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Nachgelegt - Impressionen rund ums Spiel gegen den VFL Bochum

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Walle walle – die Anfahrt zum Waldstadion ist nieselig und grau. Die Eintrachtler beim Anmarsch tragen Jacken und Anoraks, nur die Schals und Mützen setzen rotundschwarze Tupfer im Einheitsgrau  – keine Frage: Es ist Herbst.

Die Schlange vor dem Eingang ist so lang wie ich sie selbst bei Spitzen- und Hochsicherheitsspielen lange nicht mehr erlebt habe. Mühselig und langsam geht es vorwärts – Zeit, Bekanntschaften mit den nebenstehenden Eintrachtlern zu schließen und ein Schwätzchen zu halten. Vorherrschendes Gesprächsthema in der Schlange: Nein, nicht das Pokalspiel, sondern das BGH-Urteil zu den präventiven Stadionverboten.  Otto Normalfan ist sich einig: Unmöglich. Hammer. „Stell dir vor“, sagt ein gestandener älterer  Eintrachtler hinter mir zu seinem Kumpel „da stehste an der Worschtbud, und da geht’s neben dir ab – schon biste mit dabei.“ So ist das. Da müssen wir also noch froh und dankbar darüber sein, dass wir vorläufig unser Geld weiter dafür ausgeben dürfen, um gnädigerweise weiterhin ins Stadion zu dürfen und uns anblaffen zu lassen, jedoch nicht ohne uns vorher bei der Einlasskontrollepräventiv einem potenziellen Gewalttätercheck zu unterziehen.

Doch. Wir sind dann trotzdem noch rechtzeitig im Stadion, um uns vor dem Spiel von unseren DK-Nachbarn noch etwas  vom Pokalspiel (wir waren nicht im Stadion) erzählen zu lassen. Der nette Eintrachtler schräg gegenüber, der seit dieser Saison immer seinen jüngsten Sohn dabei hat, berichtet davon, dass gefrustete Eintrachtler gegen Ende des Spiels Bier über die Nebenstehenden ausgegossen haben. Der fränkische eigentlich Bayern-aber-inzwischen-mehr-Eintrachtfan ist jetzt noch bedient:  „Ich dacht, ich könnt bei dem Spiel nur gewinnen – dabei hab ich nur verloren.“

Jetzt also Bochum. Mit Caio. Mit Ochs im defensiven Mittelfeld. Mit ohne Jung, Fenin, Korkmaz. Und die nächste Chance für den Nachwuchs-Adler endlich, endlich mal einen Sieg seiner Eintracht im Stadion mitzuerleben. Ein 1:1 gegen Nürnberg. Ein 1:1 gegen Dortmund. Ein 1:1 gegen den HSV.  Ein 0:3 gegen den VFB Stuttgart. Und ausgerechnet beim ersten Heimsieg der Saison, gegen Hannover, war der Kleine mit seiner Familie in Urlaub. Also mal ehrlich: Wer bereits in den ersten Wochen seines aktiven Fan-Daseins durch so eine Schule geht und trotzdem nicht wankt und weicht – der hat wirklich alle Chancen ein richtiger Eintrachtler zu werden.

Die Mannschaft scheint entschlossen, heute gewinnen zu wollen. Caio schießt einen wunderschönen Freistoß, ein Aufsetzer. Tor. Tor. Tor. Die Bochumer sind erschreckend schwach. Die Eintracht versucht heute ein wenig auszuscheren aus dem Kombinationskorsett. Schwegler (was für ein feiner Fußballer!) geht öfter mal alleine – und die Bochumer lassen das zu. Die haben wenig entgegenzusetzen. Oder doch? Denn, hoppla, wie aus dem Nichts fällt der Ausgleich, den ich, weil ich mich gerade bücke, gar nicht richtig mitbekomme. Wie bitte? 1:1. Hinter uns will jemand Oka das Tor anlasten. Aber nein, Franz war es. Bei dem Jungen kommt es im Moment aber wirklich ganz dick. Leicht resignatives Kopfschütteln rund herum. Eieieiei. Auch die Bochumer scheinen erst jetzt zu registrieren, dass „sie“ tatsächlich ein Tor erzielt haben.  Wir schütteln uns kurz – Unfug. Die drei Punkte bleiben trotzdem hier.  Für uns. Für Maik Franz. „Auf jetzt – jetzt erst recht.“ Kommt es von rechts. „Eintracht. Eintracht.“ Aus einer Freistoßsituation der Bochumer entwickelt sich ein schneller Konter – mit zwei, drei Bällen sind wir vor dem Bochumer Tor, Ochs (dessen Flanken heute überdurchschnittlich gut funktionieren) flankt nach Innen, da ist Libero mit dem Kopf – Pfosten. Das wär’s gewesen.

