Das Maß, nach dem ein Jahrhundert fragt, wenn es leis sich zum Abschied anschickt, wenn es das Elendste, das Maßloseste durchlitten, wie es unserem, wie keinem andern zum traurigen Geschicke ward, ist die Frage nach der Möglichkeit eines neuen Entwurfs. Es ist nicht nur die Frage nach dem Gewesenen angemessen zu stellen, sondern die Geschichtlichkeit der Verfehlung einzugestehen, um nach dem ganz anderen Anfang, wie es schon der späte Heidegger tat, zu fragen. Denn nicht allein durch unser Verhaftetsein, durch unser Verwobensein mit dem verdrängt Vergangenen, nicht durch das bloße Andenken an die Unmöglichkeit und Trägheit des ohnmächtigen Ichs konstituiert sich jenes allgewaltige Noch-Nicht, sondern nur durch unser je eigenes Verlangen, durch die Kühnheit eines blühenden Morgens, durch eine innere, aus dem Bedrängnis erwachsene Geistigkeit. Nicht aus der kollektiven Versunkenheit in ein nichtgelebtes, herbeigesehntes Ideal vermag sich uns, den Neuen die Zeit als eine andere, doch nicht fremde zu offenbaren, sondern vielmehr sind wir die Zeit selbst, die sich uns, uns Suchenden als unbeschriebene anheimgibt. Wir haben, um mich Rilkischer Worte zu bedienen "nun, da das Jahrhundert geht", nachdem die fundamental verkrusteten, dogmatisch verbrämten Systeme als konstitutive Sinnentwürfe gescheitert, nachdem alle Festlichkeit und Adligkeit des Geistes so düster geschunden, mit Ohnmacht und Schmerzlichkeit erfüllt nicht mehr die Möglichkeit der sozialen Verantwortungslosigkeit. Das Politische, wie wir es selbst in jener wundervoll luxuriösen Nichtbeteiligung in die Sphären des Uns-nicht-betreffen-Könnens geschoben, rächt sich nun in seiner ganzen Allgewalt und Unnachgiebigkeit und wir stehen, da uns das Kollektive, das Immer-Handlungsbereit-für-Uns-sprechende von uns genommen und nur im Vergessen verblüht, in der traurigen Gegenwart der Gefahr des Verlustes der eigenen Identität. Das Politische war in allen einseitig orientierten Systemen in seiner unmittelbaren Präsenz so sehr zur absoluten und unhintergehbaren Wirklichkeit geworden, so sehr Taumel und Verdrängung, so sehr Nähe und absolute Distanz, daß die Verständigung in dieser Sphäre nie wirklich das Totale und zur Entscheidung Drängende bedeutete. Vielmehr lebten viele in der Sekurität eines Ideals, im Kollektiven, im harmonisch idyllischen Paradiese der Wohlbefindlichkeit und der Annehmlichkeiten, und sie lebten und atmeten in nichts inniger und inbrünstiger als in dieser ihrer vollkommenen Unmündigkeit, um es mit Carl Schmitt zu sagen, in einer Welt mit "allen Herrlichkeiten einer entfesselten Produktivkraft und einer ins Unendliche gesteigerten Konsumkraft".
Nichts ist vermessener, nichts entfremdet das Individuum von seiner Eigentlichkeit mehr als jene Autorität des kollektiv Gesetzten, als jenes Im-System-Verhaftetsein, als jene Selbstermächtigung des kapitalistischen wie des sozialistischen Wertzentrismus, als diese Welt des Gesichertseins und des Verstelltseins, als diese Welt der planlosen Ökonomien und Gebundenheiten, als diese Welt des unfruchtbaren Zur-Verfügung-Stehens.
So sehr auch die Dichtung mit all diesen Ideen verwoben ist, so ist doch die Sprache der Dichtung, die wir zu sprechen erhoffen, nicht annähernd die gleiche, sondern wir begehren den unglücklichen Riß, diesen produktiven Riß der Verschwendung und des In-Frage-gestellt-seins.
Nicht die Sprache der Revolutionen gilt es zu sprechen, nicht das Noch-Nicht zu dichten, ist Aufgabe des Künstlers, des Schaffenden, sondern das allgewaltige Ich aus den Dunkelkammern gilt es zu befreien, damit es eine Zukunft stifte, einen, wie es Hofmannsthal trefflich bemerkte `geistigen Raum', eine Geistigkeit, die nicht sozialistisch verordnet, nicht kategorisch vorgeprägt, nicht kapitalistisch luxuriös determiniert ist, sondern eine Geistigkeit, die in der eigenen Verantwortlichkeit erstrahlt.
So offenbart sich für uns Neue, die wir uns in eine künftige Verantwortung gestellt wissen einerseits, um es mit Stefan Zweig zu sagen "das Geheimnis des künstlerischen Schaffens" als jene Versunkenheit in die Intimität des Vorgefertigten, in die Sozialität vorheuchelnde Schicksalshaftigkeit von Systementwürfen, die immer die Erde erschüttert, die das Bestehende, das Verkommene jedoch nie befreit haben und anderseits jenes große kultivierte Individuum, jener sokratische Geist, der das Mittlere, das allzu Unentschlossene mit gewaltigen Gebärden entmündigte.
Dies nun sind die beiden Strömungen der Dichtung mit denen sich unser Neuer, unser Dichter konfrontiert sieht, sie sind ihm als Vermächtnis anheimgestellt, nach dieser sich aus der Plastizität, aus der Beweglichkeit des Mündlichen in die Materialität der Schrift gegossene Rede gilt es nunmehr zu fragen, all das Gewesene, dies Geistige aus vergangenen Zeiten Hervorgetretene erscheint in die Aufmerksamkeit unserer Beurteilung gestellt, seinen Glanz zu empfangen, seine Würde und Ewigkeit. Stets waren die Jahrhunderte von einer mächtigen Idee durchdrungen, die sich über ihren Tod hinaus, über ihr leises Vergehen durch die Schrift uns zum Andenken überliefert hat. Alles Wunderbare, alles unsere Seelen ergreifende Höhere, alles, was die versunkene Pracht einer gewesenen Zeit in uns mit tausend Feuern entzündet, all dies Zeitliche tritt vor unser lebendiges Auge, damit wir es erfahren sollen, damit wir tief darin uns verschwenden, um gleichsam durch Ewiges geadelt, Ewiges zu sein. So erahnen wir in der Schrift, die die Gewesenheit in ihrem ganzen Glanz wie in ihrer Verelendung und Absurdität das Fest des vergangenen Lebens offenbart, eine Welt, die wir ehrfürchtig und demütig in all ihren Facetten, in ihren Irrungen, in ihrem Niederen als das Fremde und doch so Eigene erfahren, die durch jene schöpferische, dämonisch zerrüttende, wie erschaffende Geistigkeit des Menschen durchwoben ihre Schicksale uns verkünden. Da ist nichts Geringes, das sich nicht lohnt, erahnt zu sein, da ist kein Dunkel, das zu durchschreiten uns Würdiges verhieße, das, wenn wir es durchleiden wollten, uns inniger und empfindsamer an unser Eigenes schmiegte, an unsere uns unbegreifliche Welt, vor der wir immerdar ehrfürchtig und trauervoll erschauern. Ein sinnerfülltes Leben, das die Gegenwärtigkeit mit seiner unendlich anmutenden Pracht und Gnade erfüllen wolle, bedurfte daher, um wirklich und wahrhaftig zu sein der Überlieferung, das das Gegenwärtige erst vollenden wollte. Erst wenn wir durch Vergangenes als Eigentliches unsere Gegenwart Erfüllendes geschritten, wenn wir das Ungeheure, die schlummernden durch uns auferstehenden Ideen mit jener leisen ahnenden Aufmerksamkeit berühren, wenn wir unsere sozialen Unstimmigkeiten durch Gewesenes, durch Blütezeiten, durch Fäulnis und Verkommenheit vervollkommnen, erscheint uns die uns unerträgliche, weil in ihrer Unmittelbarkeit geschichtslos seiende Welt von einem wahrhaften Glanz gesäumt, voll der durchdrungenen Geistigkeit und voll des Unermeßlichen, das uns durch die material gewordene Sprache, durch die Schrift verheißen.
