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Millionen-Deal bei Schalke 06 - Gazprom steigt ein

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NRZ (16.3.07)
 
Essen (ots) - BERLIN. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD) hält es für wünschenswert, dass sich der russische
Energiekonzern Gazprom "an einem deutschen Energieunternehmen
beteiligt". In einem Gespräch mit der NRZ sagte Schröder, ebenso wie
sich europäische Unternehmen an der Exploration in Russland
beteiligten, müssten russische Unternehmen die Chance erhalten, auf
den Endverbrauchermärkten Europas präsent zu sein. Auf Dauer, so der
Ex-Kanzler, sei es für Russland nicht interessant, Öl und Gas nur zu
liefern, sondern man wolle auch auf den Märkten der Endverbraucher
vertreten sein. Dies stärke das russische Interesse "an
Liefersicherheit".
Der frühere Kanzler wehrte sich die an seiner Überzeugung geäußerte
Kritik, Russlands Präsident Putin sei ein "lupenreiner Demokrat."
Putin führe Russland "auf einen richtigen, weil demokratischen Weg",
sagte Schröder.


"ebenso wie  sich europäische Unternehmen an der Exploration in Russland
beteiligten"
- tja, dumm nur, dass diese, sobald sie die Schmutzarbeit erledigt haben, von der russischen Regierung mittels mehr als fragwürdiger Methoden wieder rausgekickt werden. Man erinnere sich an Sachalin-II.  

Und zu Schröders Aussagen bzgl. Putin:      
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Das Erbe von Yukos kommt unter den Hammer

"(...) Wenn am Dienstag in Moskau an der ersten von einer ganzen Reihe von Auktionen mit der Versteigerung von Überresten des Yukos-Konzerns begonnen wird, geht die Zerschlagung des einstigen Vorzeigeunternehmens in der russischen Rohstoffbranche in die letzte Runde. Vor zwei Jahren bereits war das einstige Herzstück von Yukos, die Fördergesellschaft Yuganskneftegaz, an einer Auktion via die dubiose Baikal Finance Group an den staatlichen Erdölförderer Rosneft sehr günstig verkauft worden. Nun sind die Inhalte der ersten acht Lose zusammengestellt und veröffentlicht worden, die innerhalb des kommenden Monats unter den Hammer kommen sollen. Sie alle zeichnet aus, dass sie vom Umfang her gross sind und Beteiligungen an ganz unterschiedlichen Unternehmen enthalten. Das erschwert es privaten, kleineren Gesellschaften und ausländischen Konzernen, erfolgreich an der Auktion teilzunehmen, und dürfte den Bieterwettbewerb wesentlich einschränken. Es drängt sich der Eindruck auf, die einzelnen Pakete seien bewusst so geschnürt worden, dass die beiden grossen staatlichen Unternehmen Rosneft und Gazprom die beste Chance haben, ihre Portfolios abzurunden und ihre Position auf dem russischen Energiemarkt damit weiter zu verstärkten. Entsprechend missmutig hatte sich vor einiger Zeit bereits der Chef des grössten privaten Erdölkonzerns Lukoil, Wagit Alekperow, geäussert.

(...)

Eher überraschend erfolgte der Einstieg von TNK-BP in den Bieterprozess für das erste Los. Der private russisch-britische Konzern ist seit dem Börsengang von Rosneft im Sommer 2006 im Besitz einer Beteiligung von 1,4 % an dem Staatskonzern. Deren Aufstockung um die zur Versteigerung anstehenden 9,4% würde, erklärte ein Vertreter von TNK-BP, die strategische Verbindung zu Rosneft verstärken. TNK-BP ist in verschiedener Hinsicht unter Druck geraten, und es ist kein Geheimnis mehr, dass es Kräfte im Kreml gibt, welche die Kontrolle über das vollständig private Unternehmen zurückgewinnen und dessen russische Eigner zu einem Verkauf drängen möchten; eine engere Verflechtung mit Rosneft könnte einen Weg dahin vorzeichnen.

Die staatsnahen Konzerne als Gewinner?
Mit dem zweiten zur Versteigerung gelangenden Paket wird offensichtlich primär der andere Staatskonzern, Gazprom, angesprochen. Unter den Hammer kommen die 20% der Aktien von Gazprom Neft (früher Sibneft), die noch nicht Gazprom gehören, dazu aber auch Arcticgaz und Urengoil sowie Aktien von 16 kleineren Unternehmen. Neben Gazprom haben bisher die private Novatek und die mit den italienischen Konzernen Eni und Enel verbundene, schon öfter bei Aktionen als Bieterin für andere in Erscheinung getretene ESN ihr Interesse angemeldet. Auch hier dürfte aber Gazprom die besten Karten haben, das gemischte Paket zu erwerben.

Während die restlichen sechs bereits bekannten Lose, die bis Ende April versteigert werden sollen, Beteiligungen an Energiefirmen und Dienstleistern in der Gas- und Ölförderung sowie an zwei Banken und an Forschungseinrichtungen enthalten, ist noch unklar, was mit den drei wichtigsten verbleibenden, sehr lukrativen Einheiten geschehen wird: den Raffinieren, für die sich Rosneft sehr interessiert, und den Fördergesellschaften Tomskneftegaz und Samaraneftegaz."
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Mir wird schlecht wenn ich das lese...
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Gerhard Schröder: Geheimer Strippenzieher der Wirtschaft

*In seiner zweiten Karriere als geheimer Strippenzieher der Wirtschaft läuft Altbundeskanzler Gerhard Schröder zu Hochform auf. Er stützt sich dabei auf ein tief gestaffeltes Netzwerk*

Alles lief so, wie es sich Gerhard Schröder insgeheim erhofft hatte. Das Auditorium der Trinity-Universität in San Antonio im US-Bundesstaat Texas war vergangenen Dienstag bis auf den letzten Platz besetzt. Erwartungsvoll schauten ihn 1200 Studenten an, jenen Mann, der es gewagt hatte, mit seinem Irak-Kurs US-Präsident George W. Bush herauszufordern, und der darum in amerikanischen Medien und bei Bush als Inbegriff des illoyalen Deutschen galt.

Dass Schröder seine erste öffentliche Rede in den USA nach dem Ausscheiden aus dem Kanzleramt 2005 ausgerechnet in Texas, der Heimat Bushs, hielt, war ganz nach dem Geschmack des Ex-Kanzlers. Mit dem Thema „Multilateralismus im neuen Jahrtausend“ konnte er dem außenpolitisch in Bedrängnis geratenen US-Präsidenten noch einmal auf die Füße treten.

Den langen Applaus mit Standing Ovations zum Schluss seiner Rede genoss Schröder ganz besonders – signalisierte er doch: Schröder ist wieder da, selbst auf dem Territorium seines alten Widersachers. Von seiner Implosion sprachen seine Gegner, als er 2005 von der Bühne des Kanzleramts abtrat. Von ihm werde, anders als bei seinen Vorgängern Helmut Kohl oder Helmut Schmidt, inhaltlich nicht viel bleiben.

