sich ein sehr buntes Tribünenbild, wodurch sich alles in allem eine sehr fröhliche und ausgelassene Atmosphäre ergab. Von Anspannung keine große Spur. Auffallend hingegen war, dass viele Leute ein Trikot oder Shirt mit der Nummer 22 und dem Namen Pieter trugen. Der Hintergrund ist eine tragische Geschichte. Jairzinho Pieter war der zweite Torwart der Nationalmannschaft Curaçaos. Am 10. September diesen Jahres, unmittelbar vor dem zweiten Spieltag der Nations League in Haiti, starb er an einem Herzinfarkt im Mannschaftshotel in Port-au-Prince. Sein Andenken wird seit dem hoch gehalten. Besucht man die Facebookseite des Verbandes, erhält man zwar keine Antwort auf irgendwelche Nachrichten, dafür aber viele Trauerposts an Pieter gewidmet. Trotzdem muss es immer weiter gehen. Rein aufs sportliche geblickt, hat Curaçao wenigstens trotz allem kein großes Problem zwischen den Pfosten, wird der Kasten doch von Eloy Room gehütet. Quasi ein E.Loy im Tor. Da kann ja nichts schief gehen.

Als die vom mexikanischen Schiedsrichtergespann angeführten Teams das Spielfeld betraten, tobte das Publikum. Als die Nationalhymne abgespielt wurde, sang alles voller Inbrunst mit – sogar noch eine weitere Acapellarunde. Als das Spiel schließlich angepfiffen wurde, war es plötzlich stiller als es in meinem Auto ist, wenn im Radio mal wieder Coldplay läuft. Puh. Hier ging ja gerade mal gar nichts. Das einzig lebhafte auf der Tribüne waren die weiterhin fröhlich vor sich hinspielenden Kinder. Und vom Niveau waren die auch nicht schlechter als die 22 Leute auf dem Platz. Naja gut, gelogen. Es war ja nicht mehr das Spiel vom Montag. Soweit ich das von unserem zur Spielobservierung recht ungünstigen Platz feststellen konnte, war das gar nicht so verkehrt. Das hatte schon was mit Fußball zu tun, was die größtenteils mit Legionären, von denen wiederum die meisten in den ersten drei Ligen Hollands, aber auch drei auf der Insel und sogar zwei auf der arabischen Halbinsel ihre Frikandel verdienen, so veranstalteten. Beinahe hätte die Startoffensive sogar das Publikum zurückgeholt. Ein verwandelter Elfmeter für Costa Rica nach einer Viertelstunde sorgte wieder umgehend für Ruhe, außer bei den knapp 100 Ticos auf der Gegengeraden. Mehr als Jubel kam da aber auch nicht. Doch – oh Wunder – es wurde besser. Curaçao steckte das Gegentor locker weg und spielte einfach forsch weiter nach vorne. Und zack – nur fünf Minuten nach dem Rückstand wuchtete ein Herr Rangelo Janga eine perfekte Flanke mit seiner Stirn direkt vor uns in die Maschen. Jetzt war hier was los – meine Herren. So leise es vorher auch war, glich die Lautstärke im Rund jetzt eher der in meinem Auto, wenn sich Maximilian durch Suses Telefonterror belästigt fühlt. Yes, ich habe vor kurzem die Quadratur des Kreises für mich wiederentdeckt. Ist aber für den Kontext eigentlich unerheblich. Viel wichtiger ist es, dass das Publikum zurückkam. Im Stimmungsblock auf der linken Seite der Gegentribüne wurde diverse Instrumente gespielt, gesungen und getanzt, in den anderen Bereichen eher geschrien. Das war recht cool – für drei Minuten. Und dann irgendjemand auf die Idee, die Welle anzustimmen. Und dann noch jemand. Und dann noch jemand. Jetzt hatten sie etwas gefunden, mit dem sie sich beschäftigen konnten. Keine Minute verging, in der nicht irgendwo ein Countdown gestartet wurde. Glücklicherweise war der Wellengang größtenteils ähnlich stark wie der im Wattenmeer. Bei den ganz seltenen Tsunamis wollten wir dann jedoch auch keine Spielverderber sein und hoben unsere müden Arschbacken mal etwas an. Wir sind ja nicht so.

Nach der Pause ging es eigentlich vergleichbar weiter. Einzig die Euphorie steigerte sich noch etwas. Spätestens nachdem in der 65. Minute Roberto Ricardo Blanco auf Seiten Costa Ricas des Feldes verwiesen wurde, war die Sensation zum Greifen nahe. Die Welle schaffte mal wieder eine Runde, die Leute schrien durch die Gegend und die Mannschaft erspielte sich gute Chancen. Der schöne Abend wurde leider kurz vor Schluss getrübt. Nach einem Eckball konnte Costa Rica doch noch den Siegtreffer einköpfen und begrub damit Curaçaos Hoffnung des Gruppensieges. Jetzt ging hier nichts mehr. Die letzten Angriffsbemühungen verpufften dann auch erfolglos. Schade, schade. Das war echt knapp und ich hätte es dem sympathischen Völkchen wirklich gegönnt.

Mit Abpfiff begann der Run zu den Autos. Zum Glück waren wir nicht die langsamsten, so dass wir den schlimmsten Teil des Abfahrtstaus umgingen. Eine Dreiviertelstunde später hatten wir dann auch die 10km zu unserer Unterkunft abgespult. Ich bin ja der Meinung, dass die vorab auf Google Maps angeschaute Route nicht ganz so verwinkelt war wie die tatsächlich gefahrene Strecke, aber wir kamen ja an. Hunger hatten wir keinen mehr. Die restlichen Spaghetti hoben wir uns für den letzten Abend auf. Wir mussten ja auch früh raus.

Um 6:00 Uhr morgens saßen wir längst wieder im Auto. Hier aßen wir unseren Toast mit Käse sowie den mit Erdnussbutter. Und frische Melonen. Mjami. Welch Abweichung im Plan. Kein „I got You Babe“. Auf Paradise FM durfte sich eine semitalentierte Sängerin durch die Rockgeschichte krächzen. Gesegnet mit einer mehr als dünnen Stimme vergewaltigte sie nacheinander „Hotel California“, „I want to break free“ und „Born to run“, ehe wir endlich das stark ausgeprägte Funkloch im Westen der Insel erreichten. Da wir heute eine knappe Stunde früher als sonst waren, umgingen wir auch das schlimmste Verkehrschaos, weshalb wir unser Ziel mehr als pünktlich erreichten: Den Christoffel Nationalpark. Wir wurden heute zu Bergsteigern. Der 365m hohe Christoffel ist die höchste Erhebung der Insel und kann gegen eine mal wieder nicht zu kleine Gebühr bestiegen werden. Vor 10:00 Uhr morgens. Danach ist der Aufstieg wegen der großen Hitze verboten. Als wir nach einer Stunde schweißtreibender Kraxelei endlich oben waren, konnten wir diese Sicherheitsmaßnahme voll und ganz verstehen. Und trotzdem hatte es sich gelohnt. Grandiose Ausblicke, abgefahrene Vegetation, viele Vögel und Echsen – genau Kates Ding. Ich haderte hingegen mal wieder mit meiner Höhenangst und schaute lieber die Steine direkt vor mir an. Am Abgrund des Gipfels stand ich wie so oft am Abgrund der Dummheit. Oh Mann. Als wir später wieder unten ankamen, waren wir aber so was von froh, so früh aufgestanden zu sein. Mittlerweile waren es einige Gerade heißer und die wenigen jetzt noch nach oben laufenden Leute waren bereits am Fuße des Berges komplett von Schweiß bedeckt. Viel Spaß euch! Der Rest des Nationalparks ist ebenfalls einen Besuch wert, wenn man auf Ausblicke auf eine raue und felsige Küste, meterhohe und skurril geformte Kakteen und Unmengen Echsen steht. Echt abgedreht und eigentlich gar nicht so, wie man sich die Karibik vorstellt. Diese Vorstellung zeigte sich erst wieder mittags bei unserem Abschlussschnorchelgang. Alt wurden wir jedoch nicht. Wir mussten ja noch für die Weiterreise packen. Und Spaghetti mikrowellen.

Das Murmeltier ist endlich wieder im richtigen Rhythmus. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter. Die Schnorchelausrüstung wurde jedoch beim Rezeptionist zurückgegeben, den ich extra dafür aus dem Bett geklingelt hatte und der mich stilecht in Boxershorts bediente. Leider ohne Flamingoaufdruck. Ein letztes Mal absolvierten wir den Weg gen Westen, standen heute jedoch nicht im Stau. Wochenende. Die mobile Zeitungsverkäuferin ging trotzdem ihrem Geschäft nach. Einmal kurz gegrüßt. Man kannte sich mittlerweile. Zu den laut Werbeschildern leckersten Bäcker und bestem Sushi Laden der Insel fuhren wir auch nicht, sondern direkt zur Mietwagenabgabe. „It looks perfect“, sagte die Brokerin und zauberte mir somit ein brutales Grinsen ins Gesicht. Bei der Ausreise bekamen wir dann auch endlich den Stempel in den Pass geknallt, so dass es hochzufrieden auf den kurzen Hopser auf die westliche Nachbarinsel ging. Gude Curaçao – das war echt dushi hier (dushi: Papiamentu für süß, gut, stark etc.Vergleichbar mt „irie“). Jetzt hieß es aber erstmal: Aruba, Aruba, Ándale, mach dich aus dem Staub bevor ich handelé!

