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Italien im November 2014 - Erfahrungsbericht (XXXL)

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Gude mal wieder,
da dieser Thread jetzt doch recht lange geruht hat, wollte ich ihn mal wieder hoch holen. Wobei ich ehrlich gesagt nicht ganz sicher war, ob ich in Anbetracht der Scheisse, die da um uns herum passiert, wirklich was zum letzten Wochenende schreiben soll. Letztendlich habe ich mich – wie ihr vielleicht in Anbetracht dieser Worte erahnen könnt – doch dazu durchgerungen. Vielleicht liest es ja jemand (falls hier überhaupt noch jemand liest):

Nach fast einer halbjährigen Abstinenz sollte es mich mal wieder auf den Stiefel führen. Im Gegensatz zu den bisher hier veröffentlichten Berichten stand diesmal aber nicht der Fußball im Vordergrund der Reise, sonders es sollte ein verlängertes Wochenende mit meiner besseren Hälfte Kate sein. Klugerweise hatte ich als Reisetermin diesmal die Länderspielpause auserkoren, so dass die magische SGE mal nicht dran glauben musste. Und da sich in Bella Italia die Länderspielpause eh nur über die höchste Spielklasse erstreckt, war dennoch für ein kleines fußballerisches Rahmenprogramm gesorgt.

Donnerstagabends oblag es mal wieder Onkel Rainer unser beider Astralkörper gen Bari zu befördern. Bis zum auf die Landebahn des Flughafens der Hauptstadt Apuliens schafften wir es zwar, Landung kann man das aber nicht nennen, was Quak der Bruchpilot seiner Maschine samt Insassen da zumutete. Erstaunlicherweise überlebten alle Passagiere den Beinahe-Absturz, und nur kurze Zeit später konnten wir unseren süßen Fiat 500 für die nächsten Tage in Empfang nehmen. Für den ersten Abend hieß es jetzt aber nur noch in unser wirklich tolles Hotel einzuchecken schlafen, ehe Freitag endlich wieder das so liebgewonnene Dolce Vita genossen werden konnte. Unsere Unterkunft lies trotz relativ geringer Kosten mal so keine Wünsche offen, einzig das quasi inexistente W-Lan sorgte im ersten Moment für Verwunderung. Aber was im ersten Moment ein kleiner Abfuck ist, entpuppt sich im Laufe der Zeit als Glücksgriff und man merkt mal wieder, wie entspannend es ist, nicht alle paar Minuten sinnlos im Handy rumzutippen. Sollte ich öfters mal machen…

Da Freitag jedoch noch kein Kick auf der Agenda stand (bzw. ich Kates nerven nicht überstrapazieren wollte…), kloppten wir einiges an Natur (lukanische Dolomiten) und Kultur (Matera) ab, da ich aber nicht zu weit ausholen will, reichen diese knappen Worte dazu, schließlich sollte am nächsten Tag auch für uns endlich (also endlich für mich, ich denke Kate dürfte da gegenteiliger Auffassung gewesen sein) wieder der Ball rollen. Und ganz Gentleman wie ich bin, habe ich dann auch gleich für Samstag wie auch für Sonntag jeweils zwei Spiele in den imaginären Warenkorb gelegt. Bevor es uns aber zu den eigentlichen Highlights des Ausfluges führen sollte, hakten wir mit dem immer noch rätselhaften Castel del Monte ein weiteres UNESCO Weltkulturerbe im Welterbe-Informer ab, dieser schreit ja auch förmlich nach Komplettierung.

Da noch ausreichend Zeit bis zum Anpfiff in Andria war, legten wir noch einen Umweg zum Mittagessen nach Trani ein, bevor wir uns wieder auf den Weg nach Andria machten. Andria gehört zusammen mit Barletta und Trani zur Provinz BAT (Barletta-Trani-Andria) und ist mit ca. 100.000 Einwohnern auch gleichzeitig die größte Stadt der Provinz, im Gegensatz zu den anderen beiden im Provinznamen genannten Städte scheint Andria aber für den kulturinteressierten Reisenden so gar nichts zu bieten zu haben. Nee, ich geh soweit und sage, dass das was wir bei der Ortsdurchfahrt so gesehen haben, die hässlichste Stadt Italiens gewesen sein dürfte. Wenn ich mich irre, dürft ihr mich gerne korrigieren.

Fidelis Andria – AS Melfi
senza biglietti


Wenigstens ließ sich das recht zentral gelegene Stadion relativ schnell lokalisieren. Hier war gute 45 Minuten vor Spielbeginn aber mal noch so gar nichts los. Das hieß dann aber auch für uns, dass wir nicht mit langen Schlangen an den Kassenhäuschen beim diesjährigen Liganeuling (souveräner Aufstieg aus Serie D) rechnen mussten. Irgendwo mussten diese ja auch sein, schließlich hieß es auf den Spielankündigungsflyern, dass sie bis Spielbeginn geöffnet sind. Nachdem wir jedoch trotz Adleraugen keine erspähen konnten, ergab die Nachfrage beim Ordnungsdienst, dass es die begehrten Zugangsberechtigungen heute nur in der nahegelegenen Bar „Non solo cafe“ geben soll. Oh mann, den Namen der Bar muss ich einfach runterschreiben, so hat der sich seitdem in mein Gedächtnis eingebrannt. Also mal die Bar gesucht, dabei natürlich erstmals in die falsche gewackelt, was anhand der marihuanageschwängerten Luft und den musternden Blicken der hier anwesenden Kundschaft auch relativ schnell erkannt wurde, und kurze Zeit später stand ich tatsächlich in der Schlange respektive dem Tumult vorm Kartenverkauf. Mittlerweile war der Zeitpuffer zum Kickoff auch merklich geschrumpft, was die ohnehin nicht gerade für Ihre Geduld bekannten Italiener zu neuen Höchstleistungen im Vordrängeln anstacheln ließ. Irgendwann im zweiten Versuch hatte der Verkäufer endlich unserer Persos in der Hand, tippte die Daten in seinen PC, kam damit nicht zurecht und gab mir die Ausweise mit einem einfachen „no“ zurück. Wie jetzt? Nochmals hat er sie gar nicht angenommen, und nachdem er noch 1-2 Einheimische abgefertigt hatte, ließ er trotz noch wartender Meute seinen Rollo um Punkt 15 Uhr mit einem „Finito“ runter. Vaffanculo! Scheinbar gibt’s hier zwar mehr als Kaffee, Tickets fallen aber nicht unter dieses „mehr“. Was ein Abfuck. Die letzte Option Ordner zulabern und auf die Tränendrüse drücken half auch nichts, obwohl ich hier kurzfristig noch Hoffnung hatte, als unsere Causa kurzfristig zur Chefsache erklärt wurde, aber auch der Oberordner wollte uns dann nicht mehr helfen. Stattdessen wurden wir wieder zurück zu dieser komischen Bar geschickt, in der es angeblich nicht nur Kaffee geben soll. Nee, lass mal…dann lieber gleich nach Foggia.
Hier war es nun also: Das erste Spiel, bei dem ich nicht ins Stadion kam. Immer mal was neues.
Ärgerlich vor allem in der Hinsicht, dass ich mich auf der Andria mit am meisten gefreut hatte und hier schon immer mal hinwollte. Und was ich von außen zu hören bekam, hat das auch nur bestätigt. Laute, kraftvolle, melodische Gesänge, unterstützt von mehreren Trommeln. Ganz so, wie man es sich wünscht. Das ließ mich Kate gegenüber leider zu der Aussage hinreißen, dass Trommeln in Italien ja nicht mehr selbstverständlich sind, was sich noch als running Gag des Wochenendes offerieren sollte. Aber hier gab es für uns nix mehr zu holen. Wenigsten holte auch keine der beiden Mannschaften irgendetwas und das Spiel endete 0:0.

Nach einer knappen halben Stunde hatte ich mich dann auch wieder beruhigt – ja, ich gebe zu, meine Laune war im absoluten Negativbereich zu suchen und ich wollte den Urlaub schon wieder canceln – und ich war auch schon wieder in Vorfreude auf das Abendspiel in Foggia, sogar Kates Laune war recht schnell wieder besser.

Gute 60 Minuten später parkte unser wie schon erwähnt megasüßes Gefährt dann auch bereits hinter der Gegentribüne des Stadio Pino Zaccheria. Hier war das Kassenhäuschen zum Glück noch geöffnet (schloss zwei Stunden vor Spielbeginn) und diesmal gab es auch keine Probleme mit unseren Ausweisen, so dass wir kurze Zeit später unserer Bigletti in der Hand hielten. Jetzt waren halt noch über drei Stunden bis es hier los ging und wir mussten die Zeit irgendwie totschlagen. Überraschenderweise entpuppte sich die Stadt Foggia aber als recht angenehm. In meiner Gedanken war das immer ein Begriff für eine heruntergekommene, dreckige Stadt, stellte ich mir irgendwie so vor, wie Andria des mittags ausgesehen hatte. In der Realität waren wir aber recht positiv überrascht. Aufgrund von Zerstörungen durch Kriege und Erdbeben gibt es hier zwar kaum noch historische Gebäude, das Zentrum präsentiert sich aber trotzdem oder gerade deswegen als sehr freundlich und lebendig. Hier ließ es sich gut flanieren, einzig mit der Nahrungsaufnahme sah es schwierig aus. Aber finde hier mal bitte ein Restaurant, dass seinen potentiellen Gästen vor 19 Uhr Speis und Trank anbieten möchte. Oder besser gesagt: Finde hier mal ein Restaurant. Uns zog es dann in eine Backstube, die auch Pizza anbot. Nicht das gemütlichste Ambiente und nicht die beste Pizza, aber selbst diese war noch um Längen besser, als fast alles, was einem so in heimischen Gefilden als Pizza angeboten wird.
Gesättigt und zufrieden machten wir uns dann wieder auf zum Stadion. Dieses liegt gute zehn Fußminuten vom Zentrum entfernt und bietet auf zwei Rängen Platz für 26.000 Zuschauer. Ohne Namensabgleich oder Taschenkontrolle betraten wir den wunderschönen Bau.

U.S. Foggia Calcio – S.S. Monopoli 0:2, 8.228 Zuschauer (Gästeverbot), Stadio Pino Zaccheria, Serie C Gruppe 3

Schnell ein lauschiges Plätzchen auf der sehr gut gefüllten Gegengerade in Höhe der Mittellinie in Beschlag genommen und dann dem Treiben auf den Rängen gespannt gefolgt. Wie leider vermutet, gab es heute ein Gästeverbot, mit sowas muss man hier bei Risikospielen leider immer rechnen. Dementsprechend verwaist war der settore ospiti dann auch, die anderen beiden Kurven hingegen platzten aus allen Nähten. Seit geraumer stehen die aktiven Tifosi auch in Foggia auf unterschiedlichen Traversen. Während die Curva Sud die historische Kurve ist und auch heute noch von einigen älteren (und auch jüngeren) Gruppen bevölkert wird, genießt aus Tifosicht die jüngere Curva Nord (inoffiziell nach Franco Mancini benannt, langjähriger Torwart und ehemaliger Trainer Foggias, gestorben 2012) aktuell den besseren Ruf. Gründe, wieso hier eine Abspaltung stattgefunden hat, kann ich leider nur vermuten, der naheliegendste Grund, sprich unterschiedliche Handhabung der Tessera, wird es jedoch nicht sein, da diese von allen Seiten konsequent abgelehnt wird. Außerdem zogen die ersten Tifosi schon weit vor Einführung der TdT gen Norden. Von daher lassen wir die Spekulationen einfach und finden uns mit den Gegebenheiten ab. Und die sahen optisch schon wieder ganz hervorragend aus:
Wie gesagt, beide Kurven richtig voll, komplett beflaggt, viele Schwenkfahnen, Trommeln und Megafon auf beiden Seiten – perfetto.
Der relativ hohe Zuschauerzuspruch dürfte auch der aktuellen Erfolgsserie geschuldet sein. Aus den letzten sechs Spielen konnte Foggia ganze 16 Punkte einfahren, was einem zweiten Tabellenplatz entspricht. Der Gast aus Monopoli dümpelt als Aufsteiger irgendwo im Mittelfeld rum. Wobei ich hier jetzt gestehen muss, dass ich schon etwas überrascht war, als ich Monopoli auf einmal in der Serie C erblickte. Letzte Saison wurden sie nur 11. In der Serie D, konnten aber den Pokalwettbewerb der Serie D gewinnen und somit doch an den Aufstiegsplayoffs teilnehmen. Hier scheiterte man zwar im Finale, trotzdem stieg man irgendwie am grünen Tisch auf. Aber für wen wann und wieso? Frag mich net, dieses Chaos, was da in der Sommerpause mit Pleitevereinen, Lizenzproblemen, Strafversetzzungen wegen Manipulation und was weiß ich noch alles geherrscht hat, würde hier den ohnehin schon wieder geprengten Rahmen nochmals völlig sprengen – abgesehen davon, dass wahrscheinlich eh keiner mehr nachvollziehen kann und will, was da alles gelaufen ist. Also handhaben wir es einfach so wie mit der gespalteten Kurve Foggias und akzeptieren das einfach mal so, wie es ist.

Nach so viel Vorgeplänkel kann ich dann ja auch mal zum Spiel an sich kommen. Um kurz nach halb neun liefen die Mannschaften ein, und nach der Schweigeminute für die Opfer in Paris hätte es auch direkt losgehen können. Zusätzlich zu den Attentaten in Paris gedachte man heute auch dem Jahrestages des Hauseinsturzes in Foggia, bei dem 11.11.1999 insgesamt 67 Menschen ums Leben kamen. Hierzu hielt die Mannschaft Foggias ein Transparent in den Händen und vor der Curva Sud hing über die gesamte Spielzeit ein großes Spruchband. Weitere Spruchbänder im Laufe der Partie (und eigentlich auch aller anderen Spiele an diesem Wochenende) wurden für Paris und zum Todestag Gabriele Sandris (11.11.2007) gezeigt. So, jetzt aber.

Wie gesagt, das Spiel hätte losgehen können, aber mit Beendigung der Schweigeminute entlud sich ein Orkan auf den Rängen, was im Werfen von tausenden Kassenrollen, sowohl von Sud, als auch von Nord,  gipfelte. Zusätzlich brannte, rauchte und blinkte es jetzt an allen Ecken. Nicht koordiniert, jeder machte was er wollte, direkt vor uns hielten die Leute z.B. völlig ungeniert und unvermummt Blinker in der Hand, gestört hat es freilich keinen. Und während die armen Balljungen unten auf dem Platz versuchten, diesen von den Kassenrollen zu befreien, sang sich der Oberrang in ohrenbetäubender Lautstärke in einen kollektiven Rausch. Das sind sie, die Momente, die einem in dem bestätigen, was man da macht. Ähnlich wie das Publikum legte auch die Heimelf los und man hatte das Gefühl, sie wollten den Gast überrollen. Dieser überzeugte aber mit einer Taktik, der gegenüber man unsere gegen die Bayern noch als offensiv bezeichnen kann. Als dann Mitte des ersten Durchgangs selbst ein Elfmeter nicht verwertet werden konnte, legte ich mich fest, dass hier kein Tor mehr fällt. Seltsamerweise konnte jedoch Monopoli kurz vor der Pause mit einem verunglückten Seitfallzieher, was gleichbedeutend mit der ersten Chance war, die Führung erzielen. War natürlich ein Dämpfer für die bis hierhin formidable Stimmung, als in der zweiten Hälfte weitere Hochkaräter entweder kläglich versemmelt oder vom Keeper hervorragend abgewehrt wurden, wurde es noch ruhiger. Und so kam es wie es kommen musste, und mit einem diesmal perfekt getroffenen Seitfallzieher entschied Monopoli das Spiel. Vor meinem geisteigen Auge sah ich jetzt einen komplett ausrastenden Gästepöbel, der das unter Schock stehende Stadion bis zum Abwinken verhöhnt, aber dem machten ja die Behörden einen Strich durch die Rechnung.
Beinahe wäre das Spiel aber nochmal spannend geworden. Unmittelbar nach der eigentlichen Entscheidung zeigte der Referee in Kombination mit einem Feldverweis erneut auf den Punkt, doch – und selbst wenn man das Ergebnis in der Spielübersicht nicht gelesen hat, wird man es erahnen können - auch diesmal blieb Gästegoalie Pisseri Sieger. Zwei, drei Glanztaten und insgesamt elf Minuten Nachspielzeit später erklärte der Unparteiische die Angelegenheit dann auch für beendet und für uns hieß es schnellen Gasfußes zurück nach Bari, war ja mittlerweile reichlich spät geworden.

Zum Abschluss des heutigen Tages noch eine Beurteilung der beiden Kurvenleistungen: Mal abgesehen davon, dass es in der zweiten Halbzeit doch teilweise ziemlich ruhig war, hat mir das alles mal wieder ganz hervorragend gefallen. Curva Nord war in der Spitze etwas geschlossener und lauter, über die gesamte Zeit hat mit Curva Sud aber etwas besser gefallen. War etwas melodischer und allein wie die Trommler da auf der Brüstung sitzen und ihre geilen Rhythmen schlagen, da könnt ich ewig zugucken. Allgemein war das auch alles sehr spielbezogen und wenn es zum Ende hin immer ruhiger wurde, war das zwar etwas schade für den Moment, aber am End auch einfach authentisch. Nuff said.

Sonntagmorgen, frühstücken und wieder raus in die strahlende Herbstsonne. Aufgrund des Spielausfalls gestern in Andria konnte ich Kate heute ohne schlechtes Gewissen einen weiteren Doppler aufdiktieren
Die Kombination aus Taranto vs. Gallipoli und Martina Franca vs. Matera klang auch sehr vielversprechend. Ich fragte mich dann beim einzigen täglichen WiFi-Check dann nur, ob ich entweder die Anstoßzeiten falsch in Erinnerung hatte oder ob ich mal wieder Opfer einer kurzfristigen Spielverlegung wurde, auf jeden Fall sollten beide Spiele jetzt zeitglich stattfinden. Naja, war scheinbar nicht meine Tour, passiert. Und obwohl eigentlich der Besuch bei Taranto einer der Hauptgründe für mich für diese Reise war, habe ich mich dann aus dem Bauch heraus doch für Martina Franca entschieden. Taranto kennt man halt, man muss sich auch mal überraschen lassen.

Also machten wir uns durch das wunderschöne Val d’Itria mit Abstecher in unserem neuen Lieblingsort Locorotondo (sprich Locorotondo) auf den Weg in das ebenso schöne barocke Martina Franca. Hier schnell im Tabakladen problemlos die Tickets ausgehändigt bekommen, wollten wir uns vor der Pflicht noch gemütlich etwas zu essen gönnen. Das klappte aus Zeitgründen dann auch nur suboptimal (Spötter würden sagen „überhaupt nicht“), so dass der Weg zum Stadion von kleineren Meinungsverschiedenheiten geprägt war. Waren dann aber auch die letzten dieser Art, alles gut 

A.S. Martina Franca – S.S. Matera Calcio 0:1, 1.000 Zuschauer (100 Gäste), Stadio Gian Domenico Tursi, Serie C Gruppe 3

So, herzlich willkommen zum Kellerduell des Tabellenletzten gegen den drittletzten. In einem ähnlichen Zustand wie die Tabellensituation präsentierte sich dann auch das Stadion, womit beides aber noch deutlich gesünder als das Geläuf sein sollte, auf dem heute sicherlich keine sportlichen Höchstleistungen erwartet werden durften. Kurzzeitig fragte ich mich, ob da unter der Woche noch ein Reitturnier stattgefunden hatte, so erbärmlich präsentierte sich der Rasen. Wenigstens dürfte die Eintrittskarte eine der schöneren ihrer Machart sein, man muss ja auch nicht immer nur meckern. Und ich muss sagen, gemeckert hab ich dann auch genug. Ja, das Spiel war sicherlich kein Augenschmaus, man konnte schon recht gut die doch limitierten Fähigkeiten der Akteure erkennen. Aber wenigstens wollten sie (ob man das jetzt als Kompliment auffassen kann, soll jeder für sich selbst entscheiden). Aber auch bei diesem Gerumpel war dem Heimpublikum ein Treffer ihrer Helden (?) nicht vergönnt, dafür durften die Gäste einmal ordentlich jubeln. Und das taten sie dann auch. Jetzt könnte man meinen, dass man mit dieser geringen Anzahl sicherlich keine Bäume ausreißen kann, aber was uns von den Höhlenmenschen gegenüber entgegenschallte, war doch schon aller Ehren wert. Ordentlich laut, schöne Melodien, guter Pöbelfaktor – bekommt auf jeden Fall den Daumen nach oben. Selbiges gilt auch für die hinter dem Tor auf einer stark einsturzgefährdeten Stahlrohrtribüne stehenden Ultra‘ Martina Franca. Fachfrauisch erkannte Kate gleich zu Beginn des Spiels, dass auch hier die kraftvoll vorgetragenen Gesänge ja instrumental unterstützt wurden („Oh, hör mal, eine Trommel. Das ist ja selten heutzutage“), trotzdem machte sie in der Folgezeit ein kleines Nickerchen. Ich hingegen hatte meinen Spaß, war ich doch chipsknabbernd positiv überrascht worden. Sicherlich nicht so ein Spektakel wie in Taranto möglich gewesen wäre, aber in Anbetracht der Umstände auf jeden Fall mehr als zufriedenstellend. Da sehe ich auch mal darüber hinweg, dass es analog zu gestern auch hier in der zweiten Hälfte merklich ruhiger wurde.

Der Abpfiff war dann auch gleichbedeutend mit der Beendigung des fußballerischen Teils des Wochenendes, der Rest bestand nur noch aus Dolce Vita, weiteren Haken im Welterbe-Informer, der Fahrt von einem pittoresken Küstenort zum nächsten und Pastaeinkaufs für die heimische Sammlung. Dass ich aber dann überhaupt nach Hause durfte, stand am Flughafen noch in den Sternen, hatten die Sicherheitsbedienstete doch ein Problem mit meinem hochgefährlichen Rasierschaum. Utopische Momente, als fast die komplette Sicherheitskontrolle lahmgelegt wurde, um meinen – ich wiederhole – Rasierschaum zu begutachten. Jeder hatte das Ding mal in der Hand, natürlich nur mit speziellen Handschuhen, eine Fotoanalyse von sechs wachsamen Augen brachten auch keine neuen Erkenntnisse, der Security Chef in seinem Büro war auch überfordert. Und während des ganzen Schauspiels saßen Kate und ich da und beobachteten breitgrinsend das Drama. Irgendwann wurden wir dann aufgeklärt: In meinen „object“ (damit war wohl der Rasierschaum gemeint) wäre eine „object“ (??? O-Ton: „There’s an object in your object“). Auf jeden Fall durfte ich dann doch weiterfliegen, meinen Rasierschaum war das leider nicht mehr vergönnt. Zum Glück hatte ich mich morgens noch rasiert, sonst wäre ich ausgeflippt.

Fazit: Zwar lief fußballerisch jetzt nicht alles nach Plan, aber auch das ist Italien in der heutigen Zeit. Unüberwindbare Bürokratie beim Ticketerwerb, Gästeverbot, Rumpelfußball und Catenaccio. Und trotzdem überwiegen die positiven Eindrücke der immer noch lebendigen Fankultur  wesentlich mehr. Über das Land und Leben müssen wir nicht reden, da gibt’s eh nix besseres. Ich komme mit Sicherheit baldigst wieder.
Als abschließende Erkenntnis bleibt die Frage, warum ich es eigentlich nicht schaffe, mich kurz zu fassen, obwohl ich diesmal wirklich nicht weit ausgeholt habe? 

Fotos folgen (hoffentlich, da die Kamera einen mittleren bis schweren Unfall zu verzeichnen hatte)

Ansonsten bleibt an dieser Stelle nochmals die Werbung in eigener Sache:

Es gibt noch einige Restexemplare der Erstausgabe des „Trespass“. Auf 100 Seiten 43 Spielberichte aus 14 Ländern für 3€, viel Italien, aber auch sonst eine gesunde Mischung aus Graupenkick, Topderby oder internationalen Spitzenclubs. Wer noch zuschlagen möchte, bitte pn oder E-Mail an trespass-zine@gmx.de
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Danke, Oesch. Auch wenn das immer in Arbeit ausartet, Deine Berichte zu lesen (wie lange Du brauchst, sie zu verfassen, will ich gar nicht wissen), fühlt es sich doch stets an, als habe man den Ausflug selbst miterlebt. Klasse, wie lebhaft und nachvollziehbar Du Deine Erlebnisse immer schilderst
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Gude mal wieder,
da dieser Thread jetzt doch recht lange geruht hat, wollte ich ihn mal wieder hoch holen. Wobei ich ehrlich gesagt nicht ganz sicher war, ob ich in Anbetracht der Scheisse, die da um uns herum passiert, wirklich was zum letzten Wochenende schreiben soll. Letztendlich habe ich mich – wie ihr vielleicht in Anbetracht dieser Worte erahnen könnt – doch dazu durchgerungen. Vielleicht liest es ja jemand (falls hier überhaupt noch jemand liest):

Nach fast einer halbjährigen Abstinenz sollte es mich mal wieder auf den Stiefel führen. Im Gegensatz zu den bisher hier veröffentlichten Berichten stand diesmal aber nicht der Fußball im Vordergrund der Reise, sonders es sollte ein verlängertes Wochenende mit meiner besseren Hälfte Kate sein. Klugerweise hatte ich als Reisetermin diesmal die Länderspielpause auserkoren, so dass die magische SGE mal nicht dran glauben musste. Und da sich in Bella Italia die Länderspielpause eh nur über die höchste Spielklasse erstreckt, war dennoch für ein kleines fußballerisches Rahmenprogramm gesorgt.

Donnerstagabends oblag es mal wieder Onkel Rainer unser beider Astralkörper gen Bari zu befördern. Bis zum auf die Landebahn des Flughafens der Hauptstadt Apuliens schafften wir es zwar, Landung kann man das aber nicht nennen, was Quak der Bruchpilot seiner Maschine samt Insassen da zumutete. Erstaunlicherweise überlebten alle Passagiere den Beinahe-Absturz, und nur kurze Zeit später konnten wir unseren süßen Fiat 500 für die nächsten Tage in Empfang nehmen. Für den ersten Abend hieß es jetzt aber nur noch in unser wirklich tolles Hotel einzuchecken schlafen, ehe Freitag endlich wieder das so liebgewonnene Dolce Vita genossen werden konnte. Unsere Unterkunft lies trotz relativ geringer Kosten mal so keine Wünsche offen, einzig das quasi inexistente W-Lan sorgte im ersten Moment für Verwunderung. Aber was im ersten Moment ein kleiner Abfuck ist, entpuppt sich im Laufe der Zeit als Glücksgriff und man merkt mal wieder, wie entspannend es ist, nicht alle paar Minuten sinnlos im Handy rumzutippen. Sollte ich öfters mal machen…

Da Freitag jedoch noch kein Kick auf der Agenda stand (bzw. ich Kates nerven nicht überstrapazieren wollte…), kloppten wir einiges an Natur (lukanische Dolomiten) und Kultur (Matera) ab, da ich aber nicht zu weit ausholen will, reichen diese knappen Worte dazu, schließlich sollte am nächsten Tag auch für uns endlich (also endlich für mich, ich denke Kate dürfte da gegenteiliger Auffassung gewesen sein) wieder der Ball rollen. Und ganz Gentleman wie ich bin, habe ich dann auch gleich für Samstag wie auch für Sonntag jeweils zwei Spiele in den imaginären Warenkorb gelegt. Bevor es uns aber zu den eigentlichen Highlights des Ausfluges führen sollte, hakten wir mit dem immer noch rätselhaften Castel del Monte ein weiteres UNESCO Weltkulturerbe im Welterbe-Informer ab, dieser schreit ja auch förmlich nach Komplettierung.

Da noch ausreichend Zeit bis zum Anpfiff in Andria war, legten wir noch einen Umweg zum Mittagessen nach Trani ein, bevor wir uns wieder auf den Weg nach Andria machten. Andria gehört zusammen mit Barletta und Trani zur Provinz BAT (Barletta-Trani-Andria) und ist mit ca. 100.000 Einwohnern auch gleichzeitig die größte Stadt der Provinz, im Gegensatz zu den anderen beiden im Provinznamen genannten Städte scheint Andria aber für den kulturinteressierten Reisenden so gar nichts zu bieten zu haben. Nee, ich geh soweit und sage, dass das was wir bei der Ortsdurchfahrt so gesehen haben, die hässlichste Stadt Italiens gewesen sein dürfte. Wenn ich mich irre, dürft ihr mich gerne korrigieren.

Fidelis Andria – AS Melfi
senza biglietti


Wenigstens ließ sich das recht zentral gelegene Stadion relativ schnell lokalisieren. Hier war gute 45 Minuten vor Spielbeginn aber mal noch so gar nichts los. Das hieß dann aber auch für uns, dass wir nicht mit langen Schlangen an den Kassenhäuschen beim diesjährigen Liganeuling (souveräner Aufstieg aus Serie D) rechnen mussten. Irgendwo mussten diese ja auch sein, schließlich hieß es auf den Spielankündigungsflyern, dass sie bis Spielbeginn geöffnet sind. Nachdem wir jedoch trotz Adleraugen keine erspähen konnten, ergab die Nachfrage beim Ordnungsdienst, dass es die begehrten Zugangsberechtigungen heute nur in der nahegelegenen Bar „Non solo cafe“ geben soll. Oh mann, den Namen der Bar muss ich einfach runterschreiben, so hat der sich seitdem in mein Gedächtnis eingebrannt. Also mal die Bar gesucht, dabei natürlich erstmals in die falsche gewackelt, was anhand der marihuanageschwängerten Luft und den musternden Blicken der hier anwesenden Kundschaft auch relativ schnell erkannt wurde, und kurze Zeit später stand ich tatsächlich in der Schlange respektive dem Tumult vorm Kartenverkauf. Mittlerweile war der Zeitpuffer zum Kickoff auch merklich geschrumpft, was die ohnehin nicht gerade für Ihre Geduld bekannten Italiener zu neuen Höchstleistungen im Vordrängeln anstacheln ließ. Irgendwann im zweiten Versuch hatte der Verkäufer endlich unserer Persos in der Hand, tippte die Daten in seinen PC, kam damit nicht zurecht und gab mir die Ausweise mit einem einfachen „no“ zurück. Wie jetzt? Nochmals hat er sie gar nicht angenommen, und nachdem er noch 1-2 Einheimische abgefertigt hatte, ließ er trotz noch wartender Meute seinen Rollo um Punkt 15 Uhr mit einem „Finito“ runter. Vaffanculo! Scheinbar gibt’s hier zwar mehr als Kaffee, Tickets fallen aber nicht unter dieses „mehr“. Was ein Abfuck. Die letzte Option Ordner zulabern und auf die Tränendrüse drücken half auch nichts, obwohl ich hier kurzfristig noch Hoffnung hatte, als unsere Causa kurzfristig zur Chefsache erklärt wurde, aber auch der Oberordner wollte uns dann nicht mehr helfen. Stattdessen wurden wir wieder zurück zu dieser komischen Bar geschickt, in der es angeblich nicht nur Kaffee geben soll. Nee, lass mal…dann lieber gleich nach Foggia.
Hier war es nun also: Das erste Spiel, bei dem ich nicht ins Stadion kam. Immer mal was neues.
Ärgerlich vor allem in der Hinsicht, dass ich mich auf der Andria mit am meisten gefreut hatte und hier schon immer mal hinwollte. Und was ich von außen zu hören bekam, hat das auch nur bestätigt. Laute, kraftvolle, melodische Gesänge, unterstützt von mehreren Trommeln. Ganz so, wie man es sich wünscht. Das ließ mich Kate gegenüber leider zu der Aussage hinreißen, dass Trommeln in Italien ja nicht mehr selbstverständlich sind, was sich noch als running Gag des Wochenendes offerieren sollte. Aber hier gab es für uns nix mehr zu holen. Wenigsten holte auch keine der beiden Mannschaften irgendetwas und das Spiel endete 0:0.

Nach einer knappen halben Stunde hatte ich mich dann auch wieder beruhigt – ja, ich gebe zu, meine Laune war im absoluten Negativbereich zu suchen und ich wollte den Urlaub schon wieder canceln – und ich war auch schon wieder in Vorfreude auf das Abendspiel in Foggia, sogar Kates Laune war recht schnell wieder besser.