Und jetzt das: Die Ernennung des Stahlindustriellen Jürgen Großmann zum Vorstandsvorsitzenden der RWE komplettiert die Ruhrgebiets-Seilschaft der Schröder-Getreuen. Dazu gehören der RAG-Vorstandschef Werner Müller, der ihm als Wirtschaftsminister diente, und Müllers früherer Staatssekretär Alfred Tacke, den der auf den Chefposten bei der RAG-Tochter Steag hievte.

Wie bei einem langwierigen Puzzle fügt sich jetzt das Bild auf einen Schlag zusammen: Ruhrgebiet, Energie, deutsche Industrie, Ausland und Medien – fein sortiert hat Strippenzieher Schröder überall hin Verbindungen geknüpft. Der Ex-Kanzler ist in seiner zweiten Karriere, wie bei second life, zu einer Art informellem Super-Aufsichtsrat der Deutschland AG geworden.

Aus der schmerzhaft empfundenen Wahlniederlage 2005 hat er sich Schritt für Schritt wieder hochgearbeitet. Geholfen haben ihm dabei das Schreiben seiner Memoiren und das Arbeiten an seinem Netzwerk, beschreibt sein ehemaliger Sprecher und immer noch wichtiger Medienberater Béla Anda. Und mit seinem Auftritt in Texas erscheint auch seine Russland-Connection, die für viele einen Hautgout hat, in milderem Licht. Soll heißen: Wenn er schon in Texas wieder hoffähig ist, dann kann ihm niemand mehr verübeln, dass er als Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nordstream AG, der gemeinsamen Tochter von BASF, E.On und dem Multi Gazprom, russische Energieinteressen vertritt.

Nicht die Warnungen aus der SPD hatten ihn gestört. Die Partei ist ihm mehr denn je gleichgültig. Eher gewurmt hat ihn, dass auch jene ihn vorsichtig kritisierten, mit denen er als Kanzler auf Reisen ging. Die fanden Schröders Nähe zu Präsident Wladimir Putin und dessen Gazprom-Gefolgsmann Alexej Miller bedenklich. Aber, so sagt einer, der lange auf ihn eingeredet hat, „da war bei ihm nichts zu machen“, er sei sogar „richtig sauer geworden“.

Heute lehnt sich Schröder im Sessel seines Eckbüros im vierten Stock des Bundestagsgebäudes Unter den Linden 50 – ausgerechnet direkt gegenüber der russischen Botschaft – selbstbewusst zurück. Und sagt Besuchern, von seinen damaligen freundschaftlichen Kritikern würden nun „nach und nach die ersten anfangen, die strategische Notwendigkeit meiner Beziehungen für die Energieversorgung Deutschlands zu sehen“.

Drei Bereiche hat er besonders gepflegt, die, obwohl sehr unterschiedlich, doch sehr stark verwoben sind: Gazprom mit Russland, die Golf-Staaten und die deutsche Industrie mit Schwerpunkt Ruhrgebiet. Begonnen hat er mit der Arbeit am Netz schon während seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen. Damals traf er sich mit VW- und Continental-Vorständen auf Veranstaltungen im „Open House“ des Wilhelm-Busch-Museums in Hannover. Mit dabei Alfred Tacke, zu jener Zeit Staatssekretär im Landeswirtschaftsministerium, sowie Unternehmer Jürgen Großmann. In den Folgejahren verlagerten sich die Treffen Richtung Osnabrück in Großmanns Edelrestaurant „La Vie“. Neue Gesprächspartner kamen hinzu, etwa der damalige VW-Manager und heutige Chef des Energiekonzern EnBW, Utz Claassen. Dessen Freund Großmann konnte sich herrlich aufregen, wenn Claassen guten Wein verschmähte und zum Essen lieber Cola trank.

In dieser Zeit, als VW-Aufsichtsrat, hat Schröder einiges über Wirtschaft gelernt. Übrigens auch vom Chemie-Gewerkschaftsführer Hermann Rappe aus dem niedersächsischen Hildesheim, der Schröder die Erkenntnis nahebrachte, „dass es dem Arbeiter gut geht, wenn die Schornsteine rauchen“. Aus dem Genossen Schröder wurde der Genosse der Bosse. „It’s the economy, stupid“: Dass die Wirtschaft den Unterschied macht, wusste er von amerikanischen Wahlkampfstrategen. Und so sah er in der Innen- und Außenpolitik eine konsequente Fortsetzung der Wirtschaftspolitik.

Diese Lehre praktizierte Schröder mit Beginn seiner Kanzlerschaft 1998 und erweiterte seine Netzwerke. Als Staatsmann spielte er nun in der nationalen und globalen Liga. Treffpunkt der „Frogs“ („Friends of Gerd“) war meist die Kanzlermaschine. Legendär, wie jener Jürgen Großmann sich vom Steward die bescheidenen Rotwein-Vorräte zeigen ließ, um dann mit eigenem Bordeaux und einem Satz Zigarren im feinen Lederetui in das VIP-Abteil zum Kanzler zu gehen, wo schon die anderen Manager saßen, die Schröder gerne um sich zur Skatrunde versammelte. Dort saßen nicht nur Spitzenmanager: Schröders Beziehungen zu großen Mittelständlern waren vielleicht sogar besser. So etwa zu dem Sauerländer Walter Mennekes, weltgrößter Hersteller für Stecker und Steckverbindungen.

Natürlich ging es bei den Skatrunden vor allem ums Geschäft – und da verstand sich Schröder wie kaum ein anderer Kanzler vor ihm als nationaler Handlungsreisender. Thomas Bach, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vize-Präsident des Internationalen Olympischen Komitees und somit oberster deutscher Sportfunktionär, aber zugleich auch Vorsitzender der Arabisch-Deutschen Vereinigung für Handel und Industrie Ghorfa und bis heute häufiger Gast bei Kanzler-Reisen, lobt Schröders Wirtschaftskompetenz. „Er ist immer in der Lage, wirtschaftlich zu denken. Gerade auch seine Detailversessenheit bei Produkten und Projekten hat Nähe zu den Unternehmern geschaffen.“

Seine Wirtschaftsnähe hat Schröder gern selbstironisch thematisiert. So fragte er einmal eine Wirtschaftsrunde: „Wieso mache ich das eigentlich alles für euch? Ihr wählt mich ja sowieso nicht.“ Die wenige Monate vor der Bundestagswahl 2005 zu einem Energiegipfel in Berliner versammelten Manager begrüßte er mit den Worten: „Da ist ja meine neue Wählerunterstützungsinitiative.“ Und bei einem Treffen mit besonders lieb gewonnenen Manager-Freunde wie TUI-Chef Michael Frenzel im Kanzleramt, auch im letzten Amtsjahr, sagte er versonnen: „Ihr werdet euch schon bald nach mir zurücksehnen.“ (...)

