Ein wie ich finde sehr guter Bericht zur Sicherheitshysterie und die Medienhetze ein Jahr vor der WM! ...............................................
Hooligans, Ultras, Pilze, Polizisten und der DFB Endlich hat Deutschland wieder neue Schreckensnachrichten: tausende marodierender Hooligans, die offensichtlich seit Jahren im Untergrund leben, sich mit einem normalen Leben tarnen und im kommenden Sommer zuschlagen werden. Deutschland hat ein Sicherheitsproblem, die Hysterie kennt keine Grenzen mehr.
Was ist eigentlich passiert? Vor gut drei Wochen fand im slowenischen Celje ein Länderspiel statt. Dabei kam es vor dem Spiel zu gewalttätigen Ausschreitungen einiger deutscher Fans. Erstmals seit langer Zeit schien niemand großartige Ausreiseprobleme zu haben und auch kein Zivilpolizist war aus Slowenien angefordert worden – man käme alleine zurecht, hieß es. Plötzlich geschieht etwas, das man wohl als Tabubruch bezeichnen muss: Erstmals schlagen sich bei einem Länderspiel Deutsche Fans untereinander, Kölner gegen Dortmunder. Der Grund dafür ist uns nicht bekannt. Angeblich ging das Ganze aber von einem Kölner aus, später schalteten sich wohl auch andere Fangruppen ein. Dann erschien die Polizei und alles endete im Chaos.
So weit, so schlecht. Durch diese Geschichte war die Stimmung fortan sehr aggressiv und aufgeheizt. Das ist natürlich keine Entschuldigung für das spätere Verhalten im Stadion. Genauso wenig ist aber das anschließende Verhalten einiger Medien zu entschuldigen. So wurde beispielsweise ein „zerschlagener Polizeiwagen“ gezeigt, der jedoch in Wahrheit bei einem Verkehrsunfall zu Schaden kam. Auch die überall abgelichteten Verletzten, die von slowenischen Polizisten abgeführt wurden, waren keine Deutschen, sondern Slowenen, die nach dem Spiel eine Schlägerei mit Deutschen anzettelten. Die Süddeutsche Zeitung erhob darauf die Slowenen zum kulturbeflissenen, friedlichen Völkchen, das Gewalt gar nicht kenne und von den rüpelhaften Deutschen quasi überfallen wurde. Natürlich wurde das alles nie richtig gestellt. Genauso wenig wurde jemals über die Schlägereien untereinander berichtet, geschweige denn sich überhaupt dafür interessiert. Es wäre doch durchaus spannend zu erfahren, warum und wieso es überhaupt dazu kam, oder etwa nicht?
Für das übertragende ZDF waren die Ausschreitungen indes ein echter Glücksfall. In Zeiten, wo man selbst für solch eigentlich belanglose Länderspiele 2-3 Stunden Übertragungszeit einplant, war nun für Stimmung gesorgt. Kommentator Bela Rethy ging das gesamte Arsenal von „Leuchtraketen“ bis „Sprengkörper“ durch und hatte doch keine Ahnung, dass es „lediglich“ bengalische Fackeln waren, die auf dem Platz landeten. Darunter übrigens auch eine aus dem slowenischen Block, den Rethy dann aber kurzerhand zu einem gemischten Block machte, um ja nicht den Eindruck entstehen zu lassen, hier könnten auch andere als deutsche Landsleute randalieren. Man will den Zuschauer ja nicht überfordern. Die eigentliche Heuchelei zeigte das gleiche ZDF noch ein paar Tage zuvor, als es mit großer Begeisterung über die Pyroshow der Stuttgarter in Parma berichtete. Damals war nicht die Rede von Idioten und Feinden des Fußballs – was ja auch sonst nie der Fall ist, wenn man solche Bilder aus Südeuropa sieht. Zurück nach Celje: Leider konnten von unseren Landsleuten einige offenkundig nicht aus ihrer Haut und mussten sich im Stadion vor aller Öffentlichkeit weiter produzieren. Allen vorweg ein Sportsfreund aus Bochum, der mit stilechter Burberry-Baseballkappe und nacktem Oberkörper zum TV-Star des Abends mutierte. Sein Auftreten wird er heute mehr als bereuen, auch wenn ihm das jetzt nur noch wenig hilft. Zwischendurch flogen noch einige Sitzschalen, die entweder herausgerissen wurden oder einfach abbrachen, was – man glaubt es kaum – Wochenende für Wochenende vorkommt. Warum man sie dann aber noch durch den Block werfen muss, erschließt sich uns nicht. Die Mischung aus Alkohol und Dummheit war daran wohl Schuld.
