Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
HeinzGründel schrieb: Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
HeinzGründel schrieb: Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
Bernd aka DasBrot aka Maxim die ...vorlage aka AK aka ich(selbst)
HeinzGründel schrieb: Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
Bernd aka DasBrot aka Maxim die ...vorlage aka AK aka ich(selbst)
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
ich(selbst) schrieb:
juherbst schrieb:
ich(selbst) schrieb:
HeinzGründel schrieb: Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
Bernd aka DasBrot aka Maxim die ...vorlage aka AK aka ich(selbst)
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
ich(selbst) schrieb:
juherbst schrieb:
ich(selbst) schrieb:
HeinzGründel schrieb: Interessantes Thema, ich hab mir auch mal ein paar Gedanken gemacht.Der Mann ist auch ein Kind, das den Mann spielt. Daran erinnert uns Pierre Bourdieu in seiner Abhandlung über Die männliche Herrschaft. Weil Männer »dazu erzogen werden, die gesellschaftlichen Spiele anzuerkennen, deren Einsatz irgendeine Form von Herrschaft ist, und weil sie sehr früh schon […] zu Herrschenden bestimmt […] werden, haben sie das zweischneidige Privileg, sich den Spielen um die Herrschaft hinzugeben«.(1) Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen. Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich. Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden. Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig. Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14). Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports. In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe: »Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.). Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken. Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport. Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht. Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen. Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
Bernd aka DasBrot aka Maxim die ...vorlage aka AK aka ich(selbst)
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
Das lässt einen an den Fußball denken. Es ist kein Zufall, dass die Klassiker der Männlichkeitsforschung immer wieder auf die Bedeutung der im 19. Jahrhundert neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten hingewiesen haben. George L. Mosse beschrieb, wie der Turnhalle oder dem Spielfeld in den jungen Nationalstaaten eine entscheidende Rolle bei der Formung des »männlichen Stereotyps« zukam und wie solche Geschlechter-Bilder fest mit der Schaffung des nationalen Subjekts verbunden waren. Der Bürger wurde in den Institutionen Schule oder Militär zum Staatsbürger und Mann erzogen (2). Auch Robert W. Connell mit seinem Konzept der »hegemonialen Männlichkeiten« verstand den Sport als einen der Hauptorte für die Definition von Männlichkeit in der entstehenden Massenkultur (3).
Der Fußball hat einen weiten Weg hinter sich: Von den elitären Public Schools zur popularkulturellen Praxis und, als Profisport, vom English Game zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart. Geblieben ist seine Verbindung zu Männlichkeit und ihren Krisen - zumindest in jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen »nationalen Sporträume« zählt (4). Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich kodiert und sahen sich Frauen meist symbolischer und realer Unterrepräsentation ausgesetzt. Mit dieser simplen Feststellung könnte man es bewenden lassen. Oder man nimmt sie zum Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen eines nur auf den ersten Blick einfachen Verhältnisses.
Ausdrucksformen »hegemonialer Männlichkeiten« bzw. nationale Stereotype des Männlichen waren veränderlich und unterschiedlich - sowohl historisch als auch regional. Gleichzeitig zählt Fußball nicht überall zu den jeweiligen Nationalsportarten, was auch seinen geschlechtlichen Bias beeinflusst. Bestes Beispiel dafür ist der fußballerische Exceptionalism der USA. Auf manchen Kontinenten ist der Fußball seit mehr als 100 Jahren institutionell und kulturell verankert. Anderswo, etwa in Ostasien, gilt er als boomende Trendsportart, für die sich auch Frauen begeistern.
