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Spieltagsthread: VfR Mannheim : Eintracht Frankfurt (Oberliga Süd, 30. Spieltag, 10. Mai 1959)

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Sonntag, 10. Mai 1958, 8.00 Uhr: Trotz seines freien Tages steht Sonny heute extra pünktlich auf. Der letzte Spieltag der Oberliga Süd steht auf dem Programm und die Frankfurter Eintracht reist zum VFR Mannheim. Seit letzter Woche sind die Adlerträger Tabellenführer der Orberliga Süd, nach dem 4:0 über den BC Augsburg hat man den großen Rivalen Kickers Offenbach überholt. Ein Sieg in Mannheim und wir wären Süddeutscher Meister.
Natürlich ist zum Saisonfinale auch Sonny dabei, fast alle Spiele der Saison 1958/59 hat der 28-jährige "Fanatiker", wie Auswärtsfahrer in den 1950er Jahren von der Presse halb liebevoll, halb verachtend genannt werden, live und vor Ort gesehen. Als Talisman zieht Sonny seinen rot-weiß quer gestreiften Matrosenpullover an, eine Fahne nimmt er nach Mannheim nicht mit. Heute wird mit Regenschirm gejubelt. Aber auch der rot-schwarz gestreifte Regenschutz zeigt ganz klar, wem Sonny die Daumen drückt. Und genutzt wird der Schirm nur zum Schwenken und eventuell zum Schatten spenden, denn in Mannheim herrschen frühsommerliche Temperaturen.
Zusammen mit Freunden geht es im schwarzen VW-Käfer los, 90 Kilometer bis zur Süddeutschen Meisterschaft. Aber Sonny und seine Kumpels sind nicht allein: "In Mannheim waren bestimmt 3.000 Eintrachtfans, die die Süddeutsche Meisterschaft feiern wollten, die ganze Autobahn war voll mit Autos, aus denen schwarz-weiße Fahnen hingen", erinnert sich Sonny noch fünfzig Jahre nach dem Spiel an die große Fahrt. Andere Fans, die in Mannheim vor Ort waren, berichten sogar von 5.000 fröhlichen Hessen und Der neue Sport schwärmt: "Über das graue Band der Autobahn zogen die langen Kolonnen von Wagen mit Frankfurter Nummern und aus den Cabriolets und Schiebedächern flatterten die schwarz-weißen Fahnen mit dem Eintrachtadler lustig und stolz im Wind."
Der Tross der Offiziellen reist relativ entspannt nach Mannheim. Die Endrundenteilnahme ist längst gesichert, damit hat sich der Verein einen erhofften Geldsegen verdient. Die Süddeutsche Meisterschaft soll im Jubiläumsjahr des 60. Bestehens das Tüpfelchen auf dem i werden. Und auch wenn die Offenbacher als Tabellenzweiter im fernen Stuttgart auf einen Ausrutscher hoffen- das lassen sich die Adlerträger nicht mehr nehmen. In der 20. Minute eröffnet Feigenspan den Torreigen, eine Flanke von Kress hebt der gute Ekko volley und gefühlvoll über den verdutzten Mannheimer Schlussmann Benzler in den Kasten. Zehn Minuten später sorgt Sztani für das 2:0, die Flanke kommt erneut vom emsigen Oldtimer Richard Kress. Aus Stuttgart kommt die vielumjubelte Kunde, dass die Offenbacher Kickers beim VFB mit 0:3 zurückliegen, jetzt kann wirklich kaum noch etwas schief gehen. Kurz nach dem Seitenwechsel kommt der VFR Mannheim zum Anschlusstreffer, Loy
kann einen kräftigen Schuss von Hofmann nur an die Latte lenken und den zurückspringenden Ball schießt Meyer zum 1:2 ein. Aber die Eintracht spielt weiter souverän, Sztani und Feigenspan haben im Abschluss Pech, als sie jeweils nur den Pfosten treffen. In der 81. Minute startet Sztani dann zu einem Triumphzug durch die Mannheimer Hintermannschaft und trifft zum 3:1 Endstand. Als an den Mannheimer Brauereien der Schlusspfiff ertönte, waren die Schlachtenbummler des neuen Süddeutschen Meisters nicht mehr zu halten. Keine ermahnenden Worte aus dem Lautsprecher, keine Barrieren und keine Platzordner konnten sie daran hindern, auf das Feld zu stürmen und ihre Lieblinge auf den Schultern im Triumphzug in die Kabinen zu tragen. Allen voran Alfred Pfaff, den Kapitän. Doch der Triumph der Eintrachtanhänger fand sein Ende nicht am Kabineneingang "er löste sich erst in Frankfurt auf", schwärmt Der neue Sport in seiner Montagsausgabe.
Sonny, der an diesem Sonntag so früh aufgestanden ist, ist derjenige, der Alfred Pfaff auf den Schultern tragen darf. "Ich bin natürlich nach Schlusspfiff auf den Platz gerannt, als ersten habe ich Alfred umarmt. Und da hab ich gesagt, 'Hopp, jetzt kommst Du auf meine Schultern.'" Stolz wie Oskar trägt Sonny den Frankfurter Spielmacher über den Platz zur Kabine. In diesem Moment drückt Karlheinz Fleckenstein, ein weiterer feiernder Eintrachtanhänger, auf den Auslöser seines Fotoapparats. So entsteht das tolle Farbfoto von Sonny und Alfred, dass uns Herr Fleckenstein freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Dann macht sich die feiernde Eintrachtgemeinde, wie im Neuen Sport beschrieben, auf nach Hause. Allerdings findet der Triumphzug in Frankfurt kein Ende, er teilt sich nur. "In Frankfurt war an dem Abend der Teufel los. Wir haben die Süddeutsche Meisterschaft in Sachsenhausen gefeiert, erst beim Schorsch Reichert, dann beim Hans Lampert. Da ahnten wir ja noch nicht, was noch für Feiern vor der Tür standen" erinnert sich Sonny, der übrigens noch heute als Trainingskibitz die Profis beobachtet, an die "kleine Meisterfeier" des Jahres 1959.

