Es gibt keine soziale Sicherheit ohne Demokratie. Mir eine andere Meinung in den Mund zu legen, finde ich infam...
Ich möchte dir nicht infamerweise etwas in den Mund legen, sondern eher vor Augen führen. Wie die meisten apodiktischen Bemerkungen, ist nämlich auch die obige historisch falsch. Die Bürger Roms beispielsweise hatten über Jahrhunderte mit Demokratie wenig am Hut, genossen aber qua Status hohe soziale Sicherheit, gemessen an damaligen Maßstäben. Selbstverständlich auf Kosten der Sklaven, unterworfenen Provinzen usw. Bitte nicht mißverstehen: Ich schätze die von dir angeführten demokratischen Errungenschaften wie Meinungsfreiheit, Rechtssicherheit, aber auch Gewaltenteilung etc. sehr. Und tatsächlich: Mit meinem losen Mundwerk hätte ich in Kuba, Venezuela oder auch China arge Probleme, während ich hier weitgehend unbehelligt bleibe. Das liegt an einem systematischen Dilemma: Während die kapitalistischen Demokratien von den Rechtsunterworfenen nichts weiter verlangen, als keine ernsthafte Veränderung des kapitalistischen Parts anzustreben, verlangen die sozialistischen Diktaturen ein unbedingtes dafür sein. Nach der immanenten Logik, wenn erst alle dafür sind, könne man auf die Zwangsmaßnahmen der Diktatur verzichten. Da diese Phase leider ungemütlich lange dauert (i.e. in der bisherigen Geschichte noch nie zu Ende gegangen ist), richten sich die meisten Leute dort entsprechend ein. Man heuchelt öffentlich Zustimmung zum beglückenden Zwangsregime, und kümmert sich ansonsten um sein privates Fortkommen. Das geht dann soweit wie in China, wo vom sozialistischen Parteiregime eben nur noch das Regime übrig geblieben ist, und ein Manchesterkapitalismus inklusive Sweatshops etc. fröhliche Urstände feiert. Und auch Chavez jubeln große Teile der Bevölkerung in Hoffnung auf volle Teller und gesunde Zähne zu, ungeachtet der Zwangsschließung eines kritischen Fernsehsenders. Ich halte die Welt insgesamt für denkbar schlecht eingerichtet, auch in dem Bewusstsein, in einem der angenehmsten Teile zu leben. Das Elend des großen Rests vermag mich nämlich kaum zu trösten, sondern scheint mir eher das Ergebnis der Verhältnisse zu sein. Aber die könnte man ja ändern.
im Rahmen der forumsobligatorischen Cubamanie darf ich auf folgende Bewegtbildübertragung hinweisen:
So 09.09 23:00 (BR)
Paraiso
Dokumentarfilm, Deutschland 2004 Regie: Alina Teodorescu Buch: Alina Teodorescu Musik: Madera Limpia Rafaels einziger Besitz ist ein gelber Chevrolet Baujahr 57. Der Rost nagt an ihm und der Regen dringt ungehindert durch die zerbrochene Windschutzscheibe ein. In Guantanamo, im Osten Kubas, gibt es nichts als Armut, Regen und Sex, die Zeit scheint einen anderen Rhythmus zu haben. Rafael ist immer auf der Suche nach Jobs, er braucht Benzin, etwas zu essen oder zu trinken. Bei einem dieser Streifzüge lernt er die Band "Madera Limpia" kennen und bleibt bei ihnen - als ihr Chauffeur. Den jungen Musikern reichen ein paar Stücke Holz, einige ausgebleichte Flaschen aus Plastik - und schon entsteht Musik, kraftvoll und vibrierend vor Lust, eine Explosion, der Rhythmus des jungen Kuba. Die junge Band im tropischen Osten der Insel spielt die Musik der Straße. Schnell, heiß und aggressiv, sie mischen den pulsierenden Changui mit Rap und Hip-Hop auf Holzinstrumenten. "Unsere Musik", sagt Puro, der Mann an der Tres-Gitarre, "musst du tanzen, singen und spüren, um sie zu hören." Die Musik entspringt aus dem Überlebenskampf und erzählt von alltäglichen Momenten, von Liebe, Untreue, Sehnsucht, Frustration, Langeweile. Der Bandleader Yasel sagt: "Während ich lebe, träume ich von dem, was mir fehlt. Und mir fehlt alles ..." Aber er hütet sich davor, deprimiert zu sein, denn er weiß: "Ein frustrierter Künstler ist das Schlimmste, was es gibt."
Was immer man über ihn sagt : Bedenkt die Zeiten. Kissinger , Kennedy , Cold War , Batista ...
Diese Revolution kam nicht aus dem Vakuum. Die Leute wollten ihn , weil sie nicht mehr ein Mafiahort und das Bordell der USA sein wollten. War würdet ihr machen , wenn ihr das Spielcasino und der Puff eines großen Landes sein müsstet ? Wer mal dort war , sieht ihn anders als jemand der die Verhältnisse niemals geschaut hat.
"Am Ende müssen die Menschen einsehen, dass wir standhaft gewesen sind, unsere Überzeugungen und Unabhängigkeit verteidigt haben, Gerechtigkeit üben wollten und rebellisch gewesen sind."
Ja selbstverständlich tun sie das. Was hast Du denn erwartet? Das sind ja schließlich diejenigen, die seinetwegen das Land verlassen haben. Das findet sich doch in jedem Regime. Oder denkst Du, dass die Perser, die (ist sogar aufgrund der Nähe zu den USA vergleichbar) dem Schah nahe standen Trauer tragen würden, wenn die Zeit der Ayatollahs zu Ende geht?
Ja selbstverständlich tun sie das. Was hast Du denn erwartