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Waldstadion vs. xy-Arena : Der Tod der Halme

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Für echte Fußballer ist der Rasen ein sinnliches
Erlebnis. "Es muss nach Erde riechen", sagt Hollands Jahrhundertspieler Johan Cruyff. Dortmunds Nationaltorwart Jens Lehmann liebt "dieses Aroma von frisch gemähtem Gras und Bratwurst" in den Stadien. Womöglich ist es mit
diesem Vergnügen bald vorbei. Die modernen Zeiten, die hallenähnliche Superarenen mit allem Komfort für Fans, VIPs und Medien in ganz Europa aus dem Boden schießen lassen, werden, da sind sich Experten sicher, schon bald diese Ära beenden.

"Die WM 2006 in Deutschland", glaubt Werner Hackmann, Vorsitzender des Hamburger SV und Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL), "wird schon auf Kunstrasen ausgetragen werden". Auch DFL-Geschäftsführer Heribert Bruchhagen sieht im natürlichen Rasen "keine heilige Kuh" mehr. Es sei, so Bruchhagen, "kein Problem", die         Spielordnung binnen kurzem so zu ändern, dass
Bundesligaspiele auf Kunstrasen ausgetragen werden
können, ohne dass " wie jetzt möglich " eine Mannschaft den Belag ablehnen könne. Und die Europäische Fußball-Union (UEFA) werde sich der Entwicklung kaum entgegenstellen.

Hackmanns Prognose und Bruchhagens Gedankenspiel
erscheinen nicht allzu gewagt-  schließlich treibt der Weltverband FIFA die Entwicklung intensiv voran und vergab gegen eine Gebühr von jeweils 150 000 Dollar vier Lizenzen an Kunstrasen-Hersteller, deren Produkte den strengen Normen des Verbandes entsprechen. Um seinem erklärten Ziel, "die Bedingungen des Spiels weltweit weiter anzugleichen", Nachdruck zu verleihen, will FIFA-Chef Sepp Blatter die Vergabe der ersten WM an Afrika von der Nutzung des Kunstrasens abhängig machen; auf dem extrem heißen Kontinent sei eine gleichmäßige Qualität der Spielflächen sonst kaum gewährleistet.

Doch das ist - jedenfalls in Deutschland - nicht der einzige Grund für den drohenden Tod der lebendigen Halme im Stadion. Je größer der Komfort, je höher die Tribünen und je ausgedehnter die Stadiendächer, desto schlechter geht es dem Naturrasen, der Wind und Sonnenlicht zum         Gedeihen braucht. Und dafür, sagt der Hamburger
Architekt Professor Volkwin Marg (sein Büro baut die WM-Stadien in Berlin, Frankfurt und Köln und vielleicht auch die Münchner Arena), "gibt es keine Lösung". Selbst Versuche, den Rasen mit künstlichen UV- Strahlen zu päppeln oder natürliches Licht über Prismen ins schattige Rund zu lenken, erwiesen sich als sinnlos. Die Schalker
Variante, den Rasen der Arena in einer Riesenschublade an die frische Luft zu bugsieren, kostet pro Fahrt 13400 Euro. Zudem bereite der häufige Klimawechsel, so Marg, der Pflanze zusätzlich Stress.

Derlei Probleme kosteten etliche Bundesligaklubs
inzwischen Millionen. In Hamburg werden bis zu vier Rasenflächen zum Preis von etwa 300000 Euro pro Saison verschlissen. So könnte kaufmännische Denken in manchen Städten zum Umdenken führen. Ein
hochwertiger und pflegeleichter Kunstrasen kostet kaum doppelt so viel wie ein Rollrasen und hält, wie Experten meinen, auch bei extremer Belastung bis zu 15 Jahre. "In zwei Jahren", sagt Cay Dingwort, kaufmännischer Leiter des Hamburger SV, "hat sich die Sache amortisiert."

Die Amsterdam-Arena, einer der weltweit modernsten
geschlossenen Hightech-Tempel, könnte auch in Sachen Rasen zum europäischen Pionier werden: Seit der Verlegung des 25. Rasenteppichs im vergangenen Jahr, gilt der Umstieg auf Kunstrasen bis spätestens 2004 als beschlossen. Falls sich in Amsterdam die Bedenken der konservativen Fußballvertreter zerstreuen, erwartet FIFA-
Experte Mike Konsek den "Beginn eines Booms". Denn
auch in der Mailänder Fußball-Oper namens
Giuseppe-Meazza-Stadion, am Old Trafford zu Manchester oder eben in Hamburg, Dortmund oder Schalke ließen sich damit die Rasenprobleme lösen.

Die Verfechter des Kunstrasens verweisen vor allem auf die atemberaubende Entwicklung der neuen Generation.Anders als die kurzflorigen Teppiche der Anfangszeit, die Bänder und Sehnen der Spieler strapazierten und beim Sturz Brandwunden verursachten, seien die heutigen Produkte dem natürlichen Original in ihren Eigenschaften      verblüffend ähnlich. Eine FIFA- Studie belegt, dass das Lauf- und Springverhalten des Balles auf den meist mit Sand- und Gummigranulat verfüllten Teppichen und ihren bis zu 50 Millimeter hohen Kunsthalmen ebenso fast identisch ist wie die Wirkung auf den Körper der Spieler.
Nur grün müsste dieser Rasen nicht mehr sein, er könnte in jeder Farbe erstrahlen. Aber das wäre wohl doch ein bisschen viel Revolution...