Doch lange musste sich niemand sehnen. Wie in alten Tagen lädt Schröder heute wieder ein – und die Wirtschaft kommt. So traf man sich am 15. Dezember vergangenen Jahres auf dem zur Thyssen-Stiftung gehörenden Schloß Landsberg in Essen, um über die deutschen Wirtschaftsbeziehungen in die Golfregion zu sprechen. Dabei auch mehrere Vorstände, darunter der Vorsitzende von MAN Ferrostaal, Matthias Mitscherlich, der auch die Nordafrika Mittelost Initiative der deutschen Wirtschaft anführt, und ThyssenKrupp-Vorstandschef Ekkehard Schulz.

Nur einen Monat später, am 14. Januar, traf man sich in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Weitere Vorstandsvorsitzende und Vorstände waren hinzugestoßen: Klaus Eberhardt (Rheinmetall), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank), Hartmut Mehdorn (Deutsche Bahn), Jochen Weise (E.On Ruhrgas) – und ein weiterer Schröder-Freund: der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily. In dieser Runde ließ sich gut feiern. Denn Schröder wurde zusammen mit seinem arabischen Freund Scheich Hamdan zum Ehrenvorsitzenden der neugegründeten Emiratisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft gekürt.

Damit ergänzt seine Arabien-Verbindung das Russland-Netzwerk. Hinzu kommen Beraterverträge in der globalen Finanzbranche. Baron David de Rothschild holte den Altkanzler in den europäischen Beirat seines Bankhauses. Dort sitzt er neben seinem alten Kumpel Klaus Mangold, der Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft ist, sowie Lord George, dem früheren Gouverneur der Bank von England. Baron Rothschild verspricht sich von Schröder einiges: „Er hilft uns, Strategien zu entwickeln und hochrangige Kontakte in Ländern zu etablieren, in denen er sich auskennt, zum Beispiel in der Türkei, Osteuropa, Russland und Asien.“ Ihn habe sehr beeindruckt, sagt Rothschild, „mit welcher Würde und Bescheidenheit Schröder ins normale Leben zurückgefunden hat“. Er sei ein „sehr guter Ratgeber, einfach im Umgang und ohne Allüren“.

Es wäre jedoch falsch, Schröder als den eigentlichen Entscheider innerhalb seiner Netzwerke zu beschreiben. Er drückt nicht auf den Knopf, und prompt holt sich der RWE-Aufsichtsrat Großmann als neuen Vorstandschef. Aber der „Stern“ liegt nicht völlig daneben, wenn er schreibt, „dass der heutige Gazprom-Mitarbeiter Gerhard Schröder in Zukunft dafür sorgen könnte, dass das russische Gas seines Freundes Putin störungsfrei nach Europa fließt und dass Großmann, Claasen und all die anderen sich dann darum kümmern, dass es von ihren Energiekonzernen schön in die Haushalte und Industriekolosse verteilt wird“.

Im Ruhrgebiet stehen jetzt wichtige Entscheidungen an. Die RAG soll an die Börse gebracht werden, ihre Tochter Steag ist wichtiger Stromlieferant für RWE. Gazprom möchte nicht nur als Lieferant, sondern auch im Endkundengeschäft mitmischen. Und RWE braucht berechenbare Investoren (beispielsweise aus den Emiraten) und ein politisches Netzwerk, mit dem das anfällige Unternehmen den Druck aus wachsenden Klimaschutz-Auflagen abfedern kann. Denn kaum ein anderer Energiekonzern Europas stößt mit seinen Braunkohlekraftwerken so viel Kohlendioxyd aus wie RWE.

Solche Entscheidungen müssen gut vorbereitet sein, und da ist es gut, wenn man sich kennt und schätzt und einer da ist, der Blockaden auflösen kann. Schröder, so lobt Klaus Mangold, habe versprochen: „Wenn ihr Hilfe braucht, ruft mich an.“

Dabei wird eine Entscheidung im Freundeskreis bald fällig. Großmann hatte mit seinem Stahlunternehmen Georgsmarienhütte den Strombezug von RWE gekündigt und bei seinem Freund Claasen von EnBW unterschrieben. Sollte er als zukünftiger RWE-Chef diesen Vertrag jetzt wieder vorzeitig kündigen wollen, können nur drei Dinge helfen: Gerhard Schröder, eine Runde Skat unter Freunden und eine Flasche Rotwein."
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Jaja, so ist das im Lande des "lupenreinen Demokraten":

Geisterstunde in St. Petersburg

"(...)
Gespenstische Szenen am vergangenen Samstag in St. Petersburg: Der Newskij Prospekt, die Flaniermeile der Metropole, wird von einem massiven Aufgebot der russischen Miliz abgeriegelt. Quer gestellte Busse blockieren die Straße, Krankenwagen stehen bereit, in den Seitenstraßen stehen weitere Spezialeinheiten mit Schlagstöcken und schweren, eisernen Schilden bereit. Sie warten auf den "Marsch der Nicht-Einverstandenen“, einen Protestzug, zu dem ein wild zusammen gewürfeltes Bündnis der russischen Opposition aufgerufen hat. Die im Vorfeld verbotene Demonstration, zu der trotzdem 3000 Menschen kommen, löst die Miliz mit harter Hand auf, rund 50 Personen werden festgenommen.

Die Stimmung ist gespannt vor den anstehenden Wahlen des Petersburger Stadtparlamentes am 11. März, wenn nicht gar gereizt. Unheimliches geht vor: Oppositionelle Internetseiten fallen nacheinander rätselhaften Hackerangriffen zum Opfer, kleinere Parteien werden von den Wahlen ausgeschlossen und eine Bürgerinitiative steht plötzlich einem geisterhaften Doppelgänger ihrer selbst gegenüber.  

Verwunschene Atmosphäre

Ist St. Petersburg in Gefahr? Eine Reihe Petersburger Schriftsteller diskutiert jedenfalls kurz nach der Demonstration im schummrigen Kellergewölbe eines Restaurants, wie die Stadt verteidigt werden kann. Oder ob sich ihre "lebendige Stadt“ durch metaphysische Kräfte selbst helfen werde. Viele St. Petersburger sind überzeugt davon, dass ihre Heimatstadt mehr ist als leblose Straßen und Gebäude: Petersburg ist für sie ein eigenes Wesen, das lebt und fühlt. Gespeist wird diese Überzeugung durch die verwunschene Atmosphäre zwischen den Kanälen und den sagenhaft schönen Palästen der Stadt. Denn im Gegensatz zu anderen Metropolen der Welt hat Sankt Petersburg sein historisches Stadtbild weitgehend bewahrt und auch Kriegen und Krisen getrotzt.

Schon einmal soll dabei Übernatürliches im Spiel gewesen sein. Während im Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen die Stadt belagerten fuhr nächtens der Geist des Stadtgründers Peters des Großen höchst selbst aus dem Grabe und versicherte: Meine Stadt wird nicht fallen!

