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Vom Leben ohne Fußball und anderen Unmöglichkeiten- die SZ-Rezension von "ran"

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                  Luft raus

Nach dem Spiel ist vor dem Schlaf: Die Fußball-Bundesliga in "ran", jetzt erst um
20 Uhr 15



Man kann schon auf seltsame Art sein Geld verdienen. Zum Beispiel als Kameramann im Fußballstadion. Wenn man nicht, wie die Kollegen, den Auftrag hat, dem Spiel und dem Ball zu folgen. Sondern die Kamera starr und stur in Richtung Trainerbank halten muss, neunzig tödliche Minuten
lang. Denn das wollen die Fernsehzuschauer ja angeblich unbedingt sehen: Wie sich der Trainer freut, und wie er sich grämt. Wie er die Nerven
behält und schließlich doch noch verliert. Und auch, das wissen wir seit diesem Samstag: wie er schwitzt. Fußball, das ist bekannt, ist erregend.
Aber die Schweißflecken eines Fußballtrainers, das ist nun wirklich eine Neuigkeit, sind womöglich noch erregender.

Die neue Bundesligasaison hat begonnen. Ihre einstweilen größte Innovation betrifft den Sender Sat 1, dessen Fußballhauptgottesdienst namens ran - dem hl. Kirch zuliebe - nun erst um 20 Uhr 15 beginnen darf, zur besten Sendezeit also, die für den Fußball leider die schlechteste            Sendezeit ist. Nicht so sehr der massiven Trivialkonkurrenz in den anderen Sendern wegen. Sondern weil 20 Uhr 15, also drei Stunden nach Abpfiff, ein unseliger, blödsinniger Zeitpunkt ist. Weil alle Ergebnisse des Spieltags lange bekannt und alle Fußball-Leidenschaften schon deutlich abgeklungen sind. Weil ran nun zu spät kommt, und wer zu spät kommt, nun ja, das ist bekannt...

Andererseits kommt ran auch zu früh - zu früh für eine Sendung, in der das Fußballdenken, die Fußballphilosophie, das Fußballfeuilleton einen Platz hätten. Abgesehen davon, dass es dem Sender hierfür auch an Kapazitäten deutlich fehlt. Anders gesagt: ran schießt nun gleich zweimal ins Leere, an unseren Herzen und an unseren Köpfen vorbei. Und noch einmal anders gesagt: ran um 20Uhr 15 ist wie ein Fußball ohne Luft. Man kann              dagegentreten, aber ein Spaß wird es niemals werden.

Zurück auf die Trainerbank. Der Trainer Toppmöller (Toppi aus Leverkusen) hat sich bei beiden Toren seiner Mannschaft sehr gefreut, wie ran      ausführlich dokumentierte. Vielleicht sollte sich Toppi in Zukunft noch ein bisschen doller freuen - er weiß doch, als Profi, dass die Kameras seinen
Torjubel zeigen. Die Trainer Hitzfeld und Henke wiederum (FC Bayern, o je!) wurden immer wieder lange in synchroner Schmerzverkrampfung gezeigt,
man bekam beinahe Mitleid. Doch der absolute Star auf der Trainerbank war der Sportkamerad Brehme (Kaiserslautern). Wie sich nämlich sein
adrettes Oberhemd im Laufe des Spiels in einen einzigen Schweißfleck verwandelte, das waren Bilder sinnlicher Entgrenzung, von denen sich die
Reporter gar nicht mehr loßreißen konnten. Womit sie dem Journalismus ganz ohne Zweifel neue Türen geöffnet haben.

Die Spielberichte hingegen waren wie immer bei ran. Dass die Reporter jetzt zwei Stunden länger Zeit haben als früher, merkte man kaum. Thomas
Herrmann keuchte und krampfte sich in eine Erregung, die drei Stunden nach Spielschluss noch künstlicher wirkte als sonst, Werner Hansch
grätschte sich mit Wollust in die Metaphern hinein (und brachte, wie immer, viele zu Fall).

Und der Moderator, Jörg Wontorra? Man kann sagen, dass er seinen unmöglichen Job auf erträgliche Weise tat. Dass er jedenfalls auf dem Weg der Verwandlung eines guten Sportreporters in ein
Rundum-Gute-Laune-Paket nicht weiter voranschritt.

