>

TOR des Jahres 1993

#
Wisst Ihr noch  ,-) ...


Jörg Dahlmann, der Reporter von Sat.1 an diesem Abend im Frankfurter Waldstadion, ist kaum zu bändigen: "Liebe Zuschauer! Die Zeit für meinen Bericht ist zwar abgelaufen, aber egal. Ich zeig' ihnen dieses Tor jetzt noch hundertmal. Sollen sie mich rausschmeißen deswegen", keucht Dahlmann ins Mikrofon und schickt einen Stoßseufzer hinterher: "Das haben wir seit Libuda nicht mehr gesehen."

Es muss also Außergewöhnliches geschehen sein, an diesem 31. August 1993 im Frankfurter Waldstadion. Dabei ist es zunächst ein ganz normales Bundesligaspiel, das zwei Stunden vor Dahlmanns Ausbruch angepfiffen worden ist. Die Rollen sind klar verteilt, Spitzenreiter Eintracht Frankfurt wird wohl keine allzu große Mühe haben, den Tabellenachten Karlsruher SC daheim zu bezwingen, zu dominant und zu offensiv ist die Eintracht in den letzten Spielen aufgetreten. Überhaupt ist es erstaunlich, was für ein kompaktes und harmonisches Team Trainer Klaus Toppmöller um die launischen Solisten Maurizio Gaudino, Uwe Bein und Anthony Yeboah geformt hat.

Sicher, die Saison ist noch jung, aber wenn die Eintracht so weiterspielen würde, dann scheint alles möglich, sogar der Meistertitel. Ein Konjunktiv, der an diesem regnerischen Sommerabend schnell der Ernüchterung weicht, denn die Eintracht tut sich gegen den KSC unerwartet schwer. Zwar erarbeiten sich Gaudino und Bein einige Chancen, doch durch die vielbeinige badische Abwehr ist auf dem nassen und ein wenig rutschigen Geläuf kaum ein Durchkommen. Welch eine Erleichterung deshalb, als Bein kurz nach der Halbzeit endlich trifft, die Führung, aus der sich alles Weitere ergeben soll.

Doch schon eine knappe Viertelstunde später lassen die Eintracht-Fans wieder enttäuscht ihre Fahnen hängen, denn Karlsruhes Edgar Schmitt hat ausgeglichen und alles ist wieder offen. Nun reagiert endlich auch Klaus Toppmöller. Bereits enige Minuten vorher hat er dem jungen Augustine Okocha einen Wink gegeben und nun trabt der gerade einmal 20-jährige Nigerianer, den sie alle nur "Jay-Jay" nennen, an der Außenlinie entlang und wird nach dem Ausgleichstor sofort zur Mittellinie beordert.

In der 65. Minute schließlich, so vermeldet es der Spielberichtsbogen, kommt Okocha für den enttäuschenden Jan Furtok ins Spiel. Der neue Mann findet sofort die Bindung zu seinen Mitspielern, fügt sich ein in das nun immer sicherer werdende Kombinationsspiel. Und in der 77. Minute bereitet er mustergültig die Führung durch Uwe Bein vor. Schon jetzt hat sich seine Einwechslung gelohnt, doch der Höhepunkt des Abends steht noch bevor. Was allerdings noch nicht zu erahnen ist, denn der Gast aus Karlsruhe berennt das Frankfurter Tor, und der Gastgeber weiß sich nicht anders zu helfen, als tief gestaffelt vor dem eigenen Tor auf Fehler im badischen Powerplay zu warten und schnelle Konter zu fahren.

Dann endlich, es sind nur noch drei Minuten zu spielen, missrät dem KSC ein Abspiel, die Eintracht fährt dazwischen und schnell wird der Konter ausgespielt. Über links läuft der Angriff, Regisseur Bein ist rechts mitgelaufen, diagonal fliegt der Ball über das Feld und plötzlich steht er halbrechts im Strafraum allein vor Karlsruhes Keeper Oliver Kahn. Ein Schuss böte sich an, aber Kahn ist herausgelaufen und verkürzt geschickt den Winkel. Bein legt deshalb zurück auf den mitgelaufenen Okocha, ein Abspiel, das schon beinahe einer Kapitulation gleicht, denn nun tummeln sich auch zwei Abwehrspieler im Strafraum und der direkte Weg zum Tor ist erst einmal verbaut.

