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Ein Wintergedicht

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Jetzt ist ja bald Weihnachten und da sollte man etwas besinnlich werden und sich auch mal Zeit für ein Gedicht nehmen!



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Gibt es dazu ne Besprechung vom Literarischen Quartett?      

Die tiefgreifende poetische Semantik dieses akkribisch ausformulierten Erstlingswerk ist einzureihen mit so bedeutenden Werken wie den Gesamtschaffen Platons oder der Bibel!

Grüße
SGE-Reich-Ra-Papa
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also Respekt...ich würde das glatt für den Literatur-Nobelpreis vorschlagen  
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Ergreifend
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Könnte von mir sein  
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Ich habe diese anheimelnden Verse unter meinem Pseudonym "Loriot" veröffentlicht. Der eine oder andere Liebhaber anspruchsvoller Lyrik mag es schon einmal gehört haben.  

Es blaut die Nacht. Die Sternlein blinken.
Schneeflöcklein leise niedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.

Und dort, vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann' ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.

In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei der Heimespflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.

So kam sie mit sich überein:
Am Nicklausabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh',
das Häslein tat die Augen zu,

Erlegte sie - direkt von vor'n
- den Gatten über Kimm' und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase.

Und ruhet weiter süß im Dunkeln,
Derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
- was der Gemahl bisher vermied -
Behält ein Teil Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück.

Und packt zum Schluß - es geht auf vier -
die Reste in Geschenkpapier.
Da dröhnt's von fern wie Silberschellen.
Im Dorfe hört man Hunde bellen.

Wer ist's, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!

»Heh, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?«
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:

»Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
's ist alles, was ich geben kann!«
Die Silberschellen klingen leise.
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.

Im Försterhaus die Kerze brennt.
Ein Sternlein blinkt: Es ist Advent.
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miep0202 schrieb:
Ich habe diese anheimelnden Verse unter meinem Pseudonym "Loriot" veröffentlicht. Der eine oder andere Liebhaber anspruchsvoller Lyrik mag es schon einmal gehört haben.  

Es blaut die Nacht. Die Sternlein blinken.
Schneeflöcklein leise niedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.

Und dort, vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann' ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.

In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei der Heimespflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.

So kam sie mit sich überein:
Am Nicklausabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh',
das Häslein tat die Augen zu,

Erlegte sie - direkt von vor'n
- den Gatten über Kimm' und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase.

Und ruhet weiter süß im Dunkeln,
Derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
- was der Gemahl bisher vermied -
Behält ein Teil Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück.

Und packt zum Schluß - es geht auf vier -
die Reste in Geschenkpapier.
Da dröhnt's von fern wie Silberschellen.
Im Dorfe hört man Hunde bellen.

Wer ist's, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!

»Heh, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?«
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:

»Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
's ist alles, was ich geben kann!«
Die Silberschellen klingen leise.
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.

Im Försterhaus die Kerze brennt.
Ein Sternlein blinkt: Es ist Advent.


Ach ja... Klaus, das war das erste, was mir beim Stichwort "Wintergedicht" in den Sinn kam, ehe ich diesen Thread geöffnet hatte. Großartig!
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Da ich Winter sehr mit Weihnachten verbinde, habe ich auch das nachfolgende Gedicht ausgesucht. Zunächst erst einmal eine kleine Story von mir und diesem Gedicht:
Als ich vor 29 Jahren (mit 10 Jahren, erst ein halbes Jahr in Deutschland), dieses Gedicht auswendig lernen musste, konnte ich absolut nichts damit anfangen, denn bis dahin hatte ich kein  Weihnachten erlebt. Es fiel mir auch sehr schwer,  zu behalten und das Aufsagen bereitete mir erst die meisten Schwerigkeiten....
Dann kam der Heilige Abend, meine Eltern gaben alles, dass ich mit meinen Geschwistern (für sie war es auch das erste ) dieses Weihnachtsfest mit allen Sinnen erlebten und das schafften sie auch.  Wir waren verzaubert von dem Baum, von der Krippe und natürlich auch von den Geschenken.
Am zweiten Feiertag  forderte mich meine Mutter auf, dieses Gedicht nochmals aufzusagen....., ich sagte es auf,vor mir lief ein Bild ab, das Gedicht wurde lebendig, ich verfiel selbst  in eine Melancholie, denn die letzten Worte....."oh du gnadenreiche Zeit" war für mich plötzlich so nah und greifbar geworden.

Weihnachten

von Joseph von Eichendorf

Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend' geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen-
O du gnadenreiche Zeit
!


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