Dass er, im Gegenteil, sogar von gewissen elegischen Stimmungen erfasst zu werden schien, was auch sein geradezu kleinlauter Abgang am
Ende der Sendung zeigte: "So, damit hätten wir alles abgehakt. Ich hoffe, Sie waren ein bisschen zufrieden mit uns". Abgehakt, ein bisschen,
zufrieden: Ein Sieger jedenfalls, der spricht so nicht!

Auch Oliver Kahn, Ehrengast im Studio, riss die müde Affäre nicht herum. Trat nicht als "King Kahn" auf, nicht als "das wilde Tier im Tor", sondern auffallend leise, als spätjugendlicher Frühmelancholiker. Und schaute so traurig aus dem (trockenen) Hemd, wie nur einer schauen kann, der alles im Leben erreicht hat.

Nein, so geht es nicht weiter! Jetzt wird sich der Zuschauer entscheiden müssen. ran um 20 Uhr 15, das ist nichts, und das wird nichts! Also, wenn
Fußball unbedingt sein muss: Selber ins Stadion gehen. Oder aufs Aktuelle Sportstudio warten, wo nicht alles besser ist, aber alles wenigstens
schneller geht. Oder sich nun doch geschlagen geben, den Decoder holen fürs Pay-TV, also in die Kirch-Falle gehen?

Vielleicht aber auch, ein im Augenblick noch fast undenkbarer, schier ungeheuerlicher Gedanke: endlich ein Leben versuchen ohne Fußball.
Ohne Ball und ohne Kirch, ohne ran und ohne Kahn. Keine Macht mehr dieser Droge! Vielleicht geht es ja. Man muss es sich nur einreden. Ganz     langsam also, Leute, und bitte alle im Chor: Es gibt. Es gibt ein Leben. Es gibt ein Leben ohne Fußball.

Möglicherweise.

                                                      BENJAMIN HENRICHS
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Der Artikel bringt es auf den Punkt, warum Ich seit 3 Jahren keine "RAN" Sendung mehr freiwillig gesehen habe! Man ist im Stadion sieht entscheidene Szenen, Fouls, Torchancen, und vor allem Fanatmosphäre (!!!) Man schaltet ein, und sieht nur die Hälfte davon, da fehlt was.

Und was wird geszeigt, wie sich der Rausch in der Nase gepopelt hat, wie er sich seinen Männerslip zurecht gerückt hat, wie Jedlicky seinen Senf fleck auf dem Sacko weg macht.....usw!

Warum zeigen die nicht am Anfang vom Beitrag die Choreo im Fanblock?

Am meisten hat mich das letztes Jahr beim "Abschiedsspiel vom Jan-Aage angekotzt! Da machen sich warscheinlich  insgesamt 100 Leute die Mühe eine Sau geile Choreo und das Banner mit dem Trikot Nummer "9" zu organisieren, und was wurde geziegt bei RAN? (musste mir das damals leider bei nem Bekannten anschauen) 4 "Fjöööörrrttoooffftt Wir leiben dich" kreischende Teenys (*lol* bin ja selber einer), und ein Banner mit "5:1 danke Jan" (was nichts gegen das Banner sein soll).

Von der Choreo und dem heulenden Jan auf dem Zaun bei seiner Ehrenrunde nichts zu sehen!

Ich gebe dem Kirch noch 2 Jahre, entweder bekommt man dann die Fußballergebnisse nur noch im Stadion mit, oder man muß über "underground Seiten" im Internet danach Forschen, weil sich der Drecksack die Spielstände direkt nach Spielschluß patentieren lässt.

Oder er macht mit seiner @!#$ Firma endlich pleite, dann haben wir halt 4-5 Sender weniger im TV, aber ich gucke sowieso nur wenn ich krank bin und net schlafen kann.
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Was von den zahlreichen Kritikern an Kirch immer wieder vergessen wird:

Er hat nicht etwa die Liga mit vorgehaltener Pistole zu diesem Vertrag gezwungen. Die Liga hat sein Angebot gerne akzeptiert, weil es den Vereinen die Möglichkeit gibt, mit den Ligen in Italien, Spanien und England finanziell mitzuhalten. In England z.B. wird noch weitaus mehr als in Deutschland von Sky gezahlt, zu sehen ist aber viel weniger (Bezahlfernsehen a la Premiere gibt es auf der Insel nicht). Was daran jetzt besser als in Deutschland sein soll, leuchtet mir nicht ein. Mir kommt es immer so vor, als sei die Kritik an Kirch vordergründig, eigentlich will man ja mit der Kritik die ausufernde Kommerzialisierung beim bezahlten Fußball treffen. Ist o.k. - nur dann muß man auch akzeptieren, daß man im europäischen Fußball nur noch die zweite oder dritte Geige spielt und schon einigermaßen begabte einheimische Spieler wie Deisler, Kehl, Asamoah usw. blitzschnell zu den Millionenligen transferiert werden. Dann haben wir wieder die gute alte Sportschau mit Faßbender um 18.00 Uhr, versäumen trotz neuester Technik ab und zu mal ein paar Tore oder auch ein ganzes Spiel, haben wahrscheinlich 18 Mannschaften mit jeder Menge Spielern aus Europas Osten (denn die sind ja dann noch bezahlbar)und bekommen nach jeder Europapokalrunde von den gleichen Kritikern, die jetzt die Kommerzialisierung kritisieren, vorgehalten, wie schwach der deutsche Ligafußball doch geworden ist.

Die auch in meinen Augen durchaus bedenkliche ausufernde Kommerzialisierung ist wie so viele andere Dinge nur auf gesamteuropäischer Ebene zu stoppen. Auf Grund der völlig anderen Mentalitäten vor allem in Spanien (wo Schuldenmachen Ehrensache ist) oder England (wo der Club Mittelpunkt des Lebens ist) ist hiermit jedoch vorläufig nicht zu rechnen.

Gruß Robbie
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Hi, Robbie

sehr guter, treffend-analytischer Kommentar !
In der Tat befindet sich die Liga in der Zwickmühle der "international üblichen" Gehälter und den eigentlichen Bedürfnissen der Fans. Fußball ist neben Sport auch Spektakel, und auch ich  würde bedauern, wenn der deutsche Fußball an Stellenwert gegenüber Spanien, Italien und England an Stellenwert verlieren würde. Aber täte er das wirklich ? Ohne Kirch ?
Natürlich ist es ein Problem auch für die Liga, wenn sie nicht die "ganz dicken Fische" im Land halten oder an Land ziehen kann. Aber geht es wirklich nicht ohne die Unsummen, die für Spielergehälter im internationel Vergleich ausgegeben werden, in der Meinung, daß sie ausgegeben werden müssen ?  Ist der Preis, sich an auf Gedeih und Verderb an Medienmogule auszuliefern, wirklich nicht zu hoch ? Und ist es am Ende nicht genauso schön, ach was, noch viel schöner Fan des FC St.Pauli als des FC Bayern zu sein ?
Von der Zahl der Superstars in der nationalen Liga hängt m.E. die Qualität des Nachwuchses, der Nationalmannschaft und der Begeisterung für das Phänomen Fußball nicht ab.  Schau Dir doch die Nationalmannschaften von Spanien und England an ? Wann haben sie denn den letzten großen Erfolg errungen- trotz aller (internationalen) Stars in ihren Ligen ? Im Gegensatz dazu : Die Deutschen wurden 1990 Weltmeister mit einer Mannschaft, von der ein Anteil im Ausland spielte, wie er seitdem nicht mehr erreicht wurde. Die Brasilianer gelten zu Hause wie auf der ganzen Welt immer noch als Mythos (O.K., aktuell ein schlechtes Beispiel), obwohl die allermeisten Spieler in Europa beschäftigt bschäftigt sind. Oder die aktuelle Übermannschaft, die Franzosen : Wieviele Nationalspieler kicken in Frankreich ?
Ich denke einfach, daß sich die Spirale der Kommerzialisierung unter Auslieferung an Leute wie Kirch nicht endlos ausdehnen läßt und auf Dauer ein Ende haben wird (muß).Und da sollten die deutschen Vereine nicht wie die Lemminge ins Verderben rennen und versuchen, spanische Verhältnisse zu etablieren. (Selbst Uli Hoeneß hat das erkannt und unter Verweis auf das "finanziell Machbare".) Die Mentalitäten sind unterschiedlich- oder so unterschiedlich auch wieder nicht : In England gibt es einen "award" für Spieler, die dem Verein über einen bestimmten Zeitraum die Treue halten, in Spanien muß ein Vereinspräsident zurücktreten, weil er einen Spieler ziehen läßt, von dessen Verbleib er sein Schicksal abhängig gemacht hat (Mendieta in Valencia) und wir alle feiern Leute wie Alex Schur, die "den Adler im Herzen tragen"- trotz allem und was immer das heißen mag.