Gute 60 Minuten später parkte unser wie schon erwähnt megasüßes Gefährt dann auch bereits hinter der Gegentribüne des Stadio Pino Zaccheria. Hier war das Kassenhäuschen zum Glück noch geöffnet (schloss zwei Stunden vor Spielbeginn) und diesmal gab es auch keine Probleme mit unseren Ausweisen, so dass wir kurze Zeit später unserer Bigletti in der Hand hielten. Jetzt waren halt noch über drei Stunden bis es hier los ging und wir mussten die Zeit irgendwie totschlagen. Überraschenderweise entpuppte sich die Stadt Foggia aber als recht angenehm. In meiner Gedanken war das immer ein Begriff für eine heruntergekommene, dreckige Stadt, stellte ich mir irgendwie so vor, wie Andria des mittags ausgesehen hatte. In der Realität waren wir aber recht positiv überrascht. Aufgrund von Zerstörungen durch Kriege und Erdbeben gibt es hier zwar kaum noch historische Gebäude, das Zentrum präsentiert sich aber trotzdem oder gerade deswegen als sehr freundlich und lebendig. Hier ließ es sich gut flanieren, einzig mit der Nahrungsaufnahme sah es schwierig aus. Aber finde hier mal bitte ein Restaurant, dass seinen potentiellen Gästen vor 19 Uhr Speis und Trank anbieten möchte. Oder besser gesagt: Finde hier mal ein Restaurant. Uns zog es dann in eine Backstube, die auch Pizza anbot. Nicht das gemütlichste Ambiente und nicht die beste Pizza, aber selbst diese war noch um Längen besser, als fast alles, was einem so in heimischen Gefilden als Pizza angeboten wird.
Gesättigt und zufrieden machten wir uns dann wieder auf zum Stadion. Dieses liegt gute zehn Fußminuten vom Zentrum entfernt und bietet auf zwei Rängen Platz für 26.000 Zuschauer. Ohne Namensabgleich oder Taschenkontrolle betraten wir den wunderschönen Bau.

U.S. Foggia Calcio – S.S. Monopoli 0:2, 8.228 Zuschauer (Gästeverbot), Stadio Pino Zaccheria, Serie C Gruppe 3

Schnell ein lauschiges Plätzchen auf der sehr gut gefüllten Gegengerade in Höhe der Mittellinie in Beschlag genommen und dann dem Treiben auf den Rängen gespannt gefolgt. Wie leider vermutet, gab es heute ein Gästeverbot, mit sowas muss man hier bei Risikospielen leider immer rechnen. Dementsprechend verwaist war der settore ospiti dann auch, die anderen beiden Kurven hingegen platzten aus allen Nähten. Seit geraumer stehen die aktiven Tifosi auch in Foggia auf unterschiedlichen Traversen. Während die Curva Sud die historische Kurve ist und auch heute noch von einigen älteren (und auch jüngeren) Gruppen bevölkert wird, genießt aus Tifosicht die jüngere Curva Nord (inoffiziell nach Franco Mancini benannt, langjähriger Torwart und ehemaliger Trainer Foggias, gestorben 2012) aktuell den besseren Ruf. Gründe, wieso hier eine Abspaltung stattgefunden hat, kann ich leider nur vermuten, der naheliegendste Grund, sprich unterschiedliche Handhabung der Tessera, wird es jedoch nicht sein, da diese von allen Seiten konsequent abgelehnt wird. Außerdem zogen die ersten Tifosi schon weit vor Einführung der TdT gen Norden. Von daher lassen wir die Spekulationen einfach und finden uns mit den Gegebenheiten ab. Und die sahen optisch schon wieder ganz hervorragend aus:
Wie gesagt, beide Kurven richtig voll, komplett beflaggt, viele Schwenkfahnen, Trommeln und Megafon auf beiden Seiten – perfetto.
Der relativ hohe Zuschauerzuspruch dürfte auch der aktuellen Erfolgsserie geschuldet sein. Aus den letzten sechs Spielen konnte Foggia ganze 16 Punkte einfahren, was einem zweiten Tabellenplatz entspricht. Der Gast aus Monopoli dümpelt als Aufsteiger irgendwo im Mittelfeld rum. Wobei ich hier jetzt gestehen muss, dass ich schon etwas überrascht war, als ich Monopoli auf einmal in der Serie C erblickte. Letzte Saison wurden sie nur 11. In der Serie D, konnten aber den Pokalwettbewerb der Serie D gewinnen und somit doch an den Aufstiegsplayoffs teilnehmen. Hier scheiterte man zwar im Finale, trotzdem stieg man irgendwie am grünen Tisch auf. Aber für wen wann und wieso? Frag mich net, dieses Chaos, was da in der Sommerpause mit Pleitevereinen, Lizenzproblemen, Strafversetzzungen wegen Manipulation und was weiß ich noch alles geherrscht hat, würde hier den ohnehin schon wieder geprengten Rahmen nochmals völlig sprengen – abgesehen davon, dass wahrscheinlich eh keiner mehr nachvollziehen kann und will, was da alles gelaufen ist. Also handhaben wir es einfach so wie mit der gespalteten Kurve Foggias und akzeptieren das einfach mal so, wie es ist.

Nach so viel Vorgeplänkel kann ich dann ja auch mal zum Spiel an sich kommen. Um kurz nach halb neun liefen die Mannschaften ein, und nach der Schweigeminute für die Opfer in Paris hätte es auch direkt losgehen können. Zusätzlich zu den Attentaten in Paris gedachte man heute auch dem Jahrestages des Hauseinsturzes in Foggia, bei dem 11.11.1999 insgesamt 67 Menschen ums Leben kamen. Hierzu hielt die Mannschaft Foggias ein Transparent in den Händen und vor der Curva Sud hing über die gesamte Spielzeit ein großes Spruchband. Weitere Spruchbänder im Laufe der Partie (und eigentlich auch aller anderen Spiele an diesem Wochenende) wurden für Paris und zum Todestag Gabriele Sandris (11.11.2007) gezeigt. So, jetzt aber.

Wie gesagt, das Spiel hätte losgehen können, aber mit Beendigung der Schweigeminute entlud sich ein Orkan auf den Rängen, was im Werfen von tausenden Kassenrollen, sowohl von Sud, als auch von Nord,  gipfelte. Zusätzlich brannte, rauchte und blinkte es jetzt an allen Ecken. Nicht koordiniert, jeder machte was er wollte, direkt vor uns hielten die Leute z.B. völlig ungeniert und unvermummt Blinker in der Hand, gestört hat es freilich keinen. Und während die armen Balljungen unten auf dem Platz versuchten, diesen von den Kassenrollen zu befreien, sang sich der Oberrang in ohrenbetäubender Lautstärke in einen kollektiven Rausch. Das sind sie, die Momente, die einem in dem bestätigen, was man da macht. Ähnlich wie das Publikum legte auch die Heimelf los und man hatte das Gefühl, sie wollten den Gast überrollen. Dieser überzeugte aber mit einer Taktik, der gegenüber man unsere gegen die Bayern noch als offensiv bezeichnen kann. Als dann Mitte des ersten Durchgangs selbst ein Elfmeter nicht verwertet werden konnte, legte ich mich fest, dass hier kein Tor mehr fällt. Seltsamerweise konnte jedoch Monopoli kurz vor der Pause mit einem verunglückten Seitfallzieher, was gleichbedeutend mit der ersten Chance war, die Führung erzielen. War natürlich ein Dämpfer für die bis hierhin formidable Stimmung, als in der zweiten Hälfte weitere Hochkaräter entweder kläglich versemmelt oder vom Keeper hervorragend abgewehrt wurden, wurde es noch ruhiger. Und so kam es wie es kommen musste, und mit einem diesmal perfekt getroffenen Seitfallzieher entschied Monopoli das Spiel. Vor meinem geisteigen Auge sah ich jetzt einen komplett ausrastenden Gästepöbel, der das unter Schock stehende Stadion bis zum Abwinken verhöhnt, aber dem machten ja die Behörden einen Strich durch die Rechnung.
Beinahe wäre das Spiel aber nochmal spannend geworden. Unmittelbar nach der eigentlichen Entscheidung zeigte der Referee in Kombination mit einem Feldverweis erneut auf den Punkt, doch – und selbst wenn man das Ergebnis in der Spielübersicht nicht gelesen hat, wird man es erahnen können - auch diesmal blieb Gästegoalie Pisseri Sieger. Zwei, drei Glanztaten und insgesamt elf Minuten Nachspielzeit später erklärte der Unparteiische die Angelegenheit dann auch für beendet und für uns hieß es schnellen Gasfußes zurück nach Bari, war ja mittlerweile reichlich spät geworden.

Zum Abschluss des heutigen Tages noch eine Beurteilung der beiden Kurvenleistungen: Mal abgesehen davon, dass es in der zweiten Halbzeit doch teilweise ziemlich ruhig war, hat mir das alles mal wieder ganz hervorragend gefallen. Curva Nord war in der Spitze etwas geschlossener und lauter, über die gesamte Zeit hat mit Curva Sud aber etwas besser gefallen. War etwas melodischer und allein wie die Trommler da auf der Brüstung sitzen und ihre geilen Rhythmen schlagen, da könnt ich ewig zugucken. Allgemein war das auch alles sehr spielbezogen und wenn es zum Ende hin immer ruhiger wurde, war das zwar etwas schade für den Moment, aber am End auch einfach authentisch. Nuff said.

Sonntagmorgen, frühstücken und wieder raus in die strahlende Herbstsonne. Aufgrund des Spielausfalls gestern in Andria konnte ich Kate heute ohne schlechtes Gewissen einen weiteren Doppler aufdiktieren
Die Kombination aus Taranto vs. Gallipoli und Martina Franca vs. Matera klang auch sehr vielversprechend. Ich fragte mich dann beim einzigen täglichen WiFi-Check dann nur, ob ich entweder die Anstoßzeiten falsch in Erinnerung hatte oder ob ich mal wieder Opfer einer kurzfristigen Spielverlegung wurde, auf jeden Fall sollten beide Spiele jetzt zeitglich stattfinden. Naja, war scheinbar nicht meine Tour, passiert. Und obwohl eigentlich der Besuch bei Taranto einer der Hauptgründe für mich für diese Reise war, habe ich mich dann aus dem Bauch heraus doch für Martina Franca entschieden. Taranto kennt man halt, man muss sich auch mal überraschen lassen.

Also machten wir uns durch das wunderschöne Val d’Itria mit Abstecher in unserem neuen Lieblingsort Locorotondo (sprich Locorotondo) auf den Weg in das ebenso schöne barocke Martina Franca. Hier schnell im Tabakladen problemlos die Tickets ausgehändigt bekommen, wollten wir uns vor der Pflicht noch gemütlich etwas zu essen gönnen. Das klappte aus Zeitgründen dann auch nur suboptimal (Spötter würden sagen „überhaupt nicht“), so dass der Weg zum Stadion von kleineren Meinungsverschiedenheiten geprägt war. Waren dann aber auch die letzten dieser Art, alles gut 

A.S. Martina Franca – S.S. Matera Calcio 0:1, 1.000 Zuschauer (100 Gäste), Stadio Gian Domenico Tursi, Serie C Gruppe 3

So, herzlich willkommen zum Kellerduell des Tabellenletzten gegen den drittletzten. In einem ähnlichen Zustand wie die Tabellensituation präsentierte sich dann auch das Stadion, womit beides aber noch deutlich gesünder als das Geläuf sein sollte, auf dem heute sicherlich keine sportlichen Höchstleistungen erwartet werden durften. Kurzzeitig fragte ich mich, ob da unter der Woche noch ein Reitturnier stattgefunden hatte, so erbärmlich präsentierte sich der Rasen. Wenigstens dürfte die Eintrittskarte eine der schöneren ihrer Machart sein, man muss ja auch nicht immer nur meckern. Und ich muss sagen, gemeckert hab ich dann auch genug. Ja, das Spiel war sicherlich kein Augenschmaus, man konnte schon recht gut die doch limitierten Fähigkeiten der Akteure erkennen. Aber wenigstens wollten sie (ob man das jetzt als Kompliment auffassen kann, soll jeder für sich selbst entscheiden). Aber auch bei diesem Gerumpel war dem Heimpublikum ein Treffer ihrer Helden (?) nicht vergönnt, dafür durften die Gäste einmal ordentlich jubeln. Und das taten sie dann auch. Jetzt könnte man meinen, dass man mit dieser geringen Anzahl sicherlich keine Bäume ausreißen kann, aber was uns von den Höhlenmenschen gegenüber entgegenschallte, war doch schon aller Ehren wert. Ordentlich laut, schöne Melodien, guter Pöbelfaktor – bekommt auf jeden Fall den Daumen nach oben. Selbiges gilt auch für die hinter dem Tor auf einer stark einsturzgefährdeten Stahlrohrtribüne stehenden Ultra‘ Martina Franca. Fachfrauisch erkannte Kate gleich zu Beginn des Spiels, dass auch hier die kraftvoll vorgetragenen Gesänge ja instrumental unterstützt wurden („Oh, hör mal, eine Trommel. Das ist ja selten heutzutage“), trotzdem machte sie in der Folgezeit ein kleines Nickerchen. Ich hingegen hatte meinen Spaß, war ich doch chipsknabbernd positiv überrascht worden. Sicherlich nicht so ein Spektakel wie in Taranto möglich gewesen wäre, aber in Anbetracht der Umstände auf jeden Fall mehr als zufriedenstellend. Da sehe ich auch mal darüber hinweg, dass es analog zu gestern auch hier in der zweiten Hälfte merklich ruhiger wurde.

Der Abpfiff war dann auch gleichbedeutend mit der Beendigung des fußballerischen Teils des Wochenendes, der Rest bestand nur noch aus Dolce Vita, weiteren Haken im Welterbe-Informer, der Fahrt von einem pittoresken Küstenort zum nächsten und Pastaeinkaufs für die heimische Sammlung. Dass ich aber dann überhaupt nach Hause durfte, stand am Flughafen noch in den Sternen, hatten die Sicherheitsbedienstete doch ein Problem mit meinem hochgefährlichen Rasierschaum. Utopische Momente, als fast die komplette Sicherheitskontrolle lahmgelegt wurde, um meinen – ich wiederhole – Rasierschaum zu begutachten. Jeder hatte das Ding mal in der Hand, natürlich nur mit speziellen Handschuhen, eine Fotoanalyse von sechs wachsamen Augen brachten auch keine neuen Erkenntnisse, der Security Chef in seinem Büro war auch überfordert. Und während des ganzen Schauspiels saßen Kate und ich da und beobachteten breitgrinsend das Drama. Irgendwann wurden wir dann aufgeklärt: In meinen „object“ (damit war wohl der Rasierschaum gemeint) wäre eine „object“ (??? O-Ton: „There’s an object in your object“). Auf jeden Fall durfte ich dann doch weiterfliegen, meinen Rasierschaum war das leider nicht mehr vergönnt. Zum Glück hatte ich mich morgens noch rasiert, sonst wäre ich ausgeflippt.

Fazit: Zwar lief fußballerisch jetzt nicht alles nach Plan, aber auch das ist Italien in der heutigen Zeit. Unüberwindbare Bürokratie beim Ticketerwerb, Gästeverbot, Rumpelfußball und Catenaccio. Und trotzdem überwiegen die positiven Eindrücke der immer noch lebendigen Fankultur  wesentlich mehr. Über das Land und Leben müssen wir nicht reden, da gibt’s eh nix besseres. Ich komme mit Sicherheit baldigst wieder.
Als abschließende Erkenntnis bleibt die Frage, warum ich es eigentlich nicht schaffe, mich kurz zu fassen, obwohl ich diesmal wirklich nicht weit ausgeholt habe? 

Fotos folgen (hoffentlich, da die Kamera einen mittleren bis schweren Unfall zu verzeichnen hatte)

Ansonsten bleibt an dieser Stelle nochmals die Werbung in eigener Sache:

Es gibt noch einige Restexemplare der Erstausgabe des „Trespass“. Auf 100 Seiten 43 Spielberichte aus 14 Ländern für 3€, viel Italien, aber auch sonst eine gesunde Mischung aus Graupenkick, Topderby oder internationalen Spitzenclubs. Wer noch zuschlagen möchte, bitte pn oder E-Mail an trespass-zine@gmx.de
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Oesch schrieb:

„There’s an object in your object“



Wie immer eine wunderbare Geschichte, vielen Dank!
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Ich lese es noch, dass ist für mich aber ein Tagewerk!
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Gude,
ich habe mir gedacht, ich führe meine selbst begonnene Tradition einfach fort, und schreibe hier mal wieder eine kleine (haha) Erlebnisgeschichte aus Italien im November. Vielleicht liest es ja noch jemand.
Ansonsten war’s das auch schon mit dem Vorgeplänkel und wir gehen direkt rein ins Vergnügen (?) und meine Selbstbeweihräucherung.

Dreht die Welt sich mittlerweile eigentlich nicht mehr nur um sich selbst, sondern auch völlig am Rad? Da wacht man heute Morgen auf und Donald Trump ist Präsident der USA. Die Briten kehren aus einer Laune raus der EU den Rücken, die Türkei ist auf bestem Wege in die Diktatur und in heimischen Gefilden erzielt eine angebliche Alternative für was auch immer utopische Wahlergebnisse. Und während das nächste Flüchtlingsboot im Mittelmeer versinkt, Syrien weiterhin in Schutt und Asche gelegt wird und im Irak Massengräber entdeckt werden, darf eine lokale NPD Größe weiterhin ungeniert vor sich hin hetzen, während weiter östlich die Herren Putin und Orban ihre Auslegung von lupenreiner Demokratie zeigen. Das macht doch alles keinen Spaß - und das ist ja nur die Oberfläche bzw. das, was man so direkt mitbekommt. Was bleibt einem in solchen Zeiten eigentlich noch, um nicht völlig einzugehen? Eigentlich nur Fußball, Sport und Pokémon. Damit das jetzt aber nicht allzu pessimistisch wird, schalte ich die Nachrichten mal ab und wähle einen anderen, weitaus hoffnungsvolleren Auftakt für dieses Pamphlet.

Drei Stunden. Dreiundzwanzig Minuten. Zweiundvierzig Sekunden.

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Dauer des Orgasmus eines Schweins. Dieses hat zwar den ausgiebigsten im gesamten Tierreich, nach lediglich 30 Minuten ist der Käse aber auch gegessen. Nein, die Zahlen geben den Zeitraum an, der zwischen meinen jeweiligen Überquerungen der Start und Ziellinie des Frankfurt Marathons lag. Zu behaupten, diese Zeit wäre ein einziger Orgasmus gewesen, wäre sicherlich gelogen - gerade das letzte Viertel würde ich eher unter der Kategorie "Hölle" archivieren - dennoch lässt die Zeit auch ohne anzugeben nur eine Schlussfolgerung zu: Ich bin eine Maschine. Da für dieses Ziel in der Vorbereitung einiges andere hinten anstehen musste, habe ich mir als kleine Belohnung selbst eine kleine Tour geschenkt. Nur Italien wäre zu einfach, daher wird kurzerhand noch ein neuer Länderpunkt eingebaut (VAE).
Da es hier aber um Italien gehen soll, lasse ich diesen Teil mal aus, der Text ist sonst doppelt so lang. Also machen wir einen Zeitsprung und befinden uns mittlerweile am Dubai Inernational Airport, Terminal 3, das übrigens nur mit dem Taxi zu erreichen ist

Die gar nicht mal so knappe Zeit bis zum Weiterflug schlage ich mit Elektronik laden, Lesen (Murakamis Hard Boiled Wonderland) und Kippenkauf (eine Stange roter Gauloises für 11,-€, fair) tot, ehe es um 4:00 Uhr nachts endlich weiter geht. Den Flug verschlafe ich zum Glück völlig, erst das aufgeregte Gejapse meiner Sitznachbarin lässt mich so langsam wieder zu Sinnen kommen. Es ist aber auch ein Unding, da steht doch tatsächlich ein Passagier schon im Gang, obwohl die Anschnallleuchten noch nicht erloschen sind. „Also manche Leute“, kommentiert sie das und wirft nach, dass sie sich schon hochgradig illegal fühlten würde, wäre sie schon abgeschnallt. „Also manche Leute“, denke ich…
Den dreistündigen Zwischenstopp in Istanbul verbringe ich größtenteils auch schlafend. Ich liege auf dem nackten Fußboden, irgendwo zwischen einem Café und der Toilette, um mich ist es laut, und trotzdem liege ich so gut wie schon lange nicht mehr. Um wohlig zu schlafen braucht man kein ach so gemütliches Bett, viel effektiver ist einfach völlige Übermüdung, da ist einem alles andere egal, Hauptsache Augen zu. Augen auf heißt es trotzdem nach nicht allzu langer Verweildauer, will ich meinen Anschluss nicht verpassen. Etwas Proviant brauche ich noch sicherheitshalber, dass ich beim dafür nötigen Kauf allerdings auf die weltunfreundlichste Bedienung treffe, hätte ich vorher nicht vermutet. Kein „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ ist man ja leider stellenweise schon gewohnt. Dass man nicht angeschaut wird, auch. Dass Madame aber rein technisch gar nicht in der Lage ist, etwas zu sagen, da sie mit ihrem Mund eine orale Pediküre betreibt, während vor ihr die Kundschaft auf Abwicklung der Tauschgeschäfte warte, ist dann auch für mich neu. Also wirklich, manche Leute…

Trotz der widrigen Umstände sitze ich tatschlich mit Getränken bewaffnet im nächsten Pegasus Bomber und mache dasselbe wie auf allen anderen bisherigen Flügen mit dieser Airline. Lediglich vor Start und nach Landung in Rom (FCO) unterbricht mein Nachbar meinen dringend benötigten Schlaf, indem er gar nicht abwarten kann, bis ich ihm Platz machen und durchlassen kann, sondern einfach über mich drüber steigt wie der weltberühmte Sitzsteiger in der Frankfurter Straßenbahn über eben die Sitze. Also manche Leute, wirklich...

Nach so vielen skurrilen Begegnungen mit Menschen bin ich fast schon froh, als ich es mal wieder mit einer Maschine zu tun bekomme. Da gut 90% der Flugzeuginsassen die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, freue  ich mich an der Passkontrolle, dass ich die nicht vorhandene Schlange für EU Bürger nutzen darf. Hier ist kein menschlicher Grenzbeamter im Dienst, es gibt lediglich eine elektronische Passkontrolle. Super Sache, ist man schnell durch…vorausgesetzt man kommt nicht aus Deutschland. Aus irgendeinem dummen Grund sind diese Kackautomaten nicht in der Lage, deutsche Reisepässe zu lesen. Laut fluchend stelle ich mich also notgedrungen ans Ende der Schlange für Nicht-EU Bürger. Erst als ich einige Zeit später in meinem Mietwagen sitze, habe ich mich etwas abgeregt und bin froh, für die nächsten Stunden erstmal keine Menschen zu sehen. So ein Beifahrer wäre zwar von Vorteil gewesen, aber so bin ich auch mal selbständig dazu gezwungen, mich mit den Begriffen „Navi“, „Google Maps“ und „Roaming“ vertraut zu machen. Erstaunlicherweise funktioniert das zu meiner eigenen Überraschung recht gut, zeigt mir mein Mobilfunkgerät doch eine realistische Wegstrecke zu meinem Tagesziel an. Jetzt ist es natürlich eine berechtigte Frage, wieso ich mir als Einzelkämpfer ein Auto mieten muss, die Antwort ist mit den Spielansetzungen aber recht schnell gegeben. Da wird einfach mal wieder alles durcheinander gewürfelt, dass es eine Wahre Pracht ist, und so ist es eben die einzige Möglichkeit, eine halbwegs gescheite Tour auf die Beine zu stellen. Ohne Scheiß, ich glaube, mittlerweile sind die Ansetzungen in Bulgarien oder sonst wo in Osteuropa zuverlässiger als in Italien. Gegen 14:00 Uhr befinde ich mich auf der Straße, mit genügend Puffer ist das abendliche Geholze in der Provinzhauptstadt Macerata in den Marken das einzige für mich erreichbare Ziel. Drei Stunden und lediglich 4,40€ Mautkosten später checke ich im Best Western ein, man gönnt sich ja sonst nix. Die 35,- Euro (schon abzüglich aller Rabatte und Cashbacks) sind dennoch gut investiert. Auf eine nächtliche Weiterfahrt, lediglich um ein paar Cents zu sparen, habe ich wahrlich kein Interesse.

Bis vor kurzem dürfte für die meisten Menschen die Erwähnung des Namens Macerata noch für Fragezeischen gesorgt haben, seit das letzte Erdbeben hier sein Epizentrum hatte, ist er aber einer größeren Masse geläufig. Von irgendwelchen Schäden selbst sehe ich in der Stadt nichts, dafür passiere ich auf meinem Weg hierher Straßenschilder nach Rieti und Norcia, die beide wesentlich heftiger getroffen wurden als Macerata selbst. Ich bin heute weder als Katastrophentourist, noch als Aufbauhelfer unterwegs, mich zieht viel mehr der ortsansässige Drittligist an. Deshalb mache ich mich auch gleich auf die Suche nach einem Ticket. Fündig werde ich in der Bar Idea 88 unweit des Stadions. Hier sitzen in einem zugequalmten, nur notdürftig eingerichtetem Raum drei Mädels an einem Tisch, auf dem Drucker aus den 80er Jahren stehen, und überreichen gegen eine Gebühr von 20,- Euro tatsächlich ein gültiges Ticket - Kartenkauf in Italien, immer ein Erlebnis.

S.S. Maceratese – Parma Calcio 0:0
1.500 Zuschauer (150 Gäste)
3. Liga Italien, Sa. 12.11.16


Da ich noch etwas Zeit bis Kick-Off habe, hole ich mir in einem nahen Supermercado noch schnell zwei Pizzastücke und eine Dose Cola light, genehme mir daraufhin mein hochwertiges Mahl und lande auf dem Weg zurück direkt im Corteo der Curva Just (benannt nach Fabrizio „Lu Just“ Giustozzi, eine wohl großartige Persönlichkeit Maceratas, Förderer der Jugend, Kultur und des Sports und großer Fan des Vereins, gestorben am 12.11.2007). Es sind zwar nur etwas mehr als 50 Leute, dafür kratzt die Sonnenbrillenquote an der 100% Markierung – dass es eigentlich stockdunkel ist und lediglich die zahlreich abrennenden bangalischen Fackeln für etwas Beleuchtung sorgen, muss ich eigentlich nicht extra erwähnen. Unter schönen Gesängen und meiner Begleitung marschiert man so zum Stadion Helvia Recina, hier trennen sich unsere Wege. Der Ultrahaufen nimmt den direkten Weg in seine Kurve, ich versuche auf der gegenüberliegenden Seite Einlass zu erhalten. Obwohl ich richtig bin, zieht sich das Einlassprozedere gehörig in die Länge, sind die drei Ordner doch mit den Zuordnungen der Ausweise zu den richtigen Pesronen und Karten der sechsköpfigen Familie vor mir überfordert. Es ist wieder einmal ein herrliches Beispiel dieser sinnlosen, schikanösen Vorschriften. So wie ich es interpretiere, besteht die Familie aus Mutter, Vater, Großeltern mütterlicherseits (der Optik nach) und zwei unter zehnjährigen Kindern, eines davon im Rollstuhl. Eigentlich die Defintion von harmlosen Stadionbesuchern, und dennoch wird ein Aufstand gemacht als versuchten sie mit einem Saudi Arabien Visum in Israel einzureisen. Da muss man sich nicht wundern, wenn keiner mehr Lust hat ins Stadion zu gehen. Da ich alleine bin, fällt meine Personenüberprüfung entsprechend kürzer aus, noch kürzere Zeit später sitze ich auch schon auf der einzig überdachten Tribüne. Gegenüber von mir befindet sich die schwer bauffällige Gegengerade, bei der es mich wundert, dass diese überhaupt bevölkert werden darf. Jeweils an den Seiten dieser befinden sich Heim- und Gästeblock. In beiden stehen ca. 150 Supportwillige, obwohl die Polizei dies am liebsten verhindert hätte. Das Spiel wurde als Risikospiel eingestuft, den Gästen der Bigliettierwerb erheblich erschwert – klar, die Szene Parmas ist ja auch für ihre brandschatzenden Auswärtsfahrten in der letzten Zeit bekannt. Dementsprechend zeigten sie auch, was sie davon halten, und reisten schon weit vor Spielbeginn an. Nicht jedoch, um das Stadtzentrum in Schutt und Asche zu legen, sondern um gesammelte Spenden und Hilfsgüter für die Opfer der Erdbeben zu überbringen. Im Gästeblock selbst hängt über die gesamte Spieldauer das Spruchband „Centro Italia non mollare“ (nicht aufgeben, Zentralitalien), in der zweiten Hälfte wird unter großem Applaus und Sprechchören des restlichen Stadions eine weitere Tapete gezeigt: „Vicino ai terremotati“ (sinngemäß etwa „wir sind bei den Erdbebenopfern“). Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie in Zeiten von großen Tragödien in quasi allen Kurven landesweit Solidarität gezeigt wird,die auch in sehr vielen Fällen gelebt. Spendenaktionen und aktive Hilfsarbeiten vor Ort werden abseits jeglicher Rivalität von vielen Gruppen durchgeführt, ob es jetzt um die Erdbeben, das Hochwasser in Genua oder auch die Terroranschläge in Paris letztes Jahr, bei der auch in nahezu jeder Kurve und Stadt entsprechende Spruchbänder gezeigt wurden, geht. Es zeugt von Reife und von Größe, auch wenn die Medien davon selbstredend nichts berichten möchten.

Das dritte gezeigte Spruchband Parmas bedarf in Anbetracht des Datums keine weitere Erläuterung („Gabriele vive“), ansonsten steht man relativ kompakt hinter der fast schon legendären Boys Fahne und sorgt durch ununterbrochenen Fahnen- und Doppelhaltereinsatz dafür, dass die Blockauslastung höher aussieht als sie wirklich ist. Die Anfeuerungen sind nicht zu durchgängig wie das Fahnengewedel und der Lautstärke mangelt es dank fehlender Masse, dafür vorhandener weitläufiger Laufbahn an Durchschlagkraft, trotzdem oder auch gerade deswegen ist es einfach authentisch und weiß mich zu überzeugen. Ein ähnliches Zeugnis stelle ich auch der Heimseite aus. Optisch trotz recht schöner Zaunbeflaggung nicht ganz so gut, akustisch dafür etwas lauter, auch wenn leider keine Trommel im Stadion ist. Ich habe derweil starke Kopfschmerzen, es ist inzwischen leidlich eisig und richtig zufrieden gesättigt bin auch nicht. Von dem was die angeblichen Profifußballer da vor mir veranstalten, fange ich gar nicht erst an. Auch wenn man jetzt zurecht denken könnte, dass ich nur nach Hause möchte, fühle ich mich dennoch gut unterhalten. Es ist sicherlich kein Spiel, mit dem man jemanden von Italien überzeugen kann, hat man aber ein Faible dafür, kommt man voll und ganz auf seine Kosten. Der Blick in die Kurven durch den Zoom des Fotoapparates, bei dem man über 40jährige Ultras rumspringen sieht wie Ede auf dem „Konzert“ der RTL Autohändler; Das Tribünenpublikum;, dass bei jeder misslungen Szene – und von diesen gibt es viele – die komplette Palette bekannter und noch unbekannter Schimpfwörter vom Stapel lässt; Spieler, die mehr damit beschäftigt sind, dass die Frisur bei der nächsten Schwalbe noch sitzt als dass sie ernsthaft versuchen mal einen Gegner richtig umzutreten; ein Stadion, dass aussieht als hätte es alles Schäden des letzten Erdbebens freiwillig auf sich genommen; eine Stadiongastronomie, die nicht mehr hergibt als Chips, Softdrinks, Bier, Borghetti und Kaffee.

Letzterer ist es, der mich in der Halbzeitpause rettet. Der kleine Schluck pures Koffein vertreibt mit einem Schlag sowohl Kopfschmerzen als auch Kälte, lediglich das Spielniveau vermag er nicht zu steigern. Der Tabellenzweite aus Parma, der nach der letzten Neugründung im Jahre 2015 inzwischen auf den Namen Parma Calcio 1913 hört und im letzten Jahr nach dem Zwangsabstieg/-neuanfang in der vierten Liga ungeschlagen aufsteigen konnte (dabei wurde ein neuer Zuschauerrekord in der Serie D aufgestellt, Präsident seit der Neugründung ist Nevio Scala), hat zwar mehr vom Spiel, Chancen sind aber nicht dabei. Maceratese, oder kurz „Rata“ genannt, ist ebenfalls ein Liganeuling, im Gegensatz zum großen Gegenüber ist das Ziel jedoch nicht so schnell wie möglich wieder ganz nach oben zu kommen, sondern schlicht und einfach der Klassenerhalt. Alles andere wäre in Anbetracht der Geschichte des Vereins auch vermessen, ist der größte Erfolg doch lediglich ein Jahr in der zweiten Liga – damals, Ende der 40er. Heute holt man einen nicht unverdienten Punkt (also wenn man bei diesem Geholze von verdient sprechen kann), mit etwas Glück wäre sogar der Dreier (lalalala…) dringewesen. Den Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte in der Nachspielzeit kann der Torwart gerade so über die Latte lenken, so nah wie in diesem Moment kam am ganzen Abend kein weiterer Torabschluss. Dennoch freut man sich ausgiebig über den Punkterfolg und feiert diesen mit den eigenen Schlachtenbummlern.