Wonach es in der Dichtung zu fragen gilt, ist die Frage nach der Entscheidung, nach dem Entweder-Oder. Es ist in unserer Zeit, so wie Ernst Jünger es trefflich für die Freiheit ausgesprochen, bei uns zur ureigensten Gegenwart der Dichtung geworden, die letztendlich kein herrlicheres Verlangen in sich trägt als Freiheit, wenn er schreibt: "Es ist zu einer neuen Konzeption der Macht gekommen, zu starken, unmittelbaren Ballungen. Dem standzuhalten, bedarf es einer neuen Konzeption der Freiheit, die nichts zu schaffen haben kann mit den verblaßten Begriffen, die sich heute an dieses Wort knüpfen". Wollte die Dichtung am Ende unseres Jahrhunderts ihrer seherische Funktion gerecht werden, wollte sie zur persönlichen, realistischen Dichtung avancieren, die in ihrer Einmaligkeit sich als die Totale, als die Umgreifende, Existentielle zu erkennen gibt, die es vermag, die Kunst in die politische Dimension der Verantwortung zu integrieren, will diese Dichtung die freiheitlichen Banner mit ihren starken Händen tragen, dann bleibt ihr nicht die Rückbesinnung auf ein revolutionäres Ideal, auf jene Hoffnung nach Erlösung durch den anderen, sondern ihr Kampf gilt den widerstreitenden Tendenzen und jenen die Ganzheit des Ichs aufopfernden Möglichkeiten. Nicht der Sozialität des Gemeinschaftlichen als metaphysische Restgröße gilt es sich zu versprechen und zu überantworten, um letztendlich verantwortungslos zu sein, nicht diesem gesellig diffusen Raum, nicht die Flucht, wie es Schmitt kritisierte die "Flucht in den Normativismus", ist das angestrebte heroische Pathos, nicht das vollkommene Mysterium des Undefinierbaren, weil in seiner Allgemeinheit sich Entziehenden, nicht in jenem alles Einzelne nivellierende Moment darf sich die Dichtung versenken, daß sie darüber letztendlich nur revolutionär unausgegorene Nichtmöglichkeit sei, nicht Dichtung eines parteipolitisch orientierten Programms, zu einer Geselligkeit des Abgeschmackten und vorgeprägten Gedankenguts, das für alles als unhintergehbare Tatsächlichkeit proklamiert wird, darf sich die Dichtung vergeuden, sondern ihre einzige, ihre erhabene Wirklichkeit, daß sie der Freiheit diene, ist und vermag allein jene Zurückgezogenheit ins Ich. So darf es in einer Zeit der sozialen Unstimmigkeiten, in der Zeit der Depressionen dennoch nicht verwundern, daß sich trotzdem eine Vielzahl von Menschen nach sozial verfertigten Dichtungen sehnen, daß sie vielmehr durch die fatale soziale Erniedrigung, die viele immer noch erfahren und erfahren werden, nach diesen Programmen des Vorgefertigten als Erlösung aus der Ohnmacht des Alltäglichen in einen abgegrenzten Raum des Lebenkönnens sich träumen. All diese verbindet jenes Ideal, es bedeutet ihnen das Hinreißende, die Offenbarung des Nie-dagewesenen und die Erlösung schlechthin, diese Zivilreligion, die sie sich als kulturelle Blüte der Ausweglosigkeit erschaffen haben, ist die einzige Herrlichkeit, die ihnen in ihrer Dunkelheit verblieben, die das einzig Rettende ist, da die Gefahr so groß geworden. Für all jene ist diese, die soziale, revolutionäre Dichtung zum Trugbild geworden. Sie ist zur nichteinzulösenden Verheißung avanciert, da diese Dichtung in ihrem Ideal tief in ihre breiten Schatten zurückgetreten ist. Die soziale Dichtung als Entwurf eines gesellschaftlichen Raumes gebiert keine Orginalität an sich, sie ist und bleibt vielmehr ein Anstoß allein, den Weg des Noch-Nicht, denn "die Wahrheit wird erst zur ganzen Wahrheit im Prozeß der Verwirklichung", wie es Johannes R. Becher bemerkenswert berichtet.
Die Intellektuellen selbst sind in ihrer selbstgenügsamen Befindlichkeit, in der Sicherheit ihrer Ideale samt ihren kostbaren geistigen Schätzen derart in die Geselligkeit des Selbstischen geflohen, daß, der beflissen gebildete Leser allein, der sich im geistigen Raum als Wissender und Eingeweihter bewegt, wohl ihre leisen Töne vernimmt. Dieses ihr in die Einsamkeit Zurückgezogensein, diese ihre feinsinnige unter den Gebildeten, höchst gewählte und intelligente Sprache hat sie zu Sonderlingen werden lassen, zu Kündern einer neuen künftigen Zeit, in der der neue Mensch am Horizont aufleuchtet wie der neue Messias. Doch ist ihnen der wirkliche Mensch, der wahrhaftig Seiende der ganz Fremde, der banale, dessen geistiges Gewebe zu schwach, dessen Aufmerksamkeit zu leicht erschöpft, dessen Selbstzucht so unendlich schnell verbraucht, der in der Tat nichts höheres vorstellt als er es selbst einzulösen im Stande ist, zum leidlichen Phänomen ihrer Gegenwart geworden. Dieses Verzweifeltsein am real existenten nicht idealisierten Typus Mensch, dieser Verlust einer geglaubten Ganzheit, diese ganze, nichtgewollte Welt des Unfähigkeitseins, des Nicht-Vermögens, dieser Abschied vom Gewesenen hat die Geistigen, hat unsere Geistigen, unsere Adligsten entmutigt, hat ihnen den Zauber genommen, das leise Erwachen, weil sie eine Weltlichkeit vernommen, eine Weltlichkeit des Irrationalismus, weswegen sie mit ihrer gewählten wundervollen Sprache in die Verschlossenheit leise, kaum hörbar, durch `nachtverschlossene' Türen getreten, um ein Wort Trakls erklingen zu lassen. Ihre Dichtung, ihre Sprache ist die Sprache der Gelehrten geworden, der Alltäglichen, der Moralisch-richten-Wollenden, denen die Idee letztendlich den Menschen ersetzte, und die nun aus ihrer selbst erfahrenen Enttäuschung heraus allein die intellektuell sozial aufgeladene Dichtung proklamieren, diese wesenloseste aller Dichtungen.
So verbleibt unserer Zeit, und uns Zeitigenden allein jener Rückbezug auf das große, auf das wahrhaft sich aufopfernde Individuum, dessen flüchtige Umrisse kaum konturiert noch vor unserem Auge erstehen, er ist noch gänzlich unbestimmt, dieser unser wahrhaft Verborgene, dieser messianisch Künftige, der der Dichtung ihre neue Bestimmung offenbart, der gekommen ist, die tausend erloschenen Gluten lodernd zu entfachen. Sie allein vermögen das Allgewaltige, diese Einzelnen, ihnen ist, um mich nochmals der Worte Oswald Spenglers zu bedienen, ihnen ist die Dichtung "die innere Form tätigen Seins", wobei Spengler die Ethik als jene innere Form avanciert, so scheint es durchaus der Konzeption der Dichtung jener, unserer Neuen zu entsprechen, wenn er weiter schreibt: "Man wählt sie nicht, man erkennt sie nicht einmal, man tut sie nur. (...) Wo im Lebendigen Wille ist, da ist auch Ethos. Die Ethik seines Lebens wählt man nicht. Man wird als einzelnes Wesen in sie hineingeboren...". Gar allzu eng ist diese Nähe von Dichtung und Ethos, von Methode und Ziel, von dem grundlegenden alles in seinen Bann ziehenden Gedanken der Entfaltung, der Freiheit durch die erhabensten Momente der Dichtung, wie sie zu schaffen, wie sie ringend aus sich zu gebären, einzig und allein dem Dichter als ewiges Vermächtnis in Gestalt der Worte anheimgestellt ward, damit er das Unsägliche der Nationen aufrüttle, damit er den sich fremd gewordenen Einzelnen jenen Wink des Schicksals verhieße, den zu fühlen, zu spüren ihm allein nicht möglich gewesen. Doch Vorsicht ist geboten bei diesem unseren Neuen, er will nicht die Parteilichkeit, er will nur dieser Winker sein im Sturme, dieses Licht inmitten einer strumgepeitschten Nacht, dieser Herold des Aufzeigens vieler tausend Möglichkeiten. Doch was will er nicht sein, was zertrümmert alle seine Wesenheiten, seine ganze im Leben gelittene Diesseitigkeit? Er will nicht Führer sein, nicht Revolutionär im herkömmlich gewöhnlichen Sinne, danach drängt sein Trachten mitnichten, er will mit aller ihm zur Verfügung gegebenen Macht verzaubern, er will die Wirklichkeit dichten in all ihren Zerwürfnissen. Und so wird er sich den ihm Nachfolgenden verwahren mit der ganzen Kraft seiner Existenz. Stets waren und sind es Einzelne, die uns mit ihrer Orginalität das Gewesene, das Erfahrene für unsere erhabenen Geschicke wahrhaft machen. Ihr gewordenes Alleinsein, ihr tausendfaches Im-Leben-Gestorbensein, ihre nach Ewigkeit sich sehnenden Seelen verleihen ihnen Unsterblichkeit; sie sind die Lichtgewordenen, sie verheißen ein gelebtes Ideal, das so unendlich anmutet, das uns Heutigen, uns undämonischen Geistern, die alles Wahrhafte, dämonisch Gewaltige, alles titanische in seiner wundervollsten Gefahr bezähmen Wollende in die Vernichtung stellt, in diese konstruktive Vernichtung des Lebens.