Während die Fans in Frankfurter Kneipen die Nacht zum Tage machen, feiert die Eintrachtdelegation ähnlich euphorisch im Frankfurter Ratskeller. Ursprünglich als Saisonabschlussfeier geplant, müssen die Organisatoren das Programm jetzt zur Siegerfeier umdisponieren. Und das heißt: Offizielle Reden. Der Spielausschussvorsitzende Ernst Berger lobt die Mannschaft, die in der Rückrunde über sich selbst hinausgewachsen ist. Er erinnert an das vergangene Jahr und die Enttäuschung von Regensburg, als die Eintracht am letzten Spieltag beim Absteiger Jahn Regensburg die sicher geglaubte Endrunde mit einer 0:1-Niederlage noch verschenkte. Aber diese Enttäuschung scheint heute überwunden. Berger dankt Trainer Osswald, dem der Saal euphorisch applaudiert. Auch Präsident Rudi Gramlich bedankt sich beim Trainer und den Spielern und sagt, dass die Eintracht sich kein schöneres Geschenk zum 60. Geburtstag machen konnte als die Süddeutsche Meisterschaft.

Mit dem Abstand von 50 Jahren können wir heut sagen, dass es ein noch schöneres Geschenk gab... Vom DFB überbringt Herr Passlack seine Glückwünsche, auch Paul Osswald, der Meistertrainer, ergreift unter dem tosenden Applaus noch einmal das Mikrofon und bedankt sich bei seinen Spielern, aber auch bei den Spielerfrauen für das Verständnis. Und danach stimmt die Eintracht-Gemeinde ein Lied an, dass zum Hymne der goldenen Vereinsjahre wird: So ein Tag, so wunderschön wie heute... . Das Lied werden Spieler, Offizielle und Fans in naher Zukunft noch so manches Mal singen...
Schon in der kommenden Woche startet für die Riederwälder ein Endspiel-Marathon, insgesamt sechs Spiele müssen in der Endrunde absolviert werden. Die Eintracht trifft in Hin- und Rückspielen auf den SV Werder Bremen, den FK Pirmasens und den 1. FC Köln.

Über die Ergebnisse halten wir euch ab der kommenden Woche auf der Museums-Homepage www.eintracht-frankfurt-museum.de stets auf dem Laufenden. Außerdem stellen wir euch zahlreiche Menschen vor, für die 1959 ein ganz besonderes Jahr war...







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3.000 Adler 1959 auf der Autobahn? Adlerstau mit Käfern!

Vielen Dank für den schönen Bericht aus irgendwie komplett anderen Zeiten!
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liest sich echt sehr interessant...aber es wirkt auch irgendwie so surreal...würd sowas auch gern ma mit erleben :/
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50 Jahre lang keine Schale in der Hand

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Doomsday schrieb:
50 Jahre lang keine Schale in der Hand

 


Besser als Schlacke06!!
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Was bin isch uffgerescht. Glatte 11!  
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Unvergessene Momente  

An das Endrundenspiel der Eintracht gegen FK Pirmases habe ich noch einige wenige Erinnerungen. Am nachhaltigsten jedoch die ernorme Menschenmasse in schwarz/weiser Strassenkleidung-im Frankfurter Waldstadion. Wie ich später -im Hauptbahnhof-in der Nachtausgabe (?) nachlesen konnte-waren es über 80 000 Zuschauer. Bis heute noch Zuschauerrekord. Leider blieben mir alle andere Spiele versagt-auch das Endspiel in Berlin. Kein Wunder-bei nur 80 DM Gehalt -die mein Vater zum 1. und 15. eines Monats - in einer kleinen Plasiklohntüte -von den Farbwerken Höchst-nach Hause brachte.

Schee wars trotzdem  
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Vielen Dank für diese wunderbare Momentaufnahme  - weit weg und irgendwie trotzdem sehr nah.

Wenn ich richtig gerechnet habe: Nur noch 46 Tage bis zur Deutschen Meisterschaft. Der Countdown läuft, hoffe auf weitere Etappenberichte  
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Wirklich netter Bericht
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Wie geil. Ich dachte erst, ich hätte mich bei der Überschrift verlesen. Das Forum machte gerade wieder einen Qualitätssprung nach vorn. Heissen Dank für den Bericht!
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sonny ist übrigens derjenige, der auf den flyern des museums in seinem meister-käfer zu sehen ist
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Gaensehaut.....
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Eintracht - Du bist mein Verein...

......und dieser Verein setzt sich aus zahllosen Mosaiksteinchen zusammen. Viele dieser alten Mosaiksteinchen sind uns zwar irgendwie bekannt, aber wir kennen sie nicht wirklich.

Einen habe ich heute ein wenig genauer kennen gelernt. Ich habe ein wenig an Gefühlen und Geschehnissen Teil gehabt, die weit vor meiner Zeit waren, aber doch irgendwie zu mir gehören. Eben weil sie ein Mosaiksteinchen von "meiner" Eintracht sind.

Vielen Dank für die Impressionen. Es sind Impressionen, die auch dem Letzten helfen sollten, morgen mit stolzer Brust, seine Fahne/Farben ins Stadion zu tragen und unsere Eintracht an zu feuern.


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