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Zu Besuch bei Hong Kong vs Argentinien

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Hong Kong vs Argentinien
14.10.2014
Freundschaftsspiel
Hong Kong Stadium
20320 Zuschauer




Das Hong Kong Stadium liegt im Happy Valley, nicht weit von der ungleich berühmteren Pferderennbahn, wo mittwochs jeder Hong Kong Chinese, der etwas auf sich hält, Haus und Hof verwettet.

Auf der Karte schien die nächstgelegene MTR-Station ein gutes Stück weit entfernt.
Im Hotel hatten sie den passenden Tipp, das Stadion per Taxi anzusteuern.
Ja, is klar. Taxi im ohnehin schon chaotischen Verkehr in Central. Zusätzlich die in diesen Tagen wieder etwas aufflammenden Proteste und die blockierten Hauptverkehrsstraßen downtown.

Also doch ab in die MTR, und nach Causeway Bay. Shoppingparadies.
Man steigt aus Udem Untergrund, und steht mitten zwischen Prada, Gucci und Luis Vuitton sowie gigantischen Malls. Der kürzeste Weg zum Stadion.
Komisches Gefühl. Als würde man irgendwo zwischen Goethestraße und Roßmarkt aussteigen, nur größer und viel viel mehr Menschen unterwegs. Und das ganze in südostasiatisch.

Schon in der MTR hatten wir viele hellblau-weiße Trikots gesehen, jetzt liefen überall Menschen in Argentinien-Trikots umher.
Sehr viele.
Alles Chinesen. Argentinien würde ein Heimspiel hier in Hong Kong haben, so versicherte es uns in einer Straßenkneipe ein paar Minuten später ein junger Mann in Argentinien-Trikot. Seine hübsche Frau und sein kleiner Sohn in den gleichen Trikots.
Wie überall in Südostasien sind auch hier die Stars aus den euopäischen Ligen das Maß aller Dinge, die heimischen Ligen und ihre Clubs spielen allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Also folgten wir den Fans von Messi, di Maria und Co in Richtung Stadion.
Wie fast alles in Hong Kong war der Weg zum Stadion gut organisiert und wohlgeordnet mit Flatterband, abgesperrten Straßen und Polizisten, die Autos aufhielten, Wege wiesen Auskunft erteilten.

Dann das Stadion vor uns. Cooles Teil. Allseater, natürlich, Platz für 40000 Zuschauer, hohe geschwungene Tribünen, überdacht.
Hinter den Toren jeweils unüberdachte Plätze, die so gerade noch bezahlbar waren. Immerhin knapp € 50,- kostete uns der Spaß. Pro Person.
Gegenüber war das Epizentrum der Hong Kong Supporter auszumachen. Naja, so was ähnliches.
Ein paar Leutchen mit roten Fahnen, das war es.
Der Rest des Stadions war überwiegend in der Hand der chinesischen Argentinien-Fans.
Oder soll man eher sagen, Messi-Fans?
Schon beim Warmmachen entdeckten wir größere Gruppen in der Nähe der argentinischen Spieler mit Tablets, Smartphones, Digitalkameras und überhaupt allem, was Fotos machen kann.
Messi. Messi. Noch mal Messi.
Di Maria. Mascherano. Higuain.
Wie bei einem Boygroup-Konzert in der ersten Reihe die 14jährigen.

Die Versorgung war natürlich gut im Stadion. Wenn auch nicht preiswert. KFC, Carlsberg (Waldstadionpreise! - okay, Hong Kong ist eh keine günstige Stadt) und ich weiß nicht, was noch alles.

Jedenfalls brachten sich ohne Ende Leute ganze Menüs mit in den Block: Hähnchen, Reis, Gemüse, Bier, Cola, Eis, Schokolade.
Und natürlich riesenhafte Smartphones. Zum Schreiben, dass man gerade Higuain zuschaut, wie er zum zwei zu null einnetzt.
Halbzeitstand: Dreinull.

Hong Kong hielt sich gar nicht so schlecht, Goalie XXX schaffte es immerhin bis zur 19. Minute ungeschlagen zu bleiben, seine Abwehrspieler halfen mit, so gut es ging.
Und Argentinien spielte bestenfalls mit halber Kraft.
Erinnerte an ein Pokalspiel. Erste Runde, Dorftrotttelverein (OFX) vs Weltclub (SGE).

Besonders stimmungsvoll war das Spiel nicht.
Die Zuschauer plauderten, widmeten sich ihrem Dinner und tippten und wischten auf ihren elektronischen Geräten. Bei den Toren hingegen gab es immerhin Jubel und Applaus, und sofortiges Beobachten der Anzeigetafel, auf dem die Szenen in Zeitlupe zu sehen waren inklusive neuerlichem Applaus, ungläubigem Staunen (Kopfballtor von Higuain, wie ein Schuss), Gejohle, anerkennendem Geraune und anschließendem Versenden einer Nachricht des Gesehenen.

