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Feierabend-Service für abseitige (?) Themen : SZ zum Quoteneinbruch

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Der Fan als Dunkelziffer
Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer : Quoteneinbruch im TV-Fußball wird für die Liga riskant

München - Vom rapiden Kursverfall der ehedem
führenden deutschen Fußballsendung ran hatte Oliver Germeroth bis gestern nichts mitbekommen. Aber den Quotenstand von 2,22 Millionen Zuschauern der verschobenen Show hat der leitende PR-Mann des
badischen Ökostrom-Anbieters NaturEnergie auf Anhieb richtig deuten können: "Um Gottes Willen", entfuhr es ihm da, und dabei galt die Bestürzung nicht Jörg Wontorra und dessen Spießgesellen, sondern seinem eigenen Unternehmen. Das sponsert nämlich seit Saisonbeginn den SC Freiburg mit jährlich sechs Millionen Mark, "und da
würden wir es natürlich sehr begrüßen, wenn die Sendung auf ihren angestammten Sendeplatz zurückkehrt, an dem auch die Zuschauer wieder teilhaben möchten", sagt Germeroth.

Auf der Suche nach den verlorenen Zuschauern hat ran- Moderator Wontorra am Ende gar "eine gewisse
Dunkelziffer" ausgemacht. Demnach verbergen sich hinter Zweitfernsehern in Schlafzimmern und Rumpelkammern viele anonyme Fußballgucker, die den Zeugen des Saisonfehlstarts nicht zugerechnet wurden. Ansonsten erklärt er das Wetter und die Grillsaison für schuldig.

Dunkelziffer oder Biergarten - sollte die desaströse Quote ein Trend werden, berührt das einen Einnahmeposten, der ein Fünftel des Etats der Bundesligisten ausmacht. Durch Sponsoring und Bandenwerbung erwirtschaften die Klubs fast 200 Millionen Mark im Jahr - so viel wie in keiner
anderen europäischen Spitzenliga. Attraktiv sind der Kauf einer Trikotbrust oder einer Stadionbande für Werbekunden aber nur dann, wenn Millionen vor den Fernsehern sitzen. Sinken die Einschaltquoten, sinkt auch der Werbewert von Hemden und Banden. Die Strategie der Kirch-Gruppe, auf Kosten der ran-Show ihr Abofernsehen premiere zu stärken, kollidiert mit den Interessen der Liga-Geldgeber. "Wenn 60000 Fans im neuen Schalker Stadion sind, ist das super. Aber die größere Reichweite haben die Fernsehsender. Ein großer Teil unseres Sponsoringpaketes ist die Banden- und die
Trikotwerbung, und da wollen wir von so vielen Leuten wie möglich gesehen werden - daraus ergibt sich schon, dass Pay-TV allein nicht reicht", sagt Willy Lünstroth,Pressereferent der Victoria Versicherungsgesellschaften, die neuerdings für zwölf Millionen Mark pro Jahr den FC Schalke 04 sponsern.

Dass seiner Meinung nach "die Programmplanung vieler Fernsehsender derzeit ziemlich am Fan vorbeigeht", findet unter anderem Bestätigung im Appell des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff) mit seinen 4000 Mitgliedern. Baff ruft die Anhänger auf, als Zeichen "gegen die
Eventisierung und Kommerzialisierung des Fußballs" den Kauf von Dekodern zu boykottieren und fordert "eine Alternative zur ran-Verfälschung".

So viel Anti-Fernseh-Stimmung könnte Folgen haben.
"Sollten die Quoten so niedrig bleiben, würden wir uns einem hohen Argumentationsdruck ausgesetzt sehen", erklärt Katja Kraus, Sprecherin des Vermarkters Ufa. Das ist dezent formuliert. "Wenn nur noch die Hälfte zuschaut, gehen 50 Prozent der Leistungen den Bach runter", wird Jochen Röttgermann, Manager der Agentur Sortscom,
deutlicher. Sportscom betreut mit eon bei Borussia
Dortmund, debitel beim VfB Stuttgart und Veltins bei Schalke drei große Kunden. "Wir würden ihnen bei gleichbleibender Entwicklung raten, die Verträge anzupassen", sagt Röttgermann. Anpassung nach unten.