Das Währende, das Sich-Bewahrende, das zur Ewigkeit sich Erhebende, dieses vollendete Allmächtige, dieses Unaussprechliche sich allem kollektiven entziehende, mithin dieses unendliche, in allem Seiende, aus allem, was ist, erstrahlende und erscheinende, alle Zeiten bestimmende Genie, dieses große Individuum allein vermag die Freiheit zu stiften, seine ihm heilige, unumstößliche, vollkommene Freiheit. Dieses große Individuum, dieses verstoßene in die Ichheit seiner Erträglichkeiten geflohene, dieser Heilige, dem sein Gewissen die Gegenwart verbietet, in deren Fesseln er sich als ein jämmerlich gedemütigtes Individuum erfährt, als ein erkranktes sich jedem Werden entweihtes, jeder Eigenheit und jedem Auferstehen zur totalen Vernichtung preisgegebenes, dieses Individuum allein vermag das Ungekannte, vermag das Leben zu dichten. Dieser Dichter, dieser Fremde und Ausgegrenzte, dieses Zwischenreich des Seins unterscheidet sich von jeglicher Sozialisation, von jeglicher Integration in die alltäglich sich vollziehenden Seinsvollzüge durch sein Unvermögen ihnen entsprechen zu wollen. Und dieses nicht entsprechen können, diese höhere, der listigen Vernunft und ihrer mächtigen Autorität sich entziehende, absolute Vernunft, diese Vernunft einer innerlichen heiligen Sozialisation, diese nicht-mechanisierbare, nichttotalitäre Vernunft ist das Gewissen einer ganzen Nation. Das Große, seinen Glanz und seine Faszination über Jahrhunderte hinweg Bewahrende, der Genius längst versunkener Zeiten erblüht in unserem Gedenken als jener heroische Geist, der das Mäßige, das Ewig-sich-wahren-wollende, das Schwächliche und Geringe, weil nicht eigene, die Glut und Inbrunst verräterischer Zungen durch die Würde seiner reinen Sprache zertrümmerte, und das Eigene so zu entfalten trachtete, wie es der Wahrheit entsprach.
Indem sich das Individuum aus dem gesellschaftlichen Raum zurückzieht, je mehr es die desolate Zerissenheit, das Chaos der Zerfahrenheit, die unwirkliche Wirklichkeit, die geglaubt postulierte Ganzheit des Daseins leugnet und in die innere Universalität eingeschlossen, das Leben jenseits der Konventionen als das Leben inmitten der Möglichkeit des Scheiternkönnens wagt, schafft es sich die ureigenste Konzeption, eröffnet es sich den Freiraum der Anerkennung des eigenen Bewußtseins. Denn nur über den Verlust der geglaubten Identität im unbewußten Fremden, in den Sphären des Verharrens und der Dumpfheit, in den Augenblicken der unhinterfragten Präsenz des eigenen Notdürftigen, in dem instinktiven Sich-Verlassen auf die Unendlichkeit und den Betrug der Massen, nur über diesen Verlust des Wohlseins und Geborgenseins, über den Verlust der Intimität des Gleichen und darum Unbestimmten, über das Unbehagen an der ewigen Wiederkehr des Belanglosen - kurzum nur über, wie es Hofmannsthal ausgesprochen hat, nur über die "Abweichung vom Allgemeinen", nur über jenen schicksalsmächtigen Schritt, nur in jenem gewaltigen Drängen, in jenem existentiellen Verlangen alles Geistige als das wahrhaft Eigene immer und immer wieder im dämonischen Kampfe zu erschaffen, um es zu verlieren, um über den Verlust, ein Neues, ein Erleseneres schöpferisch hervorzubringen, um letztendlich im Taumel des Sieges den ewigen Verlust zu feiern, den Überfluß und die Unermeßlichkeit des Schöpfertums, um sich erneut zu verschenken, um erneut aus dem Geschaffenen, aus dem Geformten, aus dem Zum-Verharren-Verdorbenen auszubrechen in eine neue ungekannte Nachdenklichkeit sich versenkend -, welche sowohl fruchtbar als auch zerstörend sich offenbart. Nur dieses Ausgestoßen und Nichtverstandensein, dieser Verzicht auf das gewordene Ich, dieses versessene dämonische Zugeständnis an die Negation des eigenen Selbst, dies ist das Groteske, das Unverortbare und das Prophetische zugleich, dies ist die wirklichkeitsverleihende Eigentlichkeit des Dichters. Und noch einmal sei Hofmannsthal für unsere Belange in Anspruch genommen, der sehr trefflich bemerkt: "Dies Suchen und Treiben und Drängen ist überall da, es manifestiert sich in jedem Wort höherer geistiger Rede, das zwischen uns hin und her geht. Es ist da ein Schwindel unter den Füßen, es bringt dies Gefährliche und Abwegige, mit Überraschungen und Zweifeln Schwangere in jede Unterhaltung, es durchsetzt die Atmosphäre mit der Ahnung, daß beständig alles möglich ist - mit diesem Knistern wie vom Zerfall ganzer Welten, diesem hahlen Heranwehen eines ewig Morgigen...".
Die ganze schale Verderbnis und Verkommenheit, dieses undenkliche Möglichkeit des Ausbruchs aus dem Bestehenden, dieser blinde Wille des Verharrens, all dies sind die ewig, jahrtausend schon bestehenden und in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit nach einer Revolution verlangenden Mißstände des Gemüts, die in unserer Zeit, um es mit Heidegger zu sagen, die in unserer dürftigen Zeit noch elendiger geworden, die um ein Höheres verkommen nach dem Noch-Nicht-da-gewesenen verlangen, die das Verkruste aufzubrechen begehren, weil sie, nach jenem alten doch immer beständigen Wahrsein sich sehnen, die um das Gewaltige des Aufbruchs und um die Nietzscheanische Bejahung ringen, weil sie, um das heiligste, um das eigene Wahrhaftigsein kämpfen.
Und vor allem geziemt es der Jugend, diesen heiligen Brunnen zu kosten. Die Künste, die Dichtung und Malerei, wie es Valéry so schön zu umschreiben suchte, als "eine Art Wesensnahrung" als die wahrhafte Ursprünglichkeit ihres Wesens zu begreifen, um daraus in ihrem Werden jene tiefe und vergängliche Glückseligkeit und Geborgenheit zu erahnen, jenes Glücklichsein jenseits der Konventionen in einem Freiraum des Überflusses und des Nicht-Gezwungenseins, in einer Welt der produktiven Illusion, die in ihrer ganzen Einmaligkeit und für viele wird dieser geschichtliche Augenblick der Identität von menschlichen und göttlichen, von wahrhaften Selbstsein sich nur aus dem Verlust begreifen lassen, darin sich das Erhabene, das Erwähltsein in seiner kurzen und unwiederbringlichen Vergänglichkeit zeigt, in jenem wahrhaft religiösen Augenblick des Verzaubertseins. Nur jene Momente der absoluten Transzendenz, jene gewaltigen Zerwürfnisse, darin sich das absolute Ich in Frage gestellt sieht, da sich die Umrisse eines festgefügten, erdhaft umschlossenen Seins verschleiern, da die unbändige, stürmische Nacht mit ihren tausend ungezählten Gebrechen die Gebärden garstiger und verschreckter erscheinen läßt, da die letzte Glut des Ichs in der tosenden Brandung des Nichtgedachten, des Schicksals zerschlägt, und alle scharfumrissenen Formen, alle Interpretationen, alles Heilsame im wirren Fieber zitternd den leisen nahenden Tod erahnen, der sich schweigend hinter all ihre Gebärden gespannt, um den schwer errrungen, dem Leben für einige wenige Stunden abgerungen fratzenhaft und vernichtend zu rauben, um den ohnehin Gequälten mit der Ganzheit jener zerrissenen Welt zu umschließen, aus der er sich mühsam erhoben, erst dann offenbart sich das messianisch-Wahrhaftige. Dieser unser Dichter, dieser endlos aus sich Schaffende, soweit ihm das Schicksal die wundervollste Gnade gereicht: Schaffen - endlos Schaffen zu können, er muß die ganze Tiefe der Finsternisse durchschritten haben; für ihn gehört dieses Scheitern zur höchsten Wirklichkeit des Wahr-sein-könnens, ja er muß sich vielmehr nach der Vernichtung sehnen, um aus dem Gestaltlosen mit der Kühnheit der Verzweiflung, sich selbst überwindend, sich als Phönix verbrennend das Ewige zu errichten. Dies Ewige meint keine Zeit, sondern er offenbart seinen Wert in der eigenen Vernichtung, denn nur aus diesem Bewußtsein heraus, aus diesem heroisch sich Auflösenden alles Gefundene, alles Liebgewordene für eine neue Wahrheit preiszugeben, aus dieser innerlichsten Ursprünglichkeit heraus vermag die Gestalt Gestalt sein, vermag der Suchende für Augenblicke nur ein Ziel zu streifen, vermag ein Lächeln lang glücklich und zufrieden sein. Nur so vermeinen wir das Geheimnis des künstlerischen Schaffens zu verstehen wie es der Dichter Rainer Maria Rilke, wie sie der Dichter des Existentiellen schrieb: "Kunstdinge sind ja immer Ergebnisse des In-Gefahr-gewesen-Seins, des in einer Erfahrung Bis-ans-Ende-gegangen-Seins (...) Je weiter man geht, desto eigener, desto persönlicher, desto einziger wird ja ein Erlebnis, und das Kunstding endlich ist die notwendige, ununterdrückbare, möglichst endgültige Aussprache dieser Einzigkeit (...) Darin liegt die ungeheure Hilfe des Kunstdings für das Leben dessen, der es machen muß -: daß es eine Zusammenfassung ist."
Jene Vereinzelten am Rande der Existenz, jene Unsichtbaren für das Maß des Gesellschaftlichen Unbekannten, sie sind die wahrhaft Politischen, die Moralischen. Diese Gestalten leuchtend und sturmbewegt, sinnig und schmerzlich verzerrt, durchglüht und beseelt von einer flammenden Idee-: in diesen lebt das Heroische, das Lebendige, das Bejahende. In ihren Gemütern verzehrt sich der sie vollkommen berauschende Wille, der sie hinforttreibt vom Geringen, vom allzu Alltäglich-Durchschnittlichen. Sie sind die Priester des Sittlichen, ihnen allein wohnet jene tiefe weltumspannende sittliche Norm inne, sie wissen ein Licht in der Dunkelheit der unerträglichen Leidlichkeit des Seins zu entzünden. Wer sind aber jene Unbekannten, die im Werden still herangereift, diese an ihr Werk Verhafteten, diese Zerschmetterer des Hergebrachten, des Allzeitgewußten, wer diese Pächter der Unruhe und des Unfriedens? Es sind die introvertierten in sich Seienden, und um ein letztes Mal Hofmannsthal hier zu erwähnen. All ihnen gemeinsam ist "der leidenschaftlich - einsame Dienst an der eigenen Seele als einziger Daseinsinhalt, einzige Pflicht, die alles aufzehrt - jener Geisteszustand des einsamen wehrlosen Deutschen, seit ihn die Revolution zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts von der Sitte, dem Herkommen, dem Väterglauben jäh losgerissen und ihm nur die schrankenlose Orgie des weltlosen Ich anheimgegeben hatte. Auch unseren Suchenden ist die Tiefe des Ich, die dunkle, eigene Seelenwallung, das einzig Gegebene, und einzige Aufgabe dieses titanische Beginnen: jenes Ganze da außen mit den bloßen zwei Händen auszureißen aus seinem Stand, den es einnimmt in der Welt scheingeistiger Ordnungen, und es mit sich hinabzureißen in die tiefere Lebenswoge und von da es wieder emporzureißen zu neuer Wirklichkeit."
Sie leben ganz in diesem mächtigen Angestoßensein, in diesem Anruf der Geschichte, und vermögen, aus der Vielgestaltigkeit, aus der Überfülle des Empfangenen mit Bedacht das Eigene tiefer in die Innerlichkeit zu führen. Sie ruhen ganz in dieser ihrer neuen Verantwortlichkeit. Es ist ihnen dieses Ringen ganz zur Wesenhaftigkeit geworden, nichts Zwanghaftes, Aufgelegtes vermeinen sie zu spüren, sondern das Alleinige steht stolz in ihren Gesichtern, erfüllt ihre glühenden Verheißung atmenden Herzen, weil sie ganz in ihrer absoluten Unsichtbarkeit für die Allgemeinheit gefordert sind, weil sie im Innern das Erdulden und Erleiden, sich quälend, um die Komposition ringend, ins Abgründige versteigen, in den Selbstverlust, in die intellektuelle Aporie, in die ganze unbegrenzte Nichtigkeit und verwirrende Vielfältigkeit, weil sie hundertmal den Tod erfahren, der sie fruchtbarer machte und erhabener, der sie tiefer in die Verantwortung für das Andere gezogen, von dem sie den Mut zur Angst, zum Verlust und zum Hoffen wie eine leise Lieb empfangen. Doch ist ihnen das Gewesene, das Empfangene nicht die vermeintlich unhinterfragbare absolute Offenbarung, ein Nichthinterfragtsein, das sie kritiklos als das modifiziert Eigene als neue ihrige gereinigte Gesinnung zu offenbaren wünschten. Vielmehr sind sie ganz in den Dingen, diese Gewordenen, diese im glühend umspannenden Geiste Erstandenen. Sie leben, diese unsere Neuen in der vollkommenen Verantwortlichkeit, nicht der kategorische Imperativ, Beengendes steht gefährlich sie von sich selbst entfremdend vor ihren Ichen, kein sie noch so lähmender allgewältig tobender, ihr ganzes Selbstbewußtsein, ihre Selbstbehauptung zertrümmernder Normativismus entschärft ihre auf der Grenze seienden Gedanken und Gefühle: ja sie atmen den Stirnerischen Geist der Auferstehung Sie sind nun, da das Jahrhundert geht, um mich nochmals Rilkischer Worte zu bedienen, jenseits aller Begrifflichkeiten, in den absoluten Freiraum der Dichtung integriert, sie leben nun, mehr als je zuvor, jene Unsrigen in der absoluten Gegenwart der Vernichtung und des Spotts sich Befindlichen, vor dem allgegenwärtigen Abgrund, vor dem alles Individuelle aufzehrenden, modernen Vergessen der Gesellschaft. Sie, diese Einzelnen, sie stehen im Sturm, sie entfachen die Gluten, die das Bestehende als das Überholte, als magische Täuschung entblößt, und als Zwischenreich des schönen Scheins vernichtend destruiert.
Um diese, ihre Eigentlichkeit zu leben, um aus dem Verborgenen heraus das Desolate, das Bürgerlich-Besonnene, das krude System der verschleierten Nichtigkeiten, das psychologisch raffinierteste Wertsystem, all dieses Äußerliche mit Allgewalt das Menschliche Herabwürdigende, all diesen Ballast muß der im Verborgen Seiende, muß der Unsrige, um eine heilige Ordnung eine unendliche Freiheit leuchtend zu errichten, das Zerklüftete überwindend als eine Ganzheit im Geiste, als der neue Dämon vernichten. Denn nur aus der Konzeption des Ichs, aus der Souveränität des sich selbst entwerfenden Ichs, nur aus dieser höchsten Möglichkeit des eigenen Entwurfs vermag des Individuum letztendlich ein Religiöses zu sein, vermag die Misere heroisch zu zertrümmern, sich ans Fremde, ans Leibliche, nicht Geistige zu verschenken, um zu sein, wie jenes, um in jenem Anderen Totalität zu sein, kreative Vernichtung und Vorbild: denn nur dieser sich selbst durchleidene Geist, dieser Aufrührer wird Fleisch und Leben, wird Anfang und Ende, wird am Ende unseres Jahrhunderts politisch.
Ich glaube der wird hier nicht mehr lange rumgeistern, wird wohl mitkriegen das sich alle über ihn lustig machen. Aber ich muß schon sagen das seine statemants teilweise großen unterhaltungswert in ihrer naivität besitzen. War schon lustig zu lesen sein WoW-Thread
was habt ihr alle?was ihr von mir denkt?soll mir schnuppe sein,ich muss mich vor euch nicht beweisen,und des mit dem reim...oh man, des war ein joke! aber naja ich darf hier trotzdem rumspucken,ätsch!
eintracht!!! schrieb: was habt ihr alle?was ihr von mir denkt?soll mir schnuppe sein,ich muss mich vor euch nicht beweisen,und des mit dem reim...oh man, des war ein joke! aber naja ich darf hier trotzdem rumspucken,ätsch!
veilchen sind blau,
rosen sind rot
und eintracht auch^^!