Halbzeit. Die Stimmung bleibt herbstlich. Ein leichter Hauch von Melancholie weht über das Stadion, trotzdem sind wir alle zuversichtlich, doch, das sind wir. Maik Franz hält es in der zweiten HZ nicht mehr hinten. Man spürt förmlich wie er darauf brennt, seinen Fehler wieder gut zu machen.  Und tatsächlich: Er macht das Tor, er macht es wirklich, sinkt auf den Boden und das Stadion sinkt mit ihm. Was für ein Moment. Gibt es solche Zufälle wirklich?  Nein. Nein.  Das ist kein Zufall. Der, der irgendwo im Fußballhimmel dafür zuständig ist, gibt jemandem etwas zurück. Franz kniet, hebt die Hände zur Fankurve. Sackt in sich zusammen. Einfach nur glücklich, erleichtert, versinkt unter der Traube seiner Mitspieler.  

„Alle Tore selbst geschossen“, raunzt mein Mit-Adler, der nicht gerne in Sentimentalitäten schwelgt. „Und in der nächsten Minute mit dem Hintern wieder kaputt gemacht, was man gerade mit dem Kopf gut gemacht hat“ – möchte man hinzufügen, muss es aber nicht, da der Fußballgott Maik Franz auch beim direkten Gegenzug noch einmal zur Seite steht und verhindert, dass er für seinen (soften) Body-Check an der Strafraumgrenze mit rot bestraft wird.

Ok, jetzt kann doch wirklich nichts mehr schief gehen. Wie wollen diese Bochumer ein Tor schießen – naja, im Zweifelsfall könnten wir Ihnen ja vielleicht helfen? Aber nein. Das sieht wirklich ganz ordentlich aus, jetzt. Sogar über links kommt ein bisschen mehr Druck auf (kann das daran liegen, dass Caio in der zweiten Halbzeit mehr nach links gerückt ist?). Jedenfalls sehen wir hier,  über links , fast den schönsten Spielzug des Spiels – Spycher geht, zieht den Ball flach nach Innen auf Meier, der mit starkem Antritt einen Bochumer aussteigen lässt, abzieht und das Tor nur knapp verfehlt.

Die Bochumer sind inzwischen nur noch zu zehnt und wir haben nun wirklich keinen Grund mehr um den Sieg zu bibbern, tun es aber doch. Und anscheinend tun wir gut daran, denn warum Klimowicz den Ball, der von der linken Seite in den Strafraum und direkt auf seinen Kopf segelt über selbigen streichen lässt, statt ihn einfach einzunicken – das wird sein Geheimnis bleiben.  Und das soll auch so sein.

Die Eintracht hat beschlossen, nicht mehr das Risiko eines weiteren Tores einzugehen und hält den Ball. Gut so. Getändel an der Eckfahne. Abschlag. Noch ein Angriff über links. Getändel an der anderen Eckfahne. Abpfiff. Die Spieler reißen die Arme hoch, wir auch. Klatschen, singen in den Nachthimmel. Die Erleichterung auf dem Platz und auf den Rängen ist mit Händen zu greifen. 16 Punkte. Neunter. Na, also.

Ein Blick nach rechts. Auch der kleine Adler strahlt. Endlich, endlich – er hat den ersten Heimsieg seiner Eintracht im Stadion erlebt. Mission completed. Vision (vorerst) impossible. Aber da wird uns schon was einfallen. Wozu sind wir schließlich Adler?
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Ja, eine super Nachlese eines "grauen" Spieles.
Danke dafür.

Die Gänsehaut ist wieder da, der zweite Heimsieg eingefahren,

jetzt gilt es den Pillendrehern die erste Saisonniederlage zuzufügen.
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Huch, ich hatte das glatt überlesen...

Und muss mal wieder sagen: genau so war das!