Ganz prinzipiell gestaltet sich das Verhältnis von »hegemonialen Männlichkeiten« und Fußball nicht so eindeutig, wie man denken könnte. So wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die meisten Fankulturen, die lange proletarisch geprägt waren und heute nicht zuletzt durch jugendliche, »protestierende Männlichkeiten« bestimmt werden, nicht unbedingt mit jenen hegemonialen Mustern und Normbildern von Männlichkeit übereinstimmen, die aktuell gesellschaftlich dominieren (5). Dies wären vielmehr Figuren aus der Finanzwelt oder dem (Wissens-)Management. Ähnliches ließe sich für die Ebene der sportlichen Praxis, vom Amateuracker bis zur Allianz Arena ergänzen. Doch dass damit die Verbindung von Männlichkeit und Fußball grundlegend erschüttert wäre, ist nicht gesagt. Die Bezugnahme auf die scheinbar authentischen, rauen und proletarischen Milieus des Fußballs oder auf die globalen Stars dieses Sports ermöglichen es stattdessen den unterschiedlichsten Männern, sich selber »männlich zu machen« (6).
Der Fußball und speziell das Stadion ist durchaus ein Ort mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenden Gesellschaft. Dies belegt etwa die Tatsache, dass es unseres Wissens derzeit im europäischen Fußball keinen aktiven Profi gibt, der sich explizit als homosexuell geoutet hat.
Auch das Verhältnis von Staatlichkeit, Nation und »männlichem« Fußball war historisch nicht eindimensional. Trotz seiner frühen Bindung an verschiedene gesellschaftliche »Einschließungsmilieus« wurde der Fußball als populare Praxis und ZuschauerInnensport auch zu einer »freien« Zone, in der sich Männlichkeiten abseits oder sogar im Widerspruch zu »offiziellen Ideologie(n) des nationalen Staatsbürgers« konstituieren konnten (7). Der Fußball wurde nicht mehr vorrangig mit der Schule, sondern mit der Straße assoziiert. Gleichzeitig existieren auch Vorstellungen des »unpolitischen Sports«, die die Verbindungen von (nationalstaatlicher) Politik und fußballerischem Feld zwar nicht aufheben, sie aber schwerer sichtbar machen.
Ähnlich komplex erscheinen auch die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung und Professionalisierung von Organisation und Vermarktung des Fußballs für seine Rolle als »Arena der Männlichkeit«. Zwar bleiben auch die Vereinsetagen und Boardrooms jener Konzerne, die heute den medialisierten Fußballbetrieb lenken, ein Hort tatkräftiger Männlichkeit. Doch gerade was das Fußballpublikum an den Fernsehschirmen und in den Stadien betrifft, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über ein zunehmendes De-Gendering des Fußballs entwickelt. Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des KundInnenkreises. In kritischen Fandiskursen besitzt die Rede vom Kampf gegen die neuen »Konsumenten und Konsumentinnen« des Fußballs (denen etwa mangelnde Loyalität zum Verein und die ausschließliche Orientierung an sportlichem Erfolg unterstellt wird) dabei auch einen Geschlechteraspekt. Immer wieder wurde, gerade am britischen Beispiel, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnahm, auf jene Strategien der Fußballautoritäten verwiesen, friedlichere und besser kalkulierbare ZuschauerInnengruppen zum Fußball zu bringen, allen voran das sprichwörtliche »Familienpublikum« (Auch dieser Begriff zeugt nicht unbedingt von feministischen Grundsätzen bei der Definition solcher KundInnenstrategien). In den letzten Jahren fanden im Zuge der ökonomischen Transformation des Fußballs und seiner Strukturen eine Reihe von Kämpfen statt, die sich nicht zuletzt um die Frage drehten, wem dieser Sport gehöre: seinen Fans, den InvestorInnen, FunktionärInnen, den Spielern. Für viele Fans wurde die Suche nach neuen KundInnenschichten jedenfalls zu einem Inbegriff jener Praktiken, die heute vielerorts die Freiräume und autonomen Zonen der Stadien bedrohen und die Interessen jener, die in den Sport (zumindest dem eigenen Verständnis nach) die meiste Hingabe und Leidenschaft investieren, an den Rand drängen.