Eigentlich will ich mich direkt ins Bett legen, natürlich laufe ich aber noch eine Runde über Kopfsteinpflaster durch die mehr als ansehnliche Altstadt Maceratas. Tolle Gassen, schöne Fassaden, die ein oder andere Piazza, dazu überraschend viel junges Leben auf der Straße – ich bin wirklich überrascht. Nachdem ich mein Ein erfolgreich ausgebrütet habe (Dodu, war wohl aus Dubai), begebe ich mich dennoch nicht allzu spät in meine Herberge, wo auch alsbald Schicht im Schacht ist.

Guten Morgen Sonne. Wie schön, dass Du mich wach küsst. Bei diesem Wetter ist es keine Qual, die müden Knochen aufzuraffen und mich auf die nächste Etappe zu machen. Völlig mautfrei genieße ich ein weiteres Mal die Landschaft. Zu meiner Rechten die Adria, zur Linken schneebedeckte Berggipfel – utopische Pyroshows hin, heiße Partynächte mit den besten Freunden in Osteuropa her, es sind diese kurzen Augenblicke, in denen ich für mich selbst entscheide, mit meinem Hobby richtigzuliegen. Hört sich pathetisch oder geschwollen an? Mag sein, es ist aber wie bei der Sendung mit der Maus einfach so. Immer noch in recht träumerischen Gedanken versunken, erreiche ich mehr als zeitig Cesena, finde einen bis jetzt noch kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Stadionnähe und genieße ein weiteres Mal ein nährstoffreiches Frühstück. Dieses Mal den aus Dubai importierten Fertigkuchen. Ist zwar ganz lecker und erfüllt seinen Zweck, trotzdem komme ich nicht umher festzustellen, dass meine Ernährung auf der Tour eindeutig zu kurz kommt. Einen fantastischen Cappucino in einer stadionnahen Bar gönne ich mir noch, dann schaue ich mir die Gepflogenheiten vor Ort an.

A.C. Cesena – A.C. Pisa 2:0
12.180 Zuschauer (700 Gäste)
2. Liga Italien, So. 13.11.16


Es herrscht schon ganz schönes Gewusel hinter der Curva Mare und dem Szenetreffpunkt „Bombonera“: Die typischen Imbisswagen, bei denen ich mich jedes Mal ärgere, dass ich keinen Hunger habe, jede Menge Fanartikelstände, vollbesetzte Bars – es riecht nicht nur nach Spanferkel, es riecht im gleichen Maße nach Fußball. Als ich vom Bigliettikauf zurückkomme, trägt eine kleine Abordnung  der ortsansässigen Ultras Trommel und Tifomaterial ins Stadion, wodurch meine Vorfreude noch weiter angestachelt wird. Ergo mache ich keine Gefangen und suche alsbald den Weg ins Stadioninnere. Nicht nur die Fremdensprachkenntnisse der Signora am Schalter lassen mich kurz die Frage stellen, ob ich wirklich in Italien bin, auch die Soundanlage gibt landesuntypisch mehr her als der handelsübliche Fisher Price Kassettenrekorder. Ich frage mich nicht nur, ob ich im richtigen Land bin, ich frage mich auch, ob ich bei der richtigen Veranstaltung bin oder ob es etwa schon Juni 2017 im Waldstadion ist, so laut und klar dröhnt mir Depeche Modes „Personal Jesus“ entgegen. Das weitere musikalische Programm ist nicht viel schlechter, so dass die Wartezeit bis es endlich los geht, recht schnell verfliegt. Bis dahin nehme ich das Stadion Dino Manuzzi (ehemaliger Präsident Cesenas) unter die Lupe und stelle fest, dass es auf Bildern größer wirkt, als es tatsächlich ist, was vor allem an der kleinen Haupttribüne liegt, die mir völlig unbekannt ist. Genauso beobachte ich die sich langsam füllenden Fansektoren. Die Gäste nehmen ihre Plätze im Unterrang ein und werden es am Ende auf gute 700 Tifosi bringen. Auch wenn sie vor dem Spiel einige intensive Gesänge und Hassparolen durch den engen Kasten jagen, bemerkt man das Fehlen der leider nicht auswärtsahrenden Ultraszene deutlich. Die wenigen, auf Planen gedruckten Zaunfahnen gefallen mir einfach nicht, der Gesänge sind bis auf wenige Ausnahmen unkoordiniert. Trotzdem ist es schön, eine  solch große Gästschar zu sehen. Es ist halt schade, wenn man das zweifellos vorhandene Potential sieht. Trotzdem ist es mehr als erwartet, man weiß ja, worauf man sich einlässt

Gegenüber ist hingegen wesentlich mehr los. So ein bisschen scheint Cesenas Szene von der ganz großen Repression verschont zu sein. Bis auf die fehlenden großen Zaunfahnen sieht das hier eigentlich aus wie früher, die alten Gruppen sind noch aktiv: im Unterrang Viking Forli (auch wenn diese personell stark dezimiert scheinen), im Oberrang Sconvolts und Weiss Schwarz Brigaden. Wie fragt Domenico Mungo in seinem faszinierenden Buch „Cani Sciolti“: Was ist das eigentlich für ein bekackter Name? Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hier die Erklärung. Es handelt sich dabei um die deutsche (?) Übersetzung des Namens der ersten organisierten Gruppe Cesenas „Brigate Bianconere“. Der Name wurde nach dem Aufstieg in die Serie A im Jahre 1981 zu Ehren Walter Schachners, des ersten Ausländers in Reihen Cesenas, geändert. Auf deutscher Ebene ist die Gruppe sicherlich durch ihre Freundschaft zum Commando Cannstatt bekannt. Diese sind heute vor Ort, dafür sind befreundete Gäste der magischen Fans des französischen Rekordmeisters sowie der Fahne nach zu urteilen auch welche von Peterborough United anwesend. Dennoch ist es in der Curva Mare gespenstisch still, als die Mannschaften aufs Feld kommen. Im mittleren Teil erfüllen Absperrbänder ihren Zweck und sperren ihn eben ab. Lediglich zwei Spruchbänder füllen ihn aus, die die unmöglichen Anstoßzeiten (heute: 12:30 Uhr)  kritisieren und den dafür verantwortlichen ewigen Hass versprechen. Im unteren Teil des Blocks diskutieren einige ältere Ultras mit irgendwelchen offiziell aussehenden Typen, ich nutze hingegen die Gelegenheit etwas zur Ausgangslage der Partie zu formulieren.

Cesena scheint ja relativ skandalfrei zu sein, nicht einmal eine Pleite bzw. Namensänderung bzw. Neugründung bzw. Zwangsabstieg gab es hier. Was aber in Pisa los ist, spottet mal wieder jeglicher Beschreibung. Die im Satz vorher angesprochenen Ereignisse kennt man hier alle. In der abgelaufenen Saison konnte in den Play Offs nach etlichen Spielzeiten wieder der Aufstieg in die Serie B klargemacht werden, seitdem geht es drunter und drüber.

Grob zusammengefasst: in der abgelaufenen Saison war wohl schon kein Geld da, Gehälter wurden nicht bezahlt, dubiose Besitzer mit illegalen Machenschaften gaben sich die Klinke in die Hand – das Übliche eben. Der sportliche Erfolg verdrängte das alles etwas, jetzt schlägt es aber mit voller Wucht ein. Das Stadion war wegen nicht Zweitligatauglichkeit gesperrt (mittlerweile dar wieder darin gespielt werden), kurz vor Saisonbeginn hat man nur eine unvollständige Mannschaft und keinen Trainer und das erste Auswärtsspiel der neuen Saison musste verschoben werden, da man die Kosten nicht tragen konnte. Irgendwie regelte sich zwar alles insofern, dass wenigstens der Spielbetrieb sichergestellt ist und auch der Aufstiegstrainer, niemand geringeres als Weltmeister Gennaro Gattuso, ist wieder zurück an Bord, trotzdem bleibt es abzuwarten, wie sich die ganze Geschichte entwickelt. Der Saisonstart war jedenfalls überraschend positiv, mittlerweile hat man sich im Mittelfeld der Liga eingefunden, also in Schlagdistanz zu den Auf- und Abstiegsplayoffs.

Das Spiel ist weit davon entfernt, hochwertige Fußballkunst zu zeigen, den Klassenunterschied zum gestrigen Abend merkt man aber dennoch deutlich. Nach all den Darbietungen der letzten Tage ist es eine Wohltat, hier zuzuschauen, da sehe ich auch über die mehrfach auftretenden haarsträubenden Stockfehler oder misslungenen Kurzpässe hinweg. Wenigstens das Tempo und der Einsatz stimmen. Als die digitale Spielzeitanzeige neben dem Tor die Zweistelligkeit erreicht, werden die Absperrbänder eingerissen und von allen Seiten stürmen Tifosi ins Heiligtum der Kurve. Alle Arme gehen nach oben, der Capo, der wohl bei der Gründung der ersten Gruppe 1974 schon einer der älteren war, macht eine kurze Ansage, und es folgen inklusive Nachspielzeit 90 Minuten überragender gesanglicher Fußballbegleitung. Ja, zu einem gar nicht mal so kleinen Teil erfolgt diese nur von eben diesem mittleren Teil der Kurve, dennoch überzeugt es mich völlig. Da sind sogar Melodien dabei, die man nicht überall hört, es sind regelmäßig viele Fahnen in der Luft („Fahnen runner“), der Trommler ist gut und durch die Position in der Nähe des Daches und der Enge des Stadions ist die Lautstärke auch mehr als akzeptabel. Wenn der Rest der Kurve oder sogar das ganze Stadion einteigen, wird es richtig utopisch. Nach dem 1:0 Mitte der ersten Hälfte ist so ein Moment, die letzen zehn Minuten des Spiels lassen mich nur mit offenem Mund da sitzen. Eine mir unbekannte, fantastische Melodie wird mit einer in Deutschland nicht möglichen (und nein, das ist kein „bei uns ist alles scheiße“-Gejammer, ist es nämlich nicht) Intensität vorgetragen, beim zweiten Treffer des Spaniers Alejandro Rodriguez in der 96. Minute brechen schließlich alle Dämme. Ich strecke beide Daumen in die Höhe, im vollen Bewusstsein, dass  stellenweise nicht mehr Leute als gestern in Macerata gesungen haben. Aber das ist wie mit dem Harndrang. Da bist Du irgendwo auf Sightseeingtour in einer fremden Stadt, du musst pissen wie ein Stier, findest aber keine Möglichkeit deine Blase zu entleeren. Die ganze Zeit hast du nur das Bedürfnis, dir endlich Erleichterung zu verschaffen, dir gelingt das aber erst nach einigen Stunden. Abend liegst du dann im Bett, lässt den Tag Revue passieren, bist absolut begeistert von allem, was du gesehen und erlebt hast und blendest  völlig aus, dass ihr den ganzen Tag scheiße ging. Welch gelungene Metapher und welch noch bessere Überleitung, das mit dem Toilettenbesuch ist mir immer noch ein Rätsel. Gestern im Stadion war ich schon verwundert, dass das Männerurinal nur von Frauen besucht wurde, heute ist das Frauenklo mit Pissoirs ausgestattet. Mit Geschlechtern scheinen sie es nicht zu haben, erleichtern kann ich mich dennoch.

Auch wenn ich gerne noch länger verbleiben würde, dieser elendige Zeitdruck hindert mich daran. Welch großer Vorteil, dass mein Wagen in direkter Fluchtrichtung auf mich wartet. Welch großer Nachteil, dass die dafür benötigte Straße gesperrt ist. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es den anderen abwandernden Zuschauern gleichzutun und versuche mich durch irgendwelche Seitenstraßen Richtung Autostrada durchzuschlagen, was aufgrund des nichtfließenden Verkehrs nur von maximal suboptimalem Erfolg gekrönt ist. Eine geschlagene Dreiviertelstunde benötige ich für die 3 km zur alternativen Autobahnauffahrt, wodurch mein Zeitpuffer analog zu meiner Stimmung mittlerweile im Negativbereich angekommen ist. Ankunft am Stadion in Arezzo laut Google Maps um 16:40, Spielbeginn ist angesetzt auf 16:30. Man muss kein Rechenkünstler sein, um hier eine gewisse Diskrepanz zu erkennen. Um meine nichtvorhandenen Schnellfahrskills in der unheilvollen Kombination mit meiner ebenso wenig ausgeprägten Stärke bei der Parkplatzsuche wissend, schreibe ich nicht nur das pünktliche Erscheinen, sondern gleich die ganze erste Halbzeit ab. So hab ich wenigstens etwas zum Freuen, sollte ich wider Erwarten doch früher erscheinen. Und in der Tat, ich rolle trotz des mehr als schlechten Straßenbelags ziemlich gut durch die sensationellen Landschaften. In diesen Momenten bin ich auch über das Upgrade meiner Mietkarosse froh, ich gehe gar schwer davon aus, dass ich mit einem kleineren Wagen und weniger guter Kurvenlage direkt in die Erdumlaufbahn katapultiert worden wäre. Ohne Scheiß, als Straße darf man diesen Untergrund eigentlich nicht bezeichnen. Regelmäßig alle drei Sekunden gibt es einen Schlag, dass ich denke, die Achse bricht gleich. Das Geräusch dabei erinnert quasi eins zu eins an das Rumpeln von Zügen in Osteuropa. Wenn man einmal einige Tage in Folge in diesen genächtigt hat, verbindet man es automatisch mit Einschlafen. Dementsprechend muss ich auch aufpassen, dass meine Augen nicht zufallen. Als sich plötzlich am Wegesrand Schnee auftürmt, bin ich nicht mehr sicher, ob ich nicht schon im Land der Träume angekommen bin - es sind immerhin Neun Grad nach Celsius, seltsam, seltsam. Eine Bergkuppe später ändert sich das Bild jedoch schlagartig und mir eröffnet sich ein phänomenaler Blick über eine Landschaft, wie man sie aus Bildbändern über die Toskana kennt. Mit hohen Pinien bewachsene Hügel, malerische Dörfer - nicht nur das Verkehrsschild kündigt an, dass ich mich mittlerweile in dieser traumhaften Region befinde. Die ganze Szenerie wird durch die langsam untergehende Sonne in ein sanftes Rot getüncht, so dass mich nicht nur ein leichter Hauch von Romantik umgibt. Wie gerne würde ich einfach anhalten und den Moment genießen, die Silhouette Arezzos - übrigens ebenfalls nicht zu verachten -, die Ausschilderung des Stadions sowie der Blick zur Uhr lassen daran aber keinen Gedanken verschwenden. Ich bin wieder im Game. Ganz still und heimlich habe ich sogar etwas Zeit gewonnen, jetzt muss ich nur noch schnell ins Stadion gelangen. Meinen ersten Parkversuch macht jedoch die Polizia zunichte. Gut, zugegeben ist es auch nicht die schlaueste Idee, mitten in einem von dieser bewachten Kreisel stehen bleiben zu wollen. Einen halben Kilometer hinter dem Stadion werde ich jedoch auch semilegal fündig und wuchte mein Gefährt auf einen kniehohen Bordstein. Gedanken über etwaige Schäden mache ich mir nicht, wofür hat man denn sonst die Selbstbeteiligung gekillt? Jetzt nur noch die paar läppischen Meter zurücksprinten, beim Passieren des Kassenhäuschens mir selbst für die grandiose Idee gratulieren, mein Ticket schon online erworben zu haben, die elektrischen Tore passieren und rein in die gute Stube. Gerade als das grüne Licht signalisiert, dass ich berechtigten Einlass erhalte, höre ich ein Geräusch, dass eindeutig als Spieleröffnungspfiff auszumachen ist. Misti, gerade so verpasst, aber nicht zu ändern und in Anbetracht der widrigen Umstände bin ich doch mehr als zufrieden mit meiner Ankunftszeit.

U.S. Arezzo – Piacenza Calcio 1:0
2.484 Zuschauer (80 Gäste)
3. Liga Italien,  So. 13.12.16


Die ganze Zeit über habe ich mir schon ausgemalt, wie das Spiel wohl ablaufen wird. Aufgrund der recht mangelnden Torausbeute der Tour wollte ich schon Geld drauf setzen, dass ich leicht verspätet ankomme und dabei das einzige Tor des Abends verpassen werde. Wie nah ich mit dieser Vermutung an der Realität liege, zeigt sich nach fünf Minuten, als eine lange Flanke vom am Boden liegenden Verteidiger Matteo Solini ins Gästetor bugsiert wird. Der Aufsteiger aus Piacenza übernimmt zwar in der Folgezeit das Spielgeschehen, was sich jedoch effektiv einzig und allein darin zeigt, dass sie weniger Fehlpässe als ihr Kontrahent – beide Vereine haben natürlich auch schon die ein oder andere Neugründung in letzter Zeit hinter sich (Arezzo 2010, Piacenza 2012) -  spielen. Ich nehme es vorweg, beinahe hätte ich wirklich das einzige Tor verpasst.

Verpasst habe ich hingegen die emotionale Verabschiedung des in der Woche verstorbenen Fans Franco, Mitglied der Gruppe Arezzo Ovunque (eher ältere Semester), dem vorm Spiel mittels Blumenniederlegung und Gesängen der ganzen Kurve bedacht wurde. Besagte Kurve ist seit dem letzten Aufstieg in die Serie B 2004 eher eine Gerade aus Stahlrohr und ist heute nicht überragend, aber doch ordentlich gefüllt. Eine schöne Zaunbeflaggung, einige Fahnen und Doppelhalter, ein unfassbarer Coolnessfaktor, dazu ein fantastisches Bordeauxrot als Vereinsfarbe – so sehr die Optik überzeugt, so sehr bin ich leider im gleichen Maße von der Akustik enttäuscht. Es wird zwar ausdauernd gesungen, es machen eigentlich auch genug Leute mit, aber irgendwie mangelt es völlig an Durchschlagkraft. Ob es die fehlende Trommel oder das genauso wenig präsente Dach ist, ich weiß es nicht. Die knapp 50 Gäste setzen dem ein paar Schlachtrufe entgegen, die nicht viel leiser sind als das Gemurmel aus der Kurve, für den doppelten Mundwinkel nach oben sorgen sie aber durch das Präsentieren der nackten, trotz Eiseskälte verschwitzten Oberkörper. Ansonsten gibt es selbst für den masochistischen Fußballtouristen wenig zu Lachen. Mit einem doppelten Kaffee und einem mittelmäßigem Stück Stadionpizza versuche ich die Kälte zu vertreiben. Neben dem Verkaufstresen spielen Kinder fangen. Als eines im Sprint ausrutscht und nur Zentimeter mit dem Kopf an einem Betonpfosten vorbei fliegt, spucke ich das Bohnengebräu vor Schreck fast wieder aus. Die ins Fangspiel integrierten Akteure stört es nicht weiter, es geht einfach weiter. Selbst als das nächste mit voller Wucht auf den Boden knallt, ist es kein Zeichen für den Abbruch. Der Boden scheint jedenfalls rutschig zu sein.  Bevor ich mich auch noch in die Waagrechte begebe, nehme ich wieder meinen Platz auf der 1994 im Zuge des Besuches Papst Johannes Pauls II. erbauten und dadurch erstaunlich modernen Haupttribüne Platz. Im Gegensatz zu dieser sind Gästeblock und Gegengerade noch im Originalzustand. Was das heißt, kann sich ja sicherlich jeder selbst ausmalen…

Nicht weit neben mir sitzt ein älterer, scheinbar kurzsichtiger Herr. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die komplette zweite Hälfte durch sein Tablet schaut. Ob er durch diese digitale Vergrößerung ein paar spielerische Finessen entdecken kann, die mir im Verborgenen bleiben? Ich bezweifle es. Hinter mir tritt mich ein kleines, zugegebenermaßen ultrasüßes Kind (Anm. von mir selbst: Hoffentlich liest das Kate nicht. Mir würde doch glatt wieder ein latenter Kinderwunsch unterstellt) mit Bärenmütze ohne Unterlass in den Rücken. Ich bewege mich irgendwo zwischen dem dringenden Wunsch, mir nonverbal meine Ruhe zu verschaffen oder den Moment einfach zu genießen. So ein bisschen was von einer Massage hat es ja schon. Als er mit seinem Micky Maus Schuh zwischen den beiden Sitzlehnen neben mir stecken bleibt, helfe ich aus der Klemme und erblicke dabei seine Mutter. Plötzlich verspüre ich noch einen ganz anderen Wunsch (hoffentlich liest auch das Kate nicht…). Ihr merkt, es wird nicht viel geboten, ich habe reichlich Zeit für solche Beobachtungen. Mein Körper bibbert mittlerweile vor Kälte, nicht wegen der Mutter, wie die Erde in Mittelitalien, irgendetwas muss jetzt passieren. Einen ähnlichen Gedanken hat wohl auch Arezzos Trainer und wechselt munter drauf los, wobei er das Hauptaugenmerk eher nicht auf fußballerisches Können, sondern auf auffälliges Äußeres legt. Zunächst kommt ein Arturo Vidal für Arme, der abgesehen von der Kopfbehaarung allerdings keine Ähnlichkeit mit diesem hat. Noch besser wird es, als in der 80. Minute Davide Moscardelli ins Spiel kommt und für Entlastung sorgen soll. Da er mit einer Laufbereitschaft wie Haris Seferovic überzeugt, klappt das nicht ganz wie geplant, dafür zieht er mit seinem Bart, der länger als das Gemächt von Dirk Diggler ist, meine Aufmerksam auf sich. Und wie das immer so ist, wenn man sich auf zwei Spieler eingeschossen hat, sorgen diese noch für die spielerischen Glanzpunkte der zugegeben wirklich guten Schlussphase. Sowohl Spieler, als auch Kurve und restliches Publikum geben nochmals alles, so dass ich mich frage, wieso ein Spiel eigentlich nicht nur aus Crunch Time bestehen kann. Dirk Diggler vernascht unter dem Jubel der Tifosi drei Gegner auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel, Vidal setzt den Ball gar mit einem perfekten Heber über den Torwart in die Maschen. Leider hat das Unparteiischengespann nicht nur aufgrund der neongelben Trikots keinen Sinn für Ästhetik und verweigert  dem Treffer die wohlverdiente Anerkennung. Trotzdem reicht es zum Heimsieg, wodurch Arezzo weiter ganz oben anklopft.

So, ursprünglich wollte ich jetzt noch einen Abstecher zum westlich von Arezzo gelegenen Autogrill Badio al Pino machen. Hier war es vor fast auf den Tag genau neun Jahren, dass eine von einem Polizisten abgefeuerte Kugel das Leben Gabriele Sandris beendete. Benzinmangel, Kälte und Müdigkeit lassen mich diesen Plan aber auf ein anderes Mal vertagen , so dass ich nur noch zurück nach Ciampino düse, mir endlich etwas gescheites zu Essen gönne und mit mir selbst mit dem ersten und einzigen Bier des Ausfluges auf den Länderpunkt VAE und die gelungene Tour anstoße, bevor mich am nächsten Morgen Ryanair pünktlich wie immer in Köln absetzt, von wo aus ich zwei Stunden später schon wieder im Büro sitze und die Welt verfluche. So wollte ich zumindest den Bericht beenden. In der Realität sieht das dann so aus, dass ich nichts mehr zu Essen finde, die Tankstellen mein reiches Arsenal an Kreditkarten konsequent ablehnen, das Hotelzimmer keine Heizung besitzt und Ryanair mit gehöriger, aber leider nicht genug, Verspätung aufwartet. Wenigstens wird mir so zurück in der Heimat der restliche, mittlerweile reichlich überflüssige Arbeitstag erlassen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass mein waghalsiger Ritt zwischen Cesena und Arezzo keine finanziellen Konsequenzen nach sich zieht, dann war die ungewollte Miete des Vehikels auch gar nicht so teuer. Typisch wäre es mal wieder. Ich bin ja für gewöhnlich der gechillteste Autofahrer überhaupt. Lieber fahr ich 20kmh zu langsam als nur etwas zu schnell, überschreite ich die Geschwindigkeit dann aber nur um drei Kilometer in der Stunde, darf ich gleich 45,-€ latzen. Und das ist keine Übertreibung, die Zahlen stehen so wirklich auf einer Rechnung, die auf der Rückfahrt aus Lyon erstanden ist. Die spinnen, die Franzosen. Egal, ich merke selbst, ich mache schon wieder das, was ich neben Brötchen belegen am besten kann, ich schweife ab. Daher mache ich mich jetzt auf zum Konzert der Beginner, die für mich immer absolut bleiben werden und zusammen mit den alten Haudegen Torch und Toni L für einen überphänomenalen Abend und somit den krönenden Schlusspunkt sorgen. Das war’s und ich bin draussen wie ein Blinddarm. Rock On!

PS: Und wer bis hier her durchgehalten hat: Bilder hab ich auch, ich weiß wie immer nur nicht wie das geht
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Gude,
ich habe mir gedacht, ich führe meine selbst begonnene Tradition einfach fort, und schreibe hier mal wieder eine kleine (haha) Erlebnisgeschichte aus Italien im November. Vielleicht liest es ja noch jemand.
Ansonsten war’s das auch schon mit dem Vorgeplänkel und wir gehen direkt rein ins Vergnügen (?) und meine Selbstbeweihräucherung.

Dreht die Welt sich mittlerweile eigentlich nicht mehr nur um sich selbst, sondern auch völlig am Rad? Da wacht man heute Morgen auf und Donald Trump ist Präsident der USA. Die Briten kehren aus einer Laune raus der EU den Rücken, die Türkei ist auf bestem Wege in die Diktatur und in heimischen Gefilden erzielt eine angebliche Alternative für was auch immer utopische Wahlergebnisse. Und während das nächste Flüchtlingsboot im Mittelmeer versinkt, Syrien weiterhin in Schutt und Asche gelegt wird und im Irak Massengräber entdeckt werden, darf eine lokale NPD Größe weiterhin ungeniert vor sich hin hetzen, während weiter östlich die Herren Putin und Orban ihre Auslegung von lupenreiner Demokratie zeigen. Das macht doch alles keinen Spaß - und das ist ja nur die Oberfläche bzw. das, was man so direkt mitbekommt. Was bleibt einem in solchen Zeiten eigentlich noch, um nicht völlig einzugehen? Eigentlich nur Fußball, Sport und Pokémon. Damit das jetzt aber nicht allzu pessimistisch wird, schalte ich die Nachrichten mal ab und wähle einen anderen, weitaus hoffnungsvolleren Auftakt für dieses Pamphlet.

Drei Stunden. Dreiundzwanzig Minuten. Zweiundvierzig Sekunden.

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Dauer des Orgasmus eines Schweins. Dieses hat zwar den ausgiebigsten im gesamten Tierreich, nach lediglich 30 Minuten ist der Käse aber auch gegessen. Nein, die Zahlen geben den Zeitraum an, der zwischen meinen jeweiligen Überquerungen der Start und Ziellinie des Frankfurt Marathons lag. Zu behaupten, diese Zeit wäre ein einziger Orgasmus gewesen, wäre sicherlich gelogen - gerade das letzte Viertel würde ich eher unter der Kategorie "Hölle" archivieren - dennoch lässt die Zeit auch ohne anzugeben nur eine Schlussfolgerung zu: Ich bin eine Maschine. Da für dieses Ziel in der Vorbereitung einiges andere hinten anstehen musste, habe ich mir als kleine Belohnung selbst eine kleine Tour geschenkt. Nur Italien wäre zu einfach, daher wird kurzerhand noch ein neuer Länderpunkt eingebaut (VAE).
Da es hier aber um Italien gehen soll, lasse ich diesen Teil mal aus, der Text ist sonst doppelt so lang. Also machen wir einen Zeitsprung und befinden uns mittlerweile am Dubai Inernational Airport, Terminal 3, das übrigens nur mit dem Taxi zu erreichen ist

Die gar nicht mal so knappe Zeit bis zum Weiterflug schlage ich mit Elektronik laden, Lesen (Murakamis Hard Boiled Wonderland) und Kippenkauf (eine Stange roter Gauloises für 11,-€, fair) tot, ehe es um 4:00 Uhr nachts endlich weiter geht. Den Flug verschlafe ich zum Glück völlig, erst das aufgeregte Gejapse meiner Sitznachbarin lässt mich so langsam wieder zu Sinnen kommen. Es ist aber auch ein Unding, da steht doch tatsächlich ein Passagier schon im Gang, obwohl die Anschnallleuchten noch nicht erloschen sind. „Also manche Leute“, kommentiert sie das und wirft nach, dass sie sich schon hochgradig illegal fühlten würde, wäre sie schon abgeschnallt. „Also manche Leute“, denke ich…
Den dreistündigen Zwischenstopp in Istanbul verbringe ich größtenteils auch schlafend. Ich liege auf dem nackten Fußboden, irgendwo zwischen einem Café und der Toilette, um mich ist es laut, und trotzdem liege ich so gut wie schon lange nicht mehr. Um wohlig zu schlafen braucht man kein ach so gemütliches Bett, viel effektiver ist einfach völlige Übermüdung, da ist einem alles andere egal, Hauptsache Augen zu. Augen auf heißt es trotzdem nach nicht allzu langer Verweildauer, will ich meinen Anschluss nicht verpassen. Etwas Proviant brauche ich noch sicherheitshalber, dass ich beim dafür nötigen Kauf allerdings auf die weltunfreundlichste Bedienung treffe, hätte ich vorher nicht vermutet. Kein „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ ist man ja leider stellenweise schon gewohnt. Dass man nicht angeschaut wird, auch. Dass Madame aber rein technisch gar nicht in der Lage ist, etwas zu sagen, da sie mit ihrem Mund eine orale Pediküre betreibt, während vor ihr die Kundschaft auf Abwicklung der Tauschgeschäfte warte, ist dann auch für mich neu. Also wirklich, manche Leute…

Trotz der widrigen Umstände sitze ich tatschlich mit Getränken bewaffnet im nächsten Pegasus Bomber und mache dasselbe wie auf allen anderen bisherigen Flügen mit dieser Airline. Lediglich vor Start und nach Landung in Rom (FCO) unterbricht mein Nachbar meinen dringend benötigten Schlaf, indem er gar nicht abwarten kann, bis ich ihm Platz machen und durchlassen kann, sondern einfach über mich drüber steigt wie der weltberühmte Sitzsteiger in der Frankfurter Straßenbahn über eben die Sitze. Also manche Leute, wirklich...

Nach so vielen skurrilen Begegnungen mit Menschen bin ich fast schon froh, als ich es mal wieder mit einer Maschine zu tun bekomme. Da gut 90% der Flugzeuginsassen die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, freue  ich mich an der Passkontrolle, dass ich die nicht vorhandene Schlange für EU Bürger nutzen darf. Hier ist kein menschlicher Grenzbeamter im Dienst, es gibt lediglich eine elektronische Passkontrolle. Super Sache, ist man schnell durch…vorausgesetzt man kommt nicht aus Deutschland. Aus irgendeinem dummen Grund sind diese Kackautomaten nicht in der Lage, deutsche Reisepässe zu lesen. Laut fluchend stelle ich mich also notgedrungen ans Ende der Schlange für Nicht-EU Bürger. Erst als ich einige Zeit später in meinem Mietwagen sitze, habe ich mich etwas abgeregt und bin froh, für die nächsten Stunden erstmal keine Menschen zu sehen. So ein Beifahrer wäre zwar von Vorteil gewesen, aber so bin ich auch mal selbständig dazu gezwungen, mich mit den Begriffen „Navi“, „Google Maps“ und „Roaming“ vertraut zu machen. Erstaunlicherweise funktioniert das zu meiner eigenen Überraschung recht gut, zeigt mir mein Mobilfunkgerät doch eine realistische Wegstrecke zu meinem Tagesziel an. Jetzt ist es natürlich eine berechtigte Frage, wieso ich mir als Einzelkämpfer ein Auto mieten muss, die Antwort ist mit den Spielansetzungen aber recht schnell gegeben. Da wird einfach mal wieder alles durcheinander gewürfelt, dass es eine Wahre Pracht ist, und so ist es eben die einzige Möglichkeit, eine halbwegs gescheite Tour auf die Beine zu stellen. Ohne Scheiß, ich glaube, mittlerweile sind die Ansetzungen in Bulgarien oder sonst wo in Osteuropa zuverlässiger als in Italien. Gegen 14:00 Uhr befinde ich mich auf der Straße, mit genügend Puffer ist das abendliche Geholze in der Provinzhauptstadt Macerata in den Marken das einzige für mich erreichbare Ziel. Drei Stunden und lediglich 4,40€ Mautkosten später checke ich im Best Western ein, man gönnt sich ja sonst nix. Die 35,- Euro (schon abzüglich aller Rabatte und Cashbacks) sind dennoch gut investiert. Auf eine nächtliche Weiterfahrt, lediglich um ein paar Cents zu sparen, habe ich wahrlich kein Interesse.