Nach dem Spiel probt die slowenische Polizei eine Blocksperre. Und wie das bei Blocksperren immer wieder ist, drängt alles zum Ausgang und will raus. Vorne geht’s nicht weiter, hinten drängelt alles – und schon bricht ein Geländer ab, zum Glück passiert bei dieser Szene nichts und niemand fällt die Treppen runter. Für das Kompetenzteam des DSF war das dann übrigens Randale und ein Angriff auf die Polizei mit einer Rauchbombe, weil im Hintergrund Rauchpulver auflodert. Der Unterschied zwischen Rauchbomben und Rauchpulver sollte übrigens dringend mal in einem Lehrgang für Sportreporter erklärt werden. Beides hat zwar im Stadion nichts zu suchen, die Gefahr ist aber höchst unterschiedlich.
In Celje war es eine Mischung aus Aggressivität, Alkohol und inkompetenter Polizei ausschlaggebend für die Ausschreitungen. Für das Medienecho und die hetzerisch-reißerischen Berichte sind aber in erster Linie Medienunternehmen verantwortlich. Erwartungsgemäß kam es in den Folgewochen in den Ligen 1-3 zu Nachahmungseffekten. Plötzlich brennt wieder öfter bengalisches Feuer in den Blöcken und Burberry oder die entsprechenden Fakes dürften neue Umsatzrekorde verzeichnet haben.
Für den Großteil der oberflächlich berichtenden Medien ist das nun das Fanal für die Berichterstattung „Hooligans in Deutschland“. Jeder bekommt einen angeblichen Hooligan vor die Kamera, der wahlweise Arzt oder Kaufmann ist und ansonsten ein ruhiges Leben führt. Angst geht um, die Hooligans sind alle unter uns und tarnen sich als Spießbürger. Und alle wissen nun, davon zu berichten, dass es 2006 in Deutschland „knallen“ werde, alle tierisch motiviert seien und überhaupt die Hooliganszene nicht tot sei. Der unvermeidliche „Hooligan-Forscher“ Professor Günther Pilz bekommt nun auch endlich seinen Auftritt und behauptet, dass sich die Ultras zu „Hooltras“ gewandelt hätten und er dafür sei, die Zügel wieder anzuziehen. Übrigens bezieht Herr Pilz den Großteil seiner Forschungsaufträge angeblich vom DFB. Und dann die Krönung am Dienstagabend: Championsleague. Inter verliert zum x-ten Mal in den letzten Jahren ein Derby gegen den AC Milan. Ein Tor wird nicht anerkannt, die Inter-Ultras rasten aus und decken den Platz mit allen möglichen Gegenständen ein, darunter auch zahlreiche Bengalische Fackeln, aus denen bei SAT1 und Premiere wieder Leuchtraketen oder gar Leuchtspurmunition werden (grundsätzlich nicht weniger gefährlich, aber Rakete klingt natürlich wesentlich martialischer). Milan-Torwart Dida wird getroffen, sackt zusammen und muss ausgetauscht werden. Das Spiel wird schließlich abgebrochen, als sich die Situation nicht bessert. Abgesehen von der grenzenlosen Dummheit der Interisti, die das angezettelt haben, stellt sich wohl nicht nur uns die Frage, wie so etwas überhaupt möglich war. Ganz einfach: In Italien ist es an der Tagesordnung, dass die großen Ultragruppen den Ordnungsdienst selbst stellen und somit immer bengalische Fackeln ins Stadion bringen. Diese fliegen unsinnigerweise auch immer wieder aufs Spielfeld oder in gegnerische Fanblöcke. Dass aber ein Spieler getroffen wird, bedeutet eine neue Qualität.