Anmerkungen:
- Wie gewohnt: Bilder folgen
- Wenn gewünscht, folgt Teil 2 mit Aruba noch. Und da wurden fast alle fußballerischen Ansprüche über Bord geworfen…

So, und wer bis hierher durchgehalten hat, wird noch mit etwas Werbung zugespamt
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Und falls jemand noch mehr Lesen und fast schon old schoolmäßig ein Büchlein in der Hand halten will, kann er sich gerne melden. Da kommen wir schon ins Geschäft
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Gude,
da man Traditionen ja wahren soll und ich in den letzten Jahren im November immer einen Bericht hier veröffentlicht habe, mache ich das dieses Jahr auch wieder (auch wenn ich denke, dass ihn keiner lesen wird, weil  die exorbitante Länge wahrscheinlich einfach nur abschreckt…). Dieses Jahr ging es auch mal nicht nach Italien, sondern etwas weiter weg. Hoffentlich viel Spaß wünsche ich denjenigen, die sich das Geschwurbel antun

„Jetzt steh’n wir knöcheltief im Wasser in den West Indies
Sonne im Zenit, alles glänzt türkis“


Jup, mit ist durch aus bewusst, dass die in der südlichen Karibik lokalisierten ABC Inseln nicht zu den West Indies gehören. Nicht umsonst hatte ich Erdkunde als Leistungskurs und eine langjährige Karriere als Reggaeterrorist absolviert. Aber auch wenn es nicht zu 100% passt, beschreibt das trettmannsche Zitat meine Erwartung an die hoffentlich erholsame Auszeit auf den niederländischen Antillen doch perfekt. Curaçao – irgendwie wollte ich da schon immer mal hin. Warum auch immer? Wahrscheinlich wegen den bundischen Häuserfassaden in Willemstad. Der gleichnamige blaue Likör jedenfalls hat in der Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt – weder für das Urlaubsziel, noch für den heimische Schnapsschrank. Habe ich tatsächlich noch nie getrunken. Viel ausschlaggebender war das Angebot auf einer dieser Urlaubsschnäppchen (Schnäpschen?)  -seite, das exakt für den Zeitraum der Länderspielpause im November mit einem mehr als bezahlbaren All Inclusive Pakets warb. Klar, bis die Familie Sinner mal in die Pötte kam, war das Angebot so überholt wie ich es normalerweise auf deutschen Straßen werde, die Idee war aber geboren. Immerhin sollten im angedachten Zeitraum alle drei Auswahlteams der Fußballverbände ein Heimspiel in der nordamerikanischen Version der Nations League austragen. Und auch wenn in den jeweiligen Ligen noch nichts angesetzt war, so spielten diese in der Vergangenheit doch immer durch, so dass mit einer Gabelflugverbindung alle zwei bis drei – eben je nach Zählweise, da Bonaire zwar Concacaf, jedoch kein FIFA Mitglied ist – Länderpunkte drin sein könnten. Der Konjunktiv mag es suggerieren: Ganz so einfach wurde es dann doch nicht – wohlwollend ausgedrückt. Doch dazu im Laufe der Abhandlung mehr. Zunächst wurde nach langem Hin und Her probiere die beste Flugverbindung fixiert. Hin mit KLM via Amsterdam nach Curaçao, zurück neun Tage später ab Aruba. Und zack: schon war Bonaire raus. Da die Erholung einen nicht kleinen Teil der Reise einnehmen sollte, verzichteten wir auf den Abstecher genauso wie auf potentiell mögliches weiteres Inselhopping. Die Erholung war aber auch nötig. Rein jobtechnisch war der ausgewählte Termin nicht ganz die beste Idee. Am Samstag (!) vor Abflug zeigte die Ziffernkombination am rechten unteren Bildrand meines Bildschirms 21:30 an, als ich endlich mal das Büro verlassen konnte. Wenige Stunden später – es war 4:00 Uhr morgens – schreckte uns das schrecklichste aller Geräusche aus dem hochverdienten Schlaf. Der Wecker klingelte. Die Schildis riefen.

KLM steckte uns zwar in das wohl älteste Flugzeug ihrer Flotte, überzeugte aber wenigstens mit gutem Service und recht schmackhafter Nahrung. Während Kate die zehnstündige Luftreise fast vollständig verschlief, konnte ich endlich mal in Ruhe meinen angehäuften Fanzine Stapel abarbeiten. Kommt man ja sonst nicht mehr zu, wenn der Magen-Darm-Trakt nicht mehr ganz so exzessiv arbeitet wie noch vor einiger Zeit. Mit halbwegs funktionierenden Kopfhörern, was Gutem zu lesen und regelmäßigem Besuch der Sterwardessen lässt sich dann auch ein Flug in einer Maschine aus vorkriegszeitlicher Bauart wunderbar aushalten. Da braucht man gar nicht so einen übertriebenen modernen Schnickschnack wie Touchscreens oder gar Beinfreiheit. Aber leider ist auch irgendwann die schönste Entspannungsreise fertig, und kurz nachdem Kate aufwachte, dotzte der Vogel auch schon die Landebahn des Ergilio Hato International Airports auf Curaçao – überraschenderweise unter tosendem Applaus des restlichen Publikums. Da bin ich ja nicht so und klatsche mal euphorisch mit. Woohoo! Im Gegensatz zu den restlichen vollends begeisterten Passagieren war mein Promillepegel aber noch auf dem mathematischen Tiefststand. Schließlich hatte ich ja noch eine nicht ganz unwichtige Mission: Die Übernahme des Mietwagens. In meiner persönlichen Top Fünf der Dinge, die ich auf Reisen nicht gerne mache, dürfte dieser Akt den unangefochtenen Spitzenplatz einnehmen. Dabei fing das alles einmal so harmlos an. Ich hatte noch keinen Unfall oder sowas, hab mir noch nie was aufschwätzen lassen und wurde noch nie wirklich abgezockt – sieht man von dem Vogel auf Martinique ab, der allen Ernstes 100€ für eine Nachreinigung haben wollte. Komischerweise war er mit einem inoffiziellen Fünfer auf die Hand auch zufrieden. Und das Auto war damals echt dreckig. Aber das ist Schmutz von gestern. Die Probleme fingen vor vielleicht Einskommafünf Jahren an. Plötzlich hatten mehrere Anbieter Probleme mit meiner Kreditkarte, obwohl ich nachweislich immer alles korrekt angegeben hatte. Es war mehr als seltsam, trotzdem konnte ich am Ende wenigstens immer ein fahrtüchtiges Vehikel entgegennehmen, auch wenn das stellenweise echt Zeit und Nerven gekostet hat. Immer – bis auf einmal. Beim letzten Versuch. Vor sechs Wochen in Guimarães war nichts zu machen. Da standen wir plötzlich ohne Auto und ich wie der Depp da. Konnte ich wenigstens gleich saufen. Man muss ja immer das positive sehen. Lange Rede, kurzer Rock: Seitdem schwitze ich immer Blut und Wasser vor der Geschäftsabwicklung mit den Mietwagenmokeln. Heute könnte das Schwitzen jedoch auch von der Lufttemperatur gekommen sein. Losgeflogen bei knapp über dem Gefrierpunkt, knallten uns hier locker flockige 35 Grad nach Anders Celsius‘ Bewertungssystem entgegen. Bon Bini na Curaçao!