Grüße
Adler aus Freiburg
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Wir als Fans haben es doch in der Hand , wer ins Stadion geht, braucht abends nicht Ran zu gucken. Das Einzige was mich im Fußball interessiert kommt Sonntag abend um 21:45 im Sportkalender auf Hessen 3. Der Rest kann mir gestohlen bleiben.

Es lebe der Kapitalfreie Fußball

Eintracht für immer
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Hallo,

noch zwei kurze Stellungnahmen:

Freiburger Adler, Du sprichst treffend die Qualität der Nationalmannschaften an, deren beste Spieler im Ausland spielen (z.B. Brasilien, Frankreich). Das ist korrekt, nur schau bitte am Beispiel Holland, wohin dies die Liga führt. Hast Du dir schon mal ein Spiel in Holland angeschaut (z.B. Roda gegen Enschede oder Sparta gegen Waalkwijk). Das entspricht vielleicht in Deutschland einem Spiel Aalen gegen Burghausen (wobei ich um Gottes willen nichts gegen diese beiden Mannschaften habe, gegen Aalen vielleicht auf Grund des letzten Ergebnisses ein wenig). Konsequenz jedenfalls in Holland, das Interesse der Fans richtet sich (von Feyenoord, Ajax und PSV abgesehen) nur noch auf die Nationalmannschaft und man schaut im Fernsehen lieber die Premiere League oder die Bundesliga. Aus meiner Sicht müssen die guten Spieler im Land gehalten werden und zwar nicht nur bei einem Club sondern möglichst bei vielen, damit eine hochklassige Konkurrenz und damit eine möglichst weitreichende Ausgeglichenheit verbleibt. Und das ist im Augenblick, so bedauerlich ich das finde, nur mit hohen Gagen machbar.

Zum Satz von Hans Beimer - es lebe der kapitalfreie Fußball. Den gibt es nur noch bis zur C-Jugend. Bei uns auf dem Dorf (B-Klasse!) wird schon eifrig zugesteckt und das bei Spielern, die sich schon beim Ballstoppen die Füße brechen. Da beginnt doch das ganze Problem. Und spielt ein Vorstand einmal dieses unwürdige Gehabe nicht mit, laufen ihm die Spieler weg und er bekommt bei der nächsten Hauptversammlung Ärger mit den Mitgliedern, weil der Verein abgestiegen ist. Also auch hier - nur gemeinsam kann etwas geändert werden, und das ist nunmal unwahrscheinlich schwierig.

Im übrigen freue ich mich über die qualitativ hochstehenden Diskussionen über dieses Thema hier im Forum, das aus meiner Sicht Klassen über dem Plasik-Bla-Bla vieler Offiziellen und sonstigen Möchtegernfachleute liegt.

Gruß Robbie
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mag man Dir, Robbie Frowler, bei Deiner "Verteidigungsrede" für Kirch nicht uneingeschränkt zustimmen: Selbst wenn es im Moment keine Alternative zu Kirchs Millionen gibt, so darf einem das doch nicht den Blick dafür verstellen, daß aller Voraussicht nach dem derzeitigen Goldrausch bald ein katervolles Erwachen folgen wird. Ich denke, "der Fußball" (wer immer das sei) ist dabei, die Sache zu überreizen, und schaufelt sich selbst sein Grab. Auch wenn "der Fußball" natürlich nie sterben wird.

Es stimmt, derzeit gibt es für die Bundesliga nur eine einzige Möglichkeit, ihrer "Niederlandisierung" - (also dem von Dir am Beispiel Roda vs. Enschede aufgezeigten drohenden Niveauverlust) - zu entgehen: Und diese Möglichkeit heißt Kirch. Mit dem pay-tv und dem Fußball verhält es sich ähnlich wie mit allerlei sonstigen Errungenschaften der Zivilisation überhaupt: Man kann scharfsinnig darüber philosophieren, ob es ohne diese Erfindung nicht vielleicht auch ginge (oder sogar besser ginge) - aber wo sie nun einmal da ist, kann man sich ihr nicht entziehen. So sind bspw. 99,99 % aller Handys schlicht überflüssig, heben den Lebensstandard ihrer Eigner kaum, sind möglicherweise gar gesundheitsschädlich - und doch hat jeder (mich eingeschlossen) so ein Ding...