Nun sind wieder die selbsternannten Experten am Zug: Munter vermischen sie Slowenien, Cottbus, Dresden und Inter zum explosiven WM-Bedrohungs-Cocktail. Abgesehen davon, dass italienische Ultras zu 99% nicht mal ansatzweise an ihrer Nationalmannschaft interessiert sind, ist diese miese Berichterstattung eher gefährlich als förderlich. Auch ein Großteil der deutschen Ultras interessiert sich nur am Rande für die WM, da man sich als Normalfan dort gar nicht willkommen sieht – Preis- und Kartenpolitik sei Dank. Und an Randale sind deutsche Ultras in der Regel auch nicht interessiert.
DFL-Geschäftsführer Werner Hackmann verkündete inzwischen aber, dass die DFL und der DFB nun wieder härter zugreifen werden, auch wenn das den Fans nicht gefalle. Oha! Welche bislang locker gehaltenen Zügel Herr Hackmann meint, wird er sicherlich gut erklären können, oder? Meinte er, dass man als Gastfan inzwischen in jedem Neubau in einer Art Glaskäfig steht, durch Tunnel läuft und keinerlei Möglichkeit hat, die Stadt zu sehen? Oder redet er davon, dass man bei einem bundesweiten Stadionverbot keinerlei rechtliche Handhabe dagegen hat, sofern man nicht zufällig Geld für einen Anwalt hat? Oder aber davon, wie die Stehplätze für Gästefans immer weniger, dafür aber immer teurer werden? Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte schreibt in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung, dass die zunehmende Kriminalisierung junger Fußballfans in die falsche Richtung führt (http://f51.parsimony.net/forum204506/messages/2817.htm).
Welcher Irrsinn schon jetzt getrieben wird, war am vergangenen Wochenende zu beobachten: die zwei Busse des Commando Cannstatt (Ultras des VfB) wurden ab Berlin von einem Polizeihubschrauber begleitet und etwa 50 Kilometer vor Rostock von knapp 30 Polizeiwannen abgefangen. Die Rostocker Polizei stellte sich vor und erklärte, dass sie eine Warnung ihrer Stuttgarter Kollegen erhalten habe, an Bord befänden sich Gewalttäter und Pyrotechnik. Daraufhin wurden alle abgetastet, mussten dazu den Bus verlassen, den die Polizei so gleich durchsuchte. Gefunden wurde nichts und die Rostocker Polizei entschuldigte sich (das ist wirklich außergewöhnlich) und schob es auf die Stuttgarter Kollegen. Fotos: www.lostboys99.de. Und als wäre das alles nicht genug, werden am Samstag in Mönchengladbach Mainzer Fußballfans in eine Auseinandersetzung mit der Polizei gebracht, bei der sogar Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Mainzer Fanprojekts zu Schaden kommen (http://f51.parsimony.net/forum204506/messages/2936.htm). Natürlich erschienen auch hier kaum Berichte in den Medien, die die Szenerie differenziert darstellten, es wurde nur munter der Polizeibericht abgetippt, wie jedes Wochenende. Muss solche Einsätze eigentlich niemand mehr rechtfertigen? Was kostet das? Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit der Mittel? Wer überwacht die Polizei? Warum muß sich ein Polizist der Hundertschaft nicht durch eine Nummer kenntlich machen, damit man hinter der Maskierung auch den Schuldigen erkennt?
Für die WM 2006 bleibt das bittere Fazit, dass wir seit geraumer Zeit nur noch über hohe Kosten, Sponsoren, zu wenig bezahlbare Karten und Sicherheit reden. Wo ist das Programm für Fußballfans? Wo ist die Möglichkeit, Fans aus aller Herren Länder kennen zu lernen? Wo sind die positiven Nachrichten über dieses Großereignis? Sind wir Fußballfans nun allesamt ein Sicherheitsrisiko? Es mutet teilweise schon merkwürdig an, wenn Fans selbst in die Hysterie einsteigen und für sich selbst Sippenhaft fordern.
Die Welt zu Gast bei Freunden – sind die Freunde uniformiert?
ein sehr sehr guter bericht wie ich finde. wenngleich ich einige dinge darin nicht überprüfen bzw. bewerten kann, sondern "einfach so akzeptiere".
dennoch rief eine kleine stelle des berichts bei mir unbehagen hervor. es ging um folgendes auszug:
Graefle schrieb: Und dann die Krönung am Dienstagabend: Championsleague. Inter verliert zum x-ten Mal in den letzten Jahren ein Derby gegen den AC Milan. Ein Tor wird nicht anerkannt, die Inter-Ultras rasten aus und decken den Platz mit allen möglichen Gegenständen ein, darunter auch zahlreiche Bengalische Fackeln, aus denen bei SAT1 und Premiere wieder Leuchtraketen oder gar Leuchtspurmunition werden (grundsätzlich nicht weniger gefährlich, aber Rakete klingt natürlich wesentlich martialischer). Milan-Torwart Dida wird getroffen, sackt zusammen und muss ausgetauscht werden. Das Spiel wird schließlich abgebrochen, als sich die Situation nicht bessert. Abgesehen von der grenzenlosen Dummheit der Interisti, die das angezettelt haben, stellt sich wohl nicht nur uns die Frage, wie so etwas überhaupt möglich war. Ganz einfach: In Italien ist es an der Tagesordnung, dass die großen Ultragruppen den Ordnungsdienst selbst stellen und somit immer bengalische Fackeln ins Stadion bringen. Diese fliegen unsinnigerweise auch immer wieder aufs Spielfeld oder in gegnerische Fanblöcke. Dass aber ein Spieler getroffen wird, bedeutet eine neue Qualität.
auch wenn der abschluss dieses abschnitts wieder etwas relativiert, erzeugt dieser teil des berichts bei mir das gefühl, dass die vorfälle in mailand etwas verharmlost werden sollen. ganz unterschwellig, zwsichen den zeilen sozusagen. wenn dem so ist, ist es ziemlich geschickt "verpackt". auf jeden fall reagiere ich auf so etwas im moment ziemlich leicht. vorfälle wie sie woche für woche in und um fussballstadien geschehen, bei denen willkür und staatliche gewalt ungezügelt walten, kotzen mich an. genau so wie die "ami-maessige hysterie erzeugung" europäischer politiker, die anscheinend im moment so etwas wie einen freibrief sehen, um rechte von bürgern zu beschneiden, teilweise sogar mit füssen treten (lassen). das hat aber nichts damit zu tun, dass vorfälle wie sie seit monaten/jahren in italien immer mehr um sich greifen, durch nichts und niemanden zu enstchuldigen sind. ab einem level wie es bei dem mailänder derby abging, ist kein diskussionsspielraum mehr vorhanden. das war assig, gefährlich und auch in meinen augen eine schande für den fussball.
vielleicht verstehe ich das geschrieben falsch, vielleicht auch nicht. berichte dieser art sin wichtig, da sie dinge aufzeigen die die meisten menschen überhaupt noch nicht begriffen haben. genau deshalb sollte jedes wort darin 100 % gewählt sein, um nicht den eindruck zu erwecken, etwas wie in mailand sei nur "halb so schlimm". das war es nicht.
ich habe die gewaltorgien in stadien in den achtzigern/neunzigern erlebt. dass will ich nicht wieder haben. auch damals schlugen sich sogar fans einer mannschaft untereinander (parrallele kölner->dortmunder bei länderspiel). es war oftmals assig und es herschte eigentlich immer eine anspannung. viele (ich zum beispiel) gingen oft mit einer unterschwelligen angst ins stadion. ich bin froh dass es im moment nicht so ist und will auch nicht dass das wiederkommt. deshalb dreh ich auch durch,, wenn ich szenen wie bei karsruhe - dresden (leuchtspur in den block des ksc) oder so eine scheisse wie in mailand sehe.
die ausgesprochene starfe für inter ist imho ein witz.