Keeper Kahn weiß das und stürzt weit aus seinem Tor heraus. Fast an der Strafraumkante steht er nun dem Ball führenden Okocha gegenüber und bringt ihn dazu, in Richtung Grundlinie zu flüchten. Was aussieht wie eine schon halb vergebene Chance, ist der Beginn eines Sololaufes, den der Kicker später als "Wahnsinnstanz" bezeichnen wird. Denn Okocha täuscht einen Schuss an und schlägt dann urplötzlich einen Haken nach links zurück in die Strafraummitte. Kahn lässt sich von Okochas wackelnder Hüfte täuschen und fliegt mit mächtigem Hechtsprung ins Leere. Nun könnte der Nigerianer schießen, aber Slaven Bilic ist inzwischen ins Tor gelaufen und so entschließt sich Okocha zum Dribbling zurück in die Strafraummitte.

Nun wird aus einer halben Chance eine gänzlich vergebene. Denn mit Bilic, Burkhard Reich und Lars Schmidt warten gleich drei Karlsruher auf den eifrigen Dribbler mit der Nummer 12, und zu allem Überfluss ist auch der düpierte Kahn schnell wieder aufgesprungen und in seinen Kasten zurückgekehrt. Doch Okocha lässt sich nicht beirren, kühn nähert er sich dem rustikalen Verteidiger Reich und weicht dessen beherztem, aber ungestümem Tackling lässig, fast arrogant aus und führt den Ball eng am Fuß, unweit des Elfmeterpunktes. Dort warten Bilic und Schmidt auf ihn, doch die Dribbelkünste Okochas scheinen sie derart beindruckt zu haben, dass sie gar nicht daran denken, ihn ernsthaft zu attackieren.

Auch Okocha wird es nun zu langweilig. Zwei schnelle Körpertäuschungen noch und dann zieht er ab. Ein trockener Linksschuss saust zwischen den beiden verdutzten Verteidigern hindurch, vorbei auch am vergeblich springenden Torhüter Kahn hinein ins lange rechte Eck des KSC-Tores. Erst jetzt weicht die atemlose Anspannung der Eintracht-Fans haltlosem Jubel. Ungläubig und freudetrunken liegen sie sich in den Armen, das Stadion tobt. Der Schütze selbst wird von den Kollegen umhalst und beglückwünscht, doch nach dem Apfiff ist bei ihm wenig zu spüren von der Euphorie über sein grandioses Tor. "Ich habe das Loch gesucht", diktiert er den Journalisten in die Notizblöcke, nicht ahnend, dass er seinen Trainer damit fast zum Herzinfarkt getrieben hätte.

"Schieß endlich, schieß, habe ich acht-, neunmal gebrüllt", erinnert sich Klaus Toppmöller nach Spielende. "Jay-Jay tanzt Oko-cha-cha" schlagzeilt am nächsten Tag in der "Bild"-Zeitung, der Nigerianer ist der Mann der Stunde. Und sein Tor macht Karriere, es wird Tor des Monats und später auch Tor des Jahres 1993. Richtig zufrieden ist Jay-Jay Okocha damit allerdings nicht: "Ich möchte auch mal normale Tore schießen, ein Schuss aus 30 Metern", sagt er. 1996 verlässt Okocha den Riederwald...

*Cha..Cha..Cha*  
#
Sach ma, wieviel Zeit hast du denn und was für ein geniales Gedächtnis. Tolles Remember!! Hab mir damals im Stadion auch das "schieß doch" aus dem Leib geschriehen.
#
forfunkel schrieb:
Sach ma, wieviel Zeit hast du denn und was für ein geniales Gedächtnis. Tolles Remember!! Hab mir damals im Stadion auch das "schieß doch" aus dem Leib geschriehen.

Naja, er hat noch was vergessen vom Spiegel abzuschreiben, da kommt am Ende noch ein Hinweis:
Fünf Haken für ein Hallelujah - Jay-Jay Okochas Solotanz durch die Karlsruher Abwehr steht zum Download bereit unter www.11freunde.de, zu finden in der "Fankurve", dann "Flimmerkiste" anklicken.
#
Hab das Video in hochauflösung vielleicht kann mir ma einer einen link zum hochladen geben am besten rapidsheare
#
Ja, das war schon ne geile Nummer damals. Der Mob hat getobt!