Digger, du hast es voll drauf.
ich denken kann
Ich will mal eine kurze Interpretation wagen.
Das Maß, nach dem ein Jahrhundert fragt, wenn es leis sich zum Abschied anschickt, wenn es das Elendste, das Maßloseste durchlitten, wie es unserem, wie keinem andern zum traurigen Geschicke ward, ist die Frage nach der Möglichkeit eines neuen Entwurfs. Es ist nicht nur die Frage nach dem Gewesenen angemessen zu stellen, sondern die Geschichtlichkeit der Verfehlung einzugestehen, um nach dem ganz anderen Anfang, wie es schon der späte Heidegger tat, zu fragen. Denn nicht allein durch unser Verhaftetsein, durch unser Verwobensein mit dem verdrängt Vergangenen, nicht durch das bloße Andenken an die Unmöglichkeit und Trägheit des ohnmächtigen Ichs konstituiert sich jenes allgewaltige Noch-Nicht, sondern nur durch unser je eigenes Verlangen, durch die Kühnheit eines blühenden Morgens, durch eine innere, aus dem Bedrängnis erwachsene Geistigkeit. Nicht aus der kollektiven Versunkenheit in ein nichtgelebtes, herbeigesehntes Ideal vermag sich uns, den Neuen die Zeit als eine andere, doch nicht fremde zu offenbaren, sondern vielmehr sind wir die Zeit selbst, die sich uns, uns Suchenden als unbeschriebene anheimgibt. Wir haben, um mich Rilkischer Worte zu bedienen "nun, da das Jahrhundert geht", nachdem die fundamental verkrusteten, dogmatisch verbrämten Systeme als konstitutive Sinnentwürfe gescheitert, nachdem alle Festlichkeit und Adligkeit des Geistes so düster geschunden, mit Ohnmacht und Schmerzlichkeit erfüllt nicht mehr die Möglichkeit der sozialen Verantwortungslosigkeit. Das Politische, wie wir es selbst in jener wundervoll luxuriösen Nichtbeteiligung in die Sphären des Uns-nicht-betreffen-Könnens geschoben, rächt sich nun in seiner ganzen Allgewalt und Unnachgiebigkeit und wir stehen, da uns das Kollektive, das Immer-Handlungsbereit-für-Uns-sprechende von uns genommen und nur im Vergessen verblüht, in der traurigen Gegenwart der Gefahr des Verlustes der eigenen Identität. Das Politische war in allen einseitig orientierten Systemen in seiner unmittelbaren Präsenz so sehr zur absoluten und unhintergehbaren Wirklichkeit geworden, so sehr Taumel und Verdrängung, so sehr Nähe und absolute Distanz, daß die Verständigung in dieser Sphäre nie wirklich das Totale und zur Entscheidung Drängende bedeutete. Vielmehr lebten viele in der Sekurität eines Ideals, im Kollektiven, im harmonisch idyllischen Paradiese der Wohlbefindlichkeit und der Annehmlichkeiten, und sie lebten und atmeten in nichts inniger und inbrünstiger als in dieser ihrer vollkommenen Unmündigkeit, um es mit Carl Schmitt zu sagen, in einer Welt mit "allen Herrlichkeiten einer entfesselten Produktivkraft und einer ins Unendliche gesteigerten Konsumkraft".
Nichts ist vermessener, nichts entfremdet das Individuum von seiner Eigentlichkeit mehr als jene Autorität des kollektiv Gesetzten, als jenes Im-System-Verhaftetsein, als jene Selbstermächtigung des kapitalistischen wie des sozialistischen Wertzentrismus, als diese Welt des Gesichertseins und des Verstelltseins, als diese Welt der planlosen Ökonomien und Gebundenheiten, als diese Welt des unfruchtbaren Zur-Verfügung-Stehens.
So sehr auch die Dichtung mit all diesen Ideen verwoben ist, so ist doch die Sprache der Dichtung, die wir zu sprechen erhoffen, nicht annähernd die gleiche, sondern wir begehren den unglücklichen Riß, diesen produktiven Riß der Verschwendung und des In-Frage-gestellt-seins.
Nicht die Sprache der Revolutionen gilt es zu sprechen, nicht das Noch-Nicht zu dichten, ist Aufgabe des Künstlers, des Schaffenden, sondern das allgewaltige Ich aus den Dunkelkammern gilt es zu befreien, damit es eine Zukunft stifte, einen, wie es Hofmannsthal trefflich bemerkte `geistigen Raum', eine Geistigkeit, die nicht sozialistisch verordnet, nicht kategorisch vorgeprägt, nicht kapitalistisch luxuriös determiniert ist, sondern eine Geistigkeit, die in der eigenen Verantwortlichkeit erstrahlt.
So offenbart sich für uns Neue, die wir uns in eine künftige Verantwortung gestellt wissen einerseits, um es mit Stefan Zweig zu sagen "das Geheimnis des künstlerischen Schaffens" als jene Versunkenheit in die Intimität des Vorgefertigten, in die Sozialität vorheuchelnde Schicksalshaftigkeit von Systementwürfen, die immer die Erde erschüttert, die das Bestehende, das Verkommene jedoch nie befreit haben und anderseits jenes große kultivierte Individuum, jener sokratische Geist, der das Mittlere, das allzu Unentschlossene mit gewaltigen Gebärden entmündigte.
Dies nun sind die beiden Strömungen der Dichtung mit denen sich unser Neuer, unser Dichter konfrontiert sieht, sie sind ihm als Vermächtnis anheimgestellt, nach dieser sich aus der Plastizität, aus der Beweglichkeit des Mündlichen in die Materialität der Schrift gegossene Rede gilt es nunmehr zu fragen, all das Gewesene, dies Geistige aus vergangenen Zeiten Hervorgetretene erscheint in die Aufmerksamkeit unserer Beurteilung gestellt, seinen Glanz zu empfangen, seine Würde und Ewigkeit. Stets waren die Jahrhunderte von einer mächtigen Idee durchdrungen, die sich über ihren Tod hinaus, über ihr leises Vergehen durch die Schrift uns zum Andenken überliefert hat. Alles Wunderbare, alles unsere Seelen ergreifende Höhere, alles, was die versunkene Pracht einer gewesenen Zeit in uns mit tausend Feuern entzündet, all dies Zeitliche tritt vor unser lebendiges Auge, damit wir es erfahren sollen, damit wir tief darin uns verschwenden, um gleichsam durch Ewiges geadelt, Ewiges zu sein. So erahnen wir in der Schrift, die die Gewesenheit in ihrem ganzen Glanz wie in ihrer Verelendung und Absurdität das Fest des vergangenen Lebens offenbart, eine Welt, die wir ehrfürchtig und demütig in all ihren Facetten, in ihren Irrungen, in ihrem Niederen als das Fremde und doch so Eigene erfahren, die durch jene schöpferische, dämonisch zerrüttende, wie erschaffende Geistigkeit des Menschen durchwoben ihre Schicksale uns verkünden. Da ist nichts Geringes, das sich nicht lohnt, erahnt zu sein, da ist kein Dunkel, das zu durchschreiten uns Würdiges verhieße, das, wenn wir es durchleiden wollten, uns inniger und empfindsamer an unser Eigenes schmiegte, an unsere uns unbegreifliche Welt, vor der wir immerdar ehrfürchtig und trauervoll erschauern. Ein sinnerfülltes Leben, das die Gegenwärtigkeit mit seiner unendlich anmutenden Pracht und Gnade erfüllen wolle, bedurfte daher, um wirklich und wahrhaftig zu sein der Überlieferung, das das Gegenwärtige erst vollenden wollte. Erst wenn wir durch Vergangenes als Eigentliches unsere Gegenwart Erfüllendes geschritten, wenn wir das Ungeheure, die schlummernden durch uns auferstehenden Ideen mit jener leisen ahnenden Aufmerksamkeit berühren, wenn wir unsere sozialen Unstimmigkeiten durch Gewesenes, durch Blütezeiten, durch Fäulnis und Verkommenheit vervollkommnen, erscheint uns die uns unerträgliche, weil in ihrer Unmittelbarkeit geschichtslos seiende Welt von einem wahrhaften Glanz gesäumt, voll der durchdrungenen Geistigkeit und voll des Unermeßlichen, das uns durch die material gewordene Sprache, durch die Schrift verheißen.