Wahrscheinlich ginge es dem (und zwar: internationalen) Fußball insgesamt deutlich besser, wenn es kein pay-tv gäbe. Auch in Italien ist - abgesehen von einer grundverschiedenen Steuergesetzgebung, die es bspw. einem Agnelli erlaubt, seine Gewinne aus Fiat mit den Verlusten von Juventus zu verrechnen - pay-tv die wichtigste Einnahmequelle der Vereine. Und damit in erster Linie verantwortlich für die - in meinen Augen ungesunde und gefährliche - Explosion der Spielerkosten. Die TV-Entgelte lagen in Italien sogar noch höher, zumal dort zwei verschiedene pay-tv-Sender (stream und tele+) miteinander konkurrieren und die Vereine ihre Heimspiele dezentral jeweils selbst vermarkten dürfen.

Neapel hatte noch Ende der 80er Jahre Maradona für die damals unvorstellbare, heute aber lächerlich erscheinende Summe von ca. 15 Mio. Mark gekauft - diesen Sommer hat der AS Rom genau diese Summe für ein unbekanntes 15-jähriges Talent aus der Provinz hingelegt. Zwischen Italien und Spanien gibt es mehrere Deals jenseits der 100-Mio.-Schallmauer und auch die altehrwürdige und der Entwicklung stets hinterherhinkende Bundesliga hat mit Amoroso ihren ersten 50-Mio-Mann!

Hieran zeigt sich m.E. ganz deutlich, daß "die Vereine" wirtschaftlich völlig unsinnig handeln. Es ist eine Binsenweisheit, daß Fußballclubs längst "normale" Wirtschaftsunternehmen sind. Normal? Nun, nicht ganz: Diese Branche hat, seit sie sich zu Recht als Wirtschaftsbranche bezeichnen kann, nur stetes Wachstum erlebt, nie eine Rezession. Einnahmen, Umsätze, Gehälter: alles steigt, und zwar immer schneller. "Normal" ist das für eine Wirtschaftsbranche nicht.

Und ebenso unnormal benehmen sich die Manager dieser Wirtschaftsbranche (Präsidenten oder welche Titel sie sich auch immer geben): Man schielt nur auf den kurzfristigen Erfolg, man kauft daher 30-Jährige für 150 Mio. etc. Gewiß, (noch) geht die Rechnung leidlich auf, Bayern hat allein in der letzten Champions League ca. 90 Mio. DM verdient. Real verkauft halt sein Trainingsgelände. Lazio verkauft Veron und Nedved für zus. etwa 150 Mio. und kauft Mendieta für 90 (und liebäugelt mit Rivaldo, der allerdings wieder 150-180 Mio. kosten würde...) Usw.

Ich bin mir sicher, daß dieses ganze aufgeblähte Gebilde in ein paar Jahren zusammenkrachen wird. Kirch kann ran auf den Sendeplatz nach der Harald Schmidt Show verschieben und ARD/ZDF jegliche Bilder bis Mittwoch verbieten - das Potenzial an premiere-Kunden wird dadurch nicht mehr. In Italien stehen stream und tele+ vor den gleichen Problemen, dem Konkurs wollen beide durch eine Fusion entgehen. Fusionsdatum: 1.1.2002. Am 30.06.2002 laufen die derzeitigen Fernsehverträge mit den Serie A Clubs aus... Stream und tele+ haben bei der Bekanntgabe ihrer Fusion schon erklärt, daß sie sich jetzt nicht mehr überbieten werden und mit einem deutlich billigeren Abschluß rechnen...

Irgendwie erinnern mich die ach so tollen G 14 Clubs an so manch "glorreiches" Unternehmen der new economy: Viel Blendwerk und nichts dahinter. Das ganze (oft nur gepumpte) Kapital steckt in alternden Fußballerbeinen - ist also mittelfristig verloren. Vor allem, wenn die Vereine, die Ablösesummen über 100 Mio. zahlen können, abnehmen.