Bon Bini na Curaçao! Selbst derjenige, der kein Papiamentu spricht, wird es sich denken können: Willkommen auf Curaçao! Bis es das heißt – und bevor man sich mit der Mietwagen-Mafia rumschlagen darf -, muss man jedoch noch in der ewig langen Schlange am Immigrationsschalter ausharren. Also wenn man seine Einreise nicht vorher online registriert. Dann kann man nämlich einfach zur elektronischen Passkontrolle und einfach durchmarschieren. Warum von dieser zeitsparenden Methode so wenige Leute Gebrauch machten, obwohl man darauf ohne große Probleme bei einer rudimentären Vorabrechereche im  WWW zwangsläufig stößt, kann nur mit Dummheit der anreisenden Horden bleichgesichtiger Pauschaltouristen erklärt werden. Echt jetzt – sowas Dummes. Ich denke mal, ohne Kate würde ich jetzt auch noch in der Schlange stehen, hörte ich doch von dieser Onlineregistrierung das erste Mal etwas auf dem Flug. Manchmal fragt man sich echt, wie ich alleine in der Welt zu Recht komme. Ist ja nicht nur so, dass ich ab und an minimal verpeilt und unvorbereitet bin und noch seltener etwas tollpatschig bin, genauso oft frage ich mich dann auch, ob mich eigentlich die ganze Welt verarschen will. Und damit sind wir wieder bei den Mietwagen. Da bucht man schon bei einem angeblich seriösen Unternehmen wie Europcar (übrigens: fragt nicht nach dem Preis. Für individuelle Mobilität bezahlt man sich hier dumm und dusselig), und dann sind die die einzigen der überregional bekannten Autohustler, die ihr Büro nicht im Terminal haben. Und auch nicht in der Nähe. Ein unauffällig am Straßenrand hantierender Herr enttarnte mich wohl anhand meiner Verwrirrtheit als seinen potentiellen Kunden – und schwups, saßen Kate und ich in seinem Gefährt und wenige Minuten später auch wirklich im Europcar Office. Die Pulsuhr zeigte an, dass ich besser mal einen Arzt aufsuchen sollte, als ich die alles entscheidende Aufforderung nach Eingabe meines Kreditkarten PINs erhielt. Was bin ich an diesem Punkt schon so kläglich gescheitert. Auch wenn der folgende Schwank nicht ins Gebrauchtwagen Business zu verorten ist, könnt ihr gerne mal beim Inspektor nachfragen, wie das 2013 in Baku war, als er sich monetär auf mich verlassen hatte und ich mal locker flockig dreimal die falsche Zahlenkombination in die aserbaidschanischen Geldautomaten tippte. Gibt nicht viel besseres, als die erste Europapokaltour seit Jahren damit zu verbringen, in einem fremden Land an Bargeld zu kommen. Soviel dann auch zum Thema, wie ich in der Welt zu Recht komme. Gar nicht. Da ist echt ein Pottwal in der Sahara überlebensfähiger. Damit mir heute so etwas nicht passiert, habe ich a) alle finanziellen Transaktionen in Kates Hände gelegt und b) meine PIN durch eine Bargeldabhebung bei der Filiale der Hausbank verifiziert. Die 20€ kamen auch raus.  Dass die VR Bank für eine Abhebung an einem VR Bank Automaten mit einer VR Bank Kreditkarte jedoch 2€ Gebühr  nimmt, hat mich dann im Nachgang doch etwas erschrocken. So, und nach diesem langen Spannungsaufbau wartet alles sehnsüchtig auf die Pointe – und dann gibt es diese noch nicht einmal. Klappte alles einwandfrei. Als hätte es nie Probleme gegeben.

Eine gute Sache an Curaçao ist ja die kleine Größe – oder die große Kleine? Knapp 60km in der Länge, höchstens 15 in der Breite. Man kommt überall schnell hin. Vorausgesetzt, man gibt die richtige Adresse ins Navi ein. Machte Kate zunächst nicht, trotzdem fanden wir unsere für die gesamte Zeit auf der Insel (sechs Nächte) gebuchte Unterkunft doch noch. An dieser Stelle volle Empfehlung für das Bed & Bike in Jan Thiel. Tolle Anlage, super gepflegt und neu – letzteres erklärt wohl auch den Preis. Anders als ein Promo Angebot kann ich mir die aufgerufenen 50€ pro Zimmer und Nacht nicht erklären, vor allem in Anbetracht des hiesigen Preisniveaus. Letzteres wurde uns auch gleich im Supermarkt vor Augen gehalten: Eine Flasche Bier umgerechnet 1,50€. Für 0,25 Liter. Herzlichen Glückwunsch. Dadurch war am Ende der Reise die Anzahl meiner getrunkenen Biers auch nur so hoch wie die durchschnittliche Punktzahl der magischen SGE bei Auswärtsspielen in der Arroganz Arena . Wenn ich mich nicht verrechnet habe liegt diese bei 0,0667, was in Bier umgerechnet genau einem Schluck entspricht. Ein Hoch auf den Super Food auf Aruba, in dem man eben diesen Schluck eines neuen IPAs probieren durfte. Soweit waren wir jedoch noch nicht. Kernstück unseres heutigen Einkaufs war eine ein Kilogramm Packung Spaghetti und ein Glas Pesto. Immerhin wurde uns die Kochnische in der Unterkunft angepriesen. Blöd halt, wenn man sich diese erst nach dem Einkauf genauer anschaut. So eine Herdplatte wäre schon von Vorteil gewesen. Aber auch das sah ich positiv: Wenigstens geht der Zonk des Tages nicht alleine an mich. Und außerdem konnten wir so in den nächsten Tagen unsere Kochskills erweitern. Die wichtigste Erkenntnis der abendlichen Internetrecherche war, dass man Nudeln angeblich auch in der Mikrowelle weich bekommt. Schau’n mer mal. Die zweitwichtigste Erkenntnis war, dass es immer noch keine gesicherten Infos bezüglich eines eventuellen Ligabetriebs auf Curaçao und Aruba gab. Meinen Interpretationen zu folgen sollte hier morgen die Zweitligasaison starten. Eine Bestätigung hierfür oder gar eine Antwort auf meine vielen Nachfragen waren jedoch weiterhin inexistent. Schau’n mer also auch mal.

Endlich Urlaub! Um 6:00 Uhr morgens wird’s hier hell. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Die Vorfreude währte nur kurz, da fanden wir uns schon im Stau ein. Der Nachteil unserer Herberge: Wir befanden uns östlich der Hauptstadt Willemstad, die für heute anvisierten Strände im Westen davon. Suboptimal, da wohl jeder der 160.000 Inseleinwohner sein berufliches Dasein in Willemstad fristet. Und jeder davon in seinem eigenen Auto fährt. ÖPNV scheint bis auf ein paar Busse nicht zu existieren, und diese Reihen sich natürlich auch in die endlose Blechlawine ein. Abbiegespuren gibt es so viele wie Antworten auf Fragen nach Spieltermine, so dass das ganze generalstabsmäßig durchgeplante Verkehrssystem zusammenbricht, sobald ein Fahrer auf die zweifelhafte Idee kommt, die Hauptverkehrsrichtung in eine Seitenstraße zu verlassen. Natürlich ohne Vorher ein visuelles Signal zu geben. Das Konzept eines Blinkers scheinz hier noch nicht angekommen zu sein. Da wunderten uns die beiden Auffahrunfälle, die wir passierten, kein Stück. Und zu allem Überfluss – welch Hohn dieses Wort im Zusammenhang mit einem kilometerlangen Stau doch ist - läuft auf Paradise FM, einem der beiden Radiosender, die es hier gibt, Coldplay. Jap, so hat man sich das Paradies vorgestellt. Der ausschließlich Soca spielende Alternativsender war auch nicht unbedingt eine viel bessere Wahl. Kann ich mir ja mal eine Zeitlang anhören, aber irgendwann stresst mich diese Musik dann doch. Vor allem dann, wenn es nicht vorwärts geht. Also auf der Straße, nicht aus den Boxen. Kurz bevor ich unsere Mission abgebrochen und einen Pooltag im Hotel angesetzt hätte – und lange nach zweimaligen Falschabbiegens meinerseits – löste sich die Scheiße dann doch noch auf und wir waren rechtzeitig in Williwood. Hier gibt es alte Salinen, die heute stillgelegt sind und zu einem Naturschutzgebiet umfunktioniert worden, in dem sich morgens – und wie wir später feststellten auch mittags und abends – jede Menge Flamingos aufhalten. Die Krabbenfresser sind dann auch wirklich so anmutig wie sie angeblich auch nicht gerade intelligent sein sollen und bilden zusammen mit dem einfallenden Licht der auf- bzw. untergehenden Sonne phantastische Fotomotive. So schön die Kulisse aber auch heutzutage ist, so schrecklich war sie in der Vergangenheit. Die Salzgewinnungsanlagen waren einer der Haupteinsatzorte der hierher importierten Sklaven, die unter grausamsten Bedingungen arbeiten mussten. In der Hochphase des Sklavenhandels hatte die niederländische Flotte 400 Schiffe, die alleine für diesen Zweck genutzt wurden. Und der komplette Import für die Karibik wurde über Curaçao abgewickelt – also sofern die Überfahrt überlebt wurde. Dadurch entwickelte sich das kleine Eiland zum Hauptumschlagplatz für Sklaven in der Karibik und man kann heute auch noch überall durch Reste alter Festungen, Gedenktafeln oder Museen daran erinnert werden. Oder aber man wirft sich nur an den Strand und beobachtet die Unterwasserwelt. Letzteres machten wir im Anschluss am Playa Porto Marie, wobei wir diesen fast nicht erreicht hätten. Die letzten Kilometer zu dieser postkartenidyllischen Bucht führte durch dickes Gestrüpp über Schotterpisten. Und in den kargen Bäumen und meterhohen Kakteen am Wegesrand hielten sich Vögel auf. Bunte Vögel. Große und kleine. Wer schon mal eine unserer Reiseberichterstattungen gelesen hat, der dürfte sicherlich erahnen können, was bei Kate und mir jetzt los war. Safarimodus on. Irgendwann erreichten wir den Eingang zum Strand, blockierten aber direkt die Zufahrt zum Parkplatz. Da hatte sich doch einfach ein ausgewachsener grüner Leguan in der Baumkrone breit gemacht. Da kann man ja nicht einfach vorbeifahren. Iguana pon de corner - keeps me calmer – makes me smarter

