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Netter Bericht zum Schalker Stadion

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Spaß hinter Glas

Die »Arena auf Schalke« ist ein Sinnbild für die neue Architekur der Stadien. von torsten haselbauer
Das Fußballgeschäft, vormals der Fußballsport, ist spätestens mit dem Beginn dieser Bundesligasaison so richtig salonfähig geworden. Der Proletengeruch der Fans in den Kurven hat sich verzogen, der Mittelstand und andere so genannte bessere Kreise haben in den Stadien auf den bunten Sitzschalen Platz genommen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Fußballstadien als klassenlose Kommunikations- und Identifikationszentren der Fans verstanden wurden. Diese vormaligen Orte von emotionaler Bedeutung werden entweder bald zerstört, wie die Spielstätten der Schalker, die Glückaufkampfbahn und das Parkstadion, oder sie sind mittlerweile so kräftig umgebaut worden wie das Hamburger Volksparkstadion (nun AOL-Arena), das Rostocker Ostseestadion oder die Leverkusener BayArena, dass der gewöhnliche Fan sie kaum mehr wiedererkennt.

Die Architektur der Stadien hat sich in Deutschland kräftig gewandelt. Die überteuerten Zonen der Privilegierten, die VIP-Bereiche, scheinen die wesentlichen Merkmale dieser Arenen zu sein. Dass sich der klassische Fan hier fremd fühlt, ist keine Frage, es interessiert die Vereinsmanager aber auch nicht wirklich. Der von ihnen umworbene Bundesligazuschauer neuen Typs ist der viel zitierte gut betuchte Kunde, der für gutes Geld gute Unterhaltung will. Und dem ist der ganze sentimentale Aufwand, der vorher in den alten Stadien betrieben wurde, ziemlich egal.

Der Begriff »gute Unterhaltung« gilt beim Fußball nunmehr »unten auf dem Rasen« wie »oben hinter Glas in den VIP-Bereichen«. Der Fan dient dabei entweder nur noch als Kulisse mit seiner Vereinsfahne, Trompete und Kutte, der in wenigen ausgewiesenen Zonen kräftig Stimmung machen darf, oder er steht in schicker Uniform vor einer roten Samtkordel, um den Privilegierten Einlass in die allerheiligsten Zonen zu gewähren (»Genießen Sie das Spiel«).

Die Lifestyle-Streber haben also offensichtlich eine der letzten Bastionen des demokratischen Massenereignisses erobert. Nirgendwo wird das deutlicher als in der neuesten architektonischen Errungenschaft der Bundesliga, in der »Arena auf Schalke«, dem Nachfolger der legendären Glückauf-Kampfbahn und des Parkstadions.

»Mein Baby«, wie Schalkes Manager Rudi Assauer in schamloser Ich-Erweiterung die Arena nennt, ist für die Vereinsfunktionäre das finale Symbol in der Entwicklung des ehemaligen Bergarbeitervereins aus dem Gelsenkirchener Arbeiterstadtteil. Auf die grüne Wiese mit gutem Autobahnanschluss ging es zwar schon 1972. Damals wurde die Glückauf-Kampfbahn in Schalke mit dem Parkstadion etwas abseits des feineren, bürgerlichen Gelsenkirchen-Buer gelegt.

Jedoch erst mit der »Arena auf Schalke« scheint zur ersten bürgerlichen Funktion eines Stadions, nämlich der Rendite, auch für Assauer endlich die zweite hinzugekommen zu sein, die Repräsentanz. Der Fußballverein Schalke 04 ist schlichtweg aus dem dreckigen Schalke raus, weil woanders in Gelsenkirchen einfach bessere Deals gemacht werden können. In den formschönen Zonen für Dauerkarteninhaber erster Klasse mit Klimaanlage und Handwaschbecken werden Häppchen verschlungen und Geschäftsabschlüsse mit Sekt begossen.

So stellen sich jedenfalls die Schalker Macher den idealtypischen VIP-Fan auf dem club seat mit Zugang zur exklusiven Lounge vor. Als architektonisches Vorbild dienten Assauer die von ihm oft zitierten Multifunktionsbauwerke in Amsterdam und Arnheim. Was in diesen Zonen und um sie herum passieren soll, hat er sich wahrscheinlich von den »Skyboxen« in den US-Footballstadien abgeschaut.