Betrachtet man nüchterne Zahlen des Stadion- und TV-Publikums, so relativiert sich allerdings das Bild von der Invasion der »Fußballkundinnen«. Nach wie vor bleibt das Fußballpublikum vorwiegend männlich.
Die »Professionalisierung« im Fußball auf Akteursebene kann auch als Inkorporation einer »Leitfiguration« globalisierter Männlichkeiten begriffen werden. So erscheinen die derzeitigen Kämpfe im europäischen Fußball auch als Streit unterschiedlicher Männlichkeitsmodelle: der »traditionsbewusste Fan« gegen den »Manager« und den »Tycoon« - und das auf Kosten von weiblichen Fußballfans und -sympathisantinnen, die von manchen kritischen Fans implizit zu unfreiwilligen Verbündeten der neuen Marktlogiken im Fußball erklärt werden.
Dabei würden sich aus feministischer wie demokratiepolitischer Sicht andere Allianzen anbieten: Was spricht gegen einen gemeinsamen Kampf männlicher und weiblicher LiebhaberInnen des Spiels für demokratischen und offenen Fußball, der den Fans Raum für ihre Ausdrucksmittel, ihre Leidenschaft, Solidarität und kritische Kompetenz gibt, der sich aber von jener männlichen libido dominandi, dem Verlangen zu herrschen (8), verabschiedet, die mit fußballerischen Begleiterscheinungen wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Homophobie - aber auch mit den Diskursen vom »Fußball als Ware« und damit den machtbewussten Lenkern des Fußballbusiness - verbunden ist.
Das männliche Geschlecht des Fußballs. Im Niemandsland zwischen Fußball- und Geschlechterforschung
Kritische Fußballforschung ist eine vergleichsweise junge wissenschaftliche Spezialisierung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die gesellschaftliche Banalität des Fußballs, das »offensichtlich nutzlose Spiel«(9), bei PhilosophInnen oder Kultur- und SozialwissenschafterInnen Aufmerksamkeit zu erregen vermochte (10). Vorerst aber war es Sport überhaupt, der als Projektionsfläche erkannt wurde, auf der sich alltägliche gesellschaftliche Verhältnisse, Konfliktkonstellationen und Wertstrukturen abbilden. Die soziale Realität des proletarisch konnotierten Fußballs dagegen war noch länger keines (wissenschaftlichen) Blicks würdig.
Ab Mitte der 1960er Jahre waren es moderne oder spätmoderne Klassiker der Soziologie (11), die ihr männlich gewachsenes und gehegtes Interesse an Sport in ein auch akademisch gebilligtes Forschungsanliegen übersetzten, Sport und Fußball als gesellschaftsanalytisch bemerkenswert auffassten und wissenschaftlicher Bearbeitung zuführten. Für Norbert Elias galt Fußball als gesellschaftliches Phänomen, das seine theoretische Sicht des Zivilisierungsprozesses, die historische Evidenz sukzessiver Rückdrängung physischer Gewalt zu bestätigen schien. Ihn interessierte insbesondere die Transformation wilder, fußballähnlicher Spiele im mittelalterlichen England in das zivilisierte, gewaltgezähmte Fußballspiel des 20. Jahrhunderts. Pierre Bourdieu wiederum identifizierte Sport als soziales Feld, auf dem man Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken nachzeichnen und verstehen lernen kann. Ferner deutete er Sport als Ergebnis des »wirklichen Spielens des Volkes«, das aber gegenwärtig »zum Volk zurück[kehrt] in Gestalt des fürs Volk geschaffenen Spektakels« (12).
Acht Jahrzehnte vor ihnen war bereits mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Thorstein Veblen ein Analytiker des Sportphänomens hervorgetreten, der die moderne Realität des Sports als Relikt archaischer Gesellschaften deutete und als geistlosen Ausdruck moderner Massengesellschaften oder überhaupt als »verdeckte Sinnlosigkeit« ächtete (13). Die sportbegeisterte bürgerliche Gesellschaft hatte Sport als Erziehungsmittel bürgerlicher Männlichkeit entdeckt: »Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern angeblich auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer« (14).