Dabei hätten wir gar nicht so lange in die Baumwipfel schauen müssen. Direkt am Strand wuselten doch noch weitere dieser imposanten Echsen rum, waren damit aber trotzdem nicht das animalische Highlight des Tages. Nicht nur auf den Bahamas, auch am Playa Porto Marie gibt es (zwei – Willi und Woody) wild lebende Schweine, die hier auch gerne mal ins Wasser kacken. Ich muss sagen, das ist schon echt zum Brüllen komisch, wenn man über diesen Bilderbuchsand läuft und dann dort auf einmal ein Schweinchen im Schatten liegt und ab und an mit dem Schwänzchen wedelt oder ein Grunzerschen von sich gibt. Ich jedenfalls habe mich vor Kichern kaum noch einbekommen. Auch sonst hatten wir eine super Zeit hier, obwohl der Strand im Laufe des Vormittags doch recht voll wurde, handelt es hierbei doch um so ziemlich das beliebteste Ausflugsziel der fast täglich strandenden Kreuzfahrtpassagiere. Sieht man von dem quiekenden Kleinkind neben uns ab, störte das aber nicht weiter. Uns gefiel es sogar so gut, dass wir entgegen jeglicher finanzieller Vernunft das Strandrestaurant aufsuchten. War gar nicht so exorbitant teuer. Uns gefiel es sogar so gut, dass wir das geplante Beachhopping für heute absagten und den kompletten Tag hier verbrachten. Wir waren immerhin im Urlaub. Und natürlich gehört zu jedem guten Urlaub auch der gute alte Fußball. Und der sollte heute heute rollen. Zumindest hatte ich das wie bereits angemerkt so interpretiert.

Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte die FFK (=Federashon Futbol Korsou – wie unschwer zu erkennen der Fußballverband Curaçaos) auf ihrer Facebookseite – und zwar ausschließlich dort – einen Text, der den Beginn der ersten und zweiten Liga anpries. Problem an diesem Pamphlet: Es war ausschließlich auf Papiamentu verfasst. Dabei handelt es sich um eine Kreolsprache, die neben Niederländisch die zweite Amtssprache auf den ABC Inseln ist und sich durch einen wilden Mix aus Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und einigen weiteren Einflüssen auszeichnet. Dem Google Translator ist sie jedoch noch unbekannt. Egal welche Sprache ich zum Übersetzen des Textes auswählte, das Ergebnis war immer auf Papiamentu. So blieb mir nichts weiter übrig, als mich auf meine Grundkenntnisse in Spanisch zu verlassen und das ein oder andere Wort so zu verstehen. Ergebnis meiner Interpretation war, dass heute auf dem Gelände der FFK die Zweitligasaison eröffnet werden sollte. Stutzig machte mich lediglich, dass dies die einzige Vorabinfo zu einem eventuellen Ligastart bleiben sollte. Trotz unterschiedlichster bemühter Kontakte erhielt ich keine Bestätigung – weder vom Verband, noch von den beteiligten Vereinen, noch von Sportzeitungen. Also fuhren wir einfach mal auf gut Glück zum Gelände. Mein Papiamentu wird schon nicht so schlecht sein. Vorbei an den Flamingos (Fotosession bei Sonnenuntergang), Getränkekauf im chinesischen Supermarkt (wie überall, wird auch hier jeder zweite Supermarkt von Chinesen geführt) und vorbei am Feierabendstau Willemstads (zum Glück nur in entgegengesetzter Richtung) begann mein Herz beim Erblicken leuchtender Flutlichtmaster wild zu klopfen und ich mich konträr dazu stark zu beruhigen. Es schien zu stimmen. Einzig eine Sache machte ich dann doch stutzig: Die Lichtstrahler waren eindeutig zu groß für den angepriesenen Nebenplatz mit seiner lediglich auf einer Seiten ausgebauten Tribüne für 2.000 karibische Prachtärsche. Nein, im Hellen lag eindeutig das größte Stadion des Landes. Die wollen jetzt nicht wirklich da drin spielen, oder? Eine Resthoffnung, dass dem nicht so wäre, bestand zwar noch, jedoch brachte der Rundgang über den ganzen Komplex außer eines ebenfalls gerade genutzten Wasserballstadions und einigen offen Hallen keine Verbesserung der Situation. Es half alles nix. Da mussten wir jetzt rein. Für je drei Antillengulden (1,79 ANG = 1,- USD –fix. Und damit ist aktuell 1,- ANG fast genau 0,50€. Macht das Rechnen leicht) erhielten wir einen Abriss einer Kassenrolle, durften uns einer Leibesvisitation ergeben und durften danach vollbepackt Ergilio Hato Stadion betreten. Jep, die sollten tatsächlich hier drin spielen. Kacke. Ein auf einem ausgebauten Nebenplatz angekündigtes Spiel, das plötzlich im größten Stadion des Landes stattfindet. Normalerweise nennt man so etwas Jackpot. Normalerweise würde ich jetzt jubeln und schreien. Normalerweise schaue ich aber auch nicht drei Tage später eh ein Spiel in diesem Stadion. Und bei diesem sind sowohl Ort als auch Zeit bestätigt. Da wird man einfach um einen Ground beraubt. Tz. Aber was soll’s. Hauptsache ein Kick. Bevor ich aber zu diesem komme, stelle ich die Frage in den Raum, ob jemanden von euch die Ähnlichkeit des Flughafen- und des Stadionnamens aufgefallen ist? Richtig, beide sind nach Herrn Ergilio Hato benannt. Jetzt könnte man anhand der auf seinen Namen hörenden Gebäude beinahe denken, dass der werte Herr Zeit seines Lebens zwei große Leidenschaften hatte: Die Luftfahrt und den Fußball. Tatsächlich hatte er aber Zeit seines Lebens zwei wirklich Leidenschaften: Den Fußball und die Luftfahrt. Zu seiner aktiven Zeit – in den 50ern –galt Ergilio Hato als bester Torwart Zentralamerikas. U.a. führte der als Schwarzer Panther, fliegender Vogel oder elastischer Mann bezeichnete Goalie Curaçao zu den olympischen Spielen 1952. Und obwohl er Angebote von Ajax, Feyenoord und sogar Real Madrid erhielt, kam ein Wechsel für ihn nicht in Betracht, da er nicht professionell spielen wollte. Stattdessen entschied er sich für eine Karriere bei ALM Airlines, der ehemals größten Fluggesellschaft der Niederländischen Antillen. Von seinem Erbe ist jedoch nicht mehr viel übrig: Die Airline ging 2001 pleite, und mit seinem Tod 2013 dürfte er auch einen Großteil des gesamten Torwarttalentes auf Curaçao mit ins Grab genommen haben, wie wir in den folgenden Stunden sehen sollten.

Deportivo Santa Rosa – New Song FC 0:1
100 Zuschauer
Mo. 11.11.2019, 2.Liga Curaçao


Das zu erwartende fußballerische Niveau wurde uns noch weit vor Anpfiff vor Augen geführt. Viel zu weit. Um 19:00 Uhr sollte es losgehen mit der neuen Saison. Ungefähr zu dieser Zeit kamen die Mannschaften erst zum Warmmachen aufs künstliche Feld. Oder zum Warmtanzen? Oder was machten die da? Egal was – es war mehr als unterhaltsam. Direkt vor unseren Augen brachten die Akteure des Teams mit dem fantastischen Namen New Song FC ihre müden Knochen und noch schlapperen Muskeln in Wallung. Sensationell. Gelaufen ist glaube ich keiner. Ein bisschen Alibi Eckchen spielen, und das war es dann schon mit der sportlichen Vorbereitung. Ansonsten wurde miteinander geflachst oder die Hüften zu den karibischen Riddims aus den viel zu laut aufgedrehten Boxen gekreist. Den Trainer störte das alles weniger. Ist er anscheinend gewohnt. Genauso ist er wohl gewohnt, dass bei seiner Ansprache keiner wirklich zuhört, tanzten die Spieler bei dieser doch einfach weiter – allen voran der wohl noch nicht volljährige junge Mann mit der Nummer 13 auf dem Buckel. Ich behaupte aber auch, selbst diejenigen, die den taktischen Anweisungen des Coaches folgten, hatten keine Ahnung, was der alte Mann von ihnen wollte. Das letzte Mal solche leeren und ratlosen Gesichter hatte ich wohl nach dem Pokalfinale 2017 gesehen. Die geistige frische wird auch den Ausschlag gegeben haben, wieso der Spieler mit der Nummer 3 nur auf der Bank Platz nehmen durfte, immerhin schaffte er es, den Ball beim Jonglieren mehr als dreimal mit dem Fuß zu berühren, bevor er den Boden berührte. Dieses ungeahnte fußballerische Megatalent wunderte uns jedoch nicht im Geringsten, kam er mit seiner Radfahrerbrille und den Dreads seinem augenscheinlich großen Vorbild Edgar Davids doch sehr nahe. Dass er trotzdem nicht von Beginn an ran durfte, sahen wir als einen Affront an. Hier müssen Köpfe rollen!