Wonach es in der Dichtung zu fragen gilt, ist die Frage nach der Entscheidung, nach dem Entweder-Oder. Es ist in unserer Zeit, so wie Ernst Jünger es trefflich für die Freiheit ausgesprochen, bei uns zur ureigensten Gegenwart der Dichtung geworden, die letztendlich kein herrlicheres Verlangen in sich trägt als Freiheit, wenn er schreibt: "Es ist zu einer neuen Konzeption der Macht gekommen, zu starken, unmittelbaren Ballungen. Dem standzuhalten, bedarf es einer neuen Konzeption der Freiheit, die nichts zu schaffen haben kann mit den verblaßten Begriffen, die sich heute an dieses Wort knüpfen". Wollte die Dichtung am Ende unseres Jahrhunderts ihrer seherische Funktion gerecht werden, wollte sie zur persönlichen, realistischen Dichtung avancieren, die in ihrer Einmaligkeit sich als die Totale, als die Umgreifende, Existentielle zu erkennen gibt, die es vermag, die Kunst in die politische Dimension der Verantwortung zu integrieren, will diese Dichtung die freiheitlichen Banner mit ihren starken Händen tragen, dann bleibt ihr nicht die Rückbesinnung auf ein revolutionäres Ideal, auf jene Hoffnung nach Erlösung durch den anderen, sondern ihr Kampf gilt den widerstreitenden Tendenzen und jenen die Ganzheit des Ichs aufopfernden Möglichkeiten. Nicht der Sozialität des Gemeinschaftlichen als metaphysische Restgröße gilt es sich zu versprechen und zu überantworten, um letztendlich verantwortungslos zu sein, nicht diesem gesellig diffusen Raum, nicht die Flucht, wie es Schmitt kritisierte die "Flucht in den Normativismus", ist das angestrebte heroische Pathos, nicht das vollkommene Mysterium des Undefinierbaren, weil in seiner Allgemeinheit sich Entziehenden, nicht in jenem alles Einzelne nivellierende Moment darf sich die Dichtung versenken, daß sie darüber letztendlich nur revolutionär unausgegorene Nichtmöglichkeit sei, nicht Dichtung eines parteipolitisch orientierten Programms, zu einer Geselligkeit des Abgeschmackten und vorgeprägten Gedankenguts, das für alles als unhintergehbare Tatsächlichkeit proklamiert wird, darf sich die Dichtung vergeuden, sondern ihre einzige, ihre erhabene Wirklichkeit, daß sie der Freiheit diene, ist und vermag allein jene Zurückgezogenheit ins Ich. So darf es in einer Zeit der sozialen Unstimmigkeiten, in der Zeit der Depressionen dennoch nicht verwundern, daß sich trotzdem eine Vielzahl von Menschen nach sozial verfertigten Dichtungen sehnen, daß sie vielmehr durch die fatale soziale Erniedrigung, die viele immer noch erfahren und erfahren werden, nach diesen Programmen des Vorgefertigten als Erlösung aus der Ohnmacht des Alltäglichen in einen abgegrenzten Raum des Lebenkönnens sich träumen. All diese verbindet jenes Ideal, es bedeutet ihnen das Hinreißende, die Offenbarung des Nie-dagewesenen und die Erlösung schlechthin, diese Zivilreligion, die sie sich als kulturelle Blüte der Ausweglosigkeit erschaffen haben, ist die einzige Herrlichkeit, die ihnen in ihrer Dunkelheit verblieben, die das einzig Rettende ist, da die Gefahr so groß geworden. Für all jene ist diese, die soziale, revolutionäre Dichtung zum Trugbild geworden. Sie ist zur nichteinzulösenden Verheißung avanciert, da diese Dichtung in ihrem Ideal tief in ihre breiten Schatten zurückgetreten ist. Die soziale Dichtung als Entwurf eines gesellschaftlichen Raumes gebiert keine Orginalität an sich, sie ist und bleibt vielmehr ein Anstoß allein, den Weg des Noch-Nicht, denn "die Wahrheit wird erst zur ganzen Wahrheit im Prozeß der Verwirklichung", wie es Johannes R. Becher bemerkenswert berichtet.
Die Intellektuellen selbst sind in ihrer selbstgenügsamen Befindlichkeit, in der Sicherheit ihrer Ideale samt ihren kostbaren geistigen Schätzen derart in die Geselligkeit des Selbstischen geflohen, daß, der beflissen gebildete Leser allein, der sich im geistigen Raum als Wissender und Eingeweihter bewegt, wohl ihre leisen Töne vernimmt. Dieses ihr in die Einsamkeit Zurückgezogensein, diese ihre feinsinnige unter den Gebildeten, höchst gewählte und intelligente Sprache hat sie zu Sonderlingen werden lassen, zu Kündern einer neuen künftigen Zeit, in der der neue Mensch am Horizont aufleuchtet wie der neue Messias. Doch ist ihnen der wirkliche Mensch, der wahrhaftig Seiende der ganz Fremde, der banale, dessen geistiges Gewebe zu schwach, dessen Aufmerksamkeit zu leicht erschöpft, dessen Selbstzucht so unendlich schnell verbraucht, der in der Tat nichts höheres vorstellt als er es selbst einzulösen im Stande ist, zum leidlichen Phänomen ihrer Gegenwart geworden. Dieses Verzweifeltsein am real existenten nicht idealisierten Typus Mensch, dieser Verlust einer geglaubten Ganzheit, diese ganze, nichtgewollte Welt des Unfähigkeitseins, des Nicht-Vermögens, dieser Abschied vom Gewesenen hat die Geistigen, hat unsere Geistigen, unsere Adligsten entmutigt, hat ihnen den Zauber genommen, das leise Erwachen, weil sie eine Weltlichkeit vernommen, eine Weltlichkeit des Irrationalismus, weswegen sie mit ihrer gewählten wundervollen Sprache in die Verschlossenheit leise, kaum hörbar, durch `nachtverschlossene' Türen getreten, um ein Wort Trakls erklingen zu lassen. Ihre Dichtung, ihre Sprache ist die Sprache der Gelehrten geworden, der Alltäglichen, der Moralisch-richten-Wollenden, denen die Idee letztendlich den Menschen ersetzte, und die nun aus ihrer selbst erfahrenen Enttäuschung heraus allein die intellektuell sozial aufgeladene Dichtung proklamieren, diese wesenloseste aller Dichtungen.
So verbleibt unserer Zeit, und uns Zeitigenden allein jener Rückbezug auf das große, auf das wahrhaft sich aufopfernde Individuum, dessen flüchtige Umrisse kaum konturiert noch vor unserem Auge erstehen, er ist noch gänzlich unbestimmt, dieser unser wahrhaft Verborgene, dieser messianisch Künftige, der der Dichtung ihre neue Bestimmung offenbart, der gekommen ist, die tausend erloschenen Gluten lodernd zu entfachen. Sie allein vermögen das Allgewaltige, diese Einzelnen, ihnen ist, um mich nochmals der Worte Oswald Spenglers zu bedienen, ihnen ist die Dichtung "die innere Form tätigen Seins", wobei Spengler die Ethik als jene innere Form avanciert, so scheint es durchaus der Konzeption der Dichtung jener, unserer Neuen zu entsprechen, wenn er weiter schreibt: "Man wählt sie nicht, man erkennt sie nicht einmal, man tut sie nur. (...) Wo im Lebendigen Wille ist, da ist auch Ethos. Die Ethik seines Lebens wählt man nicht. Man wird als einzelnes Wesen in sie hineingeboren...". Gar allzu eng ist diese Nähe von Dichtung und Ethos, von Methode und Ziel, von dem grundlegenden alles in seinen Bann ziehenden Gedanken der Entfaltung, der Freiheit durch die erhabensten Momente der Dichtung, wie sie zu schaffen, wie sie ringend aus sich zu gebären, einzig und allein dem Dichter als ewiges Vermächtnis in Gestalt der Worte anheimgestellt ward, damit er das Unsägliche der Nationen aufrüttle, damit er den sich fremd gewordenen Einzelnen jenen Wink des Schicksals verhieße, den zu fühlen, zu spüren ihm allein nicht möglich gewesen. Doch Vorsicht ist geboten bei diesem unseren Neuen, er will nicht die Parteilichkeit, er will nur dieser Winker sein im Sturme, dieses Licht inmitten einer strumgepeitschten Nacht, dieser Herold des Aufzeigens vieler tausend Möglichkeiten. Doch was will er nicht sein, was zertrümmert alle seine Wesenheiten, seine ganze im Leben gelittene Diesseitigkeit? Er will nicht Führer sein, nicht Revolutionär im herkömmlich gewöhnlichen Sinne, danach drängt sein Trachten mitnichten, er will mit aller ihm zur Verfügung gegebenen Macht verzaubern, er will die Wirklichkeit dichten in all ihren Zerwürfnissen. Und so wird er sich den ihm Nachfolgenden verwahren mit der ganzen Kraft seiner Existenz. Stets waren und sind es Einzelne, die uns mit ihrer Orginalität das Gewesene, das Erfahrene für unsere erhabenen Geschicke wahrhaft machen. Ihr gewordenes Alleinsein, ihr tausendfaches Im-Leben-Gestorbensein, ihre nach Ewigkeit sich sehnenden Seelen verleihen ihnen Unsterblichkeit; sie sind die Lichtgewordenen, sie verheißen ein gelebtes Ideal, das so unendlich anmutet, das uns Heutigen, uns undämonischen Geistern, die alles Wahrhafte, dämonisch Gewaltige, alles titanische in seiner wundervollsten Gefahr bezähmen Wollende in die Vernichtung stellt, in diese konstruktive Vernichtung des Lebens.