"Das würde ich an deren Stelle auch sagen", meint Peter Peters, Geschäftsführer des FC Schalke 04. Er hält die Diskussion zwar für verfrüht, dennoch gibt Peters zu, dass es sich auf die Einnahmen der Klubs auswirken dürfte, wenn es weiter so eine "träge Entwicklung" im Free-TV geben sollte. "Man muss allerdings abwarten, was die kumulierten Quoten ergeben", meint Marco Klewenhagen, Chefredakteur der Fachzeitschrift Sponsors. So könnten Verluste bei ran durch bessere Zahlen beim ZDF- Sportstudio oder den Sendungen des DSF ausgeglichen werden. Schließlich "zählen die
Kontakte", sagt Klewenhagen, der dafür um so
interessierter den Streit um die Kurzberichte in der Tagesschau verfolgt hat: "Eigentlich müssten die Sponsoren doch fragen: Da sind fünf Millionen Kontakte - und die wollt ihr uns nicht geben?" Dass die Vereine zunächst bei der Gängelung der ARD-Teams assistierten, zeigt auch für Röttgermann "ganz klar eine Interessenkollision". Er findet, dass die Klubs aufgrund der Abhängigkeit von TV-Einnahmen "schon an der kurzen Leine geführt werden".

Generell diktieren in den Sponsoren-Verträgen Erfolge, Titel oder internationale Beteiligung die Höhe der Zuwendungen. Auch Daten über Fernsehpräsenz und Zuschauerzahlen können eine Rolle spielen, und sollten diese Werte deutlich zurückgehen, gibt es Abschläge.

Trikotwerbung habe sich als effektives Mittel
durchgesetzt, sagt Klewenhagen: "Man kann sich vielleicht an keinen Werbespot in ran mehr erinnern, aber mit Sicherheit an viele Trikotsponsoren." Dass die ARD-              Stationen am Samstag zehn Millionen Radiohörer zählten, findet Willy Lünstroth vom Schalke-Sponsor Victoria zwar beachtlich: "Aber leider sehen die unser Trikot nicht."
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Absolut Fußball????(Werbesingsang von Kirch-TV)
Absolute Scheissssse!!!
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"Es sieht nach Bruchlandung aus"

Das Desaster der Fußball-Show ran alarmiert und entzweit die Bundesliga



München- Der Samstag hatte für Uli Hoeneß mit einer Pflicht begonnen - dem Empfang beim Ministerpräsidenten Stoiber -, aber er sollte in einer sinnlosen Tortur enden. Mühsam bewahrte der Bayern-Manager Haltung im Verhör durch Moderator Wontorra, während er den kompletten Abend
opferte, um seinen Beitrag zur Rettung der taumelnden Fußball-Show ran zu leisten, denn die Strategen der Bundesliga haben ja längst erkannt, was die große Fernsehfußballdebatte anzurichten droht. "Diese Sendung", warnt beispielsweise Dortmunds Präsident Gerd Niebaum in der Welt, "ist
auch ein Teil des Bundesliga-Auftritts, der, wenn er nicht angenommen wird, den Gesamtauftritt der Bundesliga negativ berührt."

Auch Hoeneß hat ran nicht helfen können, die Zuschauerquote war noch schlechter als in der Vorwoche, und darüber zeigt sich sogar Hoeneß’
Erzfeind Willi Lemke betroffen. "Was ich so deprimierend finde, ist, dass wir gegen die Volksmusik 2:7 verloren haben", sagt der Bremer
Bildungssenator und Werder-Aufsichtsrat. Sieben Millionen beim Hochzeitsfest der Volksmusik, zwei Millionen beim Volksvergnügen Bundesliga, das ergibt eine vernichtende Niederlage-  "im Augenblick sieht es nach einer Bruchlandung aus", meint Lemke. "Wenn der Marktanteil so schlecht ist, dann muss man sich sicherlich Gedanken machen", schließt sich Bayer Leverkusens Manager Wolfgang Holzhäuser an.