Und das werden sie. Denn pay-tv setzt sich nicht durch. Dafür ist das Angebot zu umfangreich und zu teuer. Ich will doch gar nicht 9 Spiele wöchentlich live sehen, und dafür kräftig bezahlen. Mir reicht - abgesehen vom Stadionbesuch, natürlich - es vollkommen, eine handwerklich passabel gemachte Zusammenfassung der Spiele von max. 1 Stunde Dauer zu sehen; vielleicht ab und an mal ein Topspiel noch. Die Massen, die für erhebliches Geld alle Spiele aller Ligen in voller Länge sehen wollen, die gibt es doch gar nicht. Auch ich als gewiß überdurchschnittlich fußballbegeisterter Mitbürger entdecke bei langatmigen Zusammenfassungen von Spielen wie Cottbus-Wolfsburg oder Rostock-Nürnberg deutlich die Langweil-Grenze, von so Knüllern wie Lecce-Verona oder Santander-Vallecano ganz zu schweigen.

Du hast recht, mein Zorn muß "Kirch" (als Synonym für die pay-tv-Sender) genauso treffen wie die Vereine: Ersteren, weil er aus einer ganz natürlichen Regung des Menschen (*gg*) - der Begeisterung für den Fußball - meint, Kohle machen zu können und dabei doch den Sport nur ruiniert. Und die Vereine, weil sie das alles blind mitmachen.

Ich könnte ja "ran" usw. ganz gut ertragen, wenn das Geld von den Vereinen sinnvoll genutzt würde: Für Jugendarbeit, für die Stadien etc. Aber das ist natürlich utopisch, Steine schießen keine Tore und nur wer kurzfristigen Erfolg hat, kommt ins TV (und zockt die Kohle ab). Deshalb hatte bislang jede Explosion der TV-Gelder ruck,zuck eine Explosion der Spielergehälter und Ablösesummen zur Folge gehabt.

Mal sehen, wie die Vereine mit ihren (wg. Bosman auch noch furchtbar langfristigen!) Verträgen glücklich werden, wenn die Fernsehgelder nach dem Scheitern des pay-tv-Experimentes dramatisch zurückgehen sollten...

beste Grüße

aquila
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San Jose Adler und andere, die es wissen könnten: Wie war die Entwicklung in den USA? Da wechselte Vereins-Spitzensport doch auch vom Free- ins Pay-TV und wieder zurück. Wie kam es dazu? Zeichnet das eine Entwicklung vor, die die Bundesliag möglicherweise auch durchmachen könnte? Und - aber die Frage könnte nur sein im Zweifelsfall verzweifelter Finanzchef beantworten - wieso stürzt sich dann Kirch in ein Abenteuer, das anderswo schon kein Spaß war?
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Hi Leute,

in der Boom-Phase des Neuen Marktes wurden von zahlreichen Unternehmen aus den Bereichen Sportrechte, Filmhandel etc. Verträge zu betriebswirtschaftlich unvertretbaren Konditionen abgeschlossen. Hierzu zählt ohne Frage auch der Vertrag über die Bundesligarechte, aber auch der Formel1-Vertrag von EM-TV. Das Motto lautete "Wachstum um jeden Preis". Geld war genug vorhanden, konnte man es sich doch über Kapitalerhöhungen jederzeit in rauhen Mengen beschaffen.

Nun ist die Party vorbei, zahlreiche Unternehmen stehen vor der Pleite. Ein Zahlenbeispiel: EM-TV hat im abgelaufenen Jahr bei einem Umsatz von € 657 Mio. einen Verlust von € 1.408 Mio (!!!) ausgewiesen, primär bedingt durch Abschreibungen auf überteuert erworbene Rechte (Zahlen aus Börse-Online).

Diese Unternehmen versuchen nun verzweifelt, auf ihre (viel zu hohen) Kosten zu kommen. Genau so ein Versuch ist die Verschiebung der Free-TV-Berichte in den Abend. Aquila hat recht: Der Versuch wird kläglich scheitern und nicht zu einer Erhöhung der Einnahmen führen.

Die Kirch-Gegner sollten sich also nicht zu sehr ärgern, handelt es sich bei der Aktion doch um die letzten Zuckungen eines todkranken Patienten.

Ich habe mit den Fernsehhaien überhaupt kein Mitleid, mache mir aber auch Sorgen um die Vereine. Diese müssen einsehen, dass die gegenwärtigen Einnahmen aus dem Fernsehvertrag eine hohe außerordentliche Komponente enthalten. Es gilt, die Kosten zügig zu reduzieren, um nach dem auch von mir erwarteten deutlichen Rückgang der Fernsehgelder wirtschaftlich arbeiten zu können.

Gruß


Wadenbeißer


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