Das Währende, das Sich-Bewahrende, das zur Ewigkeit sich Erhebende, dieses vollendete Allmächtige, dieses Unaussprechliche sich allem kollektiven entziehende, mithin dieses unendliche, in allem Seiende, aus allem, was ist, erstrahlende und erscheinende, alle Zeiten bestimmende Genie, dieses große Individuum allein vermag die Freiheit zu stiften, seine ihm heilige, unumstößliche, vollkommene Freiheit. Dieses große Individuum, dieses verstoßene in die Ichheit seiner Erträglichkeiten geflohene, dieser Heilige, dem sein Gewissen die Gegenwart verbietet, in deren Fesseln er sich als ein jämmerlich gedemütigtes Individuum erfährt, als ein erkranktes sich jedem Werden entweihtes, jeder Eigenheit und jedem Auferstehen zur totalen Vernichtung preisgegebenes, dieses Individuum allein vermag das Ungekannte, vermag das Leben zu dichten. Dieser Dichter, dieser Fremde und Ausgegrenzte, dieses Zwischenreich des Seins unterscheidet sich von jeglicher Sozialisation, von jeglicher Integration in die alltäglich sich vollziehenden Seinsvollzüge durch sein Unvermögen ihnen entsprechen zu wollen. Und dieses nicht entsprechen können, diese höhere, der listigen Vernunft und ihrer mächtigen Autorität sich entziehende, absolute Vernunft, diese Vernunft einer innerlichen heiligen Sozialisation, diese nicht-mechanisierbare, nichttotalitäre Vernunft ist das Gewissen einer ganzen Nation. Das Große, seinen Glanz und seine Faszination über Jahrhunderte hinweg Bewahrende, der Genius längst versunkener Zeiten erblüht in unserem Gedenken als jener heroische Geist, der das Mäßige, das Ewig-sich-wahren-wollende, das Schwächliche und Geringe, weil nicht eigene, die Glut und Inbrunst verräterischer Zungen durch die Würde seiner reinen Sprache zertrümmerte, und das Eigene so zu entfalten trachtete, wie es der Wahrheit entsprach.
Indem sich das Individuum aus dem gesellschaftlichen Raum zurückzieht, je mehr es die desolate Zerissenheit, das Chaos der Zerfahrenheit, die unwirkliche Wirklichkeit, die geglaubt postulierte Ganzheit des Daseins leugnet und in die innere Universalität eingeschlossen, das Leben jenseits der Konventionen als das Leben inmitten der Möglichkeit des Scheiternkönnens wagt, schafft es sich die ureigenste Konzeption, eröffnet es sich den Freiraum der Anerkennung des eigenen Bewußtseins. Denn nur über den Verlust der geglaubten Identität im unbewußten Fremden, in den Sphären des Verharrens und der Dumpfheit, in den Augenblicken der unhinterfragten Präsenz des eigenen Notdürftigen, in dem instinktiven Sich-Verlassen auf die Unendlichkeit und den Betrug der Massen, nur über diesen Verlust des Wohlseins und Geborgenseins, über den Verlust der Intimität des Gleichen und darum Unbestimmten, über das Unbehagen an der ewigen Wiederkehr des Belanglosen - kurzum nur über, wie es Hofmannsthal ausgesprochen hat, nur über die "Abweichung vom Allgemeinen", nur über jenen schicksalsmächtigen Schritt, nur in jenem gewaltigen Drängen, in jenem existentiellen Verlangen alles Geistige als das wahrhaft Eigene immer und immer wieder im dämonischen Kampfe zu erschaffen, um es zu verlieren, um über den Verlust, ein Neues, ein Erleseneres schöpferisch hervorzubringen, um letztendlich im Taumel des Sieges den ewigen Verlust zu feiern, den Überfluß und die Unermeßlichkeit des Schöpfertums, um sich erneut zu verschenken, um erneut aus dem Geschaffenen, aus dem Geformten, aus dem Zum-Verharren-Verdorbenen auszubrechen in eine neue ungekannte Nachdenklichkeit sich versenkend -, welche sowohl fruchtbar als auch zerstörend sich offenbart. Nur dieses Ausgestoßen und Nichtverstandensein, dieser Verzicht auf das gewordene Ich, dieses versessene dämonische Zugeständnis an die Negation des eigenen Selbst, dies ist das Groteske, das Unverortbare und das Prophetische zugleich, dies ist die wirklichkeitsverleihende Eigentlichkeit des Dichters. Und noch einmal sei Hofmannsthal für unsere Belange in Anspruch genommen, der sehr trefflich bemerkt: "Dies Suchen und Treiben und Drängen ist überall da, es manifestiert sich in jedem Wort höherer geistiger Rede, das zwischen uns hin und her geht. Es ist da ein Schwindel unter den Füßen, es bringt dies Gefährliche und Abwegige, mit Überraschungen und Zweifeln Schwangere in jede Unterhaltung, es durchsetzt die Atmosphäre mit der Ahnung, daß beständig alles möglich ist - mit diesem Knistern wie vom Zerfall ganzer Welten, diesem hahlen Heranwehen eines ewig Morgigen...".
Die ganze schale Verderbnis und Verkommenheit, dieses undenkliche Möglichkeit des Ausbruchs aus dem Bestehenden, dieser blinde Wille des Verharrens, all dies sind die ewig, jahrtausend schon bestehenden und in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit nach einer Revolution verlangenden Mißstände des Gemüts, die in unserer Zeit, um es mit Heidegger zu sagen, die in unserer dürftigen Zeit noch elendiger geworden, die um ein Höheres verkommen nach dem Noch-Nicht-da-gewesenen verlangen, die das Verkruste aufzubrechen begehren, weil sie, nach jenem alten doch immer beständigen Wahrsein sich sehnen, die um das Gewaltige des Aufbruchs und um die Nietzscheanische Bejahung ringen, weil sie, um das heiligste, um das eigene Wahrhaftigsein kämpfen.
Und vor allem geziemt es der Jugend, diesen heiligen Brunnen zu kosten. Die Künste, die Dichtung und Malerei, wie es Valéry so schön zu umschreiben suchte, als "eine Art Wesensnahrung" als die wahrhafte Ursprünglichkeit ihres Wesens zu begreifen, um daraus in ihrem Werden jene tiefe und vergängliche Glückseligkeit und Geborgenheit zu erahnen, jenes Glücklichsein jenseits der Konventionen in einem Freiraum des Überflusses und des Nicht-Gezwungenseins, in einer Welt der produktiven Illusion, die in ihrer ganzen Einmaligkeit und für viele wird dieser geschichtliche Augenblick der Identität von menschlichen und göttlichen, von wahrhaften Selbstsein sich nur aus dem Verlust begreifen lassen, darin sich das Erhabene, das Erwähltsein in seiner kurzen und unwiederbringlichen Vergänglichkeit zeigt, in jenem wahrhaft religiösen Augenblick des Verzaubertseins. Nur jene Momente der absoluten Transzendenz, jene gewaltigen Zerwürfnisse, darin sich das absolute Ich in Frage gestellt sieht, da sich die Umrisse eines festgefügten, erdhaft umschlossenen Seins verschleiern, da die unbändige, stürmische Nacht mit ihren tausend ungezählten Gebrechen die Gebärden garstiger und verschreckter erscheinen läßt, da die letzte Glut des Ichs in der tosenden Brandung des Nichtgedachten, des Schicksals zerschlägt, und alle scharfumrissenen Formen, alle Interpretationen, alles Heilsame im wirren Fieber zitternd den leisen nahenden Tod erahnen, der sich schweigend hinter all ihre Gebärden gespannt, um den schwer errrungen, dem Leben für einige wenige Stunden abgerungen fratzenhaft und vernichtend zu rauben, um den ohnehin Gequälten mit der Ganzheit jener zerrissenen Welt zu umschließen, aus der er sich mühsam erhoben, erst dann offenbart sich das messianisch-Wahrhaftige. Dieser unser Dichter, dieser endlos aus sich Schaffende, soweit ihm das Schicksal die wundervollste Gnade gereicht: Schaffen - endlos Schaffen zu können, er muß die ganze Tiefe der Finsternisse durchschritten haben; für ihn gehört dieses Scheitern zur höchsten Wirklichkeit des Wahr-sein-könnens, ja er muß sich vielmehr nach der Vernichtung sehnen, um aus dem Gestaltlosen mit der Kühnheit der Verzweiflung, sich selbst überwindend, sich als Phönix verbrennend das Ewige zu errichten. Dies Ewige meint keine Zeit, sondern er offenbart seinen Wert in der eigenen Vernichtung, denn nur aus diesem Bewußtsein heraus, aus diesem heroisch sich Auflösenden alles Gefundene, alles Liebgewordene für eine neue Wahrheit preiszugeben, aus dieser innerlichsten Ursprünglichkeit heraus vermag die Gestalt Gestalt sein, vermag der Suchende für Augenblicke nur ein Ziel zu streifen, vermag ein Lächeln lang glücklich und zufrieden sein. Nur so vermeinen wir das Geheimnis des künstlerischen Schaffens zu verstehen wie es der Dichter Rainer Maria Rilke, wie sie der Dichter des Existentiellen schrieb: "Kunstdinge sind ja immer Ergebnisse des In-Gefahr-gewesen-Seins, des in einer Erfahrung Bis-ans-Ende-gegangen-Seins (...) Je weiter man geht, desto eigener, desto persönlicher, desto einziger wird ja ein Erlebnis, und das Kunstding endlich ist die notwendige, ununterdrückbare, möglichst endgültige Aussprache dieser Einzigkeit (...) Darin liegt die ungeheure Hilfe des Kunstdings für das Leben dessen, der es machen muß -: daß es eine Zusammenfassung ist."