Was auf der Gegenseite beim Aufsteiger aus der dritten Liga – ja, so etwas gibt es hier scheinbar auch – so passierte, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Aufgrund des Spektakels vor uns verpassten wir es, einen Blick rüber zu werfen, so dass wir uns von deren Fähigkeiten direkt unter Wettkampfbedingungen überzeugen wollten. Bis es jedoch soweit war, galt es noch das Prozedere der Saisoneröffnung zu überstehen. Der Rangerhut-tragende Päsident des Fußballverbands hielt vor den zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 100 Zuschauern eine lange und emotionale Rede, die wohl zum Inhalt das übliche Blabla einer jeden Eröffnung von irgendwas hat, von uns aber wegen Sprachbarrieren nicht verstanden wurde. Danach die Nationalhymne – logisch. Und dann, mit lediglich 40 Minuten Verspätung, der Anstoß. Ausgeführt von einer wohl in irgendeiner Weise bekannten und schick gekleideten Frau. In jede Richtung einmal. Alter – irgendwann war’s auch mal gut. Als sie unter tosendem Beifall (also keinem) endlich das Rasenrechteck verließ, war das nicht nur das Startsignal für die beiden Teams, um endlich mit den sportlichen Wettkämpfen zu beginnen, sondern auch für Kate, um in den „ich-schäme-mich-für-diesen-Typ“-Modus zu wechseln. Dieser Typ schnallte nämlich die Kamera um und drehte in allerbester Groundhopper-Nerd-Manier eine Fotorund durch das Stadion. Ich sah so nicht nur die beiden weitläufigen Kurven, in denen die verschiedenen Blöcke durch unterschiedliche Farben voneinander abgegrenzt sind, die überdachte Gegengerade, auf der wir eigentlich saßen und die als einzig (in Landesfarben) bestuhlte Haupttribüne, bei der die VIP Kabine als Überdachung dient, sondern auch die erste Slapstickszene des Spiels. Ein viel zu langer Pass auf einen Stürmer des neuen Liedes konnte dieser natürlich nicht erreichen und war eine sichere Beute für den herauseilenden Keeper. Also eigentlich. In der Realität lief er einfach wie von Sinnen am Ball vorbei, nur um sich Millisekunden, nachdem er seinen Fauxpas bemerkte, umzudrehen und in Richtung des weiterhin rollenden Spielgerätes zu hechten, respektive der vielzitierten Bahnschranke Konkurrenz zu machen und einfach auf den Boden zu knallen. Ohne Ballkontakt. Der trudelte nämlich einfach meterweit ins Aus. Allerfeinstes Kino. Und auf diesem Niveau ging das hier weiter. Ebenfalls in unsere Herzen spielte sich der zentrale Mittelfeldspieler New Songs, der nicht nur wegen seiner Rückennummer so etwas wie der Fußballgott war. In selten gesehener Art und Weise übte er nicht nur die Funktion des Bälleverteilers aus, sondern gleich sämtlicher Offensivposten auf einmal. Er war sein bester Anspielpartner, leider konnte er die Chancen nicht verwerten, da es ihm wohl zu einfach war, den Ball einfach am Torwart vorbei in den Kasten zu schieben. Wenn mein Bruder und ich früher in unserem Garten die entscheidenden Spieltage unsere Phantasieliga ausspielten, zählten nur schöne Tore. Was dabei schön war, lag wohl im Auge des Betrachters. Jedenfalls hatte ich einen höheren Anspruch an die Ästhetik meiner Buden. Vielleicht hab ich deshalb immer verloren. Ich denke mal, einen ähnlichen Gedanken wird der 14er auch gehabt haben, sonst hätte er nicht aus jeder Situation Vollspann auf den Winkel gezielt – und meterweit an diesem vorbeigeschossen. Andererseits konterkarierte er das mit der Ästhetik auch schon wieder selbst, wenn man sich mal seine Frisur anschaute, trug der Bub doch ein eigentlich nicht zu beschreibendes rotgefärbtes Vogelnest auf dem Kopf spazieren.

Selten so gut unterhalten worden. Und im zweiten Durchgang kam sogar im Publikum so etwas wie Stimmung auf – wenn auch eher gewöhnungsbedürftiger Art. Neben uns auf der Tribüne befanden sich vier jüngere Damen, die auch ohne irgendwelche Vorurteile herauszuholen so aussahen, als hätten sie persönlich Modell für Frau Antje gestanden, sieht man mal von den fehlenden Holzschuhen ab. Knöchellange Röcke, gestrickte Jacken, blonde Zöpfe und eine selbst für einen Mitteleuropäer goudaweiße Haut. In welcher Beziehung genau sie zu den Kickern des New Songs standen, weiß ich nicht. Aber sie waren die größten Fans. Jede Aktion wurde mit einem euphorischen Kreischen begleitet, dass einem im Vergleich dazu die Jubelorkane in einer Ryanairmaschine nach erfolgreicher Landung vorkommen wie die Sangesleistung eines Wolfsburger Gästemobs. Nach dem Schwein und dem Kleinkind heute Morgen war das jetzt schon das dritte penetrante Quieken, das meine Ohren erreichte. Im Gegensatz zu den ersten beiden drang es diesmal aber in den linken Lauscher ein, weshalb mein Gleichgewichtssinn wieder hergestellt war. Subber Sach. Ansonsten bot sich auf dem künstlichen Grün weiterhin das unveränderte Bild: Fehlpässe wechselten sich mit kilometerweit vorbeigesetzten Schüssen ab, das Tempo und der Bewegungsradius der meisten Spieler war mit denen einer Tischfußballfigur vergleichbar, der 14er drehte weiterhin seine Pirouetten und schoss alle Ecken auf sich selbst, Santa Rosas Keeper hatte weiterhin Probleme mit der Ball-Hand-Koordination und trotz allem schmorrte Edgar Davids weiterhin auf der Bank. Ein Affront. Hier müssen Köpfe rollen!

Sah er wohl genauso, weswegen er die Sache eben mal selbst in die Hand nahm und sich intensivst aufwärmte. Bevor er jedoch den Günter Netzer machen und sich selbst einwechseln konnte, gab es einen Freistoß für sein Team, der zum einzigen Treffer des Tages versenkt wurde: Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass der nicht gerade stramm geschossene Ball für einen nur halbwegs talentierten Menschen nicht ganz unhaltbar gewesen wären. Ich überlegte zwischendurch jedenfalls gar nicht mal so unernsthaft, ob ich vielleicht nicht doch noch einmal die an den imaginären Nagel gehängten Reusch-Handschuhe auspacken und meine teilweise weggeworfene Karriere in der Karibik zu einem versöhnlichen Ende bringen sollte. Ich würde es hier ja aushalten – genau wie Edgar Davids auf der Bank. Dort musste er nämlich bleiben. Jetzt wurde die Defensive gestärkt. Da war für einen solchen Ballkünstler kein Platz. Machte ihm aber auch nichts. Seinem lauten Lachen und ständigen Späßchen mit einem weiteren Auswechselspieler nach zu urteilen, hatte er trotzdem Spaß. Immerhin waren sie jetzt der zwischenzeitliche Tabellenführer der noch jungen Spielzeit. Die Frage war nur: Wie lange noch? Im Anschluss startete nämlich direkt ein weiteres Spiel. Und spätestens als wir die Spieler der schwarz gekleideten Mannschaft beim Warmmachen sahen, war uns klar: Die sind der haushohe Aufstiegsfavorit. Teilweise ganz schöne Mutanten und alle einen Kopf größer und breiter als die eben gesehen Spieler. Und dann haben auch noch fast alle Dreads bis zu den Arschbacken. Die fressen hier alles auf. Das ist so sicher wie ein Pimmel vorm Ausbruch im Keuchheitsgürtel. Andererseits, was Aussehen und Dreads am Ende bedeuten, haben wir ja gerade bei Edgar Davids gesehen. You don’t haffi dread to be Superstar

Ob sie ihren riesigen Vorschusslorbeeren gerecht werden, werdet ihr – genauso wie wir – jedenfalls nie erfahren. Wir machten uns nämlich genauso zügig von dannen wie es mittlerweile auch war. Wird doch recht frisch hier abends, wenn man noch seine nicht ganz getrocknete Badehose an hat. Und es war ja auch schon reichlich spät. Durch den stark verzögerten Kick Off deutete der Zeitanzeiger schon beinahe auf die Zehn. Und damit war es auch heute zu spät für das Spaghetti-Experiment. Keine Kohlenhydrate nach 20:00 Uhr! Wir stießen auf den Länderpunkt lediglich noch mit einem Arizona Eistee an. Mit Zucker. Auf die Kohlenhydrate nach 20:00 Uhr! Soul Rebels.