Auch im deutschen Sprachraum wurden Sport und Fußball - besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - zu einem regen Debattierfeld, in dem nicht selten »national-pädagogische« auf demokratische Ambitionen sowie politisch-manipulative Absichten auf gesellschafts-kritische Sportskepsis trafen. Körperliche Betätigung wurde als Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Fesseln erkannt (vgl. bürgerliche Frauenbewegung, ArbeiterInnensportbewegung), zugleich aber wurde sie auch zur geistlosen (Sport als intellektueller Entfaltung hinderlich) wie zwecklosen Tätigkeit (Körperleistung ohne Arbeitszweck) abgewertet. Schließlich wurde Sport, vor allem im anti-demokratischen und inhumanen Europa des 20. Jahrhunderts, durch totalitäre Bewegungen und Regime als Instrument der Manipulierung und Mobilisierung eingesetzt, was kritische Intellektuelle auch in der Ära des Postfaschismus noch gegen Sport einnehmen sollte.
Karl Jaspers erhoffte sich vom Massensport für die Nachkriegsjahre, dass er die »Triebe ab[lenkt]« und »eine Beruhigung der Massen [schafft]«. »Kampflust« und Sehnsucht nach »Heroismus« sollten pazifiziert werden, indem sie auf kompetitiven Sport umgelenkt werden (15). Ernst Bloch war durch die barbarische Geschichte seiner Epoche ernüchtert und versuchte sich mit Polemik von Täuschungen freizuhalten: »Nie wurde mehr Sport gewünscht, getrieben, geplant als heute, nie mehr von ihm erhofft. Er gilt als gesund, das Sportherz hat das Bierherz verdrängt. [...]. In Kauf wird genommen, dass Sport in gebliebenen bürgerlichen Zuständen oft verdummt, also schon deshalb von oben gefördert wird«. (16) Theodor W. Adorno verwies unter Berufung auf Thorstein Veblen auf die Archaik regressiver Sportleidenschaft, die er freilich auf die Verhältnisse des totalitären 20. Jahrhunderts bezog: »Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome«. (17)
Schließlich positionierten Adorno und andere VertreterInnen neomarxistischer Ideologiekritik (18) Sport im Kontext kapitalistischer Entfremdung und fetischisierten Warenscheins: »Der moderne Sport, [...], sucht dem Leib einen Teil der Funktionen zurückzugeben, welche ihm die Maschine entzogen hat« (19). Er »ähnelt« schließlich »den Leib tendenziell selber der Maschine an. Darum gehört er ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert« (20). Adorno fehlte das Vertrauen in eine humanisierende Wirkung des Sports.
In gewissem Sinne setzten Norbert Elias und Pierre Bourdieu an der Einsicht an, dass Sport im modernen Verständnis ein Produkt der Ära der Aufklärung sei. Bekanntlich haben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den historischen Vorgang der Aufklärung als dialektisches Phänomen gedeutet (21). Manchen scheint es, als ob auch moderner Sport sich auf dieser analytischen Folie aufspannen ließe:
»Einerseits finden wir im Sport den emanzipatorischen Humanismus, der sich im Ideal des ›Fair Play‹ und im Prinzip der Chancengleichheit widerspiegelt und andererseits setzt sich in der sportlichen Bewegungskultur das instrumentell-zweckrationale Denken durch, das sich im Begriff des ›Rekords‹ und im unerschütterlichen Glauben an einen unbegrenzten Leistungsfortschritt niederschlägt« (Schwier o.J.).
Eine solche Ambivalenz findet sich in fast allen ideologie- und gesellschaftskritischen Analysen, die das Phänomen modernen Sports nicht zur Gänze abwehren oder es gar als negative Projektion benutzen, sondern die auch eigene Parteilichkeit, nämlich ihre Freude am Sport, aufdecken.