Bis vor kurzem dürfte für die meisten Menschen die Erwähnung des Namens Macerata noch für Fragezeischen gesorgt haben, seit das letzte Erdbeben hier sein Epizentrum hatte, ist er aber einer größeren Masse geläufig. Von irgendwelchen Schäden selbst sehe ich in der Stadt nichts, dafür passiere ich auf meinem Weg hierher Straßenschilder nach Rieti und Norcia, die beide wesentlich heftiger getroffen wurden als Macerata selbst. Ich bin heute weder als Katastrophentourist, noch als Aufbauhelfer unterwegs, mich zieht viel mehr der ortsansässige Drittligist an. Deshalb mache ich mich auch gleich auf die Suche nach einem Ticket. Fündig werde ich in der Bar Idea 88 unweit des Stadions. Hier sitzen in einem zugequalmten, nur notdürftig eingerichtetem Raum drei Mädels an einem Tisch, auf dem Drucker aus den 80er Jahren stehen, und überreichen gegen eine Gebühr von 20,- Euro tatsächlich ein gültiges Ticket - Kartenkauf in Italien, immer ein Erlebnis.

S.S. Maceratese – Parma Calcio 0:0
1.500 Zuschauer (150 Gäste)
3. Liga Italien, Sa. 12.11.16


Da ich noch etwas Zeit bis Kick-Off habe, hole ich mir in einem nahen Supermercado noch schnell zwei Pizzastücke und eine Dose Cola light, genehme mir daraufhin mein hochwertiges Mahl und lande auf dem Weg zurück direkt im Corteo der Curva Just (benannt nach Fabrizio „Lu Just“ Giustozzi, eine wohl großartige Persönlichkeit Maceratas, Förderer der Jugend, Kultur und des Sports und großer Fan des Vereins, gestorben am 12.11.2007). Es sind zwar nur etwas mehr als 50 Leute, dafür kratzt die Sonnenbrillenquote an der 100% Markierung – dass es eigentlich stockdunkel ist und lediglich die zahlreich abrennenden bangalischen Fackeln für etwas Beleuchtung sorgen, muss ich eigentlich nicht extra erwähnen. Unter schönen Gesängen und meiner Begleitung marschiert man so zum Stadion Helvia Recina, hier trennen sich unsere Wege. Der Ultrahaufen nimmt den direkten Weg in seine Kurve, ich versuche auf der gegenüberliegenden Seite Einlass zu erhalten. Obwohl ich richtig bin, zieht sich das Einlassprozedere gehörig in die Länge, sind die drei Ordner doch mit den Zuordnungen der Ausweise zu den richtigen Pesronen und Karten der sechsköpfigen Familie vor mir überfordert. Es ist wieder einmal ein herrliches Beispiel dieser sinnlosen, schikanösen Vorschriften. So wie ich es interpretiere, besteht die Familie aus Mutter, Vater, Großeltern mütterlicherseits (der Optik nach) und zwei unter zehnjährigen Kindern, eines davon im Rollstuhl. Eigentlich die Defintion von harmlosen Stadionbesuchern, und dennoch wird ein Aufstand gemacht als versuchten sie mit einem Saudi Arabien Visum in Israel einzureisen. Da muss man sich nicht wundern, wenn keiner mehr Lust hat ins Stadion zu gehen. Da ich alleine bin, fällt meine Personenüberprüfung entsprechend kürzer aus, noch kürzere Zeit später sitze ich auch schon auf der einzig überdachten Tribüne. Gegenüber von mir befindet sich die schwer bauffällige Gegengerade, bei der es mich wundert, dass diese überhaupt bevölkert werden darf. Jeweils an den Seiten dieser befinden sich Heim- und Gästeblock. In beiden stehen ca. 150 Supportwillige, obwohl die Polizei dies am liebsten verhindert hätte. Das Spiel wurde als Risikospiel eingestuft, den Gästen der Bigliettierwerb erheblich erschwert – klar, die Szene Parmas ist ja auch für ihre brandschatzenden Auswärtsfahrten in der letzten Zeit bekannt. Dementsprechend zeigten sie auch, was sie davon halten, und reisten schon weit vor Spielbeginn an. Nicht jedoch, um das Stadtzentrum in Schutt und Asche zu legen, sondern um gesammelte Spenden und Hilfsgüter für die Opfer der Erdbeben zu überbringen. Im Gästeblock selbst hängt über die gesamte Spieldauer das Spruchband „Centro Italia non mollare“ (nicht aufgeben, Zentralitalien), in der zweiten Hälfte wird unter großem Applaus und Sprechchören des restlichen Stadions eine weitere Tapete gezeigt: „Vicino ai terremotati“ (sinngemäß etwa „wir sind bei den Erdbebenopfern“). Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie in Zeiten von großen Tragödien in quasi allen Kurven landesweit Solidarität gezeigt wird,die auch in sehr vielen Fällen gelebt. Spendenaktionen und aktive Hilfsarbeiten vor Ort werden abseits jeglicher Rivalität von vielen Gruppen durchgeführt, ob es jetzt um die Erdbeben, das Hochwasser in Genua oder auch die Terroranschläge in Paris letztes Jahr, bei der auch in nahezu jeder Kurve und Stadt entsprechende Spruchbänder gezeigt wurden, geht. Es zeugt von Reife und von Größe, auch wenn die Medien davon selbstredend nichts berichten möchten.

Das dritte gezeigte Spruchband Parmas bedarf in Anbetracht des Datums keine weitere Erläuterung („Gabriele vive“), ansonsten steht man relativ kompakt hinter der fast schon legendären Boys Fahne und sorgt durch ununterbrochenen Fahnen- und Doppelhaltereinsatz dafür, dass die Blockauslastung höher aussieht als sie wirklich ist. Die Anfeuerungen sind nicht zu durchgängig wie das Fahnengewedel und der Lautstärke mangelt es dank fehlender Masse, dafür vorhandener weitläufiger Laufbahn an Durchschlagkraft, trotzdem oder auch gerade deswegen ist es einfach authentisch und weiß mich zu überzeugen. Ein ähnliches Zeugnis stelle ich auch der Heimseite aus. Optisch trotz recht schöner Zaunbeflaggung nicht ganz so gut, akustisch dafür etwas lauter, auch wenn leider keine Trommel im Stadion ist. Ich habe derweil starke Kopfschmerzen, es ist inzwischen leidlich eisig und richtig zufrieden gesättigt bin auch nicht. Von dem was die angeblichen Profifußballer da vor mir veranstalten, fange ich gar nicht erst an. Auch wenn man jetzt zurecht denken könnte, dass ich nur nach Hause möchte, fühle ich mich dennoch gut unterhalten. Es ist sicherlich kein Spiel, mit dem man jemanden von Italien überzeugen kann, hat man aber ein Faible dafür, kommt man voll und ganz auf seine Kosten. Der Blick in die Kurven durch den Zoom des Fotoapparates, bei dem man über 40jährige Ultras rumspringen sieht wie Ede auf dem „Konzert“ der RTL Autohändler; Das Tribünenpublikum;, dass bei jeder misslungen Szene – und von diesen gibt es viele – die komplette Palette bekannter und noch unbekannter Schimpfwörter vom Stapel lässt; Spieler, die mehr damit beschäftigt sind, dass die Frisur bei der nächsten Schwalbe noch sitzt als dass sie ernsthaft versuchen mal einen Gegner richtig umzutreten; ein Stadion, dass aussieht als hätte es alles Schäden des letzten Erdbebens freiwillig auf sich genommen; eine Stadiongastronomie, die nicht mehr hergibt als Chips, Softdrinks, Bier, Borghetti und Kaffee.

Letzterer ist es, der mich in der Halbzeitpause rettet. Der kleine Schluck pures Koffein vertreibt mit einem Schlag sowohl Kopfschmerzen als auch Kälte, lediglich das Spielniveau vermag er nicht zu steigern. Der Tabellenzweite aus Parma, der nach der letzten Neugründung im Jahre 2015 inzwischen auf den Namen Parma Calcio 1913 hört und im letzten Jahr nach dem Zwangsabstieg/-neuanfang in der vierten Liga ungeschlagen aufsteigen konnte (dabei wurde ein neuer Zuschauerrekord in der Serie D aufgestellt, Präsident seit der Neugründung ist Nevio Scala), hat zwar mehr vom Spiel, Chancen sind aber nicht dabei. Maceratese, oder kurz „Rata“ genannt, ist ebenfalls ein Liganeuling, im Gegensatz zum großen Gegenüber ist das Ziel jedoch nicht so schnell wie möglich wieder ganz nach oben zu kommen, sondern schlicht und einfach der Klassenerhalt. Alles andere wäre in Anbetracht der Geschichte des Vereins auch vermessen, ist der größte Erfolg doch lediglich ein Jahr in der zweiten Liga – damals, Ende der 40er. Heute holt man einen nicht unverdienten Punkt (also wenn man bei diesem Geholze von verdient sprechen kann), mit etwas Glück wäre sogar der Dreier (lalalala…) dringewesen. Den Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte in der Nachspielzeit kann der Torwart gerade so über die Latte lenken, so nah wie in diesem Moment kam am ganzen Abend kein weiterer Torabschluss. Dennoch freut man sich ausgiebig über den Punkterfolg und feiert diesen mit den eigenen Schlachtenbummlern.

Eigentlich will ich mich direkt ins Bett legen, natürlich laufe ich aber noch eine Runde über Kopfsteinpflaster durch die mehr als ansehnliche Altstadt Maceratas. Tolle Gassen, schöne Fassaden, die ein oder andere Piazza, dazu überraschend viel junges Leben auf der Straße – ich bin wirklich überrascht. Nachdem ich mein Ein erfolgreich ausgebrütet habe (Dodu, war wohl aus Dubai), begebe ich mich dennoch nicht allzu spät in meine Herberge, wo auch alsbald Schicht im Schacht ist.

Guten Morgen Sonne. Wie schön, dass Du mich wach küsst. Bei diesem Wetter ist es keine Qual, die müden Knochen aufzuraffen und mich auf die nächste Etappe zu machen. Völlig mautfrei genieße ich ein weiteres Mal die Landschaft. Zu meiner Rechten die Adria, zur Linken schneebedeckte Berggipfel – utopische Pyroshows hin, heiße Partynächte mit den besten Freunden in Osteuropa her, es sind diese kurzen Augenblicke, in denen ich für mich selbst entscheide, mit meinem Hobby richtigzuliegen. Hört sich pathetisch oder geschwollen an? Mag sein, es ist aber wie bei der Sendung mit der Maus einfach so. Immer noch in recht träumerischen Gedanken versunken, erreiche ich mehr als zeitig Cesena, finde einen bis jetzt noch kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Stadionnähe und genieße ein weiteres Mal ein nährstoffreiches Frühstück. Dieses Mal den aus Dubai importierten Fertigkuchen. Ist zwar ganz lecker und erfüllt seinen Zweck, trotzdem komme ich nicht umher festzustellen, dass meine Ernährung auf der Tour eindeutig zu kurz kommt. Einen fantastischen Cappucino in einer stadionnahen Bar gönne ich mir noch, dann schaue ich mir die Gepflogenheiten vor Ort an.

A.C. Cesena – A.C. Pisa 2:0
12.180 Zuschauer (700 Gäste)
2. Liga Italien, So. 13.11.16


Es herrscht schon ganz schönes Gewusel hinter der Curva Mare und dem Szenetreffpunkt „Bombonera“: Die typischen Imbisswagen, bei denen ich mich jedes Mal ärgere, dass ich keinen Hunger habe, jede Menge Fanartikelstände, vollbesetzte Bars – es riecht nicht nur nach Spanferkel, es riecht im gleichen Maße nach Fußball. Als ich vom Bigliettikauf zurückkomme, trägt eine kleine Abordnung  der ortsansässigen Ultras Trommel und Tifomaterial ins Stadion, wodurch meine Vorfreude noch weiter angestachelt wird. Ergo mache ich keine Gefangen und suche alsbald den Weg ins Stadioninnere. Nicht nur die Fremdensprachkenntnisse der Signora am Schalter lassen mich kurz die Frage stellen, ob ich wirklich in Italien bin, auch die Soundanlage gibt landesuntypisch mehr her als der handelsübliche Fisher Price Kassettenrekorder. Ich frage mich nicht nur, ob ich im richtigen Land bin, ich frage mich auch, ob ich bei der richtigen Veranstaltung bin oder ob es etwa schon Juni 2017 im Waldstadion ist, so laut und klar dröhnt mir Depeche Modes „Personal Jesus“ entgegen. Das weitere musikalische Programm ist nicht viel schlechter, so dass die Wartezeit bis es endlich los geht, recht schnell verfliegt. Bis dahin nehme ich das Stadion Dino Manuzzi (ehemaliger Präsident Cesenas) unter die Lupe und stelle fest, dass es auf Bildern größer wirkt, als es tatsächlich ist, was vor allem an der kleinen Haupttribüne liegt, die mir völlig unbekannt ist. Genauso beobachte ich die sich langsam füllenden Fansektoren. Die Gäste nehmen ihre Plätze im Unterrang ein und werden es am Ende auf gute 700 Tifosi bringen. Auch wenn sie vor dem Spiel einige intensive Gesänge und Hassparolen durch den engen Kasten jagen, bemerkt man das Fehlen der leider nicht auswärtsahrenden Ultraszene deutlich. Die wenigen, auf Planen gedruckten Zaunfahnen gefallen mir einfach nicht, der Gesänge sind bis auf wenige Ausnahmen unkoordiniert. Trotzdem ist es schön, eine  solch große Gästschar zu sehen. Es ist halt schade, wenn man das zweifellos vorhandene Potential sieht. Trotzdem ist es mehr als erwartet, man weiß ja, worauf man sich einlässt

Gegenüber ist hingegen wesentlich mehr los. So ein bisschen scheint Cesenas Szene von der ganz großen Repression verschont zu sein. Bis auf die fehlenden großen Zaunfahnen sieht das hier eigentlich aus wie früher, die alten Gruppen sind noch aktiv: im Unterrang Viking Forli (auch wenn diese personell stark dezimiert scheinen), im Oberrang Sconvolts und Weiss Schwarz Brigaden. Wie fragt Domenico Mungo in seinem faszinierenden Buch „Cani Sciolti“: Was ist das eigentlich für ein bekackter Name? Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hier die Erklärung. Es handelt sich dabei um die deutsche (?) Übersetzung des Namens der ersten organisierten Gruppe Cesenas „Brigate Bianconere“. Der Name wurde nach dem Aufstieg in die Serie A im Jahre 1981 zu Ehren Walter Schachners, des ersten Ausländers in Reihen Cesenas, geändert. Auf deutscher Ebene ist die Gruppe sicherlich durch ihre Freundschaft zum Commando Cannstatt bekannt. Diese sind heute vor Ort, dafür sind befreundete Gäste der magischen Fans des französischen Rekordmeisters sowie der Fahne nach zu urteilen auch welche von Peterborough United anwesend. Dennoch ist es in der Curva Mare gespenstisch still, als die Mannschaften aufs Feld kommen. Im mittleren Teil erfüllen Absperrbänder ihren Zweck und sperren ihn eben ab. Lediglich zwei Spruchbänder füllen ihn aus, die die unmöglichen Anstoßzeiten (heute: 12:30 Uhr)  kritisieren und den dafür verantwortlichen ewigen Hass versprechen. Im unteren Teil des Blocks diskutieren einige ältere Ultras mit irgendwelchen offiziell aussehenden Typen, ich nutze hingegen die Gelegenheit etwas zur Ausgangslage der Partie zu formulieren.

Cesena scheint ja relativ skandalfrei zu sein, nicht einmal eine Pleite bzw. Namensänderung bzw. Neugründung bzw. Zwangsabstieg gab es hier. Was aber in Pisa los ist, spottet mal wieder jeglicher Beschreibung. Die im Satz vorher angesprochenen Ereignisse kennt man hier alle. In der abgelaufenen Saison konnte in den Play Offs nach etlichen Spielzeiten wieder der Aufstieg in die Serie B klargemacht werden, seitdem geht es drunter und drüber.

Grob zusammengefasst: in der abgelaufenen Saison war wohl schon kein Geld da, Gehälter wurden nicht bezahlt, dubiose Besitzer mit illegalen Machenschaften gaben sich die Klinke in die Hand – das Übliche eben. Der sportliche Erfolg verdrängte das alles etwas, jetzt schlägt es aber mit voller Wucht ein. Das Stadion war wegen nicht Zweitligatauglichkeit gesperrt (mittlerweile dar wieder darin gespielt werden), kurz vor Saisonbeginn hat man nur eine unvollständige Mannschaft und keinen Trainer und das erste Auswärtsspiel der neuen Saison musste verschoben werden, da man die Kosten nicht tragen konnte. Irgendwie regelte sich zwar alles insofern, dass wenigstens der Spielbetrieb sichergestellt ist und auch der Aufstiegstrainer, niemand geringeres als Weltmeister Gennaro Gattuso, ist wieder zurück an Bord, trotzdem bleibt es abzuwarten, wie sich die ganze Geschichte entwickelt. Der Saisonstart war jedenfalls überraschend positiv, mittlerweile hat man sich im Mittelfeld der Liga eingefunden, also in Schlagdistanz zu den Auf- und Abstiegsplayoffs.

Das Spiel ist weit davon entfernt, hochwertige Fußballkunst zu zeigen, den Klassenunterschied zum gestrigen Abend merkt man aber dennoch deutlich. Nach all den Darbietungen der letzten Tage ist es eine Wohltat, hier zuzuschauen, da sehe ich auch über die mehrfach auftretenden haarsträubenden Stockfehler oder misslungenen Kurzpässe hinweg. Wenigstens das Tempo und der Einsatz stimmen. Als die digitale Spielzeitanzeige neben dem Tor die Zweistelligkeit erreicht, werden die Absperrbänder eingerissen und von allen Seiten stürmen Tifosi ins Heiligtum der Kurve. Alle Arme gehen nach oben, der Capo, der wohl bei der Gründung der ersten Gruppe 1974 schon einer der älteren war, macht eine kurze Ansage, und es folgen inklusive Nachspielzeit 90 Minuten überragender gesanglicher Fußballbegleitung. Ja, zu einem gar nicht mal so kleinen Teil erfolgt diese nur von eben diesem mittleren Teil der Kurve, dennoch überzeugt es mich völlig. Da sind sogar Melodien dabei, die man nicht überall hört, es sind regelmäßig viele Fahnen in der Luft („Fahnen runner“), der Trommler ist gut und durch die Position in der Nähe des Daches und der Enge des Stadions ist die Lautstärke auch mehr als akzeptabel. Wenn der Rest der Kurve oder sogar das ganze Stadion einteigen, wird es richtig utopisch. Nach dem 1:0 Mitte der ersten Hälfte ist so ein Moment, die letzen zehn Minuten des Spiels lassen mich nur mit offenem Mund da sitzen. Eine mir unbekannte, fantastische Melodie wird mit einer in Deutschland nicht möglichen (und nein, das ist kein „bei uns ist alles scheiße“-Gejammer, ist es nämlich nicht) Intensität vorgetragen, beim zweiten Treffer des Spaniers Alejandro Rodriguez in der 96. Minute brechen schließlich alle Dämme. Ich strecke beide Daumen in die Höhe, im vollen Bewusstsein, dass  stellenweise nicht mehr Leute als gestern in Macerata gesungen haben. Aber das ist wie mit dem Harndrang. Da bist Du irgendwo auf Sightseeingtour in einer fremden Stadt, du musst pissen wie ein Stier, findest aber keine Möglichkeit deine Blase zu entleeren. Die ganze Zeit hast du nur das Bedürfnis, dir endlich Erleichterung zu verschaffen, dir gelingt das aber erst nach einigen Stunden. Abend liegst du dann im Bett, lässt den Tag Revue passieren, bist absolut begeistert von allem, was du gesehen und erlebt hast und blendest  völlig aus, dass ihr den ganzen Tag scheiße ging. Welch gelungene Metapher und welch noch bessere Überleitung, das mit dem Toilettenbesuch ist mir immer noch ein Rätsel. Gestern im Stadion war ich schon verwundert, dass das Männerurinal nur von Frauen besucht wurde, heute ist das Frauenklo mit Pissoirs ausgestattet. Mit Geschlechtern scheinen sie es nicht zu haben, erleichtern kann ich mich dennoch.

Auch wenn ich gerne noch länger verbleiben würde, dieser elendige Zeitdruck hindert mich daran. Welch großer Vorteil, dass mein Wagen in direkter Fluchtrichtung auf mich wartet. Welch großer Nachteil, dass die dafür benötigte Straße gesperrt ist. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es den anderen abwandernden Zuschauern gleichzutun und versuche mich durch irgendwelche Seitenstraßen Richtung Autostrada durchzuschlagen, was aufgrund des nichtfließenden Verkehrs nur von maximal suboptimalem Erfolg gekrönt ist. Eine geschlagene Dreiviertelstunde benötige ich für die 3 km zur alternativen Autobahnauffahrt, wodurch mein Zeitpuffer analog zu meiner Stimmung mittlerweile im Negativbereich angekommen ist. Ankunft am Stadion in Arezzo laut Google Maps um 16:40, Spielbeginn ist angesetzt auf 16:30. Man muss kein Rechenkünstler sein, um hier eine gewisse Diskrepanz zu erkennen. Um meine nichtvorhandenen Schnellfahrskills in der unheilvollen Kombination mit meiner ebenso wenig ausgeprägten Stärke bei der Parkplatzsuche wissend, schreibe ich nicht nur das pünktliche Erscheinen, sondern gleich die ganze erste Halbzeit ab. So hab ich wenigstens etwas zum Freuen, sollte ich wider Erwarten doch früher erscheinen. Und in der Tat, ich rolle trotz des mehr als schlechten Straßenbelags ziemlich gut durch die sensationellen Landschaften. In diesen Momenten bin ich auch über das Upgrade meiner Mietkarosse froh, ich gehe gar schwer davon aus, dass ich mit einem kleineren Wagen und weniger guter Kurvenlage direkt in die Erdumlaufbahn katapultiert worden wäre. Ohne Scheiß, als Straße darf man diesen Untergrund eigentlich nicht bezeichnen. Regelmäßig alle drei Sekunden gibt es einen Schlag, dass ich denke, die Achse bricht gleich. Das Geräusch dabei erinnert quasi eins zu eins an das Rumpeln von Zügen in Osteuropa. Wenn man einmal einige Tage in Folge in diesen genächtigt hat, verbindet man es automatisch mit Einschlafen. Dementsprechend muss ich auch aufpassen, dass meine Augen nicht zufallen. Als sich plötzlich am Wegesrand Schnee auftürmt, bin ich nicht mehr sicher, ob ich nicht schon im Land der Träume angekommen bin - es sind immerhin Neun Grad nach Celsius, seltsam, seltsam. Eine Bergkuppe später ändert sich das Bild jedoch schlagartig und mir eröffnet sich ein phänomenaler Blick über eine Landschaft, wie man sie aus Bildbändern über die Toskana kennt. Mit hohen Pinien bewachsene Hügel, malerische Dörfer - nicht nur das Verkehrsschild kündigt an, dass ich mich mittlerweile in dieser traumhaften Region befinde. Die ganze Szenerie wird durch die langsam untergehende Sonne in ein sanftes Rot getüncht, so dass mich nicht nur ein leichter Hauch von Romantik umgibt. Wie gerne würde ich einfach anhalten und den Moment genießen, die Silhouette Arezzos - übrigens ebenfalls nicht zu verachten -, die Ausschilderung des Stadions sowie der Blick zur Uhr lassen daran aber keinen Gedanken verschwenden. Ich bin wieder im Game. Ganz still und heimlich habe ich sogar etwas Zeit gewonnen, jetzt muss ich nur noch schnell ins Stadion gelangen. Meinen ersten Parkversuch macht jedoch die Polizia zunichte. Gut, zugegeben ist es auch nicht die schlaueste Idee, mitten in einem von dieser bewachten Kreisel stehen bleiben zu wollen. Einen halben Kilometer hinter dem Stadion werde ich jedoch auch semilegal fündig und wuchte mein Gefährt auf einen kniehohen Bordstein. Gedanken über etwaige Schäden mache ich mir nicht, wofür hat man denn sonst die Selbstbeteiligung gekillt? Jetzt nur noch die paar läppischen Meter zurücksprinten, beim Passieren des Kassenhäuschens mir selbst für die grandiose Idee gratulieren, mein Ticket schon online erworben zu haben, die elektrischen Tore passieren und rein in die gute Stube. Gerade als das grüne Licht signalisiert, dass ich berechtigten Einlass erhalte, höre ich ein Geräusch, dass eindeutig als Spieleröffnungspfiff auszumachen ist. Misti, gerade so verpasst, aber nicht zu ändern und in Anbetracht der widrigen Umstände bin ich doch mehr als zufrieden mit meiner Ankunftszeit.

U.S. Arezzo – Piacenza Calcio 1:0
2.484 Zuschauer (80 Gäste)
3. Liga Italien,  So. 13.12.16


Die ganze Zeit über habe ich mir schon ausgemalt, wie das Spiel wohl ablaufen wird. Aufgrund der recht mangelnden Torausbeute der Tour wollte ich schon Geld drauf setzen, dass ich leicht verspätet ankomme und dabei das einzige Tor des Abends verpassen werde. Wie nah ich mit dieser Vermutung an der Realität liege, zeigt sich nach fünf Minuten, als eine lange Flanke vom am Boden liegenden Verteidiger Matteo Solini ins Gästetor bugsiert wird. Der Aufsteiger aus Piacenza übernimmt zwar in der Folgezeit das Spielgeschehen, was sich jedoch effektiv einzig und allein darin zeigt, dass sie weniger Fehlpässe als ihr Kontrahent – beide Vereine haben natürlich auch schon die ein oder andere Neugründung in letzter Zeit hinter sich (Arezzo 2010, Piacenza 2012) -  spielen. Ich nehme es vorweg, beinahe hätte ich wirklich das einzige Tor verpasst.

Verpasst habe ich hingegen die emotionale Verabschiedung des in der Woche verstorbenen Fans Franco, Mitglied der Gruppe Arezzo Ovunque (eher ältere Semester), dem vorm Spiel mittels Blumenniederlegung und Gesängen der ganzen Kurve bedacht wurde. Besagte Kurve ist seit dem letzten Aufstieg in die Serie B 2004 eher eine Gerade aus Stahlrohr und ist heute nicht überragend, aber doch ordentlich gefüllt. Eine schöne Zaunbeflaggung, einige Fahnen und Doppelhalter, ein unfassbarer Coolnessfaktor, dazu ein fantastisches Bordeauxrot als Vereinsfarbe – so sehr die Optik überzeugt, so sehr bin ich leider im gleichen Maße von der Akustik enttäuscht. Es wird zwar ausdauernd gesungen, es machen eigentlich auch genug Leute mit, aber irgendwie mangelt es völlig an Durchschlagkraft. Ob es die fehlende Trommel oder das genauso wenig präsente Dach ist, ich weiß es nicht. Die knapp 50 Gäste setzen dem ein paar Schlachtrufe entgegen, die nicht viel leiser sind als das Gemurmel aus der Kurve, für den doppelten Mundwinkel nach oben sorgen sie aber durch das Präsentieren der nackten, trotz Eiseskälte verschwitzten Oberkörper. Ansonsten gibt es selbst für den masochistischen Fußballtouristen wenig zu Lachen. Mit einem doppelten Kaffee und einem mittelmäßigem Stück Stadionpizza versuche ich die Kälte zu vertreiben. Neben dem Verkaufstresen spielen Kinder fangen. Als eines im Sprint ausrutscht und nur Zentimeter mit dem Kopf an einem Betonpfosten vorbei fliegt, spucke ich das Bohnengebräu vor Schreck fast wieder aus. Die ins Fangspiel integrierten Akteure stört es nicht weiter, es geht einfach weiter. Selbst als das nächste mit voller Wucht auf den Boden knallt, ist es kein Zeichen für den Abbruch. Der Boden scheint jedenfalls rutschig zu sein.  Bevor ich mich auch noch in die Waagrechte begebe, nehme ich wieder meinen Platz auf der 1994 im Zuge des Besuches Papst Johannes Pauls II. erbauten und dadurch erstaunlich modernen Haupttribüne Platz. Im Gegensatz zu dieser sind Gästeblock und Gegengerade noch im Originalzustand. Was das heißt, kann sich ja sicherlich jeder selbst ausmalen…

Nicht weit neben mir sitzt ein älterer, scheinbar kurzsichtiger Herr. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die komplette zweite Hälfte durch sein Tablet schaut. Ob er durch diese digitale Vergrößerung ein paar spielerische Finessen entdecken kann, die mir im Verborgenen bleiben? Ich bezweifle es. Hinter mir tritt mich ein kleines, zugegebenermaßen ultrasüßes Kind (Anm. von mir selbst: Hoffentlich liest das Kate nicht. Mir würde doch glatt wieder ein latenter Kinderwunsch unterstellt) mit Bärenmütze ohne Unterlass in den Rücken. Ich bewege mich irgendwo zwischen dem dringenden Wunsch, mir nonverbal meine Ruhe zu verschaffen oder den Moment einfach zu genießen. So ein bisschen was von einer Massage hat es ja schon. Als er mit seinem Micky Maus Schuh zwischen den beiden Sitzlehnen neben mir stecken bleibt, helfe ich aus der Klemme und erblicke dabei seine Mutter. Plötzlich verspüre ich noch einen ganz anderen Wunsch (hoffentlich liest auch das Kate nicht…). Ihr merkt, es wird nicht viel geboten, ich habe reichlich Zeit für solche Beobachtungen. Mein Körper bibbert mittlerweile vor Kälte, nicht wegen der Mutter, wie die Erde in Mittelitalien, irgendetwas muss jetzt passieren. Einen ähnlichen Gedanken hat wohl auch Arezzos Trainer und wechselt munter drauf los, wobei er das Hauptaugenmerk eher nicht auf fußballerisches Können, sondern auf auffälliges Äußeres legt. Zunächst kommt ein Arturo Vidal für Arme, der abgesehen von der Kopfbehaarung allerdings keine Ähnlichkeit mit diesem hat. Noch besser wird es, als in der 80. Minute Davide Moscardelli ins Spiel kommt und für Entlastung sorgen soll. Da er mit einer Laufbereitschaft wie Haris Seferovic überzeugt, klappt das nicht ganz wie geplant, dafür zieht er mit seinem Bart, der länger als das Gemächt von Dirk Diggler ist, meine Aufmerksam auf sich. Und wie das immer so ist, wenn man sich auf zwei Spieler eingeschossen hat, sorgen diese noch für die spielerischen Glanzpunkte der zugegeben wirklich guten Schlussphase. Sowohl Spieler, als auch Kurve und restliches Publikum geben nochmals alles, so dass ich mich frage, wieso ein Spiel eigentlich nicht nur aus Crunch Time bestehen kann. Dirk Diggler vernascht unter dem Jubel der Tifosi drei Gegner auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel, Vidal setzt den Ball gar mit einem perfekten Heber über den Torwart in die Maschen. Leider hat das Unparteiischengespann nicht nur aufgrund der neongelben Trikots keinen Sinn für Ästhetik und verweigert  dem Treffer die wohlverdiente Anerkennung. Trotzdem reicht es zum Heimsieg, wodurch Arezzo weiter ganz oben anklopft.