Schön, dass der Nachwuchs Adler nun auch mal einen Sieg miterlebt hat. Aber gerade diese schwierigen Anfangszeiten prägen doch sehr das Fandasein. Nach den ersten Stadionbesuchen meines Sohnes (glaube es waren fast nur Niederlagen), folgte direkt der Abstieg, den er unter Tränen am TV verfolgte. Allerdings hat ihn das doch gestärkt, einmal Adler immer Adler. Und so konnte er wenigstens auch mal eine Aufstiegsfeier erleben....  
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Sehr schön...

Ich persönlich war imponiert von Wuschus Flankenläufen.
Und hätte dem Langen ein Tor gegönnt.
Und habe einmal einen Lachkampf bekommen, als im MIttelfeld eine wahre Fehlpassorgie stattfand.
Meine Sitzplatznachbarin: Und dann lachst Du auch noch?
Ja, habe ich.
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@ rotundschwarz

Guck doch bitte beim nächsten Mal, welches Trikot der Kleine anhat.   Ist es das von Schwegler? Caio? Oder doch Maik Franz?  
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Toller Bericht,hat Spaß gemacht.

Gruß nach Selze ,-)  ,-)
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toller bericht! hat mir automatisch ein lächeln ins gesicht gezaubert - vielen dank
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Danke rotundschwarz, hat sich toll gelesen!
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Auch von mir,wie immer ein *herzliches Dankeschön!!! .Dieser Bericht,hätte auch sehr gut in Deinen Bloq gepasst.    
Wie immer ,schön zu lesen,als wenn man hautnah,dabeigewesen wäre,aber man muss und braucht nicht immer hautnah dabei zu sein,um was davon zu haben.  ,-) .
Sehr schöne Feierabenslektüre und wie gesagt,immer wieder sehr lesenswert.
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Schön!  

Aber eine Sache muss ich dann doch klarstellen, weil ich es die Tage schon mehrfach irritiert gelesen habe:
Ochs hat ganz eindeutig rechts in der Raute gespielt und nicht im def. Mittelfeld.
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Schön. An wen darf ich jetzt die Eintrittskarte zahlen  
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Sehr schön
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Herbstgrau mit Sonnentupfern – vielen Dank fürs Lesen und für die bunten Kommentare  

@Complice: Oops… gleich mit einem Abstieg gestartet. Dann kann den Bub ja wirklich nix mehr umwerfen.

@wib: Ja, Wuschu hat mir, vor allem in der zweiten HZ, auch gut gefallen. Man glaubts ja kaum ,-)), aber ein, zwei mal ist der Mann richtig explodiert… Wg. Meier: Me too.

@Würzburger Adler:  Wie kommst du nur ausgerechnet auf Schwegler, Caio und Franz?   Das Trikot des Mini-Adlers ist jedenfalls derzeit noch unbeflockt… ,-)

@HappyAdlerMeenz:  Adler in Meenz – still going strong!!

@Partystimmung und Jaroos: Freut mich sehr, danke!

@C-Willi:  Passt aber auch gut ins Forum  , im Blog wird ja sowieso weitergeschnipselt.  Und stimmt: Man muss nicht immer und überall hautnah dabei sein, um dabei zu sein.

@sCarecrow: Vielen Dank fürs Feedback und  für die Korrektur  – da hast du eindeutig recht. Das war ungenau formuliert. Nix DM, aber jedenfalls vor Franz.

@aka und HG: Danke…  und lieber adlerkadabra – gerne immer einfach so hereinspaziert

Nochmal: Danke!
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Unbelockte Empfängnis, ansonsten wirste von Jako eh nur weich gemacht...
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klasse bericht! danke!  
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Hi rotundschwarze,

war mal wieder ein herzlicher, positiver Bericht. Schön, immer wieder auch diese schönen Dinge wahrzunehmen. Warum auch nicht.

Grüße und bis dann mal wieder
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Wieder ganz toll zu lesen. Danke !

Allerdings stimmt eine Kleinigkeit nicht ganz:

Der Kopfball von Liberopoulos an den Innenpfosten war unmittelbar VOR dem unglücklichen 1:1 Ausgleich.
Ich denke, mit einer 2:0 Führung wäre das Spiel deutlich entspannter abgelaufen.


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