Medienhetze ein Jahr vor der WM!
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Hooligans, Ultras, Pilze, Polizisten und der DFB
Endlich hat Deutschland wieder neue Schreckensnachrichten: tausende
marodierender Hooligans, die offensichtlich seit Jahren im Untergrund leben,
sich mit einem normalen Leben tarnen und im kommenden Sommer zuschlagen
werden. Deutschland hat ein Sicherheitsproblem, die Hysterie kennt keine
Grenzen mehr.
Was ist eigentlich passiert? Vor gut drei Wochen fand im slowenischen Celje
ein Länderspiel statt. Dabei kam es vor dem Spiel zu gewalttätigen
Ausschreitungen einiger deutscher Fans. Erstmals seit langer Zeit schien
niemand großartige Ausreiseprobleme zu haben und auch kein Zivilpolizist war
aus Slowenien angefordert worden – man käme alleine zurecht, hieß es.
Plötzlich geschieht etwas, das man wohl als Tabubruch bezeichnen muss:
Erstmals schlagen sich bei einem Länderspiel Deutsche Fans untereinander,
Kölner gegen Dortmunder. Der Grund dafür ist uns nicht bekannt. Angeblich
ging das Ganze aber von einem Kölner aus, später schalteten sich wohl auch
andere Fangruppen ein. Dann erschien die Polizei und alles endete im Chaos.
So weit, so schlecht. Durch diese Geschichte war die Stimmung fortan sehr
aggressiv und aufgeheizt. Das ist natürlich keine Entschuldigung für das
spätere Verhalten im Stadion. Genauso wenig ist aber das anschließende
Verhalten einiger Medien zu entschuldigen. So wurde beispielsweise ein
„zerschlagener Polizeiwagen“ gezeigt, der jedoch in Wahrheit bei einem
Verkehrsunfall zu Schaden kam. Auch die überall abgelichteten Verletzten,
die von slowenischen Polizisten abgeführt wurden, waren keine Deutschen,
sondern Slowenen, die nach dem Spiel eine Schlägerei mit Deutschen
anzettelten. Die Süddeutsche Zeitung erhob darauf die Slowenen zum
kulturbeflissenen, friedlichen Völkchen, das Gewalt gar nicht kenne und von
den rüpelhaften Deutschen quasi überfallen wurde. Natürlich wurde das alles
nie richtig gestellt. Genauso wenig wurde jemals über die Schlägereien
untereinander berichtet, geschweige denn sich überhaupt dafür interessiert.
Es wäre doch durchaus spannend zu erfahren, warum und wieso es überhaupt
dazu kam, oder etwa nicht?
Für das übertragende ZDF waren die Ausschreitungen indes ein echter
Glücksfall. In Zeiten, wo man selbst für solch eigentlich belanglose
Länderspiele 2-3 Stunden Übertragungszeit einplant, war nun für Stimmung
gesorgt. Kommentator Bela Rethy ging das gesamte Arsenal von „Leuchtraketen“
bis „Sprengkörper“ durch und hatte doch keine Ahnung, dass es „lediglich“
bengalische Fackeln waren, die auf dem Platz landeten. Darunter übrigens
auch eine aus dem slowenischen Block, den Rethy dann aber kurzerhand zu
einem gemischten Block machte, um ja nicht den Eindruck entstehen zu lassen,
hier könnten auch andere als deutsche Landsleute randalieren. Man will den
Zuschauer ja nicht überfordern.
Die eigentliche Heuchelei zeigte das gleiche ZDF noch ein paar Tage zuvor,
als es mit großer Begeisterung über die Pyroshow der Stuttgarter in Parma
berichtete. Damals war nicht die Rede von Idioten und Feinden des Fußballs –
was ja auch sonst nie der Fall ist, wenn man solche Bilder aus Südeuropa
sieht. Zurück nach Celje: Leider konnten von unseren Landsleuten einige
offenkundig nicht aus ihrer Haut und mussten sich im Stadion vor aller
Öffentlichkeit weiter produzieren. Allen vorweg ein Sportsfreund aus Bochum,
der mit stilechter Burberry-Baseballkappe und nacktem Oberkörper zum TV-Star
des Abends mutierte. Sein Auftreten wird er heute mehr als bereuen, auch
wenn ihm das jetzt nur noch wenig hilft. Zwischendurch flogen noch einige
Sitzschalen, die entweder herausgerissen wurden oder einfach abbrachen, was
– man glaubt es kaum – Wochenende für Wochenende vorkommt. Warum man sie
dann aber noch durch den Block werfen muss, erschließt sich uns nicht. Die
Mischung aus Alkohol und Dummheit war daran wohl Schuld.
Nach dem Spiel probt die slowenische Polizei eine Blocksperre. Und wie das
bei Blocksperren immer wieder ist, drängt alles zum Ausgang und will raus.
Vorne geht’s nicht weiter, hinten drängelt alles – und schon bricht ein
Geländer ab, zum Glück passiert bei dieser Szene nichts und niemand fällt
die Treppen runter. Für das Kompetenzteam des DSF war das dann übrigens
Randale und ein Angriff auf die Polizei mit einer Rauchbombe, weil im
Hintergrund Rauchpulver auflodert. Der Unterschied zwischen Rauchbomben und
Rauchpulver sollte übrigens dringend mal in einem Lehrgang für Sportreporter
erklärt werden. Beides hat zwar im Stadion nichts zu suchen, die Gefahr ist
aber höchst unterschiedlich.
In Celje war es eine Mischung aus Aggressivität, Alkohol und inkompetenter
Polizei ausschlaggebend für die Ausschreitungen. Für das Medienecho und die
hetzerisch-reißerischen Berichte sind aber in erster Linie Medienunternehmen
verantwortlich. Erwartungsgemäß kam es in den Folgewochen in den Ligen 1-3
zu Nachahmungseffekten. Plötzlich brennt wieder öfter bengalisches Feuer in
den Blöcken und Burberry oder die entsprechenden Fakes dürften neue
Umsatzrekorde verzeichnet haben.
Für den Großteil der oberflächlich berichtenden Medien ist das nun das Fanal
für die Berichterstattung „Hooligans in Deutschland“. Jeder bekommt einen
angeblichen Hooligan vor die Kamera, der wahlweise Arzt oder Kaufmann ist
und ansonsten ein ruhiges Leben führt. Angst geht um, die Hooligans sind
alle unter uns und tarnen sich als Spießbürger. Und alle wissen nun, davon
zu berichten, dass es 2006 in Deutschland „knallen“ werde, alle tierisch
motiviert seien und überhaupt die Hooliganszene nicht tot sei. Der
unvermeidliche „Hooligan-Forscher“ Professor Günther Pilz bekommt nun auch
endlich seinen Auftritt und behauptet, dass sich die Ultras zu „Hooltras“
gewandelt hätten und er dafür sei, die Zügel wieder anzuziehen. Übrigens
bezieht Herr Pilz den Großteil seiner Forschungsaufträge angeblich vom DFB.