Mit Geld sturmreif geschossen

Doch dieses Mal kommt der Feind von Osten. Er greift die Stadt nicht mit Artillerie und Bombern an - Gazprom hat die Stadt mit seinem Geld sturmreif geschossen. Auf gigantische Steuereinnahmen durch den Umzug des Konzerns an die Newa hoffend will die Stadtregierung dem Unternehmen nicht nur goldene Brücken, sondern gleich einen kompletten Wolkenkratzer bauen - und schickt sich an, für das Prestigeobjekt sogar das Gesetz zu brechen. Denn das neue Statussymbol des Gasgiganten soll die erlaubte Höhe von 48 Metern gleich um das neunfache übertreffen.

Und so fürchten viele Petersburger um die Seele, die Atmosphäre und die Silhouette ihrer Stadt. Und letztere ist nun einmal traditionell flach. Es gärt unter den Städtern, Anti-Gazprom Flugblätter gehen von Hand zu Hand, Protestaktionen werden geplant. Doch der Widerstand scheint aussichtslos zu sein. Die liberale Jabloko-Partei, die Spitze des Protestes, wurde von den anstehenden Wahlen ausgeschlossen. Die Bürgerinitiative, die eine Volksabstimmung initiieren wollte, sieht sich auf einmal mit einer mysteriösen Doppelgängerorganisation konfrontiert, die sie schwächen soll. Und das Referendum selbst steckt fast hoffnungslos in den Mühlen der Bürokratie fest. Bleibt die Hoffnung auf den Geist des guten Zaren."
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Einheitliche Vielfalt

Wie die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti vor wenigen Tagen berichtete, sind in Russland fast 80.000 Medientitel registriert. 62.335 davon sind Printmedien und 16.875 elektronische Medien.

Doch die Chance, dass aus der hohen Anzahl Vielfalt erwachsen könnte, ist gering. Ungefähr 90 Prozent der registrierten Medien Russlands sind entweder halbstaatlich oder sie gehören zur staatlichen Medienholding WGTRK respektive zu Gazprom Media, einer Tochterfirma des staatlichen Gazprom-Konzerns.

Eine vom “Krusenstern”-Weblog erstmals erstellte Liste der nationalen Medien Russlands verdeutlicht die trügerische Medienvielfalt eindrucksvoll. Besonders kümmerlich erscheint hiernach die Bedeutung unabhängiger Medien unter den Fernseh- und Hörfunksendern. Nur unbedeutend besser gestaltet sich die Situation unter den Tages- und Wochenzeitungen.

Zudem kommt hinzu, dass die große Mehrzahl der 80.000 russischen Medien so genannte “Bezirkszeitungen” mit kleinen Auflagen von nur 2.000 bis 5.000 Exemplaren sind. Es versteht sich, dass selbige zumeist unter Kontrolle der lokalen Behörden stehen.



Die nationalen Medien in Russland: Who's who März 2007
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a.saftsack schrieb:


Mit Geld sturmreif geschossen

Doch dieses Mal kommt der Feind von Osten. Er greift die Stadt nicht mit Artillerie und Bombern an - Gazprom hat die Stadt mit seinem Geld sturmreif geschossen. Auf gigantische Steuereinnahmen durch den Umzug des Konzerns an die Newa hoffend will die Stadtregierung dem Unternehmen nicht nur goldene Brücken, sondern gleich einen kompletten Wolkenkratzer bauen - und schickt sich an, für das Prestigeobjekt sogar das Gesetz zu brechen. Denn das neue Statussymbol des Gasgiganten soll die erlaubte Höhe von 48 Metern gleich um das neunfache übertreffen.

Und so fürchten viele Petersburger um die Seele, die Atmosphäre und die Silhouette ihrer Stadt. Und letztere ist nun einmal traditionell flach. Es gärt unter den Städtern, Anti-Gazprom Flugblätter gehen von Hand zu Hand, Protestaktionen werden geplant. Doch der Widerstand scheint aussichtslos zu sein. Die liberale Jabloko-Partei, die Spitze des Protestes, wurde von den anstehenden Wahlen ausgeschlossen. Die Bürgerinitiative, die eine Volksabstimmung initiieren wollte, sieht sich auf einmal mit einer mysteriösen Doppelgängerorganisation konfrontiert, die sie schwächen soll. Und das Referendum selbst steckt fast hoffnungslos in den Mühlen der Bürokratie fest. Bleibt die Hoffnung auf den Geist des guten Zaren."[/i]





Was wohl passiert, wenn das Prestigeobjek gaz06 nicht die gewünschten Erfolge einfährt und man dann in St. Petersburg der Meinung ist, dass die Mannschaft falsch aufgestellt ist...
Da kommt sicher nicht nur ein "Mirko-Doppelgänger" in Frage  , denn einfallsreich ist man ja durchaus, wenns drum geht seine Ziele durchzusetzen.  
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Marsch der Gejagten (FAZ)