Nachdenkliche Grüße und pro grünem Rasen
Adler aus Freiburg
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hi Adler aus Freiburg,

das ist ja mal wieder ein horror-szenario, dass du hier aufzeigst. was machen wir dann bei aufstiegen, nicht-abstiegen oder gar meisterschaften? ein stück plastik aus dem boden reißen, der damit ja dann doch wieder seine haltbarkeit einbüst?

andererseits ist es ja schon ein wenig pervers, € 13400 zu löhnen, damit die wiese in regeneration fahren kann. früher hies es doch mal: "form follows function". zählt wohl beim "stadionbau zu babel" nicht mehr.

grüße little

der zwar als bub auch gerne mal auf nem kunstrasen gekickt hat, aber findet, das zum fußball dreckige trikots gehören
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@little Nick Wieso! Das reisst man sich aus und hängt es sich zu Hause an die Wand. Brauch man noch net mal düngen *g*
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Scheiß Komerz, ich hasse alle die den ursprünglichen Fußball kapputt machen wollen, ich denke aber mal, jetzt liegt es an uns tz sagen: NEIN DANKE! Nach diesem HORROR-Bericht sollten die ULTRAS von anständigen ursprünglich denkendem Fußballfan sehr stark unterstützt werden, denn sie sind die Einzigen welche sich dem MORD am Fußball entgegenstellen!!!!!

Gestern war Fußball, heute ist Komerz, und morgen der Tod????????
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dass Du aus einem Stueck Waldstadionrasen versuchen kannst, eine Waldstadionwiese zu ziehen, Marina.
Mit Kunstrasen geht das sicher nicht.
Da ich dem Blatter-Sepp unterstelle, dass er in erster Linie an Einnahmequellen fuer die klamme FIFA denkt und nicht an gleiche Paltzverhaeltnisse bei einer WM in Afrika, vermute ich auch eher, dass die Hackmaenner und FIFAlinge an zusaetzliche Werbeflaechen auf dem Platz (wie z.B. in Hallen) denken.

Gruss,

SAM
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Ich kann die Bedenken von little knick aka. hanf man durchaus nachvollziehen
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Hi FreiburgerAdler,

der Gedanke an Kunstrasen ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber ich muss auch als eher konservatives Gemüt (vor allem in Sachen Fußball) mal eine Lanze für die Befürworter brechen:

1.) Zustand der Rasenplätze

Machen wir uns doch mal nichts vor: In den von fast allen befürworteten "engen" Stadien ist die Platzqualität regelmäßig eine Katastrophe. Gleiches gilt in den Wintermonaten auch für die Plätze in "weiten" Stadien. Wenn ich im Fernsehen den Acker in Schweinfurt sehe, frage ich mich, wie man dort vernünftig Fußball spielen will. Das Problem haben wir auch in Frankfurt, wo die Stadionverwaltung sich zwecks Schonung des Platzes ganz klar gegen ein Training auf dem Hauptplatz des Waldstadions ausgesprochen hat.

2.) "Gleiche Bedingungen im Spiel egal wo"

Der Rasenplatz ist auch hierzulande in den Wintermonaten nur in den höheren Ligen darstellbar. Weiter unten sind die Rasenplätze meist gesperrt, was zum Ausfall des Spiels oder zur Durchführung auf dem Trainingsplatz (meist ein Hartplatz, und dann wird es wirklich unangenehm für die Kicker) führt.

3.) Gleichheit von Trainingsboden und Spielboden

Trainiert wird zumindest im Winter eigentlich fast nie auf Rasen (Ausnahmen sind einige Profivereine, z.B. NOCH die Eintracht). In der Oberliga Hessen kannst du beobachten, dass der Unbespielbarkeit des Rasenplatzes wegen die erste Mannschaft mit 20 Mann auf einem halben (!) Hartplatz trainieren muss (Zusammenlegung von 2 Mannschaften, jede einen halben Platz). Training von Jugendspielern auf Rasen ist zumindest in den Ballungsgebieten für die meisten Vereine (auch die Eintracht) nicht darstellbar.

4.) Zu "modernen" Kunstrasen nur soviel: Bei meinem Lieblingsamateurverein wurde im Sommer ein solcher angelegt. Während früher nur eine stumpfe Matte auf den plattgewaltzten Boden gelegt wurde (mit den damit verbundenen Verletzungsgefahren für die Spieler), wird heute richtig Aufwand betrieben: Das Gelände wird tief ausgehoben, mit Granulat aufgefüllt (sorgt füt Nachgiebigkeit des Bodens) und der aufgebrachte Belag ist nicht zu stumpf (kann man auch als Zuschauer mal ausprobieren *g*). Der Vorteil eines sochen Platzes ist freilich, dass du salopp formuliert jeden Tag 5 Mannschaften darauf spielen lassen kannst, ohne dass der Platz Schaden erleidet. Ein weiterer Vorteil ist ein fast jederzeit gut bespielbarer, ebener Platz.

Fazit: Bleiben wir dem Kunstrasen gegenüber aufgeschlossen, auch wenn es schwer fällt.

Grün wird er bleiben, da bin ich mir sicher.

Gruß


Wadenbeißer


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