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Ehrliche Hütchenaufsteller

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Ehrliche Hütchenaufsteller
 
Sag mir, wie du trainierst, und ich sag dir, wo du stehst – oder umgekehrt. Bundesligatrainer im jW-Imagetest, Folge 3: Der Südwesten
 
* Willi Reimann

CDU-Mann, der strukturkonservative Typ. Allerdings ein eigenbrötlerischer Querkopf, was ihn bisweilen ganz sympathisch wirken läßt. Trocken, wie das Brot des Grafen von Monte Christo im Knast gewesen sein muß, referiert er gerne nichtssagende Sätze und zwar mit Absicht. So kann die Journaille zumindest keine reißerischen Geschichten schreiben. Parallelen zum vieldiskutierten Antiintellektualismus der Brandrede Rudi Völlers sind nicht zu übersehen, auch wenn es Reimann eigentlich nur darum geht, seine Ruhe zu haben. Der Fußball, den er am liebsten spielen läßt, ist fürchterlich, aber im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten äußerst effizient. Zu Beginn der Vorrunde lief die Eintracht teilweise im 7-2-1-System auf, erst seitdem es deswegen zu einem Spieleraufstand kam, agiert man ansehnlicher. Das eigentlich Sensationelle: In Frankfurt sitzt er trotz allem sicher im Sattel. Alle wissen, daß Reimann mit einem mäßigen Zweitligateam aufgestiegen ist, und entgegen aller Prognosen nach der Hinrunde noch keineswegs aussichtslos zurückliegt. Zudem ist Reimann kein Prinzipienreiter – obwohl keinem Streit aus dem Weg gehend, ist er lernfähig und weiß sich aktuellen Mehrheitsverhältnissen zu fügen. In seinem verschrobenen Konservatismus erinnert er dabei häufig an einen Eremiten, der plötzlich mit der Zivilisation konfrontiert wird und dieser zunächst ablehnend begegnet. Sein Kulturpessimismus wirkt beinahe philosophisch motiviert, denn Reimann haßt die Postmoderne wie kein zweiter Bundesligatrainer. Ironie, Diskontinuitäten, Selbstreferentialität und die glitzernde Medienwelt – nicht mit Willi.

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sorry


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