Und dann die Krönung am Dienstagabend: Championsleague. Inter verliert zum
x-ten Mal in den letzten Jahren ein Derby gegen den AC Milan. Ein Tor wird
nicht anerkannt, die Inter-Ultras rasten aus und decken den Platz mit allen
möglichen Gegenständen ein, darunter auch zahlreiche Bengalische Fackeln,
aus denen bei SAT1 und Premiere wieder Leuchtraketen oder gar
Leuchtspurmunition werden (grundsätzlich nicht weniger gefährlich, aber
Rakete klingt natürlich wesentlich martialischer). Milan-Torwart Dida wird
getroffen, sackt zusammen und muss ausgetauscht werden. Das Spiel wird
schließlich abgebrochen, als sich die Situation nicht bessert. Abgesehen von
der grenzenlosen Dummheit der Interisti, die das angezettelt haben, stellt
sich wohl nicht nur uns die Frage, wie so etwas überhaupt möglich war. Ganz
einfach: In Italien ist es an der Tagesordnung, dass die großen Ultragruppen
den Ordnungsdienst selbst stellen und somit immer bengalische Fackeln ins
Stadion bringen. Diese fliegen unsinnigerweise auch immer wieder aufs
Spielfeld oder in gegnerische Fanblöcke. Dass aber ein Spieler getroffen
wird, bedeutet eine neue Qualität.
Nun sind wieder die selbsternannten Experten am Zug: Munter vermischen sie
Slowenien, Cottbus, Dresden und Inter zum explosiven WM-Bedrohungs-Cocktail.
Abgesehen davon, dass italienische Ultras zu 99% nicht mal ansatzweise an
ihrer Nationalmannschaft interessiert sind, ist diese miese
Berichterstattung eher gefährlich als förderlich. Auch ein Großteil der
deutschen Ultras interessiert sich nur am Rande für die WM, da man sich als
Normalfan dort gar nicht willkommen sieht – Preis- und Kartenpolitik sei
Dank. Und an Randale sind deutsche Ultras in der Regel auch nicht
interessiert.
DFL-Geschäftsführer Werner Hackmann verkündete inzwischen aber, dass die DFL
und der DFB nun wieder härter zugreifen werden, auch wenn das den Fans nicht
gefalle. Oha! Welche bislang locker gehaltenen Zügel Herr Hackmann meint,
wird er sicherlich gut erklären können, oder? Meinte er, dass man als
Gastfan inzwischen in jedem Neubau in einer Art Glaskäfig steht, durch
Tunnel läuft und keinerlei Möglichkeit hat, die Stadt zu sehen? Oder redet
er davon, dass man bei einem bundesweiten Stadionverbot keinerlei rechtliche
Handhabe dagegen hat, sofern man nicht zufällig Geld für einen Anwalt hat?
Oder aber davon, wie die Stehplätze für Gästefans immer weniger, dafür aber
immer teurer werden?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte schreibt in einer kürzlich
veröffentlichten Pressemitteilung, dass die zunehmende Kriminalisierung
junger Fußballfans in die falsche Richtung führt
(http://f51.parsimony.net/forum204506/messages/2817.htm).
Welcher Irrsinn schon jetzt getrieben wird, war am vergangenen Wochenende zu
beobachten: die zwei Busse des Commando Cannstatt (Ultras des VfB) wurden ab
Berlin von einem Polizeihubschrauber begleitet und etwa 50 Kilometer vor
Rostock von knapp 30 Polizeiwannen abgefangen. Die Rostocker Polizei stellte
sich vor und erklärte, dass sie eine Warnung ihrer Stuttgarter Kollegen
erhalten habe, an Bord befänden sich Gewalttäter und Pyrotechnik. Daraufhin
wurden alle abgetastet, mussten dazu den Bus verlassen, den die Polizei so
gleich durchsuchte. Gefunden wurde nichts und die Rostocker Polizei
entschuldigte sich (das ist wirklich außergewöhnlich) und schob es auf die
Stuttgarter Kollegen. Fotos: www.lostboys99.de. Und als wäre das alles nicht
genug, werden am Samstag in Mönchengladbach Mainzer Fußballfans in eine
Auseinandersetzung mit der Polizei gebracht, bei der sogar Frauen, Kinder
und Mitarbeiter des Mainzer Fanprojekts zu Schaden kommen
(http://f51.parsimony.net/forum204506/messages/2936.htm). Natürlich
erschienen auch hier kaum Berichte in den Medien, die die Szenerie
differenziert darstellten, es wurde nur munter der Polizeibericht abgetippt,
wie jedes Wochenende.
