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Schön wars - und gar nicht mal so teuer

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So langsam neigt sie sich dem Ende zu: die Fifa WM 2006; die Panini-Alben sind voll und viele Teams auf die wir uns eben noch gefreut haben, sind schon wieder zuhause. Auch die Trinis, die nur ob der weibischen und völlig untypisch britischen Haarzieherei des Peter Crouch gegen England verloren haben. Ich weiß, ich bin nachtragend. Costa Rica hat es immerhin geschafft, unserer Abwehr zwei Dinger reinzusemmeln und hätten die Togolen nur etwas mehr trainiert wären sie heute noch dabei. Tja und eben wimmelten die Holländer noch durch Frankfurt, leuchtend orange in großer Vorfreude auf das Spiel der Vorrunde (im End ein mattes nullnull gegen Argentinien) und schon ist nach einem spektakulären Nulleins gegen Portugal wieder eine WM für unseren Nachbarn zu Ende Es wird viele Geschichten dieser WM geben, von LehmannnoderKahn bis hin zu den jetzt schon legendären Fähnchen. Hier ist eine davon:

Samstag, 17 Juni 2006, die Weltmeisterschaft ist in vollem Gange. Die Engländer waren schon hier, ebenso Südkorea und Togo. Frankfurt ist bunt, Fähnchen wehen an den Autos, hängen von den Fenstern herab, Justitia hat ein Schwert verloren und die ganze Veranstaltung erinnert an eine Mischung aus Love-Parade und Fasching in besseren Tagen. Wer Geschäfte machen will, macht dies auch, während sich die Stadionverbotler regelmäßig an Spieltagen bei der Polizei melden müssen und zudem Stadtverbot erteilt bekommen haben. Überall laufen die Plasmaschirme und dazu scheint die Sonne, als könne sie kein Wässerchen trüben.

Heute spielen im Stadion die Teams aus Portugal und dem Iran. Vielleicht nicht das größte Spiel dieser Tage – aber vielleicht die letzte Chance doch noch ein WM-Spiel in unserer Hütte live zu sehen. Bislang hatte ich mich nicht um WM Karten gekümmert. Zu wenig Tickets für Fans und Supporters, zu teuer, und zu seltsam das ganze dazu. Aber die Sonne wärmte den Tag, die Stimmung schon seit Tagen ausgezeichnet und was sprach dagegen, sich unser Stadion mal an einem WM Tag anzuschauen. Aus unserem Grüppchen blieben dann nur noch Pia und ich übrig, alle anderen hatten irgendwie doch keine Lust. Oder Zeit. Oder so. Wir trafen uns an der Konstablerwache, - witzigerweise hielten wir gänzlich unabhängig ein kleines Portugalfähnchen in der Hand – Stefan war da und Heinz und es gab lecker Apfelwein bis so langsam die Zeit gekommen war, sich Richtung Stadion aufzumachen. Wie gesagt, ihr hättet alle mitkommen können.

Die S-Bahn spuckte uns am Bahnhof aus, die Straßenbahn am Stadion und mit uns Iraner, Portugiesen, Frankfurter, bunt und fröhlich. „Need a ticket“ stand überall zu lesen, während sowohl unter der Unterführung als auch am Country-Kitchen Bratwurst und Bier verkauft wurde. Schwarzhändler wuselten umher, auch unser Freund schusch spähte vorsichtig nach Tickets. Irgendwann wollte jemand 150 Euro, das erschien mir dann doch ein bisschen viel – später gabs eins für Hundert – wir brauchten jedoch mindestens zwei.

Pia wartete am Ticket-Häuschen, ich eierte umher, genoss die Stimmung und hoffte auf ein Wunder, während sich der Zeitpunkt des Anstoßes langsam näherte. Schusch hatte auch noch kein Ticket. Ich dackelte zurück zum Ticket-Center – und plötzlich sahen wir eine Offizielle mit ein paar Tickets in der Hand. Die wird doch nicht ... „lass mal deinen Charme spielen“ meinte meine Begleiterin und während ich noch überlegte, wie das geht, marschierte sie schnurstracks auf die Dame zu, fragte vorsichtig, ob die Tickets dort ...
Die Frau sah uns an und meinte: „Seid ihr Freunde?“ und wir nickten wie die Kinder und bekamen zwei Karten in die Hand gedrückt. „Und was kosten die?“ fragten wir unisono. Die Dame lächelte: Nichts.

?

„Wie bitte“

Nichts, die könnt ihr haben. Viel Spaß lächelte sie.

Wir sahen uns an, konnten es nicht glauben, Pia sagte schusch noch kurz Bescheid und wir sausten los – gebremst vom chinesischen Fernsehen, welche mich um ein Interview baten. Wahrscheinlich bin ich jetzt in China das Synonym für deutsche WM-Begeisterung, während irgendwelche Journalisten dort zu Krüppeln geprügelt werden. Gott ist ein Schelm, nicht wahr?

Kurz vorm Eingang stellten wir fest, dass die Tickets sogar für zwei Plätze nebeneinander gültig waren – jetzt nur noch die Eingangskontrolle passieren, zweimal grün und los geht’s. Wir sind drin. Für lau. Wie geil. Waldstadion, Waldstadion, Waldstadion allez!