Jene Vereinzelten am Rande der Existenz, jene Unsichtbaren für das Maß des Gesellschaftlichen Unbekannten, sie sind die wahrhaft Politischen, die Moralischen. Diese Gestalten leuchtend und sturmbewegt, sinnig und schmerzlich verzerrt, durchglüht und beseelt von einer flammenden Idee-: in diesen lebt das Heroische, das Lebendige, das Bejahende. In ihren Gemütern verzehrt sich der sie vollkommen berauschende Wille, der sie hinforttreibt vom Geringen, vom allzu Alltäglich-Durchschnittlichen. Sie sind die Priester des Sittlichen, ihnen allein wohnet jene tiefe weltumspannende sittliche Norm inne, sie wissen ein Licht in der Dunkelheit der unerträglichen Leidlichkeit des Seins zu entzünden. Wer sind aber jene Unbekannten, die im Werden still herangereift, diese an ihr Werk Verhafteten, diese Zerschmetterer des Hergebrachten, des Allzeitgewußten, wer diese Pächter der Unruhe und des Unfriedens? Es sind die introvertierten in sich Seienden, und um ein letztes Mal Hofmannsthal hier zu erwähnen. All ihnen gemeinsam ist "der leidenschaftlich - einsame Dienst an der eigenen Seele als einziger Daseinsinhalt, einzige Pflicht, die alles aufzehrt - jener Geisteszustand des einsamen wehrlosen Deutschen, seit ihn die Revolution zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts von der Sitte, dem Herkommen, dem Väterglauben jäh losgerissen und ihm nur die schrankenlose Orgie des weltlosen Ich anheimgegeben hatte. Auch unseren Suchenden ist die Tiefe des Ich, die dunkle, eigene Seelenwallung, das einzig Gegebene, und einzige Aufgabe dieses titanische Beginnen: jenes Ganze da außen mit den bloßen zwei Händen auszureißen aus seinem Stand, den es einnimmt in der Welt scheingeistiger Ordnungen, und es mit sich hinabzureißen in die tiefere Lebenswoge und von da es wieder emporzureißen zu neuer Wirklichkeit."
Sie leben ganz in diesem mächtigen Angestoßensein, in diesem Anruf der Geschichte, und vermögen, aus der Vielgestaltigkeit, aus der Überfülle des Empfangenen mit Bedacht das Eigene tiefer in die Innerlichkeit zu führen. Sie ruhen ganz in dieser ihrer neuen Verantwortlichkeit. Es ist ihnen dieses Ringen ganz zur Wesenhaftigkeit geworden, nichts Zwanghaftes, Aufgelegtes vermeinen sie zu spüren, sondern das Alleinige steht stolz in ihren Gesichtern, erfüllt ihre glühenden Verheißung atmenden Herzen, weil sie ganz in ihrer absoluten Unsichtbarkeit für die Allgemeinheit gefordert sind, weil sie im Innern das Erdulden und Erleiden, sich quälend, um die Komposition ringend, ins Abgründige versteigen, in den Selbstverlust, in die intellektuelle Aporie, in die ganze unbegrenzte Nichtigkeit und verwirrende Vielfältigkeit, weil sie hundertmal den Tod erfahren, der sie fruchtbarer machte und erhabener, der sie tiefer in die Verantwortung für das Andere gezogen, von dem sie den Mut zur Angst, zum Verlust und zum Hoffen wie eine leise Lieb empfangen. Doch ist ihnen das Gewesene, das Empfangene nicht die vermeintlich unhinterfragbare absolute Offenbarung, ein Nichthinterfragtsein, das sie kritiklos als das modifiziert Eigene als neue ihrige gereinigte Gesinnung zu offenbaren wünschten. Vielmehr sind sie ganz in den Dingen, diese Gewordenen, diese im glühend umspannenden Geiste Erstandenen. Sie leben, diese unsere Neuen in der vollkommenen Verantwortlichkeit, nicht der kategorische Imperativ, Beengendes steht gefährlich sie von sich selbst entfremdend vor ihren Ichen, kein sie noch so lähmender allgewältig tobender, ihr ganzes Selbstbewußtsein, ihre Selbstbehauptung zertrümmernder Normativismus entschärft ihre auf der Grenze seienden Gedanken und Gefühle: ja sie atmen den Stirnerischen Geist der Auferstehung Sie sind nun, da das Jahrhundert geht, um mich nochmals Rilkischer Worte zu bedienen, jenseits aller Begrifflichkeiten, in den absoluten Freiraum der Dichtung integriert, sie leben nun, mehr als je zuvor, jene Unsrigen in der absoluten Gegenwart der Vernichtung und des Spotts sich Befindlichen, vor dem allgegenwärtigen Abgrund, vor dem alles Individuelle aufzehrenden, modernen Vergessen der Gesellschaft. Sie, diese Einzelnen, sie stehen im Sturm, sie entfachen die Gluten, die das Bestehende als das Überholte, als magische Täuschung entblößt, und als Zwischenreich des schönen Scheins vernichtend destruiert.
Um diese, ihre Eigentlichkeit zu leben, um aus dem Verborgenen heraus das Desolate, das Bürgerlich-Besonnene, das krude System der verschleierten Nichtigkeiten, das psychologisch raffinierteste Wertsystem, all dieses Äußerliche mit Allgewalt das Menschliche Herabwürdigende, all diesen Ballast muß der im Verborgen Seiende, muß der Unsrige, um eine heilige Ordnung eine unendliche Freiheit leuchtend zu errichten, das Zerklüftete überwindend als eine Ganzheit im Geiste, als der neue Dämon vernichten. Denn nur aus der Konzeption des Ichs, aus der Souveränität des sich selbst entwerfenden Ichs, nur aus dieser höchsten Möglichkeit des eigenen Entwurfs vermag des Individuum letztendlich ein Religiöses zu sein, vermag die Misere heroisch zu zertrümmern, sich ans Fremde, ans Leibliche, nicht Geistige zu verschenken, um zu sein, wie jenes, um in jenem Anderen Totalität zu sein, kreative Vernichtung und Vorbild: denn nur dieser sich selbst durchleidene Geist, dieser Aufrührer wird Fleisch und Leben, wird Anfang und Ende, wird am Ende unseres Jahrhunderts politisch.
Äh ,habe ich mich irgendwie mißverständlich ausgedrückt?
Nö,das wollte ich eigentlich auch gerade sagen.
Das esse ich nicht so gerne. Schon als Kind nicht.
Aber ich muß schon sagen das seine statemants teilweise großen unterhaltungswert in ihrer naivität besitzen.
War schon lustig zu lesen sein WoW-Thread
alter schneuber...
,-) ,-) ,-)
aber naja ich darf hier trotzdem rumspucken,ätsch!
So?
Da ist das Pinkeln in einen Aufzug am günstigsten..