"Wenn die Sondertruppe der russischen Miliz, Omon, ihre sogenannten Kämpfer zu Tausenden gegen die außerparlamentarische Opposition in Stellung bringt, überwiegt ihre Zahl die der Demonstranten stets bei weitem. Eigentlich widerspricht das dem Bild, das vom staatlich kontrollierten Fernsehen jeden Abend verbreitet wird, wonach der russische Staat unter Putin so stark wie niemals zuvor sei und nichts zu fürchten habe. Aber die Gelegenheit, eine entschlossen handelnde Staatsmacht vorzuzeigen, lassen sich die Entscheidungsträger offenbar nur ungern entgehen.
Die Bilder davon, wie die Putin-Kritiker in die Mangel genommen werden, verdeutlichen, dass mit dieser Obrigkeit nicht gut Kirschen essen ist. Auch dass selbst unbeteiligte Passanten und Reporter Opfer der Polizeiknüppel werden oder festgehalten und in die Busse der Sicherheitskräfte verfrachtet werden, scheint die Regierung Putin nicht zu stören. Die jungen Kreml-Anhänger, die am Samstag in Moskau, unbehelligt von der Staatsmacht, demonstrierten, sind stolz darauf, dass - anders als im ukrainischen Kiew, wo Zehntausende Demonstranten dieser Tage nur von einem Miniaufgebot an unbewaffneter Miliz begleitet wurden - in der russischen Hauptstadt noch „richtig durchgegriffen“ wird.
In Sankt Petersburg wollte „Das andere Russland“ am Sonntag einen „Marsch der Nichteinverstandenen“ veranstalten. (...) Die Bewegung fordert freie Wahlen, an denen alle bestehenden Parteien teilnehmen dürfen, ein Ende der Unterdrückung unabhängiger Medien und der Behördenwillkür. (...)
Der Marsch durch Sankt Petersburg sollte über den berühmten Newskij-Prospekt im Herzen der Stadt zum Smolnyj führen, wo einst Lenin für die Revolution Regie geführt hatte und nun die Sankt Petersburger Gouverneurin Walentina Matwijenko residiert. Der Marsch wurde verboten. Nur eine Kundgebung erlaubte die Stadtregierung, und zwar auf dem Pionierplatz, vor dem Denkmal des Dichters Aleksandr Gribojedow, etwas abseits des Stadtzentrums. Gribojedow hatte einst besonderen Ruhm mit dem Theaterstück, „Verstand schafft Leiden“ erlangt. Omon und Soldaten der Truppen des Innenministeriums, die den Platz zuvor mit schwerem Gerät abgeriegelt hatten und während der Kundgebung umzingelten, nahmen sich den Titel des Theaterstücks zum Vorbild und gingen mit kopfloser Gewalt vor.
Als die Kundgebung zu Ende war, drängten sie die rund 1000 Teilnehmer vom Platz und dabei begannen die Gummiknüppel auf den Köpfen der Zivilisten zu tanzen, die nach Hause wollten. Anlass war angeblich der Versuch einiger Dutzend Teilnehmer, sich doch noch auf den Marsch in Richtung Smolnyj zu begeben. Die Gewalt traf aber viele, die damit nicht das Geringste zu schaffen hatten. Limonow wurde verhaftet wie tags zuvor Kasparow bei einem Marsch in Moskau. Auch die Leiterin der Sankt Petersburger Regionalabteilung der Vereinigten Bürgerfront, Olga Kurnosowa, wurde festgenommen.
Das Muster für den Verlauf derartiger Veranstaltungen ist fast immer gleich: Die außerparlamentarische Oppositionsbewegung „Das andere Russland“ meldet eine Demonstration an. Ein Demonstrationszug wird nicht erlaubt, allenfalls eine Kundgebung, und zwar auf einem Platz, der abseits des Stadtzentrums liegt. Da die Putin-Kritiker ihre Sicht der Dinge aber an die Öffentlichkeit bringen wollen und dabei auf ihr Recht auf friedliche Demonstrationen pochen, das die Behörden verletzten, kommt es immer wieder zu dem Versuch, doch noch einen Marsch durch das Zentrum zustande zu bringen.Die Ordnungskräfte verhindern das mit einem Massenaufgebot. Das Staatsfernsehen zeigt dann fahnenschwenkende Störenfriede und die Sicherheitskräfte bei der Verrichtung ihrer Pflicht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Was die politischen Forderungen des „anderen Russlands“ angeht, bleibt dieses Fernsehen, das wichtigste Kommunikationsmittel Russlands, indessen stumm. Dass immer wieder Aktivisten des anderen Russlands schon vor den Märschen festgenommen werden, passt ebenfalls nicht ins staatlich verordnete Fernseh-Bild.
In Sankt Petersburg forderten die Redner den Rücktritt der Regierung und des Präsidenten, freie Parlamentswahlen im Dezember, an denen alle bestehenden Parteien, auch die Nationalbolschewiken, teilnehmen dürfen, und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Einmal mehr wurde in Petersburg auch der geplante Bau eines Wolkenkratzers des Staatskonzerns Gasprom aufs Korn genommen, weil er die historische Stadt verschandeln würde.
Viele Bürger der Stadt halten die Baupläne für sträflichen Unsinn.

(...)

Eine Moskauer Großmutter schrie die Soldaten, von denen viele aus anderen Provinzen nach Moskau abkommandiert waren, an: „Das ist unsere Stadt!“ Ein anderer brüllte: „Heute prügelt ihr uns im Auftrag von denen da oben zusammen, und morgen bettelt ihr uns wieder um Geld für Zigaretten oder etwas zu essen an, weil euch dieser Staat nur einen Hungerlohn zahlt. Schämt ihr euch nicht?“ Die Mienen der Soldaten blieben versteinert."





Polizei knüppelt Putin-Gegner nieder (SPIEGEL)

"In St. Petersburg, der zweitgrößten Stadt Russlands und Putins Heimat, protestierten heute rund 3000 Menschen gegen den Präsidenten und forderten dessen Rücktritt. Gegen Ende der Demonstration warfen behelmte Beamte der Sonderpolizei Omon wie am Tag zuvor in Moskau Demonstranten zu Boden und knüppelten nach Augenzeugenberichten auf sie ein.
Etwa 150 Festgenommene warteten in Lastwagen auf ihren Abtransport und wurden dort zum Teil weiter verprügelt. "Hört auf", riefen andere Demonstranten und beschimpften die Polizisten als "Faschisten". Die Stadt hatte zwar die Kundgebung, nicht aber eine Demonstration erlaubt. Auch in Moskau hatten Sicherheitskräfte gestern Ansammlungen des Oppositionsbündnisses "Anderes Russland" verhindert und unter anderem den früheren Schachweltmeister Garri Kasparow vorübergehend festgenommen. (...) Korrespondenten der deutschen Fernsehsender ARD und ZDF wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.
(...) Es kam zu Festnahmen und Schlagstock-Attacken. "Sie haben auch auf Großmütter und andere Rentner eingeschlagen", sagte der liberale Parlamentsabgeordnete Wladimir Ryschkow in Moskau.
Von offizieller Seite wurde das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten als "angemessen" bezeichnet. Der Staat habe die Pflicht, Rechtsverstöße notfalls mit Gewalt zu unterbinden, hieß es. Bereits in den vergangenen Wochen hatte das Oppositionsbündnis "Anderes Russland" tausende Menschen zu Protestkundgebungen auf die Straßen gebracht.

Oppositionspolitiker und Menschenrechtler zeigten sich schockiert über die Polizeigewalt am Wochenende. "Der Machtapparat handelt schwer paranoid", kritisierte Putins früherer Wirtschaftsberater Andrej Illarionow den Einsatz von offiziell 9000 Polizisten in Moskau. "Russland hat das Niveau von Simbabwe und Weißrussland erreicht, was das Verhältnis zwischen Staat und der Gesellschaft angeht", sagte Kasparow.

Die Opposition wirft Putin eine zunehmende Einschränkung der Menschenrechte vor der Parlamentswahl im Dezember 2007 und der Präsidentenwahl im März 2008 vor."





Demonstration: Mit dem Schlagstock gegen Kreml-Kritiker (ZEIT)

"(...)Als einige hundert Anhänger Kasparows vor einem Polizeigebäude dessen Freilassung forderten, prügelten Sicherheitskräfte auf die Menge ein. "Die Sicherheitskräfte griffen sich einzelne Demonstranten heraus und schlugen mit brutaler Gewalt auf sie ein", berichtete eine Augenzeugin. "Nieder mit dem Polizeistaat" und "Wir wollen ein anderes Russland", riefen die Demonstranten. (...) In Putins Heimatstadt St. Petersburg kam es am Sonntag nach dem Abschluss der genehmigten Kundgebung zu Auseinandersetzungen, als die bis zu 1000 Demonstranten durch einen engen Polizei-Kordon gezwungen wurden. Die Regierungsgegner riefen in Sprechchören "Russland ohne Putin". Die Polizei schlug mehrere Oppositionsanhänger nieder und nahm etwa 100 Personen fest. (...)"
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Und es werden auch wieder, ganz wie früher, ausländische Reporter an der Arbeit gehindert. Gestern hat man einen Reporter der ARD verprügelt und festgenommen, heute morgen hat man ihn erstmal nicht ins Studio gelassen. Was muss das für ein erbärmlicher Staat sein der Angst vor Meinungsfreiheit hat, da weiss man doch gleich das es vorne und hinten nicht stimmt.
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Eine schöne Straßenbahn aus Gelsenkirchen.  
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Eine schöne Häuserzeile aus Grosny.