Gerd Niebaum hat sich dazu seine Meinung schon gebildet. "Ich gebe ran keine Chance", urteilt er und argumentiert wie der Vertreter einer
Fan-Gewerkschaft: "Hier zwingt man den Menschen ein Produkt auf, zu einer Zeit, in der sie es eigentlich gar nicht haben wollen. So nimmt man
ihnen etwas weg von ihrer Freude am Freizeitspaß Fußball. Der Bruch mit den tradierten Gewohnheiten ist zu groß." Entsprechend kritisch wertet der
Borussia-Chef das defensive Taktieren seiner Bundesliga-Kollegen gegenüber dem zahlenden TV-Geschäftspartner - der Kirch-Gruppe, die
das Fernsehdesaster um ran inszeniert hat, und zwar "um eine gewisse Sogwirkung für den Kauf der premiere-Decoder und des Bundesliga-Pakets zu erzeugen", wie Niebaum weiß. Dass sich die
Vertreter der Profiklubs dieser Absicht allzu bereitwillig untergeordnet haben, daraus leitet er einen Vorwurf an die Adresse der neuerdings
autonomen Liga-GmbH ab: "Ich habe die Sorge, dass zuviel experimentiert wird mit der sehr guten Marke Bundesliga."

Das klingt, als ob da einer ausschert aus der Zweckgemeinschaft des deutschen Profifußballs, und genauso kommt es auch an bei den Beschuldigten: "So eine Aussage sollte man nicht treffen", rügt der Geschäftsführer der Selbstverwaltungsgesellschaft, Wilfried Straub, dem Niebaums Resümee "zu früh kommt nach zwei Spieltagen in der Ferienzeit." Auch Holzhäuser wendet sich gegen das resolute Fazit und
dessen Absender: "Es ist leicht, sich hinzustellen und Kritik zu üben, wenn man keine Verantwortung trägt. Herr Niebaum hat sich leider aus den
zuständigen Gremien verabschiedet und ist nicht auf dem Stand der Informationen, auf dem er sein müsste." Ruhe ist die erste Ligapflicht. "Wir
werden das alles aufarbeiten", sagt Straub und rätselt über die widerspenstigen Fans und deren Proteste gegen das verkaufte Heiligtum
Fußball: "Mit der Spielplankorrektur hat der Fußball-Zuschauer ja auch etwas bekommen."

Holzhäuser, Aufsichtsrat der Liga-GmbH, will sich ebenfalls "nicht wertend äußern" zum Thema ran und zu den Gefahren für die Handelsmarke Bundesliga, nur dass er bei der Sendung "qualitative Reserven" sieht, konzediert er gern.Die Frage ist allerdings, ob es noch weiterer Informationen bedarf. Willi Lemke erkennt auf dem Schauplatz des
Fernsehmarktes bereits die Anzeichen eines "Horrorszenarios für die Bundesliga: Weniger Einschaltquote, weniger Sponsorengelder, weniger
Bandenwerbung, weniger Ausstatterverträge- dann geht das Ganze plötzlich in eine andere Richtung, dann gelingt es mit einem Mal nicht mehr,
die Schraube weiter nach oben zu drehen mit den Einnahmen."

Auch im Organisationskomitee für die WM 2006 verfolgt man die Entwicklung aus eigenem Interesse. "Die ganze Debatte ist gefährlich,
daraus entsteht Trotz beim Publikum, und das Thema des Gegensatzes von Free- und Pay- TV wird sich uns auch stellen", weiß Generalsekretär Horst R. Schmidt, aber in dieser Frage stößt selbst der Vorsitzende Franz Beckenbauer an die Grenzen seiner Wirkungsmacht. Die TV-Rechte für die
WM 2002 und 2006 hält die Kirch- Gruppe, die mit ARD und ZDF eine Option ausgehandelt hat für die Übertragungen einzelner Partien. Mehr nicht. Das 2006-Organisationskomitee "hat in TV-Fragen nicht viel Einfluss", sagt Schmidt, "das wäre Sache der Fifa." Schöne Aussichten.

                                                 Philipp Selldorf


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