Die Geschichte wiederholt sich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Und täglich grüßt das Murmeltier. I got You, Babe. Wieder ging es gen Westen, wieder durch den Stau, wieder im Kreisel falsch abgebogen, wieder kurzer Fotostop bei den Flamingos – eingeschobener Flachwitz allez: Was steht auf einem Bein und ist behindert? Ganz klar: Ein Flamongo -  und wieder ab an den Strand. Übrigens: Wusstet ihr, warum Flamingos auf einem Bein stehen? Ich wusste es nicht und hab deshalb mal gelookedtoknow. Entgegen des weitverbreiteten Glaubens, dass sie sich so vor Unterkühlung schützen, ist es wohl nach aktuellem Forschungsstand eher so, dass dies an der Anatomie und der ganz besonderen Gelenkstellung der Beine liegt. Ins Detail gehen will ich jetzt nicht (was vielleicht auch darin begründet sein könnte, dass ich das im Detail gar nicht verstanden habe…), aber es ist wohl wirklich so, dass es für sie wesentlich anstrengender ist, auf zwei als auf einem Bei zu stehen. Sogar tote Flamingos können noch einbeinig stehen bleiben. Völlig verrückte Vögel.

Der Rest des Tages bestand dann nur noch im Beachhopping und Schnorcheln – und darin, die beschlagene Scheibe der Schwimmbrille sauberzuwischen und das eingeatmete Wasser asuzuhusten. Den Auftakt machte Cas Abou, für viele einer der schönsten Strände der Karibik und in Deutschland wohl bekannt, da hier schon DSDS seinen Recall absolvierte. Aha. Ein wunderschönes Fleckchen, das offiziell erst um 9:30 Uhr öffnet. Daher hier unser Tipp: Wenn ihr früh aufsteht, könnt ihr hier locker zwei Stunden alleine rumliegen, bevor Eintritt kassiert wird und andere Gäste kommen. Sobald ihr den ersten mit einem Klingelbeutel seht, sattelt die Hühner und steuert die nächste Bucht an, z.B. Lagun. Auch schön da, und da will auch keiner Geld von einem. Außer der Klofrau. Die hat mich noch heftiger angeschissen als ich es gerne in ihr Klo gemacht hätte. Und dabei hatte ich bis dato nur am Türgriff hantiert. Nichts wie weg hier. Grote Knip. Das nächste Stückchen Paradies, allerdings auch ein Hauptanlaufpunkt für Kreuzfahrer, wie man nur unschwer an den hier parkenden Reisebussen erkennen konnte. Da diese schon zur Abfahrt bereit waren, wagten wir uns doch einmal ans feinsandige Ufer, machten die Rechnung aber ohne den Security Mann des Parkplatzes. Nach einem etwas längerem Austausch von jeweils für die Gegenseite unverständlichen Wortfetzen erkannten wir doch, was dieser von uns wollte. Wir sollten doch lieber unsere ganzen Wertsachen mit uns nehmen. Er – der für die Sicherheit beauftragte Mann – könne nicht für Sicherheit garantieren. Als wir schlussendlich mit Sack und Pack runter uns Wasser gingen, warf ich nochmals einen Blick zurück und konnte danach bestätigen, dass er uns nicht angelogen hatte, saß er doch in gemütlicher Position mit dem Rücken an einen Baum gelehnt auf dem Schattigen Boden. Und hatte dabei die Augen geschlossen. Was für ein Top Lad. Beklaut hat uns trotzdem keiner - vielleicht auch einfach, weil sich keiner unserem ausgewählten Plätzchen nähern wollte, wimmelte es dort doch nur so von Fliegen und Mücken, so dass wir nicht länger als einen Schnorchelgang im unfassbar klaren Wasser verblieben. An der kleinen Knip stand der letzte Halt an einer Badebucht an. Hier ist es – wie der Name schon suggeriert – alles etwas kleiner und weniger touristisch, dafür sucht die einheimische Jugend mit übelst gepumpten 90er-Jahre G-Funk und Rum-Cola nach naiven Touristinnen, die mit ihnen die lauen Spätsommernächte verbringen. Mich hätten sie sofort bekommen. Aber wir mussten ja los. Heute sollte es endlich so weit sein. Die Spaghettipackung wurde aufgerissen.

Man nehme eine Schüssel (oder in unserem Falle einen tiefen Teller), fülle in diese die zu kochende Pasta und gebe dann so viel Wasser hinzu, das sie ca. einen Zentimeter bedeckt sind. Idealerweise salzt man das Wasser vorher noch, aber das sind ja Nuancen, die man später noch verbessern kann. Die Nudeln können dann auf jeden Fall schon in die Mikrowelle. Einfach ein paar wenige Minuten mehr einstellen, als auf der Packung steht, und dann sollten sie auch schon weich sein. Man kann ab und an mal überprüfen, ob das Wasser schon verdampft ist und dann noch etwas nachgeben, aber man muss es ja auch nicht übertreiben. Als der improvisierte Herd nach 14 Minuten bingte, waren wir so gespannt wie überrascht. Die länglichen Teigstücke waren tatsächlich weich, fast schon al dente. Unglaublich. Und das mit Abstand günstigste Pesto aus dem Supermarkt schmeckte auch echt gut. Welch opulentes Mahl! Ab jetzt konnte nichts mehr schief gehen. Wir waren unsterblich. In unserem Übermut buchten wir gar ganz spontan einen Ausflug nach Kein Curaçao für übermorgen. Lächerliche 100,-€ pro Person. Pfff. Druff geschissen. Niemand ganz uns mehr aufhalten. Cause we’re so solid as rock they just can stop us now

Die Geschichte wiederholt sich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter, die Schnorchelausrüstung klar gemacht, kurz gekackt und ab ging es an den Strand. Und täglich grüßt das Murmeltier. I got You, Babe. Aber Moment. Irgendetwas war anders. Kein Stau? Naja, logisch. Wir fuhren ja auch nach Osten. Die Infrastruktur ließ etwas nach, die Landschaft wurde karger und die Strände waren weniger klischeehaft und eher rau, dafür das Wasser aber fast noch klarer und die Korallen intakter. Und das Schnorcheln am Tug Boat, einem vor 30 Jahren gesunkenen Kutters, war schon ein Erlebnis. Am Nachmittag komplettierten wir das UNESCO Welterbe Curaçao (1/1) mit dem Schlendern durch Willemstad. Machte auch Spaß, hier durch die Gassen und über die schwimmende Königin-Emma-Brücke zu laufen, die bunten Häuserfassaden oder die ausgeprägte Street-Art zu bewundern oder einen Blick in die individuell und liebevoll eingerichteten Geschäfte zu werfen. Echt schön ganz schön hier, man ist aber auch schnell durch. Zur Feier des Tages kauften wir uns auf einem Markt für das Abendmahl sogar noch eine Gurke, um die Spaghetti richtig abzurunden. Leider fand ich aber auch hier nicht den absoluten Modetrend der hiesigen Strände: Eine hellblaue Badehose mit aufgedruckten Flamingos. Irgendwo muss es die doch geben, so viele Leute wie mit diesem todschicken Beinkleid rumlaufen.

Egal was auf dem Tagesprogramm stand, die Geschichte wiederholte sich täglich. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Aber heute gab es keinen Toast mit Käse und auch keinen mit Erdnussbutter. Gekackt wurde auch nicht, dafür die Schnorchelausrüstung umso klarer gemacht. Ab auf die kleine, ca. 15km südwestlich vor dem Haupteiland gelegene Schwesterinsel Klein Curaçao. Verschiedene Anbieter offerieren Touren dorthin, wir entscheiden uns natürlich für den teuersten Mermaid Boattrips. Machte preislich aber jetzt auch fast keinen Unterschied, dafür legte unser Kutter bereits um 7:00 Uhr – und somit weit vor allen anderen – ab und außerdem verfügt die Meerjungfrau als einziger über ein schattenspendendes Strandhaus und eigene Toiletten. Beides ein durchaus nicht zu unterschätzender Faktor. Nach der zweistündigen Überfahrt, die für weniger seefeste Mägen gerne auch mal etwas entleerend wirken kann, gab es zunächst einmal reichlich belegte Sandwiches. Da schlugen wir elende Geier doch mal richtig zu - allerdings auch nicht so übertrieben, wie die anderen Gäste: Einsiedlerkrebse. Tausende. Und blau-grün leuchtende Echsen. Hunderte. Wer Angst vor Krabbelviechern hat, sollte sich den Besuch hier lieber sparen. Wir fanden es hingegen absolut faszinierend. So ein Schauspiel hatten wir jetzt auch noch nicht gesehen. Das war schon leicht apokalyptisch, womit ich wieder einmal eine astreine Brücke zum nächsten Tagesordnungspunkt gebaut habe. Sollte ich jemals auf die Idee kommen, einen Endzeitfilm zu drehen, wüsste ich jetzt wenigstens die Location. Oder anders ausgedrückt: Sollte ich jemals einen Endzeitfilm drehen, wüsste ich wo. Die Idee hatte ich ja schon öfters, ist bis jetzt nur an der Umsetzung gescheitert. Und am fehlenden Drehbuch. Und am Budget. Und an allem anderen auch. Wie dem auch sei: So stelle ich mir die Welt nach dem Untergang der Menschheit vor – also so ungefähr in 20 Jahren. Da das Archipel nur drei Kilometer lang und einen breit ist, bietet sich eine barfüßige Umrundung ja quasi an. Sieht man vom schneeweißen Traumstrand  an der Südwestküste ab, erblickt man nur karges Gestrüpp, Steine und überall herumflitzende Echsen. In der Mitte der Insel steht ein verlassener, aber dadurch auch absolut pittoresker Leuchtturm, dahinter liegen zwei Schiffswracks am Strand. Dazu peitscht das Meer gegen die felsige Küste, dass das Wasser meterweit hochspritzt. Das Ganze Schauspiel findet unter der sengenden Sonne statt, wodurch eine irgendwie krasse Atmosphäre entsteht. Und ordentlicher Schweißfluss. Man mag sich nicht ausmalen, was die Sklaven hier früher ausgestanden hatten, die nach mehrwöchiger Überfahrt erstmal vier Wochen zur Quarantäne hier verbringen mussten.