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AUTSCH, böse aber gut gekontert Saftsack...
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Gregor04 schrieb:


Eine schöne Straßenbahn aus Gelsenkirchen.    


oooohhh....augenkrebs....hilfe!

Schnell, schnell, schick mir mal einer ein bild vom äppelwein-express damit ich wieder genese!
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Menschenrechtler fordern Staaten zu mehr Mut zu Menschenrechten auf

"Parlamentarier aus ganz Europa und Menschenrechtsaktivisten haben die europäischen Staaten zu mehr politischem Mut beim Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen aufgefordert. Zwischen Worten und Taten klaffe oft ein "tiefer Graben", kritisierte die Generalsekretärin von Amnesty International (ai), Irene Khan, am Mittwoch vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg.

Besonders scharfe Kritik übte sie am nachsichtigen Verhalten gegenüber der russischen Politik in Tschetschenien. Der Europarat und seine Mitgliedsländer hätten angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen dort versagt. Das Ministerkomitee der Länderorganisation beuge sich dem Druck Moskaus und lasse sich so "lähmen". Dies zeuge von einem "eklatanten Mangel" an politischem Willen. (...)

Der Vorsitzende der Organisation Human Rights Watch, Kenneth Roth, warf dem Europarat vor, seine demokratische Kontrolle in Tschetschenien auf russischen Druck hin abgeschwächt zu haben. So sei das sogenannte Monitoring-Verfahren zur Überwachung der Lage in der Kaukasus-Republik eingestellt worden. (...)"
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Und ein schöner Artikel aus der FAZ:
http://www.faz.net/s/RubAEA2EF5995314224B44A0426A77BD700/Doc~E9C7C63D9852E499697654B88ADA1FB07~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

FAZ.net schrieb:
Über Schalke schwebt der Rote Platz

20. April 2007 Kurz vor Anpfiff. Auf dem Videowürfel unter dem Arenadach erscheint die Basilius-Kathedrale vom Roten Platz. Einer der neun Zwiebeltürme glänzt blau-weiß. Im Film dreht sich die Zwiebel auf den Kopf, wird zum Herzen, das nun pocht, blau und weiß. Blau und weiß wie die Rolltreppen, die Fächer in der Umkleide, die Kacheln im Entmüdungsbecken, wie die Straßenbahnlinie 421, die vor der Arena hält - und wie die Farben von Gasprom.

"Das haben wir doch gut hingekriegt, oder?", sagt Claus Bergschneider in der Gasprom-Lounge. Er führt die deutschen Geschäfte des russischen Riesen, also schaut er nun samstags Fußball. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Deal von Staatsbetrieb und Bundesligaklub einen Aufschrei ausgelöst wie noch kein anderer Sponsorenvertrag im Fußball, aber jetzt hat sich die Lage beruhigt. Schalke ist Erster und Gasprom vorerst raus aus den negativen Schlagzeilen der ersten Monate. "Wir haben eine Chance verdient", sagt Bergschneider. Er nippt am 1996er Brunello aus dem Firmenkeller, der in der Lounge gereicht wird. "Wir wollen ins Endkundengeschäft - und das ist gut für alle, weil man sich dafür gut benehmen muss."

Der nette Bär von nebenan

Der Anpfiff. Hat man die verglaste Lounge verlassen, seinen Tribünensessel eingenommen, die Logen-Nachbarn rechts (J. W. Ostendorf, Farben) und links (Easy Systems, Warenkassen-EDV) gegrüßt, sieht Gasprom fast schon so aus, wie es aussehen will: wie eine normale europäische Firma. Nur ein bisschen größer. Der nette Bär von nebenan. Der knuddelige Knut, der aber wie jeder Bär einmal groß und hungrig sein wird, da und dort ein paar Stadtwerke vernaschen will und dann Appetit auf größere Happen kriegt; auf RWE womöglich oder auf Eon. Spätestens dann soll er nicht mehr als Aggressor aus dem Osten rüberkommen, sondern als Schalker Kumpel.

"Es ist ein subtiler Kampf um unser Unterbewusstsein", sagt der Grünen-Europapolitiker Cohn-Bendit, der Fußball zu seinen Kernkompetenzen zählt. "Ein hochpolitischer Ansatz mit einfachen Mitteln." Seine Prognose: "Wenn Gasprom erst mal deutscher Meister ist, dann hat man nicht mehr das Gefühl einer fremden Macht. Dann ist es etwas, das uns täglich begegnet wie Commerzbank oder Telekom - und dann stört es auch nicht mehr, wenn wir völlig abhängig von Gasprom sind."

Jackpot für den Klub

Im Stadion hat man sich schon gewöhnt. Das Spiel läuft, Olivier Kruschinski hat wie immer seinen Platz in der Nordostecke. Wie der Großteil der Fans, die er als Sprecher vertritt, sieht er Gasprom als "Jackpot für Schalke". Er sagt, die Fans seien wütend über die Frage nach der Moral, weil sie bei anderen Klubs nie gestellt werde. "Wer redet bei deren Sponsoren von Kinderarbeit, von Alkoholmissbrauch?" Und den FC Bayern im Visier, braust er auf: "Mir kann doch keiner erzählen, dass T-Com oder Allianz besser wären - die verdienen Milliarden und entlassen Zehntausende."

Schalker Fans sind kritisch. Die Benennung einer Straße am Stadion nach Fritz Szepan verhinderten sie, weil der Klubheld der Dreißiger von einem enteigneten jüdischen Geschäft profitiert hatte. Im vergangenen Herbst, als es im Klub kriselte, schwiegen sie in einer Partie 19 Minuten und vier Sekunden lang. Und seit der einstige Manager Rudi Assauer, der gelobt hatte, die Arena werde nie nach einer Firma heißen, ihren Namen an Veltins verkauft hat, sind, sagt Kruschinski, "die Antennen aufgestellt". Im Falle Gasprom wurde debattiert, ob man Anzeigen fürs Fan-Magazin annehmen dürfe, nun ist wieder Ruhe - ein Sponsor wie andere.