Die stehen für ein höchst perfektioniertes Klassensystem, in der die krasse Ungleichheit der Stadionbesucher sich offen und ohne falsch verstandene Scham, mitunter sogar recht ordinär, produziert. Wir hier oben mit Geld und Vertragsabschlüssen in den gläsernen Galerien, ihr da rechts und links auf den billigen Plätzen als Krachmacher, die noch nötig sind, solange die Fanlieder nicht vom Band kommen. Und ganz unten kämpfen die Spieler auf einem immergrünen Rasen unter einem modernen Hallendach um Tore, Punkte, Meisterschaft.

Die Phase der egalitären Entwürfe von Fußballstadien in Deutschland ist nun endgültig vorbei. Die 62 000 Zuschauer fassende Schalker Arena hat nichts mehr mit dem Modell des römischen Amphitheaters als Schüssel ohne soziale Abstufungen zu tun, das oft als Vorbild der Stadien im kontinentalen Europa diente. Deutschland und die Niederlande stehen jedoch erst am Anfang dieser Entwicklung.

In England, wo es kaum kommunale Stadien gibt, wurde bereits Mitte der sechziger Jahre damit begonnen, Stadien mit besonderen Zonen zu bauen. Die privaten Bauherren brauchten so viele Einkünfte wie möglich, sie wollten mit den teuren Betonschüsseln schnell Geld verdienen. So ist es auch zu verstehen, dass bereits ein wirklich kleiner englischer Verein wie Walshall seit dreißig Jahren über ausgewiesene Abschnitte für »Besserverdienende« verfügt, Großvereine wie Bayern München oder Juventus Turin hingegen erst seit fünf Jahren.

Mit den Einnahmen aus den exorbitant teuren und ständig erweiterten Plätzen finanzieren die britischen Clubs oft die gesamte Tribünenmodernisierung oder einen Großteil der Gehälter teurer Stars. Billige Stehplätze gibt es auf der Insel kaum noch, zugleich jedoch werden die Reichen hinter Glas als Bestandteil der neuen Stadionkultur anerkannt und sind in England keinen direkten Anfeindungen ausgesetzt. Sie werden von den verbliebenen Fans einfach ignoriert - solange diese ihre Plätze noch bezahlen können.

Sollte das eines Tages nicht mehr der Fall sein, wie es sich in Schalkes Nachbarclub Borussia Dortmund bereits abzeichnet, ändert sich die Atmosphäre deutlich. So überwiegen in Dortmund schon fast die solventen Kartenbesitzer, die Fußball als reine Unterhaltungsshow verstehen und sich das Geschehen anschauen wie einen Film im Kino. Diese Konsumenten wissen nicht mehr, dass Fans auch eine aktive Rolle spielen können. Läuft die Show nicht, ist ihre Reaktion ungewiss.

Diese Erfahrung wird auch den Schalker Strategen um Rudi Assauer nicht erspart bleiben, wenn das Millionenensemble in Blau-Weiß nicht ganz oben in der Bundesliga mitspielen sollte. Und wenn man mit dem Stadion einem ganzen Stadtteil wie dem Namensgeber der Mannschaft, Schalke, einfach den Rücken kehrt, dann könnte es in schlechten Zeiten ganz schön schwierig werden. Die besten Stadien sind nämlich immer noch jene, die direkt in den Städten liegen, wie das Millerntor in Hamburg, das seine soziale Aufgabe in einem gewachsenen urbanen Raum erfüllt.





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Immerhin können WIR sicher sein, daß so etwas in Frankfurt nicht geschieht. Schließlich sind die Verantwortlichen bei Eintracht Frankfurt dafür bekannt, nie die Nähe zu den "wahren" Fans zu velieren.

"Scheiss Tribüne" *sing*

hasenbein
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Interressanter Artikel, allerdings sehe ich den Bau von modernen Stadien nicht so negativ. Zum einen besteht in England trotz Einteilung in verschiedene "Zonen" eine der besten Stadienatmosphären Europas (und somit weltweit?). Zum anderen besteht für die Eintracht das Problem des Stimmunsabbruch "weil die Show nicht mehr läuft", sprich die Mannschaft nicht mehr mitspielt sowieso net, da sie wohl noch länger als bis zur Vollendung des Stadions braucht um zu den TOP 3 Mannschaften Deutschlands zu gehören.

Gruß

diggler


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