In Dresden hatte er auch mal ne supergeile Aktion, als er auf der rechten Seite den Ball mit der Hacke rückwärts über sich selbst und seinen Gegenspieler legte. Und anschließend hat er den Ball aus relativ spitzem Winkel und 30 Meter Entfernung noch volles Rohr auf den Kasten getreten, aber knapp verpasst. Wäre der damals rein, wäre ein weiteres "Tor des Jahres" fällig gewesen! Hat jemand die Aktion auf Video? Ein echter Knaller!
#
danke für den upload!

sehr geil, jetzt kann man sich es immer anschauen wenn mer schlecht spielen, freuen und an die guten alten zeiten denken, dann ab ins forum und erstma alles was neu is kritisieren und schlecht machen!    *ironieoff*

thx
#
miep0202 schrieb:
Ja, das war schon ne geile Nummer damals. Der Mob hat getobt!

In Dresden hatte er auch mal ne supergeile Aktion, als er auf der rechten Seite den Ball mit der Hacke rückwärts über sich selbst und seinen Gegenspieler legte. Und anschließend hat er den Ball aus relativ spitzem Winkel und 30 Meter Entfernung noch volles Rohr auf den Kasten getreten, aber knapp verpasst. Wäre der damals rein, wäre ein weiteres "Tor des Jahres" fällig gewesen! Hat jemand die Aktion auf Video? Ein echter Knaller!


Seitdem nennt eigentlich jeder diesen Hackentrick, für den es keinen Namen gab, Okocha-Trick.
Technisch war das perfekt ausgeführt. Als Gegenspieler ist sowas wohl schlimmer, als getunnelt zu werden.
#
try-dennis schrieb:

.... Ein Schuss böte sich an, aber Kahn ist herausgelaufen und verkürzt geschickt den Winkel. Bein legt deshalb zurück auf den mitgelaufenen Okocha, ein Abspiel, das schon beinahe einer Kapitulation gleicht, denn nun tummeln sich auch zwei Abwehrspieler im Strafraum und der direkte Weg zum Tor ist erst einmal verbaut.

Keeper Kahn weiß das und stürzt weit aus seinem Tor heraus. Fast an der Strafraumkante steht er nun dem Ball führenden Okocha gegenüber und bringt ihn dazu, in Richtung Grundlinie zu flüchten. Was aussieht wie eine schon halb vergebene Chance, ist der Beginn eines Sololaufes, den der Kicker später als "Wahnsinnstanz" bezeichnen wird. Denn Okocha täuscht einen Schuss an und schlägt dann urplötzlich einen Haken nach links zurück in die Strafraummitte. Kahn lässt sich von Okochas wackelnder Hüfte täuschen und fliegt mit mächtigem Hechtsprung ins Leere. Nun könnte der Nigerianer schießen, aber Slaven Bilic ist inzwischen ins Tor gelaufen und so entschließt sich Okocha zum Dribbling zurück in die Strafraummitte.

Nun wird aus einer halben Chance eine gänzlich vergebene. Denn mit Bilic, Burkhard Reich und Lars Schmidt warten gleich drei Karlsruher auf den eifrigen Dribbler mit der Nummer 12, und zu allem Überfluss ist auch der düpierte Kahn schnell wieder aufgesprungen und in seinen Kasten zurückgekehrt. Doch Okocha lässt sich nicht beirren, kühn nähert er sich dem rustikalen Verteidiger Reich und weicht dessen beherztem, aber ungestümem Tackling lässig, fast arrogant aus und führt den Ball eng am Fuß, unweit des Elfmeterpunktes. Dort warten Bilic und Schmidt auf ihn, doch die Dribbelkünste Okochas scheinen sie derart beindruckt zu haben, dass sie gar nicht daran denken, ihn ernsthaft zu attackieren.



So schön das damals auch war.....
Bitte immer die Quelle angeben, sonst entsteht eventuell der ungewollte  ,-) Eindruck, die Geschichte wäre auf dem eigenen Mist gewachsen.

Zumindest der obenstehende Teil ist aus dem Buch "Die Eintracht - Von Titelträumen und Triumphen von Abstiegsangst und Aufstiegslust" abgeschrieben, erschienen im Heinrich & Hahn Verlag 2006.
Enthält mehrere Kurzgeschichten von Eintrachtsympathisanten, -freunden aber auch -gegner. Kurzweilig zu lesen. Unter anderem ist vom Dahlmann was drin.
#
Hat Jemand das Tor in guter Qualität und dem geilen Kommantar vom Dahlmann?
#
Zeuge-Rostocks schrieb:
Hat Jemand das Tor in guter Qualität und dem geilen Kommantar vom Dahlmann?

Ich habs auf der alten Spezial VHS von SAT1 RAN "Die Fussballzauberer vom Main" 93/94. Kanns leider nicht digitalisieren. Aber würd mich auch interessieren. Vielleicht kanns ja jemand hochladen!?


Teilen