„Mir wäre Unicef auch lieber“

Halbzeitpause in der "Donnerhalle", wie Kruschinski die volle Arena nennt. Von der verglasten Dachgalerie aus schweift der Blick über Abraumhalden und stillgelegte Zechen. Am Horizont die Schlote von Thyssen-Krupp. "Die holen sich billige Kohle aus China, die Leute hier verlieren ihre Arbeitsplätze, und dann soll ich denen erzählen, ihr dürft kein Geld aus Russland nehmen?" Kruschinskis Argumentation kommt an beim Volk. Er verkauft mit einem neuen Deal nicht nur die Brust seiner Profis, auch die seiner Fans. "Ich wurde mit Kärcher Uefa-Cup-Sieger. Und mir wäre Unicef auch lieber als Gasprom", sagt Kruschinski, "aber ich bin froh, dass ich nicht Pampers oder Playmobil tragen muss."

Auch Peter Peters ist es, obwohl er auf der Ehrentribüne kein Trikot trägt, sondern Krawatte. Der Schalker Geschäftsführer ist stolz, eine Weltfirma als Sponsor gewonnen zu haben. Das geschah auch aus der Not, dass es "zunehmend schwerer wird, große deutsche Werbepartner zu finden". Im Fußball kennt man das Problem: Geld ist da bei den Firmen, aber es sieht nicht gut aus, Arbeitsplätze einfacher Leute abzubauen und zugleich die von kickenden Millionären zu bezahlen. So suchte Schalke im Ausland - und fand Gasprom. Oder wurde gefunden?

Neblige PR-Legende

Wie der Deal zustande kam, ist eine genauso neblige PR-Legende wie die angeblich bis zu 125 Millionen Euro, die der Klub bis 2012 bekommen soll. Offiziell begann es mit russischen Kontakten des Fleischfabrikanten und Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Tönnies; und mit Hilfe des ehemaligen Kanzlers und Gasprom-Gehilfen Schröder. Inoffiziell soll der Chef eines deutschen Energiekonzerns den Kontakt angebahnt haben. Schröders geheimnisvolle Rolle half wohl eher der Publicity. "Dass Schröder solche Wellen schlug", gesteht Bergschneider ein, "hat unseren Bekanntheitsgrad nach vorn gebracht."

Peters schildert Gasprom als "sehr angenehmen Partner" und findet es "absurd, dass wir uns für diesen Erfolg rechtfertigen müssen". Der Schalke-Mann sieht es als Gewinn für alle: "Nun zeigen sie ganz Deutschland, dass sie ein zuverlässiger Partner sind. Das ist doch gut so." Von Einstiegsverhandlungen in einem anderen Volkssport, Handball, hörte man, dass Gasprom von potentiellen sportlichen Partnern nicht nur Werbeleistungen, sondern auch Kontakte und Zugänge zu Netzbetreibern und regionalen Energieversorgern erwarte. Peters dementiert: "So etwas könnten wir überhaupt nicht leisten."

Energiefeld Fußball, die Bundesliga als Netzwerk

Doch natürlich ist das Sponsorengeschäft großer Fußballklubs längst eine Wochenend-Außenstelle für Gas/Wasser/Strom geworden, gerade im Ruhrgebiet, dem laut Cohn-Bendit "Zentrum der sozialdemokratischen Connection in der Energiewirtschaft". Zu den sechs Nebensponsoren von S04 zählt Ruhrgas, zu den zwölf Co-Sponsoren Gelsenwasser, der größte private deutsche Wasserversorger. Und unter den 63 "Werbepartnern" und 269 "Schalke-Partnern" sind Stadtwerke und regionale Versorger.

Energiefeld Fußball, die Bundesliga als Netzwerk der Netzbetreiber - und Gasprom nun mittendrin. RWE speist Bayer Leverkusen, RAG Borussia Dortmund, Envia den Klub aus Cottbus, der "Energie" heißt. EnBW wirbt beim VfB Stuttgart und hat für eine Million Euro fürs Bonner Haus der Geschichte den Zettel ersteigert, mit dessen Hilfe Jens Lehmann im WM-Viertelfinale zwei Elfmeter hielt. Schalke sammelt auch Andenken. Im Bauch der Arena hängt ein Wimpel von Inter Mailand für "Schalcke" und einer vom AC Mailand für "Shalke" - Zeugnisse einer sich überlegen dünkenden Ignoranz. Man will im Revier endlich richtig geschrieben und richtig ernst genommen werden. So wird das Geschäft zum beidseitigen Image-Transfer: Gasprom endlich bei den Guten, Schalke endlich bei den Großen.

Wie nötig hat Schalke es?

Peters widerspricht: Schalke sei längst groß. "Die Ansicht, dass Gasprom mehr zahlt, als Schalke wert ist, ist völlig falsch." Wie nötig hat Schalke es? Günter Vornholz, Volkswirt und Dozent der Sporthochschule Köln, der heute auf der Pressetribüne sitzt, hat eine Abhandlung über Schalkes Finanzen verfasst. Demnach hat der Klub in zehn Jahren durch Investitionen von fast 400 Millionen Euro Verbindlichkeiten von rund 250 Millionen Euro angehäuft - und doch durch Bau der Arena eine Umsatzexplosion erzielt, die ihn in die finanzielle Spitzengruppe der Liga katapultierte. Der Cashflow ist groß genug, um ein potentielles Meisterteam mit jährlich an die 40 Millionen Euro Gehalt zu bezahlen. Es gab auch schon andere Zeiten.

Zurück in der Gasprom-Lounge. Beginn der Schlussphase, Zeit für die große Frage: Was will Gasprom wirklich? "Den Endkunden", wiederholt Bergschneider. Dann wäre der Energietransfer komplett: vom Gasfeld in Sibirien bis zur Gasheizung in Castrop-Rauxel. Bisher verhindert noch Eon, drei Logen weiter, den Zugang zum deutschen Verbraucher. Gleich nebenan sitzen die Stadtwerke Essen, zehn Lounges weiter die RWE. "Da sieht man mal, wie liberal wir sind", sagt Bergschneider jovial. "Wir bestehen nicht auf dem Recht, keine Konkurrenten als Sponsor dulden zu müssen." Ganz der nette Nachbar. "Den Endkunden", weiß der Gasprom-Mann, "muss man überzeugen: mit Sympathie und Emotionen."

Schröder, Schalke und Geschenke

Die Schmiermittel für die Mechanik des Massengefühls: Schröder, Schalke und Geschenke. Aber nicht zu viele, sagt Bergschneider: "Sonst heißt es: Die Russen wollen sich Sympathie kaufen." Der neue Sponsor bezahlte eine Auswärtsfahrt, schenkte Trikots, verloste ungenutzte Tickets und spendierte das 400 Quadratmeter große Trikot, das nun eigentlich über die bebenden Leiber der Nordkurve wandern sollte - denn Schalke hat gerade getroffen. Doch die ersten Reihen bekommen es im Torjubel nicht schnell genug hoch. "Darüber", scherzt Bergschneider, "muss ich wohl mit den Fanclubs noch mal reden."