So, ursprünglich wollte ich jetzt noch einen Abstecher zum westlich von Arezzo gelegenen Autogrill Badio al Pino machen. Hier war es vor fast auf den Tag genau neun Jahren, dass eine von einem Polizisten abgefeuerte Kugel das Leben Gabriele Sandris beendete. Benzinmangel, Kälte und Müdigkeit lassen mich diesen Plan aber auf ein anderes Mal vertagen , so dass ich nur noch zurück nach Ciampino düse, mir endlich etwas gescheites zu Essen gönne und mit mir selbst mit dem ersten und einzigen Bier des Ausfluges auf den Länderpunkt VAE und die gelungene Tour anstoße, bevor mich am nächsten Morgen Ryanair pünktlich wie immer in Köln absetzt, von wo aus ich zwei Stunden später schon wieder im Büro sitze und die Welt verfluche. So wollte ich zumindest den Bericht beenden. In der Realität sieht das dann so aus, dass ich nichts mehr zu Essen finde, die Tankstellen mein reiches Arsenal an Kreditkarten konsequent ablehnen, das Hotelzimmer keine Heizung besitzt und Ryanair mit gehöriger, aber leider nicht genug, Verspätung aufwartet. Wenigstens wird mir so zurück in der Heimat der restliche, mittlerweile reichlich überflüssige Arbeitstag erlassen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass mein waghalsiger Ritt zwischen Cesena und Arezzo keine finanziellen Konsequenzen nach sich zieht, dann war die ungewollte Miete des Vehikels auch gar nicht so teuer. Typisch wäre es mal wieder. Ich bin ja für gewöhnlich der gechillteste Autofahrer überhaupt. Lieber fahr ich 20kmh zu langsam als nur etwas zu schnell, überschreite ich die Geschwindigkeit dann aber nur um drei Kilometer in der Stunde, darf ich gleich 45,-€ latzen. Und das ist keine Übertreibung, die Zahlen stehen so wirklich auf einer Rechnung, die auf der Rückfahrt aus Lyon erstanden ist. Die spinnen, die Franzosen. Egal, ich merke selbst, ich mache schon wieder das, was ich neben Brötchen belegen am besten kann, ich schweife ab. Daher mache ich mich jetzt auf zum Konzert der Beginner, die für mich immer absolut bleiben werden und zusammen mit den alten Haudegen Torch und Toni L für einen überphänomenalen Abend und somit den krönenden Schlusspunkt sorgen. Das war’s und ich bin draussen wie ein Blinddarm. Rock On!

PS: Und wer bis hier her durchgehalten hat: Bilder hab ich auch, ich weiß wie immer nur nicht wie das geht
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Toller  Bericht! Als ich am Anfang die Textmasse gesehen habe, dachte ich: "Ob ich mich da durch kaue?"

Und jetzt bin ich durch und dachte: "Schon zu Ende?"

Wirklich top geschrieben, oder um es eben mit den Beginnern zu sagen:

"Hammertyp, Hammerflow, Hammersprüche!"
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Gude,
ich habe mir gedacht, ich führe meine selbst begonnene Tradition einfach fort, und schreibe hier mal wieder eine kleine (haha) Erlebnisgeschichte aus Italien im November. Vielleicht liest es ja noch jemand.
Ansonsten war’s das auch schon mit dem Vorgeplänkel und wir gehen direkt rein ins Vergnügen (?) und meine Selbstbeweihräucherung.

Dreht die Welt sich mittlerweile eigentlich nicht mehr nur um sich selbst, sondern auch völlig am Rad? Da wacht man heute Morgen auf und Donald Trump ist Präsident der USA. Die Briten kehren aus einer Laune raus der EU den Rücken, die Türkei ist auf bestem Wege in die Diktatur und in heimischen Gefilden erzielt eine angebliche Alternative für was auch immer utopische Wahlergebnisse. Und während das nächste Flüchtlingsboot im Mittelmeer versinkt, Syrien weiterhin in Schutt und Asche gelegt wird und im Irak Massengräber entdeckt werden, darf eine lokale NPD Größe weiterhin ungeniert vor sich hin hetzen, während weiter östlich die Herren Putin und Orban ihre Auslegung von lupenreiner Demokratie zeigen. Das macht doch alles keinen Spaß - und das ist ja nur die Oberfläche bzw. das, was man so direkt mitbekommt. Was bleibt einem in solchen Zeiten eigentlich noch, um nicht völlig einzugehen? Eigentlich nur Fußball, Sport und Pokémon. Damit das jetzt aber nicht allzu pessimistisch wird, schalte ich die Nachrichten mal ab und wähle einen anderen, weitaus hoffnungsvolleren Auftakt für dieses Pamphlet.

Drei Stunden. Dreiundzwanzig Minuten. Zweiundvierzig Sekunden.

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Dauer des Orgasmus eines Schweins. Dieses hat zwar den ausgiebigsten im gesamten Tierreich, nach lediglich 30 Minuten ist der Käse aber auch gegessen. Nein, die Zahlen geben den Zeitraum an, der zwischen meinen jeweiligen Überquerungen der Start und Ziellinie des Frankfurt Marathons lag. Zu behaupten, diese Zeit wäre ein einziger Orgasmus gewesen, wäre sicherlich gelogen - gerade das letzte Viertel würde ich eher unter der Kategorie "Hölle" archivieren - dennoch lässt die Zeit auch ohne anzugeben nur eine Schlussfolgerung zu: Ich bin eine Maschine. Da für dieses Ziel in der Vorbereitung einiges andere hinten anstehen musste, habe ich mir als kleine Belohnung selbst eine kleine Tour geschenkt. Nur Italien wäre zu einfach, daher wird kurzerhand noch ein neuer Länderpunkt eingebaut (VAE).
Da es hier aber um Italien gehen soll, lasse ich diesen Teil mal aus, der Text ist sonst doppelt so lang. Also machen wir einen Zeitsprung und befinden uns mittlerweile am Dubai Inernational Airport, Terminal 3, das übrigens nur mit dem Taxi zu erreichen ist

Die gar nicht mal so knappe Zeit bis zum Weiterflug schlage ich mit Elektronik laden, Lesen (Murakamis Hard Boiled Wonderland) und Kippenkauf (eine Stange roter Gauloises für 11,-€, fair) tot, ehe es um 4:00 Uhr nachts endlich weiter geht. Den Flug verschlafe ich zum Glück völlig, erst das aufgeregte Gejapse meiner Sitznachbarin lässt mich so langsam wieder zu Sinnen kommen. Es ist aber auch ein Unding, da steht doch tatsächlich ein Passagier schon im Gang, obwohl die Anschnallleuchten noch nicht erloschen sind. „Also manche Leute“, kommentiert sie das und wirft nach, dass sie sich schon hochgradig illegal fühlten würde, wäre sie schon abgeschnallt. „Also manche Leute“, denke ich…
Den dreistündigen Zwischenstopp in Istanbul verbringe ich größtenteils auch schlafend. Ich liege auf dem nackten Fußboden, irgendwo zwischen einem Café und der Toilette, um mich ist es laut, und trotzdem liege ich so gut wie schon lange nicht mehr. Um wohlig zu schlafen braucht man kein ach so gemütliches Bett, viel effektiver ist einfach völlige Übermüdung, da ist einem alles andere egal, Hauptsache Augen zu. Augen auf heißt es trotzdem nach nicht allzu langer Verweildauer, will ich meinen Anschluss nicht verpassen. Etwas Proviant brauche ich noch sicherheitshalber, dass ich beim dafür nötigen Kauf allerdings auf die weltunfreundlichste Bedienung treffe, hätte ich vorher nicht vermutet. Kein „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ ist man ja leider stellenweise schon gewohnt. Dass man nicht angeschaut wird, auch. Dass Madame aber rein technisch gar nicht in der Lage ist, etwas zu sagen, da sie mit ihrem Mund eine orale Pediküre betreibt, während vor ihr die Kundschaft auf Abwicklung der Tauschgeschäfte warte, ist dann auch für mich neu. Also wirklich, manche Leute…

Trotz der widrigen Umstände sitze ich tatschlich mit Getränken bewaffnet im nächsten Pegasus Bomber und mache dasselbe wie auf allen anderen bisherigen Flügen mit dieser Airline. Lediglich vor Start und nach Landung in Rom (FCO) unterbricht mein Nachbar meinen dringend benötigten Schlaf, indem er gar nicht abwarten kann, bis ich ihm Platz machen und durchlassen kann, sondern einfach über mich drüber steigt wie der weltberühmte Sitzsteiger in der Frankfurter Straßenbahn über eben die Sitze. Also manche Leute, wirklich...

Nach so vielen skurrilen Begegnungen mit Menschen bin ich fast schon froh, als ich es mal wieder mit einer Maschine zu tun bekomme. Da gut 90% der Flugzeuginsassen die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, freue  ich mich an der Passkontrolle, dass ich die nicht vorhandene Schlange für EU Bürger nutzen darf. Hier ist kein menschlicher Grenzbeamter im Dienst, es gibt lediglich eine elektronische Passkontrolle. Super Sache, ist man schnell durch…vorausgesetzt man kommt nicht aus Deutschland. Aus irgendeinem dummen Grund sind diese Kackautomaten nicht in der Lage, deutsche Reisepässe zu lesen. Laut fluchend stelle ich mich also notgedrungen ans Ende der Schlange für Nicht-EU Bürger. Erst als ich einige Zeit später in meinem Mietwagen sitze, habe ich mich etwas abgeregt und bin froh, für die nächsten Stunden erstmal keine Menschen zu sehen. So ein Beifahrer wäre zwar von Vorteil gewesen, aber so bin ich auch mal selbständig dazu gezwungen, mich mit den Begriffen „Navi“, „Google Maps“ und „Roaming“ vertraut zu machen. Erstaunlicherweise funktioniert das zu meiner eigenen Überraschung recht gut, zeigt mir mein Mobilfunkgerät doch eine realistische Wegstrecke zu meinem Tagesziel an. Jetzt ist es natürlich eine berechtigte Frage, wieso ich mir als Einzelkämpfer ein Auto mieten muss, die Antwort ist mit den Spielansetzungen aber recht schnell gegeben. Da wird einfach mal wieder alles durcheinander gewürfelt, dass es eine Wahre Pracht ist, und so ist es eben die einzige Möglichkeit, eine halbwegs gescheite Tour auf die Beine zu stellen. Ohne Scheiß, ich glaube, mittlerweile sind die Ansetzungen in Bulgarien oder sonst wo in Osteuropa zuverlässiger als in Italien. Gegen 14:00 Uhr befinde ich mich auf der Straße, mit genügend Puffer ist das abendliche Geholze in der Provinzhauptstadt Macerata in den Marken das einzige für mich erreichbare Ziel. Drei Stunden und lediglich 4,40€ Mautkosten später checke ich im Best Western ein, man gönnt sich ja sonst nix. Die 35,- Euro (schon abzüglich aller Rabatte und Cashbacks) sind dennoch gut investiert. Auf eine nächtliche Weiterfahrt, lediglich um ein paar Cents zu sparen, habe ich wahrlich kein Interesse.

Bis vor kurzem dürfte für die meisten Menschen die Erwähnung des Namens Macerata noch für Fragezeischen gesorgt haben, seit das letzte Erdbeben hier sein Epizentrum hatte, ist er aber einer größeren Masse geläufig. Von irgendwelchen Schäden selbst sehe ich in der Stadt nichts, dafür passiere ich auf meinem Weg hierher Straßenschilder nach Rieti und Norcia, die beide wesentlich heftiger getroffen wurden als Macerata selbst. Ich bin heute weder als Katastrophentourist, noch als Aufbauhelfer unterwegs, mich zieht viel mehr der ortsansässige Drittligist an. Deshalb mache ich mich auch gleich auf die Suche nach einem Ticket. Fündig werde ich in der Bar Idea 88 unweit des Stadions. Hier sitzen in einem zugequalmten, nur notdürftig eingerichtetem Raum drei Mädels an einem Tisch, auf dem Drucker aus den 80er Jahren stehen, und überreichen gegen eine Gebühr von 20,- Euro tatsächlich ein gültiges Ticket - Kartenkauf in Italien, immer ein Erlebnis.

S.S. Maceratese – Parma Calcio 0:0
1.500 Zuschauer (150 Gäste)
3. Liga Italien, Sa. 12.11.16


Da ich noch etwas Zeit bis Kick-Off habe, hole ich mir in einem nahen Supermercado noch schnell zwei Pizzastücke und eine Dose Cola light, genehme mir daraufhin mein hochwertiges Mahl und lande auf dem Weg zurück direkt im Corteo der Curva Just (benannt nach Fabrizio „Lu Just“ Giustozzi, eine wohl großartige Persönlichkeit Maceratas, Förderer der Jugend, Kultur und des Sports und großer Fan des Vereins, gestorben am 12.11.2007). Es sind zwar nur etwas mehr als 50 Leute, dafür kratzt die Sonnenbrillenquote an der 100% Markierung – dass es eigentlich stockdunkel ist und lediglich die zahlreich abrennenden bangalischen Fackeln für etwas Beleuchtung sorgen, muss ich eigentlich nicht extra erwähnen. Unter schönen Gesängen und meiner Begleitung marschiert man so zum Stadion Helvia Recina, hier trennen sich unsere Wege. Der Ultrahaufen nimmt den direkten Weg in seine Kurve, ich versuche auf der gegenüberliegenden Seite Einlass zu erhalten. Obwohl ich richtig bin, zieht sich das Einlassprozedere gehörig in die Länge, sind die drei Ordner doch mit den Zuordnungen der Ausweise zu den richtigen Pesronen und Karten der sechsköpfigen Familie vor mir überfordert. Es ist wieder einmal ein herrliches Beispiel dieser sinnlosen, schikanösen Vorschriften. So wie ich es interpretiere, besteht die Familie aus Mutter, Vater, Großeltern mütterlicherseits (der Optik nach) und zwei unter zehnjährigen Kindern, eines davon im Rollstuhl. Eigentlich die Defintion von harmlosen Stadionbesuchern, und dennoch wird ein Aufstand gemacht als versuchten sie mit einem Saudi Arabien Visum in Israel einzureisen. Da muss man sich nicht wundern, wenn keiner mehr Lust hat ins Stadion zu gehen. Da ich alleine bin, fällt meine Personenüberprüfung entsprechend kürzer aus, noch kürzere Zeit später sitze ich auch schon auf der einzig überdachten Tribüne. Gegenüber von mir befindet sich die schwer bauffällige Gegengerade, bei der es mich wundert, dass diese überhaupt bevölkert werden darf. Jeweils an den Seiten dieser befinden sich Heim- und Gästeblock. In beiden stehen ca. 150 Supportwillige, obwohl die Polizei dies am liebsten verhindert hätte. Das Spiel wurde als Risikospiel eingestuft, den Gästen der Bigliettierwerb erheblich erschwert – klar, die Szene Parmas ist ja auch für ihre brandschatzenden Auswärtsfahrten in der letzten Zeit bekannt. Dementsprechend zeigten sie auch, was sie davon halten, und reisten schon weit vor Spielbeginn an. Nicht jedoch, um das Stadtzentrum in Schutt und Asche zu legen, sondern um gesammelte Spenden und Hilfsgüter für die Opfer der Erdbeben zu überbringen. Im Gästeblock selbst hängt über die gesamte Spieldauer das Spruchband „Centro Italia non mollare“ (nicht aufgeben, Zentralitalien), in der zweiten Hälfte wird unter großem Applaus und Sprechchören des restlichen Stadions eine weitere Tapete gezeigt: „Vicino ai terremotati“ (sinngemäß etwa „wir sind bei den Erdbebenopfern“). Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie in Zeiten von großen Tragödien in quasi allen Kurven landesweit Solidarität gezeigt wird,die auch in sehr vielen Fällen gelebt. Spendenaktionen und aktive Hilfsarbeiten vor Ort werden abseits jeglicher Rivalität von vielen Gruppen durchgeführt, ob es jetzt um die Erdbeben, das Hochwasser in Genua oder auch die Terroranschläge in Paris letztes Jahr, bei der auch in nahezu jeder Kurve und Stadt entsprechende Spruchbänder gezeigt wurden, geht. Es zeugt von Reife und von Größe, auch wenn die Medien davon selbstredend nichts berichten möchten.

Das dritte gezeigte Spruchband Parmas bedarf in Anbetracht des Datums keine weitere Erläuterung („Gabriele vive“), ansonsten steht man relativ kompakt hinter der fast schon legendären Boys Fahne und sorgt durch ununterbrochenen Fahnen- und Doppelhaltereinsatz dafür, dass die Blockauslastung höher aussieht als sie wirklich ist. Die Anfeuerungen sind nicht zu durchgängig wie das Fahnengewedel und der Lautstärke mangelt es dank fehlender Masse, dafür vorhandener weitläufiger Laufbahn an Durchschlagkraft, trotzdem oder auch gerade deswegen ist es einfach authentisch und weiß mich zu überzeugen. Ein ähnliches Zeugnis stelle ich auch der Heimseite aus. Optisch trotz recht schöner Zaunbeflaggung nicht ganz so gut, akustisch dafür etwas lauter, auch wenn leider keine Trommel im Stadion ist. Ich habe derweil starke Kopfschmerzen, es ist inzwischen leidlich eisig und richtig zufrieden gesättigt bin auch nicht. Von dem was die angeblichen Profifußballer da vor mir veranstalten, fange ich gar nicht erst an. Auch wenn man jetzt zurecht denken könnte, dass ich nur nach Hause möchte, fühle ich mich dennoch gut unterhalten. Es ist sicherlich kein Spiel, mit dem man jemanden von Italien überzeugen kann, hat man aber ein Faible dafür, kommt man voll und ganz auf seine Kosten. Der Blick in die Kurven durch den Zoom des Fotoapparates, bei dem man über 40jährige Ultras rumspringen sieht wie Ede auf dem „Konzert“ der RTL Autohändler; Das Tribünenpublikum;, dass bei jeder misslungen Szene – und von diesen gibt es viele – die komplette Palette bekannter und noch unbekannter Schimpfwörter vom Stapel lässt; Spieler, die mehr damit beschäftigt sind, dass die Frisur bei der nächsten Schwalbe noch sitzt als dass sie ernsthaft versuchen mal einen Gegner richtig umzutreten; ein Stadion, dass aussieht als hätte es alles Schäden des letzten Erdbebens freiwillig auf sich genommen; eine Stadiongastronomie, die nicht mehr hergibt als Chips, Softdrinks, Bier, Borghetti und Kaffee.

Letzterer ist es, der mich in der Halbzeitpause rettet. Der kleine Schluck pures Koffein vertreibt mit einem Schlag sowohl Kopfschmerzen als auch Kälte, lediglich das Spielniveau vermag er nicht zu steigern. Der Tabellenzweite aus Parma, der nach der letzten Neugründung im Jahre 2015 inzwischen auf den Namen Parma Calcio 1913 hört und im letzten Jahr nach dem Zwangsabstieg/-neuanfang in der vierten Liga ungeschlagen aufsteigen konnte (dabei wurde ein neuer Zuschauerrekord in der Serie D aufgestellt, Präsident seit der Neugründung ist Nevio Scala), hat zwar mehr vom Spiel, Chancen sind aber nicht dabei. Maceratese, oder kurz „Rata“ genannt, ist ebenfalls ein Liganeuling, im Gegensatz zum großen Gegenüber ist das Ziel jedoch nicht so schnell wie möglich wieder ganz nach oben zu kommen, sondern schlicht und einfach der Klassenerhalt. Alles andere wäre in Anbetracht der Geschichte des Vereins auch vermessen, ist der größte Erfolg doch lediglich ein Jahr in der zweiten Liga – damals, Ende der 40er. Heute holt man einen nicht unverdienten Punkt (also wenn man bei diesem Geholze von verdient sprechen kann), mit etwas Glück wäre sogar der Dreier (lalalala…) dringewesen. Den Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte in der Nachspielzeit kann der Torwart gerade so über die Latte lenken, so nah wie in diesem Moment kam am ganzen Abend kein weiterer Torabschluss. Dennoch freut man sich ausgiebig über den Punkterfolg und feiert diesen mit den eigenen Schlachtenbummlern.

Eigentlich will ich mich direkt ins Bett legen, natürlich laufe ich aber noch eine Runde über Kopfsteinpflaster durch die mehr als ansehnliche Altstadt Maceratas. Tolle Gassen, schöne Fassaden, die ein oder andere Piazza, dazu überraschend viel junges Leben auf der Straße – ich bin wirklich überrascht. Nachdem ich mein Ein erfolgreich ausgebrütet habe (Dodu, war wohl aus Dubai), begebe ich mich dennoch nicht allzu spät in meine Herberge, wo auch alsbald Schicht im Schacht ist.

Guten Morgen Sonne. Wie schön, dass Du mich wach küsst. Bei diesem Wetter ist es keine Qual, die müden Knochen aufzuraffen und mich auf die nächste Etappe zu machen. Völlig mautfrei genieße ich ein weiteres Mal die Landschaft. Zu meiner Rechten die Adria, zur Linken schneebedeckte Berggipfel – utopische Pyroshows hin, heiße Partynächte mit den besten Freunden in Osteuropa her, es sind diese kurzen Augenblicke, in denen ich für mich selbst entscheide, mit meinem Hobby richtigzuliegen. Hört sich pathetisch oder geschwollen an? Mag sein, es ist aber wie bei der Sendung mit der Maus einfach so. Immer noch in recht träumerischen Gedanken versunken, erreiche ich mehr als zeitig Cesena, finde einen bis jetzt noch kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Stadionnähe und genieße ein weiteres Mal ein nährstoffreiches Frühstück. Dieses Mal den aus Dubai importierten Fertigkuchen. Ist zwar ganz lecker und erfüllt seinen Zweck, trotzdem komme ich nicht umher festzustellen, dass meine Ernährung auf der Tour eindeutig zu kurz kommt. Einen fantastischen Cappucino in einer stadionnahen Bar gönne ich mir noch, dann schaue ich mir die Gepflogenheiten vor Ort an.

A.C. Cesena – A.C. Pisa 2:0
12.180 Zuschauer (700 Gäste)
2. Liga Italien, So. 13.11.16


Es herrscht schon ganz schönes Gewusel hinter der Curva Mare und dem Szenetreffpunkt „Bombonera“: Die typischen Imbisswagen, bei denen ich mich jedes Mal ärgere, dass ich keinen Hunger habe, jede Menge Fanartikelstände, vollbesetzte Bars – es riecht nicht nur nach Spanferkel, es riecht im gleichen Maße nach Fußball. Als ich vom Bigliettikauf zurückkomme, trägt eine kleine Abordnung  der ortsansässigen Ultras Trommel und Tifomaterial ins Stadion, wodurch meine Vorfreude noch weiter angestachelt wird. Ergo mache ich keine Gefangen und suche alsbald den Weg ins Stadioninnere. Nicht nur die Fremdensprachkenntnisse der Signora am Schalter lassen mich kurz die Frage stellen, ob ich wirklich in Italien bin, auch die Soundanlage gibt landesuntypisch mehr her als der handelsübliche Fisher Price Kassettenrekorder. Ich frage mich nicht nur, ob ich im richtigen Land bin, ich frage mich auch, ob ich bei der richtigen Veranstaltung bin oder ob es etwa schon Juni 2017 im Waldstadion ist, so laut und klar dröhnt mir Depeche Modes „Personal Jesus“ entgegen. Das weitere musikalische Programm ist nicht viel schlechter, so dass die Wartezeit bis es endlich los geht, recht schnell verfliegt. Bis dahin nehme ich das Stadion Dino Manuzzi (ehemaliger Präsident Cesenas) unter die Lupe und stelle fest, dass es auf Bildern größer wirkt, als es tatsächlich ist, was vor allem an der kleinen Haupttribüne liegt, die mir völlig unbekannt ist. Genauso beobachte ich die sich langsam füllenden Fansektoren. Die Gäste nehmen ihre Plätze im Unterrang ein und werden es am Ende auf gute 700 Tifosi bringen. Auch wenn sie vor dem Spiel einige intensive Gesänge und Hassparolen durch den engen Kasten jagen, bemerkt man das Fehlen der leider nicht auswärtsahrenden Ultraszene deutlich. Die wenigen, auf Planen gedruckten Zaunfahnen gefallen mir einfach nicht, der Gesänge sind bis auf wenige Ausnahmen unkoordiniert. Trotzdem ist es schön, eine  solch große Gästschar zu sehen. Es ist halt schade, wenn man das zweifellos vorhandene Potential sieht. Trotzdem ist es mehr als erwartet, man weiß ja, worauf man sich einlässt

Gegenüber ist hingegen wesentlich mehr los. So ein bisschen scheint Cesenas Szene von der ganz großen Repression verschont zu sein. Bis auf die fehlenden großen Zaunfahnen sieht das hier eigentlich aus wie früher, die alten Gruppen sind noch aktiv: im Unterrang Viking Forli (auch wenn diese personell stark dezimiert scheinen), im Oberrang Sconvolts und Weiss Schwarz Brigaden. Wie fragt Domenico Mungo in seinem faszinierenden Buch „Cani Sciolti“: Was ist das eigentlich für ein bekackter Name? Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hier die Erklärung. Es handelt sich dabei um die deutsche (?) Übersetzung des Namens der ersten organisierten Gruppe Cesenas „Brigate Bianconere“. Der Name wurde nach dem Aufstieg in die Serie A im Jahre 1981 zu Ehren Walter Schachners, des ersten Ausländers in Reihen Cesenas, geändert. Auf deutscher Ebene ist die Gruppe sicherlich durch ihre Freundschaft zum Commando Cannstatt bekannt. Diese sind heute vor Ort, dafür sind befreundete Gäste der magischen Fans des französischen Rekordmeisters sowie der Fahne nach zu urteilen auch welche von Peterborough United anwesend. Dennoch ist es in der Curva Mare gespenstisch still, als die Mannschaften aufs Feld kommen. Im mittleren Teil erfüllen Absperrbänder ihren Zweck und sperren ihn eben ab. Lediglich zwei Spruchbänder füllen ihn aus, die die unmöglichen Anstoßzeiten (heute: 12:30 Uhr)  kritisieren und den dafür verantwortlichen ewigen Hass versprechen. Im unteren Teil des Blocks diskutieren einige ältere Ultras mit irgendwelchen offiziell aussehenden Typen, ich nutze hingegen die Gelegenheit etwas zur Ausgangslage der Partie zu formulieren.

Cesena scheint ja relativ skandalfrei zu sein, nicht einmal eine Pleite bzw. Namensänderung bzw. Neugründung bzw. Zwangsabstieg gab es hier. Was aber in Pisa los ist, spottet mal wieder jeglicher Beschreibung. Die im Satz vorher angesprochenen Ereignisse kennt man hier alle. In der abgelaufenen Saison konnte in den Play Offs nach etlichen Spielzeiten wieder der Aufstieg in die Serie B klargemacht werden, seitdem geht es drunter und drüber.

Grob zusammengefasst: in der abgelaufenen Saison war wohl schon kein Geld da, Gehälter wurden nicht bezahlt, dubiose Besitzer mit illegalen Machenschaften gaben sich die Klinke in die Hand – das Übliche eben. Der sportliche Erfolg verdrängte das alles etwas, jetzt schlägt es aber mit voller Wucht ein. Das Stadion war wegen nicht Zweitligatauglichkeit gesperrt (mittlerweile dar wieder darin gespielt werden), kurz vor Saisonbeginn hat man nur eine unvollständige Mannschaft und keinen Trainer und das erste Auswärtsspiel der neuen Saison musste verschoben werden, da man die Kosten nicht tragen konnte. Irgendwie regelte sich zwar alles insofern, dass wenigstens der Spielbetrieb sichergestellt ist und auch der Aufstiegstrainer, niemand geringeres als Weltmeister Gennaro Gattuso, ist wieder zurück an Bord, trotzdem bleibt es abzuwarten, wie sich die ganze Geschichte entwickelt. Der Saisonstart war jedenfalls überraschend positiv, mittlerweile hat man sich im Mittelfeld der Liga eingefunden, also in Schlagdistanz zu den Auf- und Abstiegsplayoffs.

Das Spiel ist weit davon entfernt, hochwertige Fußballkunst zu zeigen, den Klassenunterschied zum gestrigen Abend merkt man aber dennoch deutlich. Nach all den Darbietungen der letzten Tage ist es eine Wohltat, hier zuzuschauen, da sehe ich auch über die mehrfach auftretenden haarsträubenden Stockfehler oder misslungenen Kurzpässe hinweg. Wenigstens das Tempo und der Einsatz stimmen. Als die digitale Spielzeitanzeige neben dem Tor die Zweistelligkeit erreicht, werden die Absperrbänder eingerissen und von allen Seiten stürmen Tifosi ins Heiligtum der Kurve. Alle Arme gehen nach oben, der Capo, der wohl bei der Gründung der ersten Gruppe 1974 schon einer der älteren war, macht eine kurze Ansage, und es folgen inklusive Nachspielzeit 90 Minuten überragender gesanglicher Fußballbegleitung. Ja, zu einem gar nicht mal so kleinen Teil erfolgt diese nur von eben diesem mittleren Teil der Kurve, dennoch überzeugt es mich völlig. Da sind sogar Melodien dabei, die man nicht überall hört, es sind regelmäßig viele Fahnen in der Luft („Fahnen runner“), der Trommler ist gut und durch die Position in der Nähe des Daches und der Enge des Stadions ist die Lautstärke auch mehr als akzeptabel. Wenn der Rest der Kurve oder sogar das ganze Stadion einteigen, wird es richtig utopisch. Nach dem 1:0 Mitte der ersten Hälfte ist so ein Moment, die letzen zehn Minuten des Spiels lassen mich nur mit offenem Mund da sitzen. Eine mir unbekannte, fantastische Melodie wird mit einer in Deutschland nicht möglichen (und nein, das ist kein „bei uns ist alles scheiße“-Gejammer, ist es nämlich nicht) Intensität vorgetragen, beim zweiten Treffer des Spaniers Alejandro Rodriguez in der 96. Minute brechen schließlich alle Dämme. Ich strecke beide Daumen in die Höhe, im vollen Bewusstsein, dass  stellenweise nicht mehr Leute als gestern in Macerata gesungen haben. Aber das ist wie mit dem Harndrang. Da bist Du irgendwo auf Sightseeingtour in einer fremden Stadt, du musst pissen wie ein Stier, findest aber keine Möglichkeit deine Blase zu entleeren. Die ganze Zeit hast du nur das Bedürfnis, dir endlich Erleichterung zu verschaffen, dir gelingt das aber erst nach einigen Stunden. Abend liegst du dann im Bett, lässt den Tag Revue passieren, bist absolut begeistert von allem, was du gesehen und erlebt hast und blendest  völlig aus, dass ihr den ganzen Tag scheiße ging. Welch gelungene Metapher und welch noch bessere Überleitung, das mit dem Toilettenbesuch ist mir immer noch ein Rätsel. Gestern im Stadion war ich schon verwundert, dass das Männerurinal nur von Frauen besucht wurde, heute ist das Frauenklo mit Pissoirs ausgestattet. Mit Geschlechtern scheinen sie es nicht zu haben, erleichtern kann ich mich dennoch.