Zur Abkühlung retteten wir im unfassbar türkisen Wasser erstmal eine verletzte Meeresschildkröte, die von einer Bootsschraube getroffen und dadurch einen Riss im Panzer hatte. Unser Tourleiter hatte diese vor einigen Tagen entdeckt und wollte sie heute fangen, um sie mit auf die Hauptinsel zu nehmen und dort zu behandeln. Für die Suche nach ihr durfte man ihm gerne helfen, wofür man Kate und mich nicht zweimal bitten musste. Wir waren dann natürlich auch die ersten, die eine Schildkröte erblickten, war allerdings nicht dir richtige. Trotzdem konnte die Mission nach relativ kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden. Welch gute Tat. Das BBQ (im Preis inbegriffen) hatten wir uns redlich verdient. Endlich einfach in sich reinschaufeln. Ganz stolz brüstetr ich mich vor Kate, was ich ja für ein geiler Typ bin, da es tatsächlich mein erstes nicht vegetarisches Essen des Urlaubs war. Und während ich so weiter vor mich hinschwadronierte, und – völlig zu Recht und ernstgemeint – übertriebenen Fleischkonsum und Massentierhaltung anprangerte, holte ich mir meinen Nachschlagteller vom Buffet, dessen einzige nicht carnivore Komponente die Cocktailsauce war. Was ein Typ. Fire pon a Deadas!  

Der Rest des Ausfluges ist schnell abgehandelt: Chillen, Lesen (Schande über mein Haupt: ENDLICH kam ich mal dazu, Tim Parks‘ „Eine Saison mit Verona“ zu lesen), Planschen, mit Schildis schnorcheln, auf so einer Matte im Wasser herumtollen und massenhaft Cola in uns reinschütten. War ja im Preis inbegriffen. Auf der Rückfahrt verdünnte Kate die braune Zuckerflüssigkeit mit einer anderen, alkoholhaltigen braunen Zuckerflüssigkeit, was den Geschmack stark aufwertete, während ich die Reste vom Buffet naschen wollte, die Spare Rips durch den Wellengang aber mehr auf dem Boden als in meinem Mund verteilte. Business as usual.

Als wir um 17:00 Uhr wieder zurück waren, war nur noch die Antwort auf die Frage offen, ob der Tag denn die 100€ wert war. Einstimmiges Fazit: Aber sowas von! Wer mal hier in der Ecke ist und sich ähnliches fragt: Wir sprechen eine vollste Empfehlung für Klein Curaçao aus. Und dann waren wir auch noch absolut perfekt in der Zeit. Ohne jeglichen Zeitdruck tuckerten wir zum leider bereits gekreuzten Stadion Ergilio Hato. Heute sollte etwas mehr los sein, da galt es nicht zu trödeln. Dank meines wie immer perfekt getakteten Zeitmanagements kamen wir auch mehr als rechtzeitig an und fanden somit noch einen guten Parkplatz und eine nicht vorhandene Schlange am Kassenhäuschen vor. 15€ pro Person ärmer (billigste Kategorie!), dafür eine schön gestaltete Eintrittskarte reicher, betraten wir das bekannte Oval, in dem wir es uns diesmal in der Kurve hinter dem Tor bequem machten.

Curaçao – Costa Rica 1:2
10.000 Zuschauer (100 Ticos)
Do. 14.11.2019, Concacaf Nations League


Jup, auch der nordamerikanische Fußballverband spielt jetzt seine eigene Version der Nations League. Der Modus ist quasi analog zur europäischen Variante. Es gibt drei Ligen mit jeweils vier Gruppen. Die Gewinner der vier Gruppen der höchsten Liga (A) spielen in einem Endturnier den Gesamtsieger aus. Und um den Teilnehmer der Endrunde sollte es heute gehen. Tatsächlich konnte sich Curaçao nämlich für die A Liga qualifizieren. Für diese waren die sechs Teilnehmernationen der fünften WM Qualirunde gesetzt, die restlichen sechs Plätze wurden in einer Vorabquali ausgespielt. Und da war Curaçao wohl recht erfolgreich. Überhaupt scheint hier ein kleiner Fußballriese heranzuwachsen. Bis auf Platz 74 der Weltrangliste ist man inzwischen gestiegen. In den letzten Jahren konnte gar Titel auf Titel gewonnen werden: 2019 der hochangesehene King’s Cup in Thailand, bei dem man sich gegen Indien und Vietnam durchsetzte, sowie 2017 die letzte Edition der Karibikmeisterschaft. An dieser nahmen jedoch auch nur noch vier Teams teil. Nichtsdestotrotz scheint sich hier etwas zu bewegen, schließlich war man vor dem letzten und entscheidenden Gruppenspieltag mit fünf Punkten ungeschlagener Spitzenreiter vor dem heutigen Gegner Costa Rica und Haiti (jeweils zwei Punkte). Ergo: Bereits mit einem Unentschieden wäre das kleine Curaçao für das Final Four qualifiziert.

Bei diesem historischen Ereignis wollte gefühlt die halbe Insel dabei sein. Die oben angegebene Zuschauerzahl ist nur eine grobe Schätzung und dürfte wohl eher noch höher gewesen sein. Beste Voraussetzungen also für einen stimmungsvollen Abend. Das Publikum hatte Bock- und Durst. Die mobilen Bierverkäufer machten einen ähnlichen Umsatz wie ihre Pendants im Waldstadion, wenn MJ mal wieder Durst hat. Der Stadion-DJ spielte eine ähnlich tanzbare Musik wie am Montag, die Zuschauer nahmen diese dankend an und bewegten die wohlgeformten Hüften. Kinder spielten am Zaun Fußball oder bliesen in ihre Tröten. Und dadurch, dass sehr viele Fans ein neongrünes Oberteil trugen, ergab sich ein sehr buntes Tribünenbild, wodurch sich alles in allem eine sehr fröhliche und ausgelassene Atmosphäre ergab. Von Anspannung keine große Spur. Auffallend hingegen war, dass viele Leute ein Trikot oder Shirt mit der Nummer 22 und dem Namen Pieter trugen. Der Hintergrund ist eine tragische Geschichte. Jairzinho Pieter war der zweite Torwart der Nationalmannschaft Curaçaos. Am 10. September diesen Jahres, unmittelbar vor dem zweiten Spieltag der Nations League in Haiti, starb er an einem Herzinfarkt im Mannschaftshotel in Port-au-Prince. Sein Andenken wird seit dem hoch gehalten. Besucht man die Facebookseite des Verbandes, erhält man zwar keine Antwort auf irgendwelche Nachrichten, dafür aber viele Trauerposts an Pieter gewidmet. Trotzdem muss es immer weiter gehen. Rein aufs sportliche geblickt, hat Curaçao wenigstens trotz allem kein großes Problem zwischen den Pfosten, wird der Kasten doch von Eloy Room gehütet. Quasi ein E.Loy im Tor. Da kann ja nichts schief gehen.