Das Wechselbad der Fußballgefühle kann eine schöne Waschanlage sein: mit Schalke im Weichspülgang. Auf die reinigende Wirkung des Sportgeschäfts darf Gasprom hoffen - oder zumindest darauf, dass die Flecken auf der Weste einander die Wirkung nehmen. Gegen den undurchsichtigen Staatsbetrieb wurden moralische Einwände erhoben (angebliche Mafia-Kontakte, Morde an Kritikern), ökonomische (Abschottung des eigenen Energiemarktes), machtpolitische (der lange Arm des Kremls), energiepolitische (die wachsende Abhängigkeit Deutschlands) und sportliche (Angst vor Einflussnahme).

Ein Unternehmen mit weltweiter Bedeutung

Wie sehr sich die Argumente mitunter gegenseitig verwirren, zeigte eine Erklärung von acht deutschen EU-Abgeordneten aus vier Parteien, die vor Gasabhängigkeit warnten, aber "die kräftige Finanzspritze für Schalke" begrüßten: "Weil ein gleichwertiger Gegner des FC Bayern entsteht." Das Feld schreit nach großen Populisten. "Demnächst muss mal der Schröder her", sagt Bergschneider. Cohibas gibt's schon in der Lounge, Stück 25 Euro. Fürs Erste ist Schröders Partner da. Matthias Warnig, Geschäftsführer der "Nord Stream", der Pipeline durch die Ostsee, aus der von 2010 an die Hälfte des deutschen Gases kommen soll. "Die Fische machen kein Problem", sagt Bergschneider. Dafür die Anrainer. Sie haben ökologische Bedenken. Auch die Erschließung des gewaltigen Stockmann-Gasfeldes in der Barentssee, aus dem der Nachschub für die Röhre kommen soll, stockt, weil die Russen ausländische Teilhaber ausschlossen, aber damit auch ausländisches Knowhow. Schon jetzt kauft der weltgrößte Gasexporteur Gas in Mittelasien, um den Bedarf seiner Kunden in Europa zu decken.

Begeistert von Arena und Freigetränke

Das russische Energieministerium schätzt, man müsse 600 Milliarden Dollar bis 2011 investieren, um die Nachfrage befriedigen zu können. Bisher steckte Gasprom große Teile der Gasgewinne (Exporterlös 2006: 37,2 Milliarden Dollar) in TV-Sender und Zeitungen und brachte Russlands Medienmarkt unter die Kontrolle des Kremls.

Bisher steckte Gasprom große Teile der Gasgewinne in TV-Sender und Zeitungen und brachte Russlands Medienmarkt unter die Kontrolle des Kremls

Aber aus beruflichen Gründen ist Warnig nicht da, selbst wenn er die zehn Kilometer lange Bier-Pipeline studieren könnte, aus der Durstige in der Arena in Rekordzeit abgefüllt werden. Der Mann, der Industriespion der Stasi im Westen war, dann für die Dresdner Bank Türöffner bei Putin, füllt mit einem Trupp fideler Männerfreunde aus seinem Wohnort im Breisgau die Lounge. Man ist begeistert von Arena und Freigetränken. Dann ist Schlusspfiff, die Besuchergruppe entfernt sich, Gasprom-Schal um den Hals, Richtung Düsseldorfer Altstadt.

„Eine Mörderbande zum Sponsor gemacht“

„Schalke hat knapp gewonnen, dafür kennt Fußball einen eigenen Moral-Begriff: Wer sich gegen Widerstände stemmt und sie beseitigt, hat "Moral bewiesen". Michael Klaus verteidigt eine andere Idee von Moral. Er war "lebenslänglicher Schalke-Fan", seit ihn der "Vadder", ein Bergmann, schon als Kind mitnahm "auf Schalke". Nun bleibt er zu Hause. Der Schriftsteller, der den Text für das "Oratorium" zur 100-Jahr-Feier des Klubs schrieb, sagt: "Ich liebe die Arena, bewundere die Spieler. Aber Schalke geht mich nichts mehr an." Eine Abschiedserklärung. "Ich wünsche dem Verein alles Gute. Aber ich verachte den Vorstand, weil er eine Mörderbande zum Sponsor gemacht hat."

Partner: Aufsichtsratschef Clemens Tönnies und Vorstandschef Gerhard Rehberg mit Gasprom-Berater Sergej Fursenko

Klaus ist Vizepräsident des PEN-Klubs, zuständig für das Programm "Writer in Exile". Und nun selber Fan im Exil. "Wir versuchen Schriftsteller aus Zuchthäusern und Todeszellen zu befreien. Und die aus Russland rauszuholen, die auf Putins Todesliste stehen." Vor jedem Spiel werden in der Arena die Profis auf dem Videowürfel gezeigt. "Wenn man stattdessen alle von Gasprom Ermordeten zeigen wollte", sagt Klaus, "dann müsste man einen Tag vorher anfangen." Ein Journalist, Sergej, habe über den Fall einer jungen Frau berichtet, die nicht mit einem Mafiaboss ins Bett wollte und deswegen mit Schwefelsäure übergossen wurde; und darüber, womit Putins Leibwache ihr Geld verdiene. "Er musste raus, um zu überleben." Er berichtet von einem anderen Flüchtling, "der nie mehr in seinem Leben zum Arzt kann, weil sie ihn in Russland mit medizinischen Instrumenten gefoltert haben". Das, sagt Klaus in Anspielung auf Funktionär Tönnies, "das alles kann nicht irgendein Metzgermeister wegwischen".

„Deutscher Meister in einem Mördertrikot“

Irgendwann, sagt Klaus, "werden die Wurzeln der Gasprom vergessen sein. Gasprom wird ein freundliches Unternehmen sein." Er kämpft dagegen an, spricht von der "Mörder-Firma": "Ich hoffe wenigstens auf eine kleine Gerichtsverhandlung, aber da kommt nichts. Es wäre ja was Neues für sie, in einem freien Land vor Gericht zu stehen, wo man Kritiker nicht wegsperrt oder ermordet." Und der Meistertitel, der erste nach 49 Jahren, würde der etwas ändern? "Meister, das wäre schon schön", sagt er wehmütig. Und fügt bitter hinzu: "Deutscher Meister in einem Mördertrikot."

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Na bitte, geht doch schon los wie vorhergesagt:

"Einem Zeitungsbericht zufolge erwägt die Regierung in Moskau, die Öllieferungen nach Europa zu drosseln."
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,575094,00.html
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Könnte ein kalter Winter werden, dieses Jahr.
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HeinzGründel schrieb:
Könnte ein kalter Winter werden, dieses Jahr.


Aber nur für diejenigen, die fossile Energie "verschwenden".  
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HeinzGründel schrieb:
Könnte ein kalter Winter werden, dieses Jahr.


hat ja eh nicht mehr direkt was mit fußball zu tun. aber was tut ihr denn selbst, in eurem bereich um die abhängigkeit zu verringern? spart ihr energie (solardach, neue effiziente geräte, fahrrad oder öpnv statt auto, die liste läßt sich leicht verlängern)?
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Viel spannender:
Wieso siehst du dich hier genötigt diejenigen zu kritisieren die das Vorgehen Russlands anprangern.
Gleichgeschaltet?


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