Erst seit den späten 1970er Jahren hat auch Fußball durch die stärkere Zuwendung zu Popularkulturen und ihrer besonderen Bedeutung für alltägliche Bewusstseinsstrukturen - vor allem in Großbritannien - zunehmend wissenschaftliche Beachtung gefunden. Mit den Cultural Studies kamen kulturorientierte Ansätze in Verwendung, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachteten. Zentrale Themen dieser Analysen waren Fankulturen, aber etwa auch Aspekte der Medialisierung von Sport.
Eine geschlechtersensible oder gar geschlechterkritische Perspektive ist aber auch im Malestream der Cultural Studies oft ausgeblieben. Nur ausnahmsweise und das auch recht verschämt wird von FußballforscherInnen der Cultural Studies hinter die Trennwände des Geschlechts geblickt, wobei die Thematisierung des eigenen Geschlechts Männern besonders schwer zu fallen scheint. Nach wie vor geben sich selbst kritische Fußballforscher meist eher geschlechtsblind und gehen der Bestellung ihres vertrauten Geschäfts nach, nämlich männlicher Fußballanalyse. Sonderbarerweise aber blenden sie aus ihren kritischen Herrschaftsanalysen mögliche Anzeichen für Geschlechterherrschaft aus. So wie Fußball ursprünglich als überhaupt »politisch neutral« stilisiert wurde (23), wird er gegenwärtig - trotz seiner offensichtlichen Männlichkeit - als geschlechtsneutral festgeschrieben. So wie Sexismus auf Fußballplätzen kaum geächtet wird, bleibt auch Androzentrismus in der Fußballforschung häufig unbedacht.
Was aber hat andererseits die seit den späten 1980er Jahren sich entwickelnde geschlechterkritische Sozial-, Politik und Kulturforschung an einschlägigen Einsichten in die Bedeutung der männlichen Kultstätten des Fußballs sowie in den allgemeinen Trend der »Sportifizierung« (24) vorzuweisen? Interessanterweise reichlich wenig. Zum einen, weil patriarchats- und herrschaftskritische Männlichkeitsforschung (nicht zu verwechseln mit Männerforschung) trotz bemerkenswerter prominenter Ansätze und wichtiger Beiträge zu maskulinismuskritischer Sportforschung (25) im Großen und Ganzen eine Randwissenschaftsart geblieben ist. Hat sie doch im sozial- und kulturwissenschaftlichen Mainstream einen minderen Status, nicht unähnlich der maskulin genormten Welt des Berufssports, in der Frauenfußball, Jugendsport oder Behindertensport geringen oder gar keinen Stellenwert einnehmen.
Zum anderen ist »hegemoniale Männlichkeit« mittlerweile zu einer Catch-Phrase geworden. Sie wird zwar in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aufzuspüren versucht, ohne sich aber auch als anerkannte analytische Kategorie durchgesetzt zu haben. Da außerdem Gender Studies weiterhin im fast alleinigen Verantwortungsbereich von Frauen verblieben sind und sich ihr Erkenntnisinteresse eher an weiblichen Lebenszusammenhängen ausrichtet, rollt der Fußball nach wie vor an der Geschlechterforschung vorbei, sodass auch seine besondere Relevanz für die (Re-)Maskulinisierung der Geschlechterordnung unbemerkt bleibt
http://www.eintracht.de/meine_eintracht/forum/15/11153803/?page=2
Ich bin zu faul mir das alles durchzulesen, kann das mal wer zusammenfassen?
Wird das jetzt wieder so ein sinnloser ewiglange Zitate Thread?
Berndi...beantworte doch erstmal meine Frage und weich nicht ständig aus....
als brot weicht der ständig auf...
Eines wollte ich in diesem Zusammenhang noch gesagt haben: Es ist Funkels Verdienst, dass wir stehen! Meine Meinung! Fakt!
ak