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Donnerstag, 21. Oktober, 19.30 Uhr: Tradition zum Anfassen: Die Mauer umspielt

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Vor zwei Jahrzehnten, im Oktober 1990 feierte Deutschland seine Wiedervereinigung. Mehr als vierzig Jahre hatten zwei deutsche Staaten existiert, die als Folge des Ost-West-Konflikts durch eine hochgesicherte Grenze voneinander getrennt waren. „Westkontakte“ waren in der DDR nicht gern gesehen, und eine Reise ins „kapitalistische Ausland“ war in der Regel nur Spitzenfunktionären und Rentnern erlaubt – oder eben den Leistungssportlern, die bei internationalen Wettbewerben den Ruf der DDR als Sportnation mehren sollten.

Bis zum Mauerfall 1989 sorgte es immer wieder für Aufsehen, wenn DDR-Fußballer sich bei internationalen Spielen von ihren Mannschaften absetzten und – oftmals über die jeweilige Botschaft der Bundesrepublik – ihr Glück im vermeintlich „goldenen Westen“ suchten.

Jürgen Pahl und Norbert Nachtweih nutzten im November 1976 ein U21-Länderspiel in der Türkei zur Flucht und landeten bei der Eintracht. Nach Ablauf der damals noch üblichen Sperre, die die FIFA mangels Freigabe durch den „abgebenden“ Verein für geflüchtete Spieler des Ostblocks verhängte, machten Pahl und Nachtweih am Riederwald Karriere. Beide feierten den DFB-Pokalsieg 1981 und beide gehörten zu den UEFA-Cup-Siegern 1980.  
Jürgen Sparwasser wurde 1974 weltbekannt. Der vielfache DDR-Meister und Pokalsieger vom FC Magdeburg erzielte bei der WM 1974 im einzigen Länderspiel zwischen der DDR und der BRD den 1:0-Siegtreffer für die DDR.
1988 nutzte Sparwasser ein „Altherrenspiel“ des 1. FC Magdeburg in Saarbrücken zur Flucht in den Westen. Und auch Jürgen Sparwasser kam zur Eintracht, ab 1988 war er Co-Trainer am Riederwald. Im 14. Teil der Veranstaltungsreihe „Tradition zum Anfassen“ beschäftigen wir uns zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung mit Fußballern, die die Mauer umspielten und bei der Eintracht landeten.
Wir freuen uns auf spannende Berichte, die diesmal weit über den Fußball hinaus gehen;– Lebensgeschichten, in denen unsere Eintracht aber doch eine bedeutende Rolle spielt.

» DONNERSTAG, 21. OKTOBER 2010
» 19.30 UHR» EINTRACHT FRANKFURT MUSEUM
» EINTRITT FREI

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Das wird bestimmt ein aufschlußreicher Abend - ich freue mich jetzt schon.
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Beve: "Es ist schon etwas ganz Besonderes, mit Jürgen Sparwasser eine Person der Fußball-Geschichte hier zu haben."

Sparwasser: "Du darfst dich aber trotzdem ruhig setzen."



Vielen Dank allen Beteiligten für diesen langen Abend im Museum.

Von Jürgen Pahl und Norbert Nachtweih aus erster Hand zu hören, wie sie sich 1976 bei einem Spiel der DDR U21-Auswahl gegen die Türkei in Istanbul absetzten, war sehr interessant.

Nicht weniger packend waren die Anekdoten, die Jürgen Sparwasser aus dem Alltag des DDR-Fußballs und des Europapoklasiegers FC Magedeburg im Besonderen zu erzählen wusste. Sein - zumindest in der BRD - berühmtestes Tor bei der WM blieb da beinahe schon Randnotiz. Immerhin wird Sparwasser das folgende Zitat zugeschrieben: „Wenn man auf meinen Grabstein eines Tages nur `Hamburg ’74` schreibt, weiß jeder, wer darunter liegt.“