Als die vom mexikanischen Schiedsrichtergespann angeführten Teams das Spielfeld betraten, tobte das Publikum. Als die Nationalhymne abgespielt wurde, sang alles voller Inbrunst mit – sogar noch eine weitere Acapellarunde. Als das Spiel schließlich angepfiffen wurde, war es plötzlich stiller als es in meinem Auto ist, wenn im Radio mal wieder Coldplay läuft. Puh. Hier ging ja gerade mal gar nichts. Das einzig lebhafte auf der Tribüne waren die weiterhin fröhlich vor sich hinspielenden Kinder. Und vom Niveau waren die auch nicht schlechter als die 22 Leute auf dem Platz. Naja gut, gelogen. Es war ja nicht mehr das Spiel vom Montag. Soweit ich das von unserem zur Spielobservierung recht ungünstigen Platz feststellen konnte, war das gar nicht so verkehrt. Das hatte schon was mit Fußball zu tun, was die größtenteils mit Legionären, von denen wiederum die meisten in den ersten drei Ligen Hollands, aber auch drei auf der Insel und sogar zwei auf der arabischen Halbinsel ihre Frikandel verdienen, so veranstalteten. Beinahe hätte die Startoffensive sogar das Publikum zurückgeholt. Ein verwandelter Elfmeter für Costa Rica nach einer Viertelstunde sorgte wieder umgehend für Ruhe, außer bei den knapp 100 Ticos auf der Gegengeraden. Mehr als Jubel kam da aber auch nicht. Doch – oh Wunder – es wurde besser. Curaçao steckte das Gegentor locker weg und spielte einfach forsch weiter nach vorne. Und zack – nur fünf Minuten nach dem Rückstand wuchtete ein Herr Rangelo Janga eine perfekte Flanke mit seiner Stirn direkt vor uns in die Maschen. Jetzt war hier was los – meine Herren. So leise es vorher auch war, glich die Lautstärke im Rund jetzt eher der in meinem Auto, wenn sich Maximilian durch Suses Telefonterror belästigt fühlt. Yes, ich habe vor kurzem die Quadratur des Kreises für mich wiederentdeckt. Ist aber für den Kontext eigentlich unerheblich. Viel wichtiger ist es, dass das Publikum zurückkam. Im Stimmungsblock auf der linken Seite der Gegentribüne wurde diverse Instrumente gespielt, gesungen und getanzt, in den anderen Bereichen eher geschrien. Das war recht cool – für drei Minuten. Und dann irgendjemand auf die Idee, die Welle anzustimmen. Und dann noch jemand. Und dann noch jemand. Jetzt hatten sie etwas gefunden, mit dem sie sich beschäftigen konnten. Keine Minute verging, in der nicht irgendwo ein Countdown gestartet wurde. Glücklicherweise war der Wellengang größtenteils ähnlich stark wie der im Wattenmeer. Bei den ganz seltenen Tsunamis wollten wir dann jedoch auch keine Spielverderber sein und hoben unsere müden Arschbacken mal etwas an. Wir sind ja nicht so.

Nach der Pause ging es eigentlich vergleichbar weiter. Einzig die Euphorie steigerte sich noch etwas. Spätestens nachdem in der 65. Minute Roberto Ricardo Blanco auf Seiten Costa Ricas des Feldes verwiesen wurde, war die Sensation zum Greifen nahe. Die Welle schaffte mal wieder eine Runde, die Leute schrien durch die Gegend und die Mannschaft erspielte sich gute Chancen. Der schöne Abend wurde leider kurz vor Schluss getrübt. Nach einem Eckball konnte Costa Rica doch noch den Siegtreffer einköpfen und begrub damit Curaçaos Hoffnung des Gruppensieges. Jetzt ging hier nichts mehr. Die letzten Angriffsbemühungen verpufften dann auch erfolglos. Schade, schade. Das war echt knapp und ich hätte es dem sympathischen Völkchen wirklich gegönnt.

Mit Abpfiff begann der Run zu den Autos. Zum Glück waren wir nicht die langsamsten, so dass wir den schlimmsten Teil des Abfahrtstaus umgingen. Eine Dreiviertelstunde später hatten wir dann auch die 10km zu unserer Unterkunft abgespult. Ich bin ja der Meinung, dass die vorab auf Google Maps angeschaute Route nicht ganz so verwinkelt war wie die tatsächlich gefahrene Strecke, aber wir kamen ja an. Hunger hatten wir keinen mehr. Die restlichen Spaghetti hoben wir uns für den letzten Abend auf. Wir mussten ja auch früh raus.

Um 6:00 Uhr morgens saßen wir längst wieder im Auto. Hier aßen wir unseren Toast mit Käse sowie den mit Erdnussbutter. Und frische Melonen. Mjami. Welch Abweichung im Plan. Kein „I got You Babe“. Auf Paradise FM durfte sich eine semitalentierte Sängerin durch die Rockgeschichte krächzen. Gesegnet mit einer mehr als dünnen Stimme vergewaltigte sie nacheinander „Hotel California“, „I want to break free“ und „Born to run“, ehe wir endlich das stark ausgeprägte Funkloch im Westen der Insel erreichten. Da wir heute eine knappe Stunde früher als sonst waren, umgingen wir auch das schlimmste Verkehrschaos, weshalb wir unser Ziel mehr als pünktlich erreichten: Den Christoffel Nationalpark. Wir wurden heute zu Bergsteigern. Der 365m hohe Christoffel ist die höchste Erhebung der Insel und kann gegen eine mal wieder nicht zu kleine Gebühr bestiegen werden. Vor 10:00 Uhr morgens. Danach ist der Aufstieg wegen der großen Hitze verboten. Als wir nach einer Stunde schweißtreibender Kraxelei endlich oben waren, konnten wir diese Sicherheitsmaßnahme voll und ganz verstehen. Und trotzdem hatte es sich gelohnt. Grandiose Ausblicke, abgefahrene Vegetation, viele Vögel und Echsen – genau Kates Ding. Ich haderte hingegen mal wieder mit meiner Höhenangst und schaute lieber die Steine direkt vor mir an. Am Abgrund des Gipfels stand ich wie so oft am Abgrund der Dummheit. Oh Mann. Als wir später wieder unten ankamen, waren wir aber so was von froh, so früh aufgestanden zu sein. Mittlerweile waren es einige Gerade heißer und die wenigen jetzt noch nach oben laufenden Leute waren bereits am Fuße des Berges komplett von Schweiß bedeckt. Viel Spaß euch! Der Rest des Nationalparks ist ebenfalls einen Besuch wert, wenn man auf Ausblicke auf eine raue und felsige Küste, meterhohe und skurril geformte Kakteen und Unmengen Echsen steht. Echt abgedreht und eigentlich gar nicht so, wie man sich die Karibik vorstellt. Diese Vorstellung zeigte sich erst wieder mittags bei unserem Abschlussschnorchelgang. Alt wurden wir jedoch nicht. Wir mussten ja noch für die Weiterreise packen. Und Spaghetti mikrowellen.

Das Murmeltier ist endlich wieder im richtigen Rhythmus. Um 6:00 Uhr morgens standen wir senkrecht im Bett. Ein Toast mit Käse, einen mit Erdnussbutter. Die Schnorchelausrüstung wurde jedoch beim Rezeptionist zurückgegeben, den ich extra dafür aus dem Bett geklingelt hatte und der mich stilecht in Boxershorts bediente. Leider ohne Flamingoaufdruck. Ein letztes Mal absolvierten wir den Weg gen Westen, standen heute jedoch nicht im Stau. Wochenende. Die mobile Zeitungsverkäuferin ging trotzdem ihrem Geschäft nach. Einmal kurz gegrüßt. Man kannte sich mittlerweile. Zu den laut Werbeschildern leckersten Bäcker und bestem Sushi Laden der Insel fuhren wir auch nicht, sondern direkt zur Mietwagenabgabe. „It looks perfect“, sagte die Brokerin und zauberte mir somit ein brutales Grinsen ins Gesicht. Bei der Ausreise bekamen wir dann auch endlich den Stempel in den Pass geknallt, so dass es hochzufrieden auf den kurzen Hopser auf die westliche Nachbarinsel ging. Gude Curaçao – das war echt dushi hier (dushi: Papiamentu für süß, gut, stark etc.Vergleichbar mt „irie“). Jetzt hieß es aber erstmal: Aruba, Aruba, Ándale, mach dich aus dem Staub bevor ich handelé!

Anmerkungen:
- Wie gewohnt: Bilder folgen
- Wenn gewünscht, folgt Teil 2 mit Aruba noch. Und da wurden fast alle fußballerischen Ansprüche über Bord geworfen…

So, und wer bis hierher durchgehalten hat, wird noch mit etwas Werbung zugespamt
Wer up to date bleiben möchte, kann auch gerne auf den neuen Medien folgen:

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Instagram: oesch_tp

Und falls jemand noch mehr Lesen und fast schon old schoolmäßig ein Büchlein in der Hand halten will, kann er sich gerne melden. Da kommen wir schon ins Geschäft
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Geschafft !
Und genossen !

Herzlichen Dank für die - wieder mal - sehr lebhafte und unterhaltsame Schilderung Eurer Erlebniss.
Das macht wirklich Spaß und erweitert den Horizont,
was natürlich nicht nur den perfekten Garpunkt von Spaghetti aus der Mikrowelle angeht....

Ehrlich gesagt bewundere ich sowohl Euren Mut zum Abenteuer als auch die Leidenschaft zum
Fussball bzw. Groundhopping. Respekt dafür !
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Wahnsinns Bericht, Danke dafür
Aber ein paar Bilder wären echt toll
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Klasse Bericht mit tollen Bildern, vielen Dank!


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