Jetzt galt es nur noch, unsere Plätze zu finden, wir flogen wie in Trance an freundlichen Ordnern vorbei, schlängelten uns durch die Absperrungen und ehe wir uns versahen, saßen wir auf unseren Plätzen.

Haupttribüne.
Vierte Reihe.
Ledersessel.

Gimme Five.

Und dies ausgerechnet als ausgewiesener WM-Kritiker. Gott ist ein Schelm, nicht wahr?

Zehn Meter vor dir trickste Christiano Ronaldo, passte Figo und versuchte Ali Karimi vergeblich die drohende Niederlage zu verhindern. Die Ostkurve war eine iranische Wand, Oberrang und Unterrang, und sie war laut. Entgegen der Prognosen waren wesentlich mehr Iranis im Stadion als Portugiesen und die Mädels keinesfalls komplett verschleiert. Im Stadion selbst war außer der Bandenwerbung relative wenig Reklame präsent, klar, wer 7 Milliarden an den Bildschirmen erreichen kann, der verzichtet gerne mal auf die knapp Fünfzig-Tausend im Stadion. Kein Eckenverhältnis wurde präsentiert, kein Gong bei Toren auf anderen Plätzen, kein Fraport-Torwand-Schießen.

Decos Fernschuss sowie ein an Figo verursachter und von C. Ronaldo verwandelter Elfer brachten schließlich die Entscheidung zu Gunsten Portugals. Wir wedelten TV-kompatibel mit unseren Fähnchen und freuten uns über jeden Moment eines Lebens, dass uns dorthin gebracht hatte, wo wir nun grade saßen. Hinter uns schlief ein anderer Haupttribünen-Besucher, während vor uns drei Jungs, die ebenfalls durch Gottes gütiger Hilfe an Tickets gekommen waren, einen Riesen Spaß hatte. Ein Iraner aus Nottingham, der auch noch ins Stadion geflutscht war, verteilte Trauben und freute sich über alles. Auch über die Tore der Portugiesen.

Auf dem Heimweg trafen wir in der Straßenbahn eine Gruppe Spanier, welche lauthals sangen und feierten – auch einen Schwarzen, der in der gleichen Bahn fuhr. [font=Comic Sans MS]Woher kommsten? Aus Togo?[/font] [font=Courier New]Ne aus Kamerun. [/font]Und schon sang der Ganze Trupp Cameroon, Cameroon, Cameroooooon. Alles grinste.

Am Bahnhof in der Müncher trafen wir noch Ossi, der aus der St. Tropez Bar gepurzelt kam. Er begleitete Pia nach Hause, während ich mich auf in die Bar machte, einige Ebbelwoi trank um nach Ghanas Sieg gegen unglückliche Tschechen leicht angeschlagen, aber glücklich nach Hause zu wanken. Das Portugal-Fähnchen wehte im lauen Sommerwind und abends rangen sich die Italiener noch ein 1:1 gegen dezimierte Amerikaner ab.


Später erfuhren wir, dass es Schusch wohl nicht gepackt hat, der Schwarzmarkt wollte noch zur Halbzeit 125 Euro für ein Ticket. Aber irgendwie hat ers dann doch noch geschafft, Tickets für ein Spiel in den Händen zu halten. Auch wenn es in Lautern ist, wie ich gehört habe
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Gott ist ein Schelm!!!
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Tolle Geschichte!!!

Das Leben hält manchmal wirklich wunderbare Überraschungen für uns bereit!

Ich wünsche euch (und mir natürlich auch  ,-) ) noch viele davon...
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In Italien 90 beim Halbfinale in Turin hatten wir dieses Glück auch. Schon seit der Nacht auf dem Parkplatz vom Stadion, stundenlang in sengender Sonne, und auch finanziell vollkommen abgebrannt. 3 Mann, aber nur 1 Karte. Dann kam das Glück in Form einer Italienerin, die meinen flehenden Ruf "Billeti!" erhörte...
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miep0202 schrieb:
In Italien 90 beim Halbfinale in Turin hatten wir dieses Glück auch. Schon seit der Nacht auf dem Parkplatz vom Stadion, stundenlang in sengender Sonne, und auch finanziell vollkommen abgebrannt. 3 Mann, aber nur 1 Karte. Dann kam das Glück in Form einer Italienerin, die meinen flehenden Ruf "Billeti!" erhörte...  




Schöne Geschichte,irgenwie fällt mir beim um " Billeti" flehenden Miep nachfolgende Liedzeile ein.


Io voglio viaggiara in Italia in paese dei limoni
Brigade Rosse e la Mafia cacciano sulla Strada del Sol.
Distruzione della Lira Gelati Motto con brio,
Tecco mecco con ragazza ecco la mamma de amore mio.
Sentimento grandioso per Italia baciato da sole calda
borsellino e vuoto totale percio mangio sempre solo.

Spaghetti Carbonara - e una Coca Cola,
Carbonara - e una Coca Cola,
Carbonara - e una Coca Cola,
Carbonara - e una Coca Cola.

Scusi, Senorina, willst du auch'n Spliff?
Oder stehst du nur auf Männer mit Schlips?
Ich habe sonst nichts was ich dir geben kann,
aber blond bin ich, is das vielleicht nix?


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