Schier unglaublich und fesselnd vor allem die Schilderung von Andre Rothe über seine gescheiterte Flucht aus der DDR über Ungarn und seine anschließende Haft. Wer hätte gedacht, dass unser Stadionsprecher einer jener Gefangenen war, die 1981 gegen den Kanzler-Spion Günter Guillaume ausgetauscht wurde, dessen Enttarnung Willy Brandt 1974 zum Rücktritt veranlasste? Eine wahrlich haarsträubende Geschichte.
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Ja, ich find auch:  Das war ein sehr interessanter Abend. Sehr lang, ja - als die  Gesprächsrunde dann um kurz vor halb 11 beendet  war,  waren wir mit den Geschichten zwar jenseits der Mauer, aber noch nicht bei der Eintracht angelangt. Mit vielen kleinen und großen, zum Teil dramatischen Geschichten, Zwischentönen, Erinnerungen, unterschiedlichen  Sichtweisen. Es gab auche einige Längen -  da war einfach zu viel zu erzählen, vielleicht auch das Bedürfnis (z.B. bei Jürgen Pahl) Zeitzeugenschaft abzulegen, die eigene Geschichte und Sichtweise mitzuteilen. Grade in dem Nebeneinander der unterschiedlichen Geschichten  (z.B. die fast beiläufg erzählte Geschichte von Andre Rothe war wirklich Hammer; die „gleiche“ und dabei so unterschiedlich geprägte Geschichte von Jürgen Pahl und Norbert "Norbi" Nachtweih, der besonnene Jürgen Sparwasser)  entstand dann im Laufe des Abends ein facettenreicher, fesselnder  Blick auf das Sportlerleben in der ehemaligen DDR ,  aber auch auf Ost-West-Beziehungen – und auf die DDR selbst . Wir Wessis sind ja grade dabei unser böseböse DDR-Bild zu festigen. Ja, auch darüber gab es gestern viel, zum Teil Erschreckendes zu hören,  aber es gab auch Zwischentöne, die man zur Kenntnis nehmen sollte.  Vieles wo man gerne nachgehakt hätte. Vielleicht ja beim nächsten Mal   Mich würde z.B. sehr interessieren, warum  und auf welchen Wegen alle drei – wenn man Andre Rothe mit dazu nimmt, eigentlich sogar alle vier – bei der Eintracht gelandet sind??!

Jürgen Sparwasser hat – zusammen mit seiner Frau – kürzlich seine Biografie in Buchform veröffentlicht. Er hatte ein paar Exemplare mit ins Museum gebracht, hab eins gekauft, gestern abend noch darin geblättert. Jürgen Sparwasser hat betont, dass er und seine Frau das Buch selbst geschrieben haben. Das glaubt man ihm aufs Wort – im Positiven, versteht sich. Frei von eloquentem Zeitungssprech, liebenswert old-fashioned, grade, ohne große Worte, kein Profi-Schreiber, sondern hintereinander weg erzählt   – liest sich wie eine Sammlung von Erlebnisberichten. Viele, viele auch private Fotos. Lohnt sich! (Mal sehen, vielleicht schreib ich, wenn ich  mir das Buch genauer angeschaut hab, noch ein bisschen was mehr darüber).

Herzlichen Dank ans Museums- und FuFa-Team!
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Ich fand den Abend gestern sehr interessant. Überraschenderweise war der Zuschauerzuspruch auch größer als von mir erwartet.

Gestern abend habe ich meine Meinung über Jürgen Pahl revidiert. Hatte ich ihn einst als ziemlich unauffälligen  und nach außen manchmal fast etwas bräsig wirkenden Spieler in Erinnerung entdeckte ich gestern an ihm sehr sympathische Charakterzüge: Nämlich Unangepaßtheit, Gerechtigkeitssinn, kritische Sichtweisen auf Vieles und Aufmüpfigkeit.

Alleine Pahl hätte mit seinen Erzählungen über den DDR-Sport, seine Stasi-Überwachungen, seine Flucht und seine Erkenntnisse nach Lesen seiner Stasi-Akte einen ganzen Abend mühelos alleine füllen können. Vielleicht gibt es ja wirklich einmal einw Art "Fans fragen - Pahl erzählt etwas dazu". Das stelle ich mir sehr informativ vor.

Eher sensibel präsentierten sich Sparwaser und Nachtweih. Dafür gab es von beiden aber manchen interessanten Blick hinter den DDR-Fußballalltag.

So erfuhr man von Sparwasser unter anderem einiges über die Verdienstrukturen und warum ein Auswechselspieler beim FC Magdeburg unter Umständen wesentlich mehr verdienen konnte als ein dortiger Stamm- und Nationalspieler. Dafür gab es manchmal als Ausgleich "Berliner" wie uns Nachtweih aufklärte (gemeint waren damit Briefumschläge mit Inhalt für Spitzensportler).

Sparwasser hat ürigens eine Biographie geschrieben, in welcher seine sportliche DDR-Vergangenheit und die Zeit nach seiner Flucht beschrieben ist. Diese gab es gestern im Museum zu kaufen. Vielleicht sind am Samstag dort noch Exemplare erhältlich.

Die Lebensgeschichte von Andre Rothe war auch interessant. Hatte er doch gegenüber den drei Sportlern nach seinem mißglückten Fluchtversuch über Ungarn wirklich massive persönliche Konsequenzen zu tragen. Haft im "Mörderknast" Brandenburg und bis zum Schluß die Ungewissheit, ab das mit der Ausreise (wie von Grabi 65 erwähnt im Austausch gegen Kanzleramtsspion Guillaume) auch wirklich klappt oder ob es wieder zurück in den Knast geht.

Auch wenn gestern gar nicht so viel vom Fußball an sich die Rede gewesen ist wie sonst üblich war dies gerade für die jüngeren Zuhörer eine Zeitreise in die Geschichte.

Ich kann nur sagen : Mehr davon !


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