Auch wenn ich gerne noch länger verbleiben würde, dieser elendige Zeitdruck hindert mich daran. Welch großer Vorteil, dass mein Wagen in direkter Fluchtrichtung auf mich wartet. Welch großer Nachteil, dass die dafür benötigte Straße gesperrt ist. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es den anderen abwandernden Zuschauern gleichzutun und versuche mich durch irgendwelche Seitenstraßen Richtung Autostrada durchzuschlagen, was aufgrund des nichtfließenden Verkehrs nur von maximal suboptimalem Erfolg gekrönt ist. Eine geschlagene Dreiviertelstunde benötige ich für die 3 km zur alternativen Autobahnauffahrt, wodurch mein Zeitpuffer analog zu meiner Stimmung mittlerweile im Negativbereich angekommen ist. Ankunft am Stadion in Arezzo laut Google Maps um 16:40, Spielbeginn ist angesetzt auf 16:30. Man muss kein Rechenkünstler sein, um hier eine gewisse Diskrepanz zu erkennen. Um meine nichtvorhandenen Schnellfahrskills in der unheilvollen Kombination mit meiner ebenso wenig ausgeprägten Stärke bei der Parkplatzsuche wissend, schreibe ich nicht nur das pünktliche Erscheinen, sondern gleich die ganze erste Halbzeit ab. So hab ich wenigstens etwas zum Freuen, sollte ich wider Erwarten doch früher erscheinen. Und in der Tat, ich rolle trotz des mehr als schlechten Straßenbelags ziemlich gut durch die sensationellen Landschaften. In diesen Momenten bin ich auch über das Upgrade meiner Mietkarosse froh, ich gehe gar schwer davon aus, dass ich mit einem kleineren Wagen und weniger guter Kurvenlage direkt in die Erdumlaufbahn katapultiert worden wäre. Ohne Scheiß, als Straße darf man diesen Untergrund eigentlich nicht bezeichnen. Regelmäßig alle drei Sekunden gibt es einen Schlag, dass ich denke, die Achse bricht gleich. Das Geräusch dabei erinnert quasi eins zu eins an das Rumpeln von Zügen in Osteuropa. Wenn man einmal einige Tage in Folge in diesen genächtigt hat, verbindet man es automatisch mit Einschlafen. Dementsprechend muss ich auch aufpassen, dass meine Augen nicht zufallen. Als sich plötzlich am Wegesrand Schnee auftürmt, bin ich nicht mehr sicher, ob ich nicht schon im Land der Träume angekommen bin - es sind immerhin Neun Grad nach Celsius, seltsam, seltsam. Eine Bergkuppe später ändert sich das Bild jedoch schlagartig und mir eröffnet sich ein phänomenaler Blick über eine Landschaft, wie man sie aus Bildbändern über die Toskana kennt. Mit hohen Pinien bewachsene Hügel, malerische Dörfer - nicht nur das Verkehrsschild kündigt an, dass ich mich mittlerweile in dieser traumhaften Region befinde. Die ganze Szenerie wird durch die langsam untergehende Sonne in ein sanftes Rot getüncht, so dass mich nicht nur ein leichter Hauch von Romantik umgibt. Wie gerne würde ich einfach anhalten und den Moment genießen, die Silhouette Arezzos - übrigens ebenfalls nicht zu verachten -, die Ausschilderung des Stadions sowie der Blick zur Uhr lassen daran aber keinen Gedanken verschwenden. Ich bin wieder im Game. Ganz still und heimlich habe ich sogar etwas Zeit gewonnen, jetzt muss ich nur noch schnell ins Stadion gelangen. Meinen ersten Parkversuch macht jedoch die Polizia zunichte. Gut, zugegeben ist es auch nicht die schlaueste Idee, mitten in einem von dieser bewachten Kreisel stehen bleiben zu wollen. Einen halben Kilometer hinter dem Stadion werde ich jedoch auch semilegal fündig und wuchte mein Gefährt auf einen kniehohen Bordstein. Gedanken über etwaige Schäden mache ich mir nicht, wofür hat man denn sonst die Selbstbeteiligung gekillt? Jetzt nur noch die paar läppischen Meter zurücksprinten, beim Passieren des Kassenhäuschens mir selbst für die grandiose Idee gratulieren, mein Ticket schon online erworben zu haben, die elektrischen Tore passieren und rein in die gute Stube. Gerade als das grüne Licht signalisiert, dass ich berechtigten Einlass erhalte, höre ich ein Geräusch, dass eindeutig als Spieleröffnungspfiff auszumachen ist. Misti, gerade so verpasst, aber nicht zu ändern und in Anbetracht der widrigen Umstände bin ich doch mehr als zufrieden mit meiner Ankunftszeit.

U.S. Arezzo – Piacenza Calcio 1:0
2.484 Zuschauer (80 Gäste)
3. Liga Italien,  So. 13.12.16


Die ganze Zeit über habe ich mir schon ausgemalt, wie das Spiel wohl ablaufen wird. Aufgrund der recht mangelnden Torausbeute der Tour wollte ich schon Geld drauf setzen, dass ich leicht verspätet ankomme und dabei das einzige Tor des Abends verpassen werde. Wie nah ich mit dieser Vermutung an der Realität liege, zeigt sich nach fünf Minuten, als eine lange Flanke vom am Boden liegenden Verteidiger Matteo Solini ins Gästetor bugsiert wird. Der Aufsteiger aus Piacenza übernimmt zwar in der Folgezeit das Spielgeschehen, was sich jedoch effektiv einzig und allein darin zeigt, dass sie weniger Fehlpässe als ihr Kontrahent – beide Vereine haben natürlich auch schon die ein oder andere Neugründung in letzter Zeit hinter sich (Arezzo 2010, Piacenza 2012) -  spielen. Ich nehme es vorweg, beinahe hätte ich wirklich das einzige Tor verpasst.

Verpasst habe ich hingegen die emotionale Verabschiedung des in der Woche verstorbenen Fans Franco, Mitglied der Gruppe Arezzo Ovunque (eher ältere Semester), dem vorm Spiel mittels Blumenniederlegung und Gesängen der ganzen Kurve bedacht wurde. Besagte Kurve ist seit dem letzten Aufstieg in die Serie B 2004 eher eine Gerade aus Stahlrohr und ist heute nicht überragend, aber doch ordentlich gefüllt. Eine schöne Zaunbeflaggung, einige Fahnen und Doppelhalter, ein unfassbarer Coolnessfaktor, dazu ein fantastisches Bordeauxrot als Vereinsfarbe – so sehr die Optik überzeugt, so sehr bin ich leider im gleichen Maße von der Akustik enttäuscht. Es wird zwar ausdauernd gesungen, es machen eigentlich auch genug Leute mit, aber irgendwie mangelt es völlig an Durchschlagkraft. Ob es die fehlende Trommel oder das genauso wenig präsente Dach ist, ich weiß es nicht. Die knapp 50 Gäste setzen dem ein paar Schlachtrufe entgegen, die nicht viel leiser sind als das Gemurmel aus der Kurve, für den doppelten Mundwinkel nach oben sorgen sie aber durch das Präsentieren der nackten, trotz Eiseskälte verschwitzten Oberkörper. Ansonsten gibt es selbst für den masochistischen Fußballtouristen wenig zu Lachen. Mit einem doppelten Kaffee und einem mittelmäßigem Stück Stadionpizza versuche ich die Kälte zu vertreiben. Neben dem Verkaufstresen spielen Kinder fangen. Als eines im Sprint ausrutscht und nur Zentimeter mit dem Kopf an einem Betonpfosten vorbei fliegt, spucke ich das Bohnengebräu vor Schreck fast wieder aus. Die ins Fangspiel integrierten Akteure stört es nicht weiter, es geht einfach weiter. Selbst als das nächste mit voller Wucht auf den Boden knallt, ist es kein Zeichen für den Abbruch. Der Boden scheint jedenfalls rutschig zu sein.  Bevor ich mich auch noch in die Waagrechte begebe, nehme ich wieder meinen Platz auf der 1994 im Zuge des Besuches Papst Johannes Pauls II. erbauten und dadurch erstaunlich modernen Haupttribüne Platz. Im Gegensatz zu dieser sind Gästeblock und Gegengerade noch im Originalzustand. Was das heißt, kann sich ja sicherlich jeder selbst ausmalen…

Nicht weit neben mir sitzt ein älterer, scheinbar kurzsichtiger Herr. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die komplette zweite Hälfte durch sein Tablet schaut. Ob er durch diese digitale Vergrößerung ein paar spielerische Finessen entdecken kann, die mir im Verborgenen bleiben? Ich bezweifle es. Hinter mir tritt mich ein kleines, zugegebenermaßen ultrasüßes Kind (Anm. von mir selbst: Hoffentlich liest das Kate nicht. Mir würde doch glatt wieder ein latenter Kinderwunsch unterstellt) mit Bärenmütze ohne Unterlass in den Rücken. Ich bewege mich irgendwo zwischen dem dringenden Wunsch, mir nonverbal meine Ruhe zu verschaffen oder den Moment einfach zu genießen. So ein bisschen was von einer Massage hat es ja schon. Als er mit seinem Micky Maus Schuh zwischen den beiden Sitzlehnen neben mir stecken bleibt, helfe ich aus der Klemme und erblicke dabei seine Mutter. Plötzlich verspüre ich noch einen ganz anderen Wunsch (hoffentlich liest auch das Kate nicht…). Ihr merkt, es wird nicht viel geboten, ich habe reichlich Zeit für solche Beobachtungen. Mein Körper bibbert mittlerweile vor Kälte, nicht wegen der Mutter, wie die Erde in Mittelitalien, irgendetwas muss jetzt passieren. Einen ähnlichen Gedanken hat wohl auch Arezzos Trainer und wechselt munter drauf los, wobei er das Hauptaugenmerk eher nicht auf fußballerisches Können, sondern auf auffälliges Äußeres legt. Zunächst kommt ein Arturo Vidal für Arme, der abgesehen von der Kopfbehaarung allerdings keine Ähnlichkeit mit diesem hat. Noch besser wird es, als in der 80. Minute Davide Moscardelli ins Spiel kommt und für Entlastung sorgen soll. Da er mit einer Laufbereitschaft wie Haris Seferovic überzeugt, klappt das nicht ganz wie geplant, dafür zieht er mit seinem Bart, der länger als das Gemächt von Dirk Diggler ist, meine Aufmerksam auf sich. Und wie das immer so ist, wenn man sich auf zwei Spieler eingeschossen hat, sorgen diese noch für die spielerischen Glanzpunkte der zugegeben wirklich guten Schlussphase. Sowohl Spieler, als auch Kurve und restliches Publikum geben nochmals alles, so dass ich mich frage, wieso ein Spiel eigentlich nicht nur aus Crunch Time bestehen kann. Dirk Diggler vernascht unter dem Jubel der Tifosi drei Gegner auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel, Vidal setzt den Ball gar mit einem perfekten Heber über den Torwart in die Maschen. Leider hat das Unparteiischengespann nicht nur aufgrund der neongelben Trikots keinen Sinn für Ästhetik und verweigert  dem Treffer die wohlverdiente Anerkennung. Trotzdem reicht es zum Heimsieg, wodurch Arezzo weiter ganz oben anklopft.

So, ursprünglich wollte ich jetzt noch einen Abstecher zum westlich von Arezzo gelegenen Autogrill Badio al Pino machen. Hier war es vor fast auf den Tag genau neun Jahren, dass eine von einem Polizisten abgefeuerte Kugel das Leben Gabriele Sandris beendete. Benzinmangel, Kälte und Müdigkeit lassen mich diesen Plan aber auf ein anderes Mal vertagen , so dass ich nur noch zurück nach Ciampino düse, mir endlich etwas gescheites zu Essen gönne und mit mir selbst mit dem ersten und einzigen Bier des Ausfluges auf den Länderpunkt VAE und die gelungene Tour anstoße, bevor mich am nächsten Morgen Ryanair pünktlich wie immer in Köln absetzt, von wo aus ich zwei Stunden später schon wieder im Büro sitze und die Welt verfluche. So wollte ich zumindest den Bericht beenden. In der Realität sieht das dann so aus, dass ich nichts mehr zu Essen finde, die Tankstellen mein reiches Arsenal an Kreditkarten konsequent ablehnen, das Hotelzimmer keine Heizung besitzt und Ryanair mit gehöriger, aber leider nicht genug, Verspätung aufwartet. Wenigstens wird mir so zurück in der Heimat der restliche, mittlerweile reichlich überflüssige Arbeitstag erlassen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass mein waghalsiger Ritt zwischen Cesena und Arezzo keine finanziellen Konsequenzen nach sich zieht, dann war die ungewollte Miete des Vehikels auch gar nicht so teuer. Typisch wäre es mal wieder. Ich bin ja für gewöhnlich der gechillteste Autofahrer überhaupt. Lieber fahr ich 20kmh zu langsam als nur etwas zu schnell, überschreite ich die Geschwindigkeit dann aber nur um drei Kilometer in der Stunde, darf ich gleich 45,-€ latzen. Und das ist keine Übertreibung, die Zahlen stehen so wirklich auf einer Rechnung, die auf der Rückfahrt aus Lyon erstanden ist. Die spinnen, die Franzosen. Egal, ich merke selbst, ich mache schon wieder das, was ich neben Brötchen belegen am besten kann, ich schweife ab. Daher mache ich mich jetzt auf zum Konzert der Beginner, die für mich immer absolut bleiben werden und zusammen mit den alten Haudegen Torch und Toni L für einen überphänomenalen Abend und somit den krönenden Schlusspunkt sorgen. Das war’s und ich bin draussen wie ein Blinddarm. Rock On!

PS: Und wer bis hier her durchgehalten hat: Bilder hab ich auch, ich weiß wie immer nur nicht wie das geht
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Oesch schrieb:

Egal, ich merke selbst, ich mache schon wieder das, was ich neben Brötchen belegen am besten kann, ich schweife ab.



Und gerade das macht deine Zeilen so Lesenswert!

Danke Oesch
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Absolut geil! Vielen Dank.

Apropos Peterborough (ich liebe ja auch dieses Abschweifen und sich in vermeintlichen Nebensächlichkeiten verlieren):
Die habe ich mal vor etlichen Jahren beim Derby in der dritten Liga in Cambridge gesehen.
Seitdem kann ich die nicht ab, da ich stationär bei Freunden in Cambridge wohnte und ich mich meinen Gastgebern verpflichtet fühlte.

Hätte ja gedacht, dass Parma ein paar mehr Leute mitbringt. Aber auch das ist irgendwie erbsenzählerisch.

Fotos: Irgendwo im Internetz hochladen. Link markieren, hier einparken (über das Weltkugelsymbol) fertig.

Ich will Fotos!
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Danke für das positive Feedback, vor allem auch, dass mir mein ständiges Abschweifen nicht negativ ausgelegt wird

Fotos schaue ich mir an und stelle ich dann noch ein. Das wird aber frühestens morgen Abend etwas, bisschen Geduld also noch.
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Danke für das positive Feedback, vor allem auch, dass mir mein ständiges Abschweifen nicht negativ ausgelegt wird

Fotos schaue ich mir an und stelle ich dann noch ein. Das wird aber frühestens morgen Abend etwas, bisschen Geduld also noch.
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Oesch schrieb:

Fotos schaue ich mir an und stelle ich dann noch ein. Das wird aber frühestens morgen Abend etwas, bisschen Geduld also noch.

Freu mich drauf. Danke für den Klasse-Bericht!
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Das Stadion in Arrezzo.
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Gude,
ich habe mir gedacht, ich führe meine selbst begonnene Tradition einfach fort, und schreibe hier mal wieder eine kleine (haha) Erlebnisgeschichte aus Italien im November. Vielleicht liest es ja noch jemand.
Ansonsten war’s das auch schon mit dem Vorgeplänkel und wir gehen direkt rein ins Vergnügen (?) und meine Selbstbeweihräucherung.

Dreht die Welt sich mittlerweile eigentlich nicht mehr nur um sich selbst, sondern auch völlig am Rad? Da wacht man heute Morgen auf und Donald Trump ist Präsident der USA. Die Briten kehren aus einer Laune raus der EU den Rücken, die Türkei ist auf bestem Wege in die Diktatur und in heimischen Gefilden erzielt eine angebliche Alternative für was auch immer utopische Wahlergebnisse. Und während das nächste Flüchtlingsboot im Mittelmeer versinkt, Syrien weiterhin in Schutt und Asche gelegt wird und im Irak Massengräber entdeckt werden, darf eine lokale NPD Größe weiterhin ungeniert vor sich hin hetzen, während weiter östlich die Herren Putin und Orban ihre Auslegung von lupenreiner Demokratie zeigen. Das macht doch alles keinen Spaß - und das ist ja nur die Oberfläche bzw. das, was man so direkt mitbekommt. Was bleibt einem in solchen Zeiten eigentlich noch, um nicht völlig einzugehen? Eigentlich nur Fußball, Sport und Pokémon. Damit das jetzt aber nicht allzu pessimistisch wird, schalte ich die Nachrichten mal ab und wähle einen anderen, weitaus hoffnungsvolleren Auftakt für dieses Pamphlet.

Drei Stunden. Dreiundzwanzig Minuten. Zweiundvierzig Sekunden.

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Dauer des Orgasmus eines Schweins. Dieses hat zwar den ausgiebigsten im gesamten Tierreich, nach lediglich 30 Minuten ist der Käse aber auch gegessen. Nein, die Zahlen geben den Zeitraum an, der zwischen meinen jeweiligen Überquerungen der Start und Ziellinie des Frankfurt Marathons lag. Zu behaupten, diese Zeit wäre ein einziger Orgasmus gewesen, wäre sicherlich gelogen - gerade das letzte Viertel würde ich eher unter der Kategorie "Hölle" archivieren - dennoch lässt die Zeit auch ohne anzugeben nur eine Schlussfolgerung zu: Ich bin eine Maschine. Da für dieses Ziel in der Vorbereitung einiges andere hinten anstehen musste, habe ich mir als kleine Belohnung selbst eine kleine Tour geschenkt. Nur Italien wäre zu einfach, daher wird kurzerhand noch ein neuer Länderpunkt eingebaut (VAE).
Da es hier aber um Italien gehen soll, lasse ich diesen Teil mal aus, der Text ist sonst doppelt so lang. Also machen wir einen Zeitsprung und befinden uns mittlerweile am Dubai Inernational Airport, Terminal 3, das übrigens nur mit dem Taxi zu erreichen ist

Die gar nicht mal so knappe Zeit bis zum Weiterflug schlage ich mit Elektronik laden, Lesen (Murakamis Hard Boiled Wonderland) und Kippenkauf (eine Stange roter Gauloises für 11,-€, fair) tot, ehe es um 4:00 Uhr nachts endlich weiter geht. Den Flug verschlafe ich zum Glück völlig, erst das aufgeregte Gejapse meiner Sitznachbarin lässt mich so langsam wieder zu Sinnen kommen. Es ist aber auch ein Unding, da steht doch tatsächlich ein Passagier schon im Gang, obwohl die Anschnallleuchten noch nicht erloschen sind. „Also manche Leute“, kommentiert sie das und wirft nach, dass sie sich schon hochgradig illegal fühlten würde, wäre sie schon abgeschnallt. „Also manche Leute“, denke ich…
Den dreistündigen Zwischenstopp in Istanbul verbringe ich größtenteils auch schlafend. Ich liege auf dem nackten Fußboden, irgendwo zwischen einem Café und der Toilette, um mich ist es laut, und trotzdem liege ich so gut wie schon lange nicht mehr. Um wohlig zu schlafen braucht man kein ach so gemütliches Bett, viel effektiver ist einfach völlige Übermüdung, da ist einem alles andere egal, Hauptsache Augen zu. Augen auf heißt es trotzdem nach nicht allzu langer Verweildauer, will ich meinen Anschluss nicht verpassen. Etwas Proviant brauche ich noch sicherheitshalber, dass ich beim dafür nötigen Kauf allerdings auf die weltunfreundlichste Bedienung treffe, hätte ich vorher nicht vermutet. Kein „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ ist man ja leider stellenweise schon gewohnt. Dass man nicht angeschaut wird, auch. Dass Madame aber rein technisch gar nicht in der Lage ist, etwas zu sagen, da sie mit ihrem Mund eine orale Pediküre betreibt, während vor ihr die Kundschaft auf Abwicklung der Tauschgeschäfte warte, ist dann auch für mich neu. Also wirklich, manche Leute…

Trotz der widrigen Umstände sitze ich tatschlich mit Getränken bewaffnet im nächsten Pegasus Bomber und mache dasselbe wie auf allen anderen bisherigen Flügen mit dieser Airline. Lediglich vor Start und nach Landung in Rom (FCO) unterbricht mein Nachbar meinen dringend benötigten Schlaf, indem er gar nicht abwarten kann, bis ich ihm Platz machen und durchlassen kann, sondern einfach über mich drüber steigt wie der weltberühmte Sitzsteiger in der Frankfurter Straßenbahn über eben die Sitze. Also manche Leute, wirklich...

Nach so vielen skurrilen Begegnungen mit Menschen bin ich fast schon froh, als ich es mal wieder mit einer Maschine zu tun bekomme. Da gut 90% der Flugzeuginsassen die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, freue  ich mich an der Passkontrolle, dass ich die nicht vorhandene Schlange für EU Bürger nutzen darf. Hier ist kein menschlicher Grenzbeamter im Dienst, es gibt lediglich eine elektronische Passkontrolle. Super Sache, ist man schnell durch…vorausgesetzt man kommt nicht aus Deutschland. Aus irgendeinem dummen Grund sind diese Kackautomaten nicht in der Lage, deutsche Reisepässe zu lesen. Laut fluchend stelle ich mich also notgedrungen ans Ende der Schlange für Nicht-EU Bürger. Erst als ich einige Zeit später in meinem Mietwagen sitze, habe ich mich etwas abgeregt und bin froh, für die nächsten Stunden erstmal keine Menschen zu sehen. So ein Beifahrer wäre zwar von Vorteil gewesen, aber so bin ich auch mal selbständig dazu gezwungen, mich mit den Begriffen „Navi“, „Google Maps“ und „Roaming“ vertraut zu machen. Erstaunlicherweise funktioniert das zu meiner eigenen Überraschung recht gut, zeigt mir mein Mobilfunkgerät doch eine realistische Wegstrecke zu meinem Tagesziel an. Jetzt ist es natürlich eine berechtigte Frage, wieso ich mir als Einzelkämpfer ein Auto mieten muss, die Antwort ist mit den Spielansetzungen aber recht schnell gegeben. Da wird einfach mal wieder alles durcheinander gewürfelt, dass es eine Wahre Pracht ist, und so ist es eben die einzige Möglichkeit, eine halbwegs gescheite Tour auf die Beine zu stellen. Ohne Scheiß, ich glaube, mittlerweile sind die Ansetzungen in Bulgarien oder sonst wo in Osteuropa zuverlässiger als in Italien. Gegen 14:00 Uhr befinde ich mich auf der Straße, mit genügend Puffer ist das abendliche Geholze in der Provinzhauptstadt Macerata in den Marken das einzige für mich erreichbare Ziel. Drei Stunden und lediglich 4,40€ Mautkosten später checke ich im Best Western ein, man gönnt sich ja sonst nix. Die 35,- Euro (schon abzüglich aller Rabatte und Cashbacks) sind dennoch gut investiert. Auf eine nächtliche Weiterfahrt, lediglich um ein paar Cents zu sparen, habe ich wahrlich kein Interesse.

Bis vor kurzem dürfte für die meisten Menschen die Erwähnung des Namens Macerata noch für Fragezeischen gesorgt haben, seit das letzte Erdbeben hier sein Epizentrum hatte, ist er aber einer größeren Masse geläufig. Von irgendwelchen Schäden selbst sehe ich in der Stadt nichts, dafür passiere ich auf meinem Weg hierher Straßenschilder nach Rieti und Norcia, die beide wesentlich heftiger getroffen wurden als Macerata selbst. Ich bin heute weder als Katastrophentourist, noch als Aufbauhelfer unterwegs, mich zieht viel mehr der ortsansässige Drittligist an. Deshalb mache ich mich auch gleich auf die Suche nach einem Ticket. Fündig werde ich in der Bar Idea 88 unweit des Stadions. Hier sitzen in einem zugequalmten, nur notdürftig eingerichtetem Raum drei Mädels an einem Tisch, auf dem Drucker aus den 80er Jahren stehen, und überreichen gegen eine Gebühr von 20,- Euro tatsächlich ein gültiges Ticket - Kartenkauf in Italien, immer ein Erlebnis.

S.S. Maceratese – Parma Calcio 0:0
1.500 Zuschauer (150 Gäste)
3. Liga Italien, Sa. 12.11.16


Da ich noch etwas Zeit bis Kick-Off habe, hole ich mir in einem nahen Supermercado noch schnell zwei Pizzastücke und eine Dose Cola light, genehme mir daraufhin mein hochwertiges Mahl und lande auf dem Weg zurück direkt im Corteo der Curva Just (benannt nach Fabrizio „Lu Just“ Giustozzi, eine wohl großartige Persönlichkeit Maceratas, Förderer der Jugend, Kultur und des Sports und großer Fan des Vereins, gestorben am 12.11.2007). Es sind zwar nur etwas mehr als 50 Leute, dafür kratzt die Sonnenbrillenquote an der 100% Markierung – dass es eigentlich stockdunkel ist und lediglich die zahlreich abrennenden bangalischen Fackeln für etwas Beleuchtung sorgen, muss ich eigentlich nicht extra erwähnen. Unter schönen Gesängen und meiner Begleitung marschiert man so zum Stadion Helvia Recina, hier trennen sich unsere Wege. Der Ultrahaufen nimmt den direkten Weg in seine Kurve, ich versuche auf der gegenüberliegenden Seite Einlass zu erhalten. Obwohl ich richtig bin, zieht sich das Einlassprozedere gehörig in die Länge, sind die drei Ordner doch mit den Zuordnungen der Ausweise zu den richtigen Pesronen und Karten der sechsköpfigen Familie vor mir überfordert. Es ist wieder einmal ein herrliches Beispiel dieser sinnlosen, schikanösen Vorschriften. So wie ich es interpretiere, besteht die Familie aus Mutter, Vater, Großeltern mütterlicherseits (der Optik nach) und zwei unter zehnjährigen Kindern, eines davon im Rollstuhl. Eigentlich die Defintion von harmlosen Stadionbesuchern, und dennoch wird ein Aufstand gemacht als versuchten sie mit einem Saudi Arabien Visum in Israel einzureisen. Da muss man sich nicht wundern, wenn keiner mehr Lust hat ins Stadion zu gehen. Da ich alleine bin, fällt meine Personenüberprüfung entsprechend kürzer aus, noch kürzere Zeit später sitze ich auch schon auf der einzig überdachten Tribüne. Gegenüber von mir befindet sich die schwer bauffällige Gegengerade, bei der es mich wundert, dass diese überhaupt bevölkert werden darf. Jeweils an den Seiten dieser befinden sich Heim- und Gästeblock. In beiden stehen ca. 150 Supportwillige, obwohl die Polizei dies am liebsten verhindert hätte. Das Spiel wurde als Risikospiel eingestuft, den Gästen der Bigliettierwerb erheblich erschwert – klar, die Szene Parmas ist ja auch für ihre brandschatzenden Auswärtsfahrten in der letzten Zeit bekannt. Dementsprechend zeigten sie auch, was sie davon halten, und reisten schon weit vor Spielbeginn an. Nicht jedoch, um das Stadtzentrum in Schutt und Asche zu legen, sondern um gesammelte Spenden und Hilfsgüter für die Opfer der Erdbeben zu überbringen. Im Gästeblock selbst hängt über die gesamte Spieldauer das Spruchband „Centro Italia non mollare“ (nicht aufgeben, Zentralitalien), in der zweiten Hälfte wird unter großem Applaus und Sprechchören des restlichen Stadions eine weitere Tapete gezeigt: „Vicino ai terremotati“ (sinngemäß etwa „wir sind bei den Erdbebenopfern“). Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie in Zeiten von großen Tragödien in quasi allen Kurven landesweit Solidarität gezeigt wird,die auch in sehr vielen Fällen gelebt. Spendenaktionen und aktive Hilfsarbeiten vor Ort werden abseits jeglicher Rivalität von vielen Gruppen durchgeführt, ob es jetzt um die Erdbeben, das Hochwasser in Genua oder auch die Terroranschläge in Paris letztes Jahr, bei der auch in nahezu jeder Kurve und Stadt entsprechende Spruchbänder gezeigt wurden, geht. Es zeugt von Reife und von Größe, auch wenn die Medien davon selbstredend nichts berichten möchten.

Das dritte gezeigte Spruchband Parmas bedarf in Anbetracht des Datums keine weitere Erläuterung („Gabriele vive“), ansonsten steht man relativ kompakt hinter der fast schon legendären Boys Fahne und sorgt durch ununterbrochenen Fahnen- und Doppelhaltereinsatz dafür, dass die Blockauslastung höher aussieht als sie wirklich ist. Die Anfeuerungen sind nicht zu durchgängig wie das Fahnengewedel und der Lautstärke mangelt es dank fehlender Masse, dafür vorhandener weitläufiger Laufbahn an Durchschlagkraft, trotzdem oder auch gerade deswegen ist es einfach authentisch und weiß mich zu überzeugen. Ein ähnliches Zeugnis stelle ich auch der Heimseite aus. Optisch trotz recht schöner Zaunbeflaggung nicht ganz so gut, akustisch dafür etwas lauter, auch wenn leider keine Trommel im Stadion ist. Ich habe derweil starke Kopfschmerzen, es ist inzwischen leidlich eisig und richtig zufrieden gesättigt bin auch nicht. Von dem was die angeblichen Profifußballer da vor mir veranstalten, fange ich gar nicht erst an. Auch wenn man jetzt zurecht denken könnte, dass ich nur nach Hause möchte, fühle ich mich dennoch gut unterhalten. Es ist sicherlich kein Spiel, mit dem man jemanden von Italien überzeugen kann, hat man aber ein Faible dafür, kommt man voll und ganz auf seine Kosten. Der Blick in die Kurven durch den Zoom des Fotoapparates, bei dem man über 40jährige Ultras rumspringen sieht wie Ede auf dem „Konzert“ der RTL Autohändler; Das Tribünenpublikum;, dass bei jeder misslungen Szene – und von diesen gibt es viele – die komplette Palette bekannter und noch unbekannter Schimpfwörter vom Stapel lässt; Spieler, die mehr damit beschäftigt sind, dass die Frisur bei der nächsten Schwalbe noch sitzt als dass sie ernsthaft versuchen mal einen Gegner richtig umzutreten; ein Stadion, dass aussieht als hätte es alles Schäden des letzten Erdbebens freiwillig auf sich genommen; eine Stadiongastronomie, die nicht mehr hergibt als Chips, Softdrinks, Bier, Borghetti und Kaffee.

Letzterer ist es, der mich in der Halbzeitpause rettet. Der kleine Schluck pures Koffein vertreibt mit einem Schlag sowohl Kopfschmerzen als auch Kälte, lediglich das Spielniveau vermag er nicht zu steigern. Der Tabellenzweite aus Parma, der nach der letzten Neugründung im Jahre 2015 inzwischen auf den Namen Parma Calcio 1913 hört und im letzten Jahr nach dem Zwangsabstieg/-neuanfang in der vierten Liga ungeschlagen aufsteigen konnte (dabei wurde ein neuer Zuschauerrekord in der Serie D aufgestellt, Präsident seit der Neugründung ist Nevio Scala), hat zwar mehr vom Spiel, Chancen sind aber nicht dabei. Maceratese, oder kurz „Rata“ genannt, ist ebenfalls ein Liganeuling, im Gegensatz zum großen Gegenüber ist das Ziel jedoch nicht so schnell wie möglich wieder ganz nach oben zu kommen, sondern schlicht und einfach der Klassenerhalt. Alles andere wäre in Anbetracht der Geschichte des Vereins auch vermessen, ist der größte Erfolg doch lediglich ein Jahr in der zweiten Liga – damals, Ende der 40er. Heute holt man einen nicht unverdienten Punkt (also wenn man bei diesem Geholze von verdient sprechen kann), mit etwas Glück wäre sogar der Dreier (lalalala…) dringewesen. Den Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte in der Nachspielzeit kann der Torwart gerade so über die Latte lenken, so nah wie in diesem Moment kam am ganzen Abend kein weiterer Torabschluss. Dennoch freut man sich ausgiebig über den Punkterfolg und feiert diesen mit den eigenen Schlachtenbummlern.

Eigentlich will ich mich direkt ins Bett legen, natürlich laufe ich aber noch eine Runde über Kopfsteinpflaster durch die mehr als ansehnliche Altstadt Maceratas. Tolle Gassen, schöne Fassaden, die ein oder andere Piazza, dazu überraschend viel junges Leben auf der Straße – ich bin wirklich überrascht. Nachdem ich mein Ein erfolgreich ausgebrütet habe (Dodu, war wohl aus Dubai), begebe ich mich dennoch nicht allzu spät in meine Herberge, wo auch alsbald Schicht im Schacht ist.

Guten Morgen Sonne. Wie schön, dass Du mich wach küsst. Bei diesem Wetter ist es keine Qual, die müden Knochen aufzuraffen und mich auf die nächste Etappe zu machen. Völlig mautfrei genieße ich ein weiteres Mal die Landschaft. Zu meiner Rechten die Adria, zur Linken schneebedeckte Berggipfel – utopische Pyroshows hin, heiße Partynächte mit den besten Freunden in Osteuropa her, es sind diese kurzen Augenblicke, in denen ich für mich selbst entscheide, mit meinem Hobby richtigzuliegen. Hört sich pathetisch oder geschwollen an? Mag sein, es ist aber wie bei der Sendung mit der Maus einfach so. Immer noch in recht träumerischen Gedanken versunken, erreiche ich mehr als zeitig Cesena, finde einen bis jetzt noch kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Stadionnähe und genieße ein weiteres Mal ein nährstoffreiches Frühstück. Dieses Mal den aus Dubai importierten Fertigkuchen. Ist zwar ganz lecker und erfüllt seinen Zweck, trotzdem komme ich nicht umher festzustellen, dass meine Ernährung auf der Tour eindeutig zu kurz kommt. Einen fantastischen Cappucino in einer stadionnahen Bar gönne ich mir noch, dann schaue ich mir die Gepflogenheiten vor Ort an.