Muss solche Einsätze eigentlich niemand mehr rechtfertigen? Was kostet das?
Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit der Mittel? Wer überwacht die Polizei?
Warum muß sich ein Polizist der Hundertschaft nicht durch eine Nummer
kenntlich machen, damit man hinter der Maskierung auch den Schuldigen
erkennt?
Für die WM 2006 bleibt das bittere Fazit, dass wir seit geraumer Zeit nur
noch über hohe Kosten, Sponsoren, zu wenig bezahlbare Karten und Sicherheit
reden. Wo ist das Programm für Fußballfans? Wo ist die Möglichkeit, Fans aus
aller Herren Länder kennen zu lernen? Wo sind die positiven Nachrichten über
dieses Großereignis? Sind wir Fußballfans nun allesamt ein
Sicherheitsrisiko? Es mutet teilweise schon merkwürdig an, wenn Fans selbst
in die Hysterie einsteigen und für sich selbst Sippenhaft fordern.
Die Welt zu Gast bei Freunden – sind die Freunde uniformiert?
Solte man im Büro vom Schilly,jeder Bullenstation,
"Sportreporterstudio"..., zur Pflichtlektüre machen!!
Ja, kommt aber auf die Uniform an.
wenngleich ich einige dinge darin nicht überprüfen bzw. bewerten kann, sondern "einfach so akzeptiere".
dennoch rief eine kleine stelle des berichts bei mir unbehagen hervor.
es ging um folgendes auszug:
auch wenn der abschluss dieses abschnitts wieder etwas relativiert, erzeugt dieser teil des berichts bei mir das gefühl, dass die vorfälle in mailand etwas verharmlost werden sollen. ganz unterschwellig, zwsichen den zeilen sozusagen.
wenn dem so ist, ist es ziemlich geschickt "verpackt".
auf jeden fall reagiere ich auf so etwas im moment ziemlich leicht.
vorfälle wie sie woche für woche in und um fussballstadien geschehen, bei denen willkür und staatliche gewalt ungezügelt walten, kotzen mich an. genau so wie die "ami-maessige hysterie erzeugung" europäischer politiker, die anscheinend im moment so etwas wie einen freibrief sehen, um rechte von bürgern zu beschneiden, teilweise sogar mit füssen treten (lassen).
das hat aber nichts damit zu tun, dass vorfälle wie sie seit monaten/jahren in italien immer mehr um sich greifen, durch nichts und niemanden zu enstchuldigen sind.
ab einem level wie es bei dem mailänder derby abging, ist kein diskussionsspielraum mehr vorhanden. das war assig, gefährlich und auch in meinen augen eine schande für den fussball.
vielleicht verstehe ich das geschrieben falsch, vielleicht auch nicht.
berichte dieser art sin wichtig, da sie dinge aufzeigen die die meisten menschen überhaupt noch nicht begriffen haben.
genau deshalb sollte jedes wort darin 100 % gewählt sein, um nicht den eindruck zu erwecken, etwas wie in mailand sei nur "halb so schlimm".
das war es nicht.
ich habe die gewaltorgien in stadien in den achtzigern/neunzigern erlebt. dass will ich nicht wieder haben. auch damals schlugen sich sogar fans einer mannschaft untereinander (parrallele kölner->dortmunder bei länderspiel). es war oftmals assig und es herschte eigentlich immer eine anspannung. viele (ich zum beispiel) gingen oft mit einer unterschwelligen angst ins stadion.
ich bin froh dass es im moment nicht so ist und will auch nicht dass das wiederkommt.
deshalb dreh ich auch durch,, wenn ich szenen wie bei karsruhe - dresden (leuchtspur in den block des ksc) oder so eine scheisse wie in mailand sehe.
die ausgesprochene starfe für inter ist imho ein witz.
gruss
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