Halbzeit. Alle wieder auf der Gegegengeraden am Spielertunnel. Ein Foto von Messi, di Maria, Demichelis, Mascherano oder Zabaleta.
Rauchen in der Raucherecke, diszipliniertes Anstehen an der Stadiontoilette, noch mehr Hähnchen und Reis sowie natürlich Carlsberg. Ausgeschenkt von einem klassischen Beergirl (jung, schlank, hübsch, streichholzkurzer Rock).

Das Spiel verging, die Mannschaft Hong Kongs kassierte hier und da ein Tor, dann ging es los:
Der Sänger der Boygroup bereitete sich auf seinen Einsatz vor.
Bereits vorher gab es Applaus wie Anno 62 bei der Beatlemania, wenn nur sein Kopf groß geschnitten auf der Videowand gezeigt wurde.
Woraufhin wir krampfhaft nachdachten, wieso das ganze Stadion tosend jubelte.

Egal, jetzt Hysterie, Ekstase, Ausrasten. ER machte sich warm. Dehnen, spurten, Bällchen schnicken. Der Sänger, Messias, Auserwählte.
Die Lichtgestalt. „Messi, Messi“-Sprechchöre.

Erste Höhepunkt (ich glaub ja, dass manche der Zuschauer an diesem Abend keinen Sex mehr brauchten), als ER den Rasen betrat.
Kreisch. Kreisch. Kreisch.
Keine Artikulation mehr möglich, keine Worte. Nur White Light/White Heat.

Argentinien im Vorwärtsgang. ER erhält den Ball, nimmt ihn an, ein Allerweltspass.
Kreisch. Kreisch. Kreisch.

Ich machte mir Sorgen um den Gesundheitszustand etlicher Zuschauer.
Ob sie hier Infusionen, Riechsalz Liegen usw. hatten, kurzum: alles, was man bei einem Tokyo Hotel Konzert so braucht?

Wenn das Ganze noch steigerungsfähig war, dann trat dieser transzendentale Zustand ein, als ER zwei Tore schoss und eines vorbereitete.

Uns persönlich interessierte mehr di Maria, der kurz darauf eingewechselt wurde.
Er war der einzige Spieler, dem ähnlich viel Aufmerksamkeit wie IHM gewidmet wurde.
Ein kleineres Kreischkonzert beim Einwechseln, aber immerhin. Annähernd Oskar-Matzerath-tauglich.
Offenbar gab es doch einige im Stadion, die seine Leistungen bei der WM einordnen konnten.
Ach was. Vermutlich eher dem Wechsel zu Manchester United geschuldet. Oder etwas zwischendrin.

Daneben noch ein paar Randotizen:
Neben all dem Jubel und der Begeisterung vergaßen die Zuschauer ihr Heimteam nicht.
Ein schwarzer Hüne namens Kari Kari auf Linksaußen, der ab und zu wirklich auffällig Zweikämpfe gewann und die etwas trägen Verteidiger beschäftigte, sorgte für Raunen und Szenenapplaus.
Ein einziges Mal konnten wir ansonsten nur mal einen Sprechchor für das Heimteam aus der erwähnten, nun ja, Kurve vernehmen.
War aber nur zu hören, als die vor uns sitzenden Leute nicht mit den Kartoffelchips knirschten.

Viel weniger Applaus gab es vor dem Spiel für die Hymne der Volksrepublik China. Sondern vereinzelte Buhrufe und Pfiffe sowie noch vereinzelter hochgehaltene und aufgespannte Regenschirme, das Symbol der Demonstraten von #occupycentral.
Smells ike revolution. A little bit.

Und, eines der absoluten Highlights: Drei Flitzer in kurzem Abstand in den letzten paar Minuten.
Herrlich. Mit Feuereifer und größtmöglicher Verehrung für IHN. Und ein bisschen auch für SEINE Mannschaftskameraden.
Ein Flitzer immerhin schaffte es bis zu einem argentinischen Spieler, Umarmung, Freude, Feiern.

Das war es.
Ein Geschenk der Funktionäre der Hong Kong Football Association an sich selbst.
100jähriges Jubiläum (mutmaßlich waren noch Gründerväter des Verbandes im Vorstand der HKFA), huldvolles Lächeln auf der Haupttribüne für die anwesende Presse, sieben Stück von Argentinien eingeschenkt bekommen, darunter zwei Stück von IHM.

Ein toller Abend. Anschließend ab in die Shopping Mall, danach ein paar Tsing Tao zum Nachspülen.
Zàijiàn.































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Oha, du durftest IHN Live erleben!  
Stimmt es wirklich dass SEINE Beine wie bei uns Sterblichen auch aus Fleisch und Blut bestehen?



Ansonsten super Bericht!  


Higuain sehe ich übrigens demnächst Live, aber nicht IHN.
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Ich bemängele das fehlende Foto des Beer-Girls!

Ansonsten aber vielen Dank - sehr geiler Bericht!
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Danke für den Bericht und die vielen Fotos. Wirklich sehr interessant.
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Klasse geschrieben, witzig und interessant. Das Stadion hat was. Danke!


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