A.C. Cesena – A.C. Pisa 2:0
12.180 Zuschauer (700 Gäste)
2. Liga Italien, So. 13.11.16


Es herrscht schon ganz schönes Gewusel hinter der Curva Mare und dem Szenetreffpunkt „Bombonera“: Die typischen Imbisswagen, bei denen ich mich jedes Mal ärgere, dass ich keinen Hunger habe, jede Menge Fanartikelstände, vollbesetzte Bars – es riecht nicht nur nach Spanferkel, es riecht im gleichen Maße nach Fußball. Als ich vom Bigliettikauf zurückkomme, trägt eine kleine Abordnung  der ortsansässigen Ultras Trommel und Tifomaterial ins Stadion, wodurch meine Vorfreude noch weiter angestachelt wird. Ergo mache ich keine Gefangen und suche alsbald den Weg ins Stadioninnere. Nicht nur die Fremdensprachkenntnisse der Signora am Schalter lassen mich kurz die Frage stellen, ob ich wirklich in Italien bin, auch die Soundanlage gibt landesuntypisch mehr her als der handelsübliche Fisher Price Kassettenrekorder. Ich frage mich nicht nur, ob ich im richtigen Land bin, ich frage mich auch, ob ich bei der richtigen Veranstaltung bin oder ob es etwa schon Juni 2017 im Waldstadion ist, so laut und klar dröhnt mir Depeche Modes „Personal Jesus“ entgegen. Das weitere musikalische Programm ist nicht viel schlechter, so dass die Wartezeit bis es endlich los geht, recht schnell verfliegt. Bis dahin nehme ich das Stadion Dino Manuzzi (ehemaliger Präsident Cesenas) unter die Lupe und stelle fest, dass es auf Bildern größer wirkt, als es tatsächlich ist, was vor allem an der kleinen Haupttribüne liegt, die mir völlig unbekannt ist. Genauso beobachte ich die sich langsam füllenden Fansektoren. Die Gäste nehmen ihre Plätze im Unterrang ein und werden es am Ende auf gute 700 Tifosi bringen. Auch wenn sie vor dem Spiel einige intensive Gesänge und Hassparolen durch den engen Kasten jagen, bemerkt man das Fehlen der leider nicht auswärtsahrenden Ultraszene deutlich. Die wenigen, auf Planen gedruckten Zaunfahnen gefallen mir einfach nicht, der Gesänge sind bis auf wenige Ausnahmen unkoordiniert. Trotzdem ist es schön, eine  solch große Gästschar zu sehen. Es ist halt schade, wenn man das zweifellos vorhandene Potential sieht. Trotzdem ist es mehr als erwartet, man weiß ja, worauf man sich einlässt

Gegenüber ist hingegen wesentlich mehr los. So ein bisschen scheint Cesenas Szene von der ganz großen Repression verschont zu sein. Bis auf die fehlenden großen Zaunfahnen sieht das hier eigentlich aus wie früher, die alten Gruppen sind noch aktiv: im Unterrang Viking Forli (auch wenn diese personell stark dezimiert scheinen), im Oberrang Sconvolts und Weiss Schwarz Brigaden. Wie fragt Domenico Mungo in seinem faszinierenden Buch „Cani Sciolti“: Was ist das eigentlich für ein bekackter Name? Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hier die Erklärung. Es handelt sich dabei um die deutsche (?) Übersetzung des Namens der ersten organisierten Gruppe Cesenas „Brigate Bianconere“. Der Name wurde nach dem Aufstieg in die Serie A im Jahre 1981 zu Ehren Walter Schachners, des ersten Ausländers in Reihen Cesenas, geändert. Auf deutscher Ebene ist die Gruppe sicherlich durch ihre Freundschaft zum Commando Cannstatt bekannt. Diese sind heute vor Ort, dafür sind befreundete Gäste der magischen Fans des französischen Rekordmeisters sowie der Fahne nach zu urteilen auch welche von Peterborough United anwesend. Dennoch ist es in der Curva Mare gespenstisch still, als die Mannschaften aufs Feld kommen. Im mittleren Teil erfüllen Absperrbänder ihren Zweck und sperren ihn eben ab. Lediglich zwei Spruchbänder füllen ihn aus, die die unmöglichen Anstoßzeiten (heute: 12:30 Uhr)  kritisieren und den dafür verantwortlichen ewigen Hass versprechen. Im unteren Teil des Blocks diskutieren einige ältere Ultras mit irgendwelchen offiziell aussehenden Typen, ich nutze hingegen die Gelegenheit etwas zur Ausgangslage der Partie zu formulieren.

Cesena scheint ja relativ skandalfrei zu sein, nicht einmal eine Pleite bzw. Namensänderung bzw. Neugründung bzw. Zwangsabstieg gab es hier. Was aber in Pisa los ist, spottet mal wieder jeglicher Beschreibung. Die im Satz vorher angesprochenen Ereignisse kennt man hier alle. In der abgelaufenen Saison konnte in den Play Offs nach etlichen Spielzeiten wieder der Aufstieg in die Serie B klargemacht werden, seitdem geht es drunter und drüber.

Grob zusammengefasst: in der abgelaufenen Saison war wohl schon kein Geld da, Gehälter wurden nicht bezahlt, dubiose Besitzer mit illegalen Machenschaften gaben sich die Klinke in die Hand – das Übliche eben. Der sportliche Erfolg verdrängte das alles etwas, jetzt schlägt es aber mit voller Wucht ein. Das Stadion war wegen nicht Zweitligatauglichkeit gesperrt (mittlerweile dar wieder darin gespielt werden), kurz vor Saisonbeginn hat man nur eine unvollständige Mannschaft und keinen Trainer und das erste Auswärtsspiel der neuen Saison musste verschoben werden, da man die Kosten nicht tragen konnte. Irgendwie regelte sich zwar alles insofern, dass wenigstens der Spielbetrieb sichergestellt ist und auch der Aufstiegstrainer, niemand geringeres als Weltmeister Gennaro Gattuso, ist wieder zurück an Bord, trotzdem bleibt es abzuwarten, wie sich die ganze Geschichte entwickelt. Der Saisonstart war jedenfalls überraschend positiv, mittlerweile hat man sich im Mittelfeld der Liga eingefunden, also in Schlagdistanz zu den Auf- und Abstiegsplayoffs.

Das Spiel ist weit davon entfernt, hochwertige Fußballkunst zu zeigen, den Klassenunterschied zum gestrigen Abend merkt man aber dennoch deutlich. Nach all den Darbietungen der letzten Tage ist es eine Wohltat, hier zuzuschauen, da sehe ich auch über die mehrfach auftretenden haarsträubenden Stockfehler oder misslungenen Kurzpässe hinweg. Wenigstens das Tempo und der Einsatz stimmen. Als die digitale Spielzeitanzeige neben dem Tor die Zweistelligkeit erreicht, werden die Absperrbänder eingerissen und von allen Seiten stürmen Tifosi ins Heiligtum der Kurve. Alle Arme gehen nach oben, der Capo, der wohl bei der Gründung der ersten Gruppe 1974 schon einer der älteren war, macht eine kurze Ansage, und es folgen inklusive Nachspielzeit 90 Minuten überragender gesanglicher Fußballbegleitung. Ja, zu einem gar nicht mal so kleinen Teil erfolgt diese nur von eben diesem mittleren Teil der Kurve, dennoch überzeugt es mich völlig. Da sind sogar Melodien dabei, die man nicht überall hört, es sind regelmäßig viele Fahnen in der Luft („Fahnen runner“), der Trommler ist gut und durch die Position in der Nähe des Daches und der Enge des Stadions ist die Lautstärke auch mehr als akzeptabel. Wenn der Rest der Kurve oder sogar das ganze Stadion einteigen, wird es richtig utopisch. Nach dem 1:0 Mitte der ersten Hälfte ist so ein Moment, die letzen zehn Minuten des Spiels lassen mich nur mit offenem Mund da sitzen. Eine mir unbekannte, fantastische Melodie wird mit einer in Deutschland nicht möglichen (und nein, das ist kein „bei uns ist alles scheiße“-Gejammer, ist es nämlich nicht) Intensität vorgetragen, beim zweiten Treffer des Spaniers Alejandro Rodriguez in der 96. Minute brechen schließlich alle Dämme. Ich strecke beide Daumen in die Höhe, im vollen Bewusstsein, dass  stellenweise nicht mehr Leute als gestern in Macerata gesungen haben. Aber das ist wie mit dem Harndrang. Da bist Du irgendwo auf Sightseeingtour in einer fremden Stadt, du musst pissen wie ein Stier, findest aber keine Möglichkeit deine Blase zu entleeren. Die ganze Zeit hast du nur das Bedürfnis, dir endlich Erleichterung zu verschaffen, dir gelingt das aber erst nach einigen Stunden. Abend liegst du dann im Bett, lässt den Tag Revue passieren, bist absolut begeistert von allem, was du gesehen und erlebt hast und blendest  völlig aus, dass ihr den ganzen Tag scheiße ging. Welch gelungene Metapher und welch noch bessere Überleitung, das mit dem Toilettenbesuch ist mir immer noch ein Rätsel. Gestern im Stadion war ich schon verwundert, dass das Männerurinal nur von Frauen besucht wurde, heute ist das Frauenklo mit Pissoirs ausgestattet. Mit Geschlechtern scheinen sie es nicht zu haben, erleichtern kann ich mich dennoch.

Auch wenn ich gerne noch länger verbleiben würde, dieser elendige Zeitdruck hindert mich daran. Welch großer Vorteil, dass mein Wagen in direkter Fluchtrichtung auf mich wartet. Welch großer Nachteil, dass die dafür benötigte Straße gesperrt ist. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es den anderen abwandernden Zuschauern gleichzutun und versuche mich durch irgendwelche Seitenstraßen Richtung Autostrada durchzuschlagen, was aufgrund des nichtfließenden Verkehrs nur von maximal suboptimalem Erfolg gekrönt ist. Eine geschlagene Dreiviertelstunde benötige ich für die 3 km zur alternativen Autobahnauffahrt, wodurch mein Zeitpuffer analog zu meiner Stimmung mittlerweile im Negativbereich angekommen ist. Ankunft am Stadion in Arezzo laut Google Maps um 16:40, Spielbeginn ist angesetzt auf 16:30. Man muss kein Rechenkünstler sein, um hier eine gewisse Diskrepanz zu erkennen. Um meine nichtvorhandenen Schnellfahrskills in der unheilvollen Kombination mit meiner ebenso wenig ausgeprägten Stärke bei der Parkplatzsuche wissend, schreibe ich nicht nur das pünktliche Erscheinen, sondern gleich die ganze erste Halbzeit ab. So hab ich wenigstens etwas zum Freuen, sollte ich wider Erwarten doch früher erscheinen. Und in der Tat, ich rolle trotz des mehr als schlechten Straßenbelags ziemlich gut durch die sensationellen Landschaften. In diesen Momenten bin ich auch über das Upgrade meiner Mietkarosse froh, ich gehe gar schwer davon aus, dass ich mit einem kleineren Wagen und weniger guter Kurvenlage direkt in die Erdumlaufbahn katapultiert worden wäre. Ohne Scheiß, als Straße darf man diesen Untergrund eigentlich nicht bezeichnen. Regelmäßig alle drei Sekunden gibt es einen Schlag, dass ich denke, die Achse bricht gleich. Das Geräusch dabei erinnert quasi eins zu eins an das Rumpeln von Zügen in Osteuropa. Wenn man einmal einige Tage in Folge in diesen genächtigt hat, verbindet man es automatisch mit Einschlafen. Dementsprechend muss ich auch aufpassen, dass meine Augen nicht zufallen. Als sich plötzlich am Wegesrand Schnee auftürmt, bin ich nicht mehr sicher, ob ich nicht schon im Land der Träume angekommen bin - es sind immerhin Neun Grad nach Celsius, seltsam, seltsam. Eine Bergkuppe später ändert sich das Bild jedoch schlagartig und mir eröffnet sich ein phänomenaler Blick über eine Landschaft, wie man sie aus Bildbändern über die Toskana kennt. Mit hohen Pinien bewachsene Hügel, malerische Dörfer - nicht nur das Verkehrsschild kündigt an, dass ich mich mittlerweile in dieser traumhaften Region befinde. Die ganze Szenerie wird durch die langsam untergehende Sonne in ein sanftes Rot getüncht, so dass mich nicht nur ein leichter Hauch von Romantik umgibt. Wie gerne würde ich einfach anhalten und den Moment genießen, die Silhouette Arezzos - übrigens ebenfalls nicht zu verachten -, die Ausschilderung des Stadions sowie der Blick zur Uhr lassen daran aber keinen Gedanken verschwenden. Ich bin wieder im Game. Ganz still und heimlich habe ich sogar etwas Zeit gewonnen, jetzt muss ich nur noch schnell ins Stadion gelangen. Meinen ersten Parkversuch macht jedoch die Polizia zunichte. Gut, zugegeben ist es auch nicht die schlaueste Idee, mitten in einem von dieser bewachten Kreisel stehen bleiben zu wollen. Einen halben Kilometer hinter dem Stadion werde ich jedoch auch semilegal fündig und wuchte mein Gefährt auf einen kniehohen Bordstein. Gedanken über etwaige Schäden mache ich mir nicht, wofür hat man denn sonst die Selbstbeteiligung gekillt? Jetzt nur noch die paar läppischen Meter zurücksprinten, beim Passieren des Kassenhäuschens mir selbst für die grandiose Idee gratulieren, mein Ticket schon online erworben zu haben, die elektrischen Tore passieren und rein in die gute Stube. Gerade als das grüne Licht signalisiert, dass ich berechtigten Einlass erhalte, höre ich ein Geräusch, dass eindeutig als Spieleröffnungspfiff auszumachen ist. Misti, gerade so verpasst, aber nicht zu ändern und in Anbetracht der widrigen Umstände bin ich doch mehr als zufrieden mit meiner Ankunftszeit.

U.S. Arezzo – Piacenza Calcio 1:0
2.484 Zuschauer (80 Gäste)
3. Liga Italien,  So. 13.12.16


Die ganze Zeit über habe ich mir schon ausgemalt, wie das Spiel wohl ablaufen wird. Aufgrund der recht mangelnden Torausbeute der Tour wollte ich schon Geld drauf setzen, dass ich leicht verspätet ankomme und dabei das einzige Tor des Abends verpassen werde. Wie nah ich mit dieser Vermutung an der Realität liege, zeigt sich nach fünf Minuten, als eine lange Flanke vom am Boden liegenden Verteidiger Matteo Solini ins Gästetor bugsiert wird. Der Aufsteiger aus Piacenza übernimmt zwar in der Folgezeit das Spielgeschehen, was sich jedoch effektiv einzig und allein darin zeigt, dass sie weniger Fehlpässe als ihr Kontrahent – beide Vereine haben natürlich auch schon die ein oder andere Neugründung in letzter Zeit hinter sich (Arezzo 2010, Piacenza 2012) -  spielen. Ich nehme es vorweg, beinahe hätte ich wirklich das einzige Tor verpasst.

Verpasst habe ich hingegen die emotionale Verabschiedung des in der Woche verstorbenen Fans Franco, Mitglied der Gruppe Arezzo Ovunque (eher ältere Semester), dem vorm Spiel mittels Blumenniederlegung und Gesängen der ganzen Kurve bedacht wurde. Besagte Kurve ist seit dem letzten Aufstieg in die Serie B 2004 eher eine Gerade aus Stahlrohr und ist heute nicht überragend, aber doch ordentlich gefüllt. Eine schöne Zaunbeflaggung, einige Fahnen und Doppelhalter, ein unfassbarer Coolnessfaktor, dazu ein fantastisches Bordeauxrot als Vereinsfarbe – so sehr die Optik überzeugt, so sehr bin ich leider im gleichen Maße von der Akustik enttäuscht. Es wird zwar ausdauernd gesungen, es machen eigentlich auch genug Leute mit, aber irgendwie mangelt es völlig an Durchschlagkraft. Ob es die fehlende Trommel oder das genauso wenig präsente Dach ist, ich weiß es nicht. Die knapp 50 Gäste setzen dem ein paar Schlachtrufe entgegen, die nicht viel leiser sind als das Gemurmel aus der Kurve, für den doppelten Mundwinkel nach oben sorgen sie aber durch das Präsentieren der nackten, trotz Eiseskälte verschwitzten Oberkörper. Ansonsten gibt es selbst für den masochistischen Fußballtouristen wenig zu Lachen. Mit einem doppelten Kaffee und einem mittelmäßigem Stück Stadionpizza versuche ich die Kälte zu vertreiben. Neben dem Verkaufstresen spielen Kinder fangen. Als eines im Sprint ausrutscht und nur Zentimeter mit dem Kopf an einem Betonpfosten vorbei fliegt, spucke ich das Bohnengebräu vor Schreck fast wieder aus. Die ins Fangspiel integrierten Akteure stört es nicht weiter, es geht einfach weiter. Selbst als das nächste mit voller Wucht auf den Boden knallt, ist es kein Zeichen für den Abbruch. Der Boden scheint jedenfalls rutschig zu sein.  Bevor ich mich auch noch in die Waagrechte begebe, nehme ich wieder meinen Platz auf der 1994 im Zuge des Besuches Papst Johannes Pauls II. erbauten und dadurch erstaunlich modernen Haupttribüne Platz. Im Gegensatz zu dieser sind Gästeblock und Gegengerade noch im Originalzustand. Was das heißt, kann sich ja sicherlich jeder selbst ausmalen…

Nicht weit neben mir sitzt ein älterer, scheinbar kurzsichtiger Herr. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die komplette zweite Hälfte durch sein Tablet schaut. Ob er durch diese digitale Vergrößerung ein paar spielerische Finessen entdecken kann, die mir im Verborgenen bleiben? Ich bezweifle es. Hinter mir tritt mich ein kleines, zugegebenermaßen ultrasüßes Kind (Anm. von mir selbst: Hoffentlich liest das Kate nicht. Mir würde doch glatt wieder ein latenter Kinderwunsch unterstellt) mit Bärenmütze ohne Unterlass in den Rücken. Ich bewege mich irgendwo zwischen dem dringenden Wunsch, mir nonverbal meine Ruhe zu verschaffen oder den Moment einfach zu genießen. So ein bisschen was von einer Massage hat es ja schon. Als er mit seinem Micky Maus Schuh zwischen den beiden Sitzlehnen neben mir stecken bleibt, helfe ich aus der Klemme und erblicke dabei seine Mutter. Plötzlich verspüre ich noch einen ganz anderen Wunsch (hoffentlich liest auch das Kate nicht…). Ihr merkt, es wird nicht viel geboten, ich habe reichlich Zeit für solche Beobachtungen. Mein Körper bibbert mittlerweile vor Kälte, nicht wegen der Mutter, wie die Erde in Mittelitalien, irgendetwas muss jetzt passieren. Einen ähnlichen Gedanken hat wohl auch Arezzos Trainer und wechselt munter drauf los, wobei er das Hauptaugenmerk eher nicht auf fußballerisches Können, sondern auf auffälliges Äußeres legt. Zunächst kommt ein Arturo Vidal für Arme, der abgesehen von der Kopfbehaarung allerdings keine Ähnlichkeit mit diesem hat. Noch besser wird es, als in der 80. Minute Davide Moscardelli ins Spiel kommt und für Entlastung sorgen soll. Da er mit einer Laufbereitschaft wie Haris Seferovic überzeugt, klappt das nicht ganz wie geplant, dafür zieht er mit seinem Bart, der länger als das Gemächt von Dirk Diggler ist, meine Aufmerksam auf sich. Und wie das immer so ist, wenn man sich auf zwei Spieler eingeschossen hat, sorgen diese noch für die spielerischen Glanzpunkte der zugegeben wirklich guten Schlussphase. Sowohl Spieler, als auch Kurve und restliches Publikum geben nochmals alles, so dass ich mich frage, wieso ein Spiel eigentlich nicht nur aus Crunch Time bestehen kann. Dirk Diggler vernascht unter dem Jubel der Tifosi drei Gegner auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel, Vidal setzt den Ball gar mit einem perfekten Heber über den Torwart in die Maschen. Leider hat das Unparteiischengespann nicht nur aufgrund der neongelben Trikots keinen Sinn für Ästhetik und verweigert  dem Treffer die wohlverdiente Anerkennung. Trotzdem reicht es zum Heimsieg, wodurch Arezzo weiter ganz oben anklopft.

So, ursprünglich wollte ich jetzt noch einen Abstecher zum westlich von Arezzo gelegenen Autogrill Badio al Pino machen. Hier war es vor fast auf den Tag genau neun Jahren, dass eine von einem Polizisten abgefeuerte Kugel das Leben Gabriele Sandris beendete. Benzinmangel, Kälte und Müdigkeit lassen mich diesen Plan aber auf ein anderes Mal vertagen , so dass ich nur noch zurück nach Ciampino düse, mir endlich etwas gescheites zu Essen gönne und mit mir selbst mit dem ersten und einzigen Bier des Ausfluges auf den Länderpunkt VAE und die gelungene Tour anstoße, bevor mich am nächsten Morgen Ryanair pünktlich wie immer in Köln absetzt, von wo aus ich zwei Stunden später schon wieder im Büro sitze und die Welt verfluche. So wollte ich zumindest den Bericht beenden. In der Realität sieht das dann so aus, dass ich nichts mehr zu Essen finde, die Tankstellen mein reiches Arsenal an Kreditkarten konsequent ablehnen, das Hotelzimmer keine Heizung besitzt und Ryanair mit gehöriger, aber leider nicht genug, Verspätung aufwartet. Wenigstens wird mir so zurück in der Heimat der restliche, mittlerweile reichlich überflüssige Arbeitstag erlassen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass mein waghalsiger Ritt zwischen Cesena und Arezzo keine finanziellen Konsequenzen nach sich zieht, dann war die ungewollte Miete des Vehikels auch gar nicht so teuer. Typisch wäre es mal wieder. Ich bin ja für gewöhnlich der gechillteste Autofahrer überhaupt. Lieber fahr ich 20kmh zu langsam als nur etwas zu schnell, überschreite ich die Geschwindigkeit dann aber nur um drei Kilometer in der Stunde, darf ich gleich 45,-€ latzen. Und das ist keine Übertreibung, die Zahlen stehen so wirklich auf einer Rechnung, die auf der Rückfahrt aus Lyon erstanden ist. Die spinnen, die Franzosen. Egal, ich merke selbst, ich mache schon wieder das, was ich neben Brötchen belegen am besten kann, ich schweife ab. Daher mache ich mich jetzt auf zum Konzert der Beginner, die für mich immer absolut bleiben werden und zusammen mit den alten Haudegen Torch und Toni L für einen überphänomenalen Abend und somit den krönenden Schlusspunkt sorgen. Das war’s und ich bin draussen wie ein Blinddarm. Rock On!

PS: Und wer bis hier her durchgehalten hat: Bilder hab ich auch, ich weiß wie immer nur nicht wie das geht
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Oesch schrieb:

gerade das letzte Viertel würde ich eher unter der Kategorie "Hölle" archivieren

Ähm... bei mir ist es schon im zweiten Viertel so weit.

Das Bild mit den Kränen - geht es eigentlich noch charakteristischer für Mittelitalien? Inklusive der Flutlichtmasten im Vodergrund. Ich glaube, die gibt es nur dort.
Macerata ist eine schöne Stadt.
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DANKE!Ich hoffe der nächste Trip ist schon geplant und du nimmst uns wieder mit
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Hehe, die nächste Tour nach Italien ist tatsächlich schon geplant und startet schon am Montag – Resturlaub abbauen allez

Ich weiß allerdings noch nicht, ob ich das wieder hier veröffentliche (soll ich?), ich will mein Pulver ja nicht verschießen.
Ich hoffe, das hört sich jetzt nicht nach großartiger Werbung an, aber ich bringe die Texte ja auch in gedruckter Form in einem kleinen Groundhopping-Fanzine raus. Das würde ja sonst keiner mehr kaufen
Aber falls daran und somit an weiteren Tourberichten Interesse beseht – und jetzt mach ich scheinbar doch aktiv Werbung, tschuldi – wenige Restbestände der zweiten Ausgabe sind noch vorhanden, Vorbestellungen für die bald erscheinende dritte Ausgabe (dann auch mit dem Dubai Teil aus obigem Text) oder Rückfragen dazu werden gerne via PN entgegengenommen

Ich hoffe das ist nicht zu anbiedernd, war nicht meine Intention, aber diese Steilvorlage musste ich verwerten. Ein bisschen ekel ich mich auch selbst vor mir…
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Hehe, die nächste Tour nach Italien ist tatsächlich schon geplant und startet schon am Montag – Resturlaub abbauen allez

Ich weiß allerdings noch nicht, ob ich das wieder hier veröffentliche (soll ich?), ich will mein Pulver ja nicht verschießen.
Ich hoffe, das hört sich jetzt nicht nach großartiger Werbung an, aber ich bringe die Texte ja auch in gedruckter Form in einem kleinen Groundhopping-Fanzine raus. Das würde ja sonst keiner mehr kaufen
Aber falls daran und somit an weiteren Tourberichten Interesse beseht – und jetzt mach ich scheinbar doch aktiv Werbung, tschuldi – wenige Restbestände der zweiten Ausgabe sind noch vorhanden, Vorbestellungen für die bald erscheinende dritte Ausgabe (dann auch mit dem Dubai Teil aus obigem Text) oder Rückfragen dazu werden gerne via PN entgegengenommen

Ich hoffe das ist nicht zu anbiedernd, war nicht meine Intention, aber diese Steilvorlage musste ich verwerten. Ein bisschen ekel ich mich auch selbst vor mir…
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Also ich lese es gerne, wenn auch langsam, aber...
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Ich muss noch was nachtragen: Murakami! Mein Held. Der beste!
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Aufgrund der positiven Resonanz auf den letzten Bericht habe ich mich dazu durchgerungen, noch einen weiteren zu veröffentlichen. Diesmal stand nur ein Spiel in Italien auf der Agenda, deshalb gibt es als kleinen Zusatz noch einen Abstecher nach Bukarest zu lesen...wer so lane durchhält. Wobei ich mich dieses Mal trotz derÜberlänge des Textes recht kurz gefasst habe.

Wenn die Gondeln Trauer tragen

Sonntag- auf Montagnacht, das digitale Zifferblatt auf meinem Wecker zeigt mir an, dass es gerade 02:30 Uhr ist. Der dazugehörige Signalton hat meinen bestenfalls als Dämmerzustand zu beschreibenden Schlaf beendet und mich in Aufbruchstimmung versetzt. 15 Minuten später stehe ich bei gefühlt zweistelligen Minusgraden an der Konsti und warte auf den Bus mit der Nummer n8. Hier läuft mir meine Reisebegleitung für die nächsten Tage in die Arme. Genauso überrascht wie froh bin ich, dass mir MJ zur Begrüßung kein Bier in die Hand drück, so kann ich den Körper vor den folgenden Schandtaten noch etwas schonen.

Zweikommafünfstundenspäter:
Nach einem wohltuenden Tiefschlaf im Bohr-Express galt es noch etwas Zeit bis zum viel zu frühen Abflug am Hahn totzuschlagen. Selbst hier bekam der Kaffee noch den Vorzug vor den alkoholisierten Flüssigkeiten. Um Spaß zu haben, musste man aber auch nicht zwangsläufig trinken, die Fremdsprachen-kenntnisse der Verkäuferinnen sorgten auch so für Erheiterung. Man sollte ja meinen, dass an einem internationalen Flughafen wenigstens rudimentäre Englischskills Einstellungs-kriterium wären, hier wurde es aber eindrucksvoll widerlegt. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso die Frage eines eindeutig nicht deutschsprechenden Mannes nach einem Bier (O-Ton: „May I have one beer please“) mit „Bier? Aha…Büchse oder Flasche“ beantwortet wurde. Selbiges Schauspiel wiederholte sich auch noch am Tresen einer bekannten Fast-Food-Kette, lediglich, dass hier anstatt nach Bier nach Kaffee und anstatt des Verpackungsmaterials nach der Größe gefragt wurde. Welch grandioses Schauspiel, das einem schon so früh am Morgen geboten wurde – die Tour konnte ja nur gut werden.

Da im Flug weiterer Schlaf erhascht werden konnte – also zumindest von einer Hälfte der Reisepartner (glücklicherweise entsprach diese Hälfte meiner Person) – erreichten wir Treviso relativ ausgeschlafen. Da ich meine Armbanduhr zu Hause vergessen hatte, kann ich nicht genau sagen, welche Zeit sie anzeigte, es dürfte aber noch eine einstellige Zahl vor dem Doppelpunkt gewesen sein, somit genug Zeit, um noch etwas durch Treviso zu schlendern. Die 80.000 Einwohner Stadt wusste auf Anhieb, wie so viele italienische Städte dieser oder anderer Größenordnung, zu gefallen. Zum unerwarteten Highlight wurde der Aufenthalt jedoch durch den Besuch einer herausragenden Impressionismus Ausstellung. Ich habe es  ja schon einmal erwähnt, aber hätte ich Geld, der ein oder andere Monet würde meine noch nicht vorhandene Galerie schmücken. Auch wenn wir uns an der ganzen Masse an Monets, Renoirs, Pissarros, van Goghs und wie sie alle heißen gar nicht satt sehen konnten, erschlug es einen nach guten zwei Stunden dann doch. Der Gang in eine in einer Seitengasse versteckten Trattoria war so unausweichlich wie gelungen. Eine Flasche Vino und diverse Häppchen später schliefen wir schon wieder im Zug nach Venedig. Nach dem wir endlich das temporäre Zuhause für die nächsten beiden Nächte in unmittelbarer Nähe des Markusplatzes gefunden hatten, ging es bei MJ weiter mit der Augenpflege. Ich war derweil mit der Hauptaufgabe des Tages beschäftigt: Der gedanklichen Rekonstruktion meines Handy-PINs. Mehrere Stunden Grübeln, zwei erfolglose Versuche und ein ausuferndes Telefonat in die Heimat später machte es endlich Klick und mein dritter und letzter Versuch war schließlich von Erfolg gekrönt. Man will es ja nicht wahrhaben und redet sich die Sache auch immer schön, aber da merkt man mal wieder, wie abhängig man mittlerweile von den Scheißdingern ist. Obwohl ich mich im Umgang mit Mobilfunkgeräten ja noch als moderat und vor allem als absoluten Laien erachte, hätte ich ganz schön gekotzt, wäre ich die ganze Woche offline gewesen. Schon irgendwie traurig, aber ist leider so. Dementsprechend mussten in dem auf die Entsperrung folgenden Hochgefühl auch erstmal ein paar Pokémon verhaftet werden (ha, ihr dachtet wohl, es gibt endlich mal eine Geschichte ohne diesen Rotz. Nix da ). Irgendwann war dann MJ auch mal wieder wach, und gemeinsam konnte der Weg in Richtung zweitältesten Profi-Stadion Italiens angetreten werden. Einmal quer über den Markusplatz, durch ein paar Gassen und über genauso viele Brücken, ansonsten immer am Meer entlang – es kann eigentlich nicht verfehlt werden. Der Hunger, vor allem aber der Durst, trieb uns vorher noch in eine gut besuchte Bar, aus der feinster italienischer Reggae positive Vibrationen versprühte. Diese war im Inneren mit Schals aus allen Epochen der Fanszene geschmückt und entpuppte sich nach und nach als Anlaufstelle für die einheimischen Tifosi. Wunderbare Atmosphäre, tolle Gesänge und riesige Vorfreude auf das gleich stattfindende Derby allenthalben – es ließ sich aushalten. Um nicht ganz als Touri aufzufallen, sang und sprang ich beim  "chi non salta è un padovano“ mit wie der Rest der Bar, die Essensbestellung vergaß ich dabei jedoch leider ein wenig. Dafür gab’s genug Bier. Als mehr und mehr Leute den Weg Richtung Stadion suchten, taten wir es diesen gleich und machten uns auch mal auf den Weg. Meine Fresse, war das kalt. Die Temperatur an sich war ja aushaltbar, aber es wehten fast schon orkanartige Böen, die den Körper jedes Mal aufs Neue erzittern ließen. Diesen zum Trotz, trotzen wir diesen trotzdem und kamen halbwegs lebendig am Stadio Pierluigi Penzo (Wikipedia verrät: Ein Pilot im ersten Weltkrieg) an.

Venezia FC – Padova Calcio 1:3
7.000 Zuschauer (1.000 Gäste)
Mo. 28.11.2016, 3. Liga Italien


Vorm Stadion, das natürlich nur über zwei Brücken zu erreichen ist, herrschte schon ganz schönes Gewusel. Obwohl es die Auflage gab, nur noch 100 Biglietti am Spieltag zu verkaufen, drängelten sich weit mehr als diese Anzahl vor der einzigen Kasse. Ob diese alle das Spiel verfolgen durften, weiß ich nicht, ich weiß aber, dass außer der Kasse kein anderer Verkaufsstand aufgebaut war. Verständlich auf der einen Seite, da diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eh den Sturmböen zum Opfer gefallen wären, schade aber auch auf der anderen Seite, da wir insgeheim mit dem Kauf eines Schals liebäugelten, nicht nur aus Windschutzgründen, auch lachten uns die Vereinsfarben Venezias an - so ein orange-grün-schwarzer Balkenschal wäre schon nice gewesen. Die traditionellen Vereinsfarben sind lediglich grün-schwarz, das Orange kam 1987 nach der Fusion mit AC Mestre  dazu.  Seitdem hat man diverse Pleiten, Neugründungen und Umbenennungen (u.a. hieß man vor nicht allzu langer Zeit AC, SSC und Unione, aktuell jetzt FC) hinter sich, die letzte im Jahr 2015 sorgte für den Neustart in der vierten Liga, aus der man aber überlegen wieder aufstieg. Dadurch kommt es heute zum ersten Derby gegen den verhassten Rivalen aus Padua seit sieben Jahren. Aus Sicherheitsgründen wurde das Spiel auf Montagabend verlegt, wobei ich ja eher glaube, dass dafür die Liveübertragung auf RAI Sport verantwortlich war. Egal wie, das Wichtigste war, dass keinerlei Gästerestriktionen ausgesprochen wurden, die Heimseite top motiviert, die sportliche Ausgangslage hervorragend (beide nur knapp hinter dem Spitzenrang und auf einem sicheren PlayOff-Platz) und vor allem wir im Stadion waren. Dieses dürfte auch so ziemlich ausverkauft gewesen sein. Die Haupttribüne – ja, ich habe beim Onlinekauf nicht gegeizt, das Dach war mir den Aufpreis aber auch wert – war gar so voll, dass tatsächlich geschaut wurde, ob man seinen Popo auf der richtigen Sitzschale platziert hatte. Immer mal was Neues hier, so genau kennt man die Italiener gar nicht. Nachdem wir das zweite Mal verscheucht wurden, fanden wir kurz vor Anpfiff unsere richtigen Sitze und freuten uns auf das folgende Spektakel, auch wenn wir zwischenzeitlich von einer kurzfristigen Spielabsage ausgingen, da die Mannschaften die Einlaufkids bis weit nach offizieller Kick-Off-Zeit alleine vor den Kabinengängen frieren ließen. Während letztgenannte versuchten, nicht abzuheben, bepöbelten sich beide Kurven aufs Allerfeinste. Auf dem Siedepunkt der Atmosphäre betraten endlich die Teams das Feld.

Auf der Stahlrohrtribüne zu unserer Rechten befindet sich der heimische Block, angeführt von der Gruppe Curva Sud Veneziamestre 1987, die heute eine neue, große Zaunfahne anflaggten und zum Einlauf die Kurve mittels oranger und grüner Folienbahnen in ein schönes Bild verwandelten. Darunter ein paar vereinzelte Blinker und Böller, und schon ist ein simples, aber effektives Intro gezaubert. Die Choreo auf der Distinti überzeugte etwas weniger, dazu waren die Zettel zu klein, dafür bot der ausverkaufte Gästesektor (ca. 1.000) ein schönes Chaosbild aus ansprechender Zaunbeflaggung, vielen kleinen Schwenkern und einiges an pyrotechnischem Material – alles in allem durchaus überzeugend, wie auch die folgende gesangliche Leistung. Auf akustische Hilfsmittel wurde zwar notgedrungen verzichtet, optische auch nur spärlich eingesetzt (wobei die Fahne mit dem Muster der deutschen WM Trikots von 1990 eine glatte 1+ bekommt), die mit den puren Stimmen erzeugte Lautstärke war aber mehr als in Ordnung. Es gab zwar lediglich die typischen Standartgesänge zu vernehmen, trotzdem hatten diese eine gute Durchschlagkraft, vor allem wenn bei Hassparolen der ganze Block, teilweise das ganze Stadion einstieg, verspürte ich diesen wohligen Anflug von Gänsehaut. Aber egal, es ging nicht um hohe Sangeskunst, es lag einfach diese ganz besondere Derbyatmosphäre in der Luft. Da wird auch mal ein noch so schönes Lied durch simples Geschrei übertönt, weil jeder den Ball persönlich mittels seiner Schallwellen ins Tor treiben will.

Die Beurteilung des Publikums lässt sich auch so auf die Mannschaften übertragen. Wir reden hier nicht von hoher Fußballkunst, dafür war es eben immer noch dritte Liga Italien, aber Tempo, Einsatz, Härte, Willen – quasi die Urtugenden – waren mal so was von mehr als vorhanden. Torraumszenen wurden genauso geboten wie harte Fouls, Meckereien gegen den Schiedsrichter genauso wie hitzige Streitgespräche mit den Gegnern. Nach dem Führungstreffer für Venezia sprinteten alle Auswechselspieler und Betreuer aufs Feld wie nach dem Abpfiff eines siegreichen Pokalfinales, nach dem Ausgleich drei Minuten später wiederholte sich das Prozedere auf der Gegenseite. Egal welcher Funktion , jeder im Stadion  versuchte einfach sein Mögliches zum Sieg beizutragen – mehr braucht es nicht, um einen herausragenden Fußballabend zu haben, bei dem wir sogar völlig die Kälte vergaßen. Gut, Letzteres ist gelogen, Abhilfe schaffte dem aber die Thekenbesatzung, die in der Halbzeitpause für die allerbeste Aktion sorgten, indem sie den Kaffeebehälter fortan nur noch mit Glühwein nachfüllten. Mit dem wärmenden Traubengetränk in der Hand wurden uns noch drei Feldverweise – einer davon für einen Auswechselspieler – Venezias sowie die Spielentscheidung in der letzten Minute geboten. Zu diesem Zeitpunkt hatten schon einige Zuschauer den Nachhauseweg angetreten, aus der Kurve wurde jedoch aus Trotz, Stolz, Spaß und Überzeugung weiter gegen Gegner und für Verein gesungen. Ich attestiere hiermit einen guten Auftritt, vor allem auch, wenn man bedenkt, dass man bei normalen Heimspielen nur einen Bruchteil der Leute im Block hat, trotzdem aber teilweise sogar alle bis in die Außenbereiche zum Singen und Hüpfen animiert werden konnten.

Wir schauten uns noch etwas die Jubelorgien Padovas mit ihrem Anhang an, bevor auch wir in die dunkle Nacht hinaus stolperten. Und während wir da so entlangwackelten, fällt mir auf, dass ich in meinem endlosen, aber diesmal kurzgefassten Geschwurbel kaum ein Wort zu den Gästefans und zu Venezias Trainer verloren habe. Jup, es ist immer wieder beeindruckend, auf welche Leute man so stößt, wenn man über die Sportplätze dieser Welt tingelt. Nach Gattuso in Pisa durfte ich heute mit Pippo Inzaghi den zweiten Weltmeister innerhalb von nur zwei Wochen in seiner neuen Funktion sehen. Und der Gästeanhang? Großes Kino. Laut, viele, geschlossen, immer mal wieder (teilweise krass lautes) Feuerwerk, schöne Schalparaden. Punkt.

Und während wir so weiterwackelten, blieb im Nachgang auch randalemäßig alles ruhig, so dass die berechtigte Hoffnung besteht, dass auch beim Rückspiel Gästefans zugelassen werden sein könnten. Sollte dem so sein, werde ich eine Machbarkeitsstudie ob eines potentiellen Besuches durchführen. Für jetzt musste aber zunächst der Hunger gestillt werden. Irgendwo kurz vor unserem Domizil wurden wir glücklicherweise noch fündig und konnten neben zweier 0,66er Birra Moretti noch diverse Pizzarollen ergattern. Diese erfüllten ihren Zweck besser als das kühle Getränk, welches später in der Nacht eine nicht mehr zu genießende Temperatur angenommen hatte.  Es ist ja eigentlich logisch, dass so Pizza ganz vielleicht Nachdurst verursachen könnte. Wieso der feine Herr von Ösch nicht auf die Idee kommt, diesem mit dem einfachen Kauf einer Flasche Wasser vorzubeugen, kann nicht nur mit der naheliegenden Begründung “Geiz“ abgekanzelt werden. Ich war verdammt durstig, ich hatte nen Brand wie ne Bergziege, und das einzige was da war, war warmes, abgestandenes Bier. Da meine Maxime aber bekanntlich besagt, in allem das Positive zu sehen, war ich einfach froh, dass ich nicht MJ bin. Dieser penible Bierverweigerer hätte es ohne mit der Wimper zu zucken im hohen Bogen ausgekotzt, sofern er es überhaupt überlebt hätte – und das meine ich durchaus ernst. Ich gehe schwer davon aus, dass er selbst beim Lesen dieser Zeilen mit einem Würgereiz kämpfen muss wie andere Leute, wenn sie daran denken, wie er in Tirana diesen verdammten Lammkopf gegessen hat…

Die erste Amtshandlung des Folgetages bestand darin, meinen immer noch vorhanden Brand mit dem Wasser aus der Minibar zu löschen – großes Kino, dass ich da des Nachts nicht drauf gekommen bin. Den Tag verbrachten wir mit Dolce Vita in Venedig. Ich muss ja zugeben, dass dieses Venedig schon eine Wucht ist. Klar, völlig überlaufen, völlig überteuert, aber es kommt auch nicht von ungefähr. Trotzdem waren wir froh, dass der Kalender Ende November anzeigt, so hielten sich dir Touristenströme abseits der Hauptplätze absolut im Rahmen. Wenn man sich durch ein paar Seitengassen von den zentralen Punkten weg schlängelte, waren  die Touris gar ganz verschwunden und man konnte ein anderes Bild von Venedig abseits der japanischen Spiegelreflexkameras erhaschen: Mamas, die bei offener Küche kochten; ältere Herren, die Domino spielend in der Sonne saßen; Handwerker, die an vergammelten Holzbooten rumwerkelten – alles genauso authentisch wie der stellenweise nur noch aus matschigem Moos bestehende Bodenbelag, der mich um ein Haar – und mehr fehlte wirklich nicht, lediglich meine überragenden Reflexe retteten mich – in einen stinkenden Kanal befördert hätte. Während wir kurz Zeit später an einem dieser Kanäle hockten, das Leben bei hervorragenden Antipasti und Vino Rosso genossen, und noch bevor uns die Rechnung derselben die Schuhe in ähnlicher Weise auszog wie kurze Zeit zuvor der „Straßenbelag“, wurde 100 km weiter westlich das Coppa Italia Spiel zwischen Chievo Verona und Novara angepfiffen. Eigentlich stand es auf der Agenda, wurde aber undiskutierter Weise gestrichen. Wie erwartet, war der Kick vor fast nicht vorhandener Kulisse eh der größte Rotz (wie uns die Livebilder im TV bewiesen), ein neuer Ground wäre es auch nicht gewesen, trotzdem bleiben dem Sammelsüchtigen einige Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war, schließlich stellen sich ihm die wirklich wichtigen Fragen im Leben, z.B. wann eine Liga als komplettiert gilt. Die einen sagen, wenn jedes Stadion besucht wurde, die anderen sagen, wenn man von jedem Verein ein Heimspiel gesehen hat. Ich bin ja ein Vertreter der These, dass es sowas von bumsegal ist und jeder zählen soll, wie er möchte, Hauptsache er hat Spaß dabei. Aber wenn ich mich schon festlegen müsste, dann bevorzuge ich schon die Zählweise auf Vereinshöhe. Von daher wäre der Spielbesuch in Anbetracht einer angestrebten Komplettierung der Serie A schon nötig gewesen, allerdings hätte das sicherlich in Konflikt mit dem weitaus wichtigerem Punkt „Spaß dabei“ gelegen. Eine Ausnahme von dieser Zählweise mache ich übrigens (noch) bei der Bundesliga, gilt die für mich doch als komplett, obwohl ich noch nie ein Heimspiel von Rasenball gesehen habe. So, und ich komme wieder vom Hundertstel ins Tausendstel,  aber wenn wir schon bei theoretischen Gedanken sind, kann ich hier direkt auch noch anschließen. Neulich kam im Freundeskreis die Diskussion auf, dass man dieses Etwas nicht Rasenball, sondern das Kind beim Namen nennen soll, da man sonst das perfide Spiel mitmachen würde. Ich vertrete da eine konträre Ansicht und versuche mir dieses Rasenball anzugewöhnen, auch wenn es sich komplett bescheuert anhört. Aber der Name wurde ja nur gewählt, weil man sich nicht nach dem ekelerregenden Getränk nennen durfte. Es ist schon so gewollt, dass im Sprachgebrauch eigentlich der verbotene Name genutzt wird. Von daher ist die Verwendung von „Rasenball“ meine ganz persönliche Art von kleinem Protest.

Von der Theorie zurück in die Praxis: Erst schüttete  sich MJ in der angrenzenden Birreria stilecht mit Vino zu, später hetzte er mich für die Länge eines englischen Fußballspiels durch das mittlerweile komplett verwaiste Venedig, immer auf der Suche nach einer gemütlichen Bar oder auch nur einem Kiosk, der noch ein kleines Döschen Bier verkaufen könnte. Ich hatte tagsüber echt gute Monster im Radar, es durfte jedoch keinen Meter von der vorgegeben Route abgewichen werden. Aber wehe der feie Herr leidet unter akuter Biernot, dann ist natürlich kein Weg zu weit und es wird in jede noch so dunkle Gasse gerannt, in der Hoffnung, eine Oma verkauft vielleicht aus einem Kellerfenster heraus noch ein paar gekühlte Brauereireserven. Der kann froh sein, dass mir das Aerodactyl direkt vor die Linse gehüpft ist, wobei ich glaube, viel froher war er noch, als wir kurz vor der Verzweiflung tatsächlich noch ein paar leckere Dosen Moretti abgreifen konnten. Natürlich kann  man sich denken, dass für mich in Anbetracht der arg fortgeschrittenen Uhrzeit ein paar Dosen ein paar zu viel waren (oder um es mathematisch auszudrücken: Anzahl nicht konsumierter Biere = Anzahl gekaufter Biere – 1). Bei MJ ist die Fließgeschwindigkeit freilich eine andere, schließlich besteht bei ihm immer die Gefahr, dass die köstliche Flüssigkeit minimal zu warm werden könnte – dem muss ja vorgebeugt werden.

Um 5:00 Uhr morgens war die Lagunenstadt noch ausgestorbener als während unserer Biersuche. So stand uns wenigstens keine ostasiatische Reisegruppe im Weg, als wir im Vollsprint zum Bahnhof eilten, um den gebuchten Zug nach Verona zu erwischen. Hätten wir dort abends mal den Kick gesehen, uns wäre einiges an Stress erspart geblieben, vermutlich aber eher, weil wir vor Langeweile gestorben wären. So erreichten wir müde, aber pünktlich den Flughafen, von wo uns WizzAir für faire 10,-€ nach Bukarest beamte.

Am dortigen Flughafen Otopeni deckten wir uns für den Preis einer venezianischen Bierdose mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln ein, für den Preis eines Schokoriegels beim Discounter transferierte uns der Bus in einer halben Stunde ins Zentrum. Unterwegs noch schnell ein Vier-Sterne-Hotel samt Frühstück für 15,-€ pro Person geschossen, was ich durchaus als Schnäppchen bezeichnen würde, ruhten wir unsere erschlafften Körper dort erstmal für einen Moment aus. Nicht nur das astreine TV-Programm, auch das abendliche Topspiel ließen uns jedoch nicht lange verweilen. Ein ausgewogenes Abendessen fiel einem Besuch im H&M zum Opfer, MJ hätte aber auch keine Ruhe mehr gegeben, bevor er nicht eine lange Unterhose und eine wärmende Kopfbedeckung sein eigen nennen durfte. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass es aber auch wirklich verdammt kalt war und auch ich trotz jeweils zweier Hosen, Pullis und Socken noch gut am Frieren war. Der zwischen Tür und Angel in der schönen, aber auch auf Touristen zugeschnittenen Altstadt eingeworfene Fraß sorgte für keine Linderung des Kälteempfindens, dafür aber für stetes Unwohlsein in der Magengegend. Für Jammern war aber keine Zeit, so dass wir uns schnurstracks per Droschke zum Nationalstadion befördern ließen.  Keine 2,-€ kostete das pro Person, so dass Taxifahren in Bukarest empfohlen werden kann, vor allem auch, weil uns niemand abziehen wollte. Am Stadion selbst ging der Kartenkauf erstaunlich schnell über die Bühne, wodurch wir noch rechtzeitig vor Anpfiff im Inneren der heute von alkoholischen Getränken befreiten Austragungsstätte angekommen sind. Ein kleiner Schock war es ja schon, als ich in der Woche vor Abreise bei einem Kontrollgang durch das weltweite Internet die Info aufschnappte, dass das Derby nicht wie ursprünglich angesetzt in Dinamos eigenem Stadion, sondern in der Kopie unseres allseits bekannten Waldstadions stattfinden sollte. So ein Derby n Osteuropa gehört einfach nicht in eine moderne Arena, da hätte ich aber lieber in der offenen Schüssel gefroren und schlecht gesehen. Es ist wie es ist, man muss es nehmen wie es kommt, also waren wir jetzt hier und somit zwei von insgesamt 22.785 zahlenden Zuschauern.

Dinamo Bucureşti – FC Steaua Bucureşti 3:1
22.785 Zuschauer (ca 1.000 Gäste)
Mi. 30.11.2016, 1. Liga Rumänien


Derby? Kein Derby? Daran scheiden sich die Geister genauso wie an der Frage, ob man beim Gedanken an ein Coldplaykonzert kotzen oder besser gleich Amok laufen soll. Um die Frage etwas zu beantworten, muss man kurz auf die jüngere Geschichte Steauas eingehen. Gegründet wurde Steaua 1947 (auch wenn die Bezeichnung „Steaua“ erst seit 1961 im Vereinsnamen auftaucht) als Verein der Armee. 1998 wurde die Fußballabteilung zwar privatisiert, der Klub wurde aber weiterhin als Armeeverein angesehen, die Namens- und Wappenrechte blieben ebenfalls bei dieser. Nachdem der Klub 2003 von George „Gigi“ Becali, eine höchstdiffuse Person mit Mafiaverbindungen und Knasterfahrung (so mal die ganz kurze Zusammenfassung), übernommen wurde, änderte sich alles. Die Armee war gegen die Übernahme und begann dagegen zu klagen, Teile der aktiven Fanszene starteten wenig später die ersten Protestaktionen gegen das Regime Becalis. Trotzdem wurde die Mannschaft bis zum Dezember 2014 weiterhin unterstützt. Dann aber entschied das höchste rumänische Gericht endgültig zu Gunsten der Armee, wodurch der Fußballabteilung die Nutzung des Namens „Steaua“ und des Logos untersagt wurde. Ein großer Teil der Fan- und  fast die komplette Ultraszene kehrten daraufhin der Sektion Fußball den Rücken und unterstützen seitdem verstärkt andere, sich noch in Hand der Armee befindliche Sportarten wie Rugby oder Handball. Mittlerweile darf Steaua mit der Begründung, dass dies nichts anderes als „Stern“ bedeutet und mehrere Vereine und Firmen so heißen, den Namen wieder nutzen, die Verwendung des Logos bleibt aber so tabu wie die Rückkehr der Fans zum Fußball, da diese sagen, die heutige Organisation hätte mit dem ursprünglichen Verein nichts mehr zu tun. Eine Beurteilung maße ich mir aus der Ferne nicht an. Das muss jeder selbst entscheiden, wie er damit umgeht. (Nachtrag: Mittlerweile ist der 14.12.2016. Gestern wurde bekannt gegeben, dass es zur neuen Saison ein von der Armee neugegründetes Steaua mit altem Logo geben wird, das in der 4. Liga starten und von der Ultraszene unterstützt wird).

Fakt ist aber auch, dass das Spiel sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung, als auch von Seiten Dinamos immer noch als das große Derby angesehen wird. Demensprechend konnte ich mich trotz der widrigen Umstände nicht von einer gewissen Vorfreude lossagen. Auf dem Weg zum Stadion sorgten die aus dem Inneren kommenden lautstaken Gesänge dafür, schnell die Einlasskontrollen hinter uns zu lassen. Das „Schnell“ dabei erledigte sich zwar aufgrund einer längeren Diskussion mit dem Ordnungspersonal wegen meines Fotoapparates, pünktlich waren wir dennoch. Überrascht war ich von den ca. 1.500 Gästefans, die einen erstaunlich lautstarken Auftritt hinlegten und zum Intro auch diverse Fackeln und Böller durch die Gegend schmissen. Dafür, dass ich mit gar nichts gerechnet hatte, ging das soweit klar. Mehr als schmuckes Beiwerk war es aber nicht, das Hauptaugenmerk lag ganz klar auf der Heimseite. Neben dem Gästeblock fanden sich die Gruppen ein, die sich im heimischen Stadion vor einiger Zeit vom traditionellen Stimmungszentrum der Peluza Nord lösten und seitdem im Süden stehen und zeigten zu Beginn eine kleine Blockfahne und mehrere Strobos. Der weitaus größere Fanblock stand jedoch hinter dem Tor unter dem großen Banner Peluza Cătălin Hîldan (ehemaliger Kapitän Dinamos, der im Jahr 2000 auf dem Spielfeld zusammenbrach und kurze Zeit später verstarb und nach dem seitdem die traditionelle Peluza Nord im Dinamo Stadion benannt ist) und bot zum Intro ganz großes Kino. Als die Mannschaften einliefen, wurde die Stadionbeleuchtung auf ein Minimum heruntergefahren, antiproportional dazu ein orchestrales Stück klassischer Musik (leider kann ich keine fundierte Angabe machen, um was es sich dabei handelte) auf ein noch erträgliches Maximum gepimpt. Durch die jetzt als Beleuchtung dienenden Handys reichte das alleine ja schon zur Gänsehauterzeugung, das Spektakel sollte aber erst beginnen. Vor der Kurve ließ man einen riesigen Theater-/Kinovorhang herunter, auf die von diesem eingerahmte Leinwand wurden Videos großer Triumphe projiziert. Leider war die Technik nicht ganz so stark wie die Choreoidee, so dass die Bilder nur sehr schwach zu erkennen waren – trotzdem ein ganz starker Auftakt, der auch einige Minuten dauerte. Als der Vorhang fiel und wir hinter die Kulissen blicken konnten, stellten wir fest, dass die Bösen oft ganz gut sind (und die Guten gerissen…), zeigten sie doch hier noch eine sehr schicke Pappenchoreo, über der mittels Seilkonstruktionen übergroße Dinamofans verschiedenen Alters hochgezogen wurden, die in Richtung Heimatstadion laufen.

Vom Einlauf der Teams bis zum Zeitpunkt, als der Schiedsrichter zur Spieleröffnung zum ersten Mal seine Pfeife nutze, dauerte es mehrere Minuten. Exakt zwölf Sekunden dauerte es danach, bis er zum Zweiten Male durch diese trötete.  In Verbindung mit seinem schnippigen Fingerzeig in Richtung der Kreidemarkierung elf Meter vor Dinamos Tor konnte dies nur eines bedeuten. Der fällige Elfmeter wurde sicher verwandelt, nach fünf Minuten führte der Tabellenführer bereits mit 1:0. Foul nach zwölf Sekunden, Ausführung des Strafstoßes nach fünf Minuten? Diese zeitliche  Differenz erklärt sich wie zu erwarten dadurch, dass die Ausführung durch ständige Böller- und Bengaloentsorgung im Strafraum verzögert wurde, so richtig gestört hat es keinen. Bei uns sorgte es hingegen genauso für gehässiges Händereiben, wieder Austausch von Nettigkeiten am Rande des Gästebereichs. Steaua provoziert, Dinamo macht ein paar Schritte in Richtung der unbeliebten Gäste, mehr passiert aber nicht. Hätte interessant werden können, wenn der richtige Pöbel anwesend gewesen wäre. Trotzdem überlegten wohl beide Teams, die Gemüter erstmal etwas zu beruhigen. Zu sagen, sie machten nicht mehr als nötig, wäre übertrieben, sie machten einfach gar nichts mehr. Der Atmosphäre tat dies jedoch genauso wenig einen Abbruch wie der frühe Gegentreffer. Was uns über die gesamte Spieldauer auf die Ohren gegeben wurde, verdient nichts weniger als das Prädikat „weltklasse“. Teilweise krass laut, geschlossen, sehr melodisch, erinnerte es stellenweise mehr an Italien als an Ostblock. Nach dem Ausgleich legte man nochmals eine Schippe zu, nach der Führung in der 6. Minute der Nachspielzeit gab es überhaupt kein Halten mehr. Bockstarker Auftritt, der sich auch so in der zweiten Hälfte fortsetzte, da machte es Spaß, trotz schlechtem Spiel und kaum auszuhaltender Kälte – es gab nicht mal wärmende Getränke, von Bier ganz zu schweigen – Kurve zu schauen. Für das fußballerische Highlight sorgte der von uns als stocksteifer Antifußballer verschriene Stürmer Adam Nemec (man fragt sich, wie er tatsächlich auf vier Bundesliga- und jede Menge Zweitligatore kommen konnte), als er einen mehr als missglückten Rückpass aufnahm, den Gästekeeper umkreiste und seinen Treffer mit einem Sprung in die Kurve feierte. Dem sich anbahnenden Derbysieg wurde mit einer weiteren Lehrstunde in Sachen Stimmung entgegengefiebert, während Steauas Anhang nur noch durch ein Sprengstoffattentat auf Dinamos Torwart auffiel, ansonsten aber schon in Scharen das Stadion verließ, bis ihr Sektor zum Abpfiff schließlich komplett geräumt war.

Um zurück in die Stadt zu kommen, war es MJ trotz langer Unterhose zum Laufen zu kalt, ein Taxi ließ sich nicht auftreiben, Bahn und Bus wäre auch mit Laufen und Warten in Verbindung gewesen (zählt das schon als Wortspiel?), da war es mehr als nur Schicksal, dass wir ein noch zu später Stunde geöffnetes Lokal ausfindig machten. Bei leckerer Pasta und noch leckerem Cuba Libre werteten wir neben dem Spiel wohl auch den Sinn des Lebens aus, zumindest waren wir kurz vorm versacken und merkten gar nicht, wie die Zeit verrann. Laurențiu Reghecampf, seines Zeichen Trainer Steauas – womit wir wieder beim Thema sind, welche abgehalfterten Altstars man wo wieder trifft – war derweil der gefragteste Mann auf den Fernseh-bildschirmen, uns verleitete er zum Nachdenken über rumänische Bundesliga-legionäre – weit gekommen sind wir nicht. Dafür kamen wir tatsächlich für umgerechnet 1,25€ nochmals in die Altstadt. Auf den ersten Blick wirkte diese ausgestorben, die donnernden Elektrobeats deuteten aber darauf hin, dass in den Seitenstraßen der Bär steppte. Im inneren Konflikt mit uns selbst, ob wir uns in die feierwütige Masse stürzen oder die Vernunft gewinnen lassen sollten, war es MJ, der für sofortigen Heimgang plädierte – also sofort natürlich in dem Sinne, dass noch das ein oder andere eiskalte Bier für den Weg und das Zimmer eingepackt werden musste. Aber trotzdem, dass ich das noch erleben durfte, der Herr scheint vernünftig zu werden. Aber er ist ja auch nicht mehr der Jüngste und seine vor einem halben Jahr erwähnte relative Treue gegenüber der damaligen Liaison ist einer absoluten Treue der jetzigen Lebensgefährtin gewichen. Es schadet ja nicht. Und muss ich eigentlich noch explizit erwähnen, dass der Bierkauf so ziemlich genauso sinnvoll war wie eben jener vor Tagesfrist in Venedig?
Wenigstens hatten wir so am nächsten Morgen ein erfrischendes Gute-Laune-Getränk. So richtig wollte ich das Bett zwar nicht verlassen, zu angefixt war ich vom TV-Programm. Eine Produktion namens „Dinotopia“ zog mich komplett in seinen Bann, spätestens als die sprechenden Dinosaurier als Bibliothekare in Waterfall City aushelfen mussten, reichte es MJ jedoch und ich zwang mich aufgrund des jetzt ausgeschalteten Apparates doch aus den nicht spürbaren Federn. Bukarest war am Morgen des ersten Dezembers wie leergefegt, kaum ein Auto befuhr die von monströsen Platten flankierten Boulevards - Es ist Nationalfeiertag (Tag der Einheit: Vereinigung des Altreichs mit Transsylvanien im Jahre 1918). Die Straßen waren in Nationalfahnen, der Himmel von allen erdenklichen Flugobjekten der Armee geschmückt. Während wir im Park gegenüber Nicolae Ceaușescus Parlamentspalast, das nach dem Pentagon flächenmäßig zweitgrößte Gebäude der Welt, unser flüssiges Frühstück genossen, schossen über uns immer wieder Dreierformationen verschiedenster Bomber, Kampfjets oder Hubschrauber. Obwohl es genauso beeindruckend wie beängstigend wie laut war, mussten wir weiter, die Abfahrt des Zuges nach Sofia würde sich nicht wegen des Fehlens zweier Milchgesichter aus Deutschland verschieben. Am Gara de Nord sind klebstoffschnüffelnde Kids genauso Vergangenheit wie die meisten streunernden Köter, den rumlungernden zukünftigen Zugreisenden werden aber allerhand Konsumgüter angeboten. So gaben wir unsere letzten Lei für Fahrtproviant aus, was in etwa der Wochenration einer dreiköpfigen Familie bzw. der Vorglühmenge Bier eines MJs entsprach. Die folgenden zehn Stunden konnten ja nur gut werden.

Bilder werden wie immer nachgereicht
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Wollte ja noch ein paar Bilder nachreichen...also hier mit reichlich Verspätung (und irgendwie klappt es nicht ganz so wie beim letzten Mal...):

Venezia - Padova

Hoch die Hände:
https://abload.de/img/img_03736rx6j.jpg

Curva Sud:
https://abload.de/img/img_0382hib0g.jpg

Die Zettel dürften gerne größer sein:
https://abload.de/img/img_03835dyxj.jpg

Settore Ospiti:
https://abload.de/img/img_0426t8smc.jpg

Torwart im Feuer:
https://abload.de/img/img_03969zssp.jpg

Diese Fahne
https://abload.de/img/img_041596sfx.jpg

1:1
https://abload.de/img/img_0431hrs4l.jpg

Siegesfeier:
https://abload.de/img/img_0443amso6.jpg

Seltenes Bild:
https://abload.de/img/img_0454ags83.jpg


Derby in Bukarest

Choreo Teil 1:
https://abload.de/img/img_0455b2k1s.jpg

Choreo Teil 2 (scheiß Technik):
https://abload.de/img/img_0459f6jsz.jpg

Choreo Teil 3:
https://abload.de/img/img_0467i8kvh.jpg

Gästeblock:
https://abload.de/img/img_0468wljm4.jpg

Forca Chape:
https://abload.de/img/img_0490kek7p.jpg

Sieg:
https://abload.de/img/img_0505efkc0.jpg

Parlamentspalast:
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Flugshow:
https://abload.de/img/img_0516rhk86.jpg


Bonus

Pyroshow Levski Sofia:
https://abload.de/img/img_055912s6z.jpg
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Wollte ja noch ein paar Bilder nachreichen...also hier mit reichlich Verspätung (und irgendwie klappt es nicht ganz so wie beim letzten Mal...):

Venezia - Padova

Hoch die Hände:
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Curva Sud:
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Die Zettel dürften gerne größer sein:
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Settore Ospiti:
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Torwart im Feuer:
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Diese Fahne
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1:1
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Siegesfeier:
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Seltenes Bild:
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Derby in Bukarest

Choreo Teil 1:
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Choreo Teil 2 (scheiß Technik):
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Choreo Teil 3:
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Gästeblock:
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Forca Chape:
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Sieg:
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Parlamentspalast:
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Flugshow:
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Bonus

Pyroshow Levski Sofia:
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die Fahne ist echt der Hammer
aber klasse, dass Du den tollen Schilderungen jetzt auch noch Impressionen folgen lässt. Hätte es nicht zwingend gebraucht, so lebhaft war das beschrieben. Dennoch schön, dass Du Dir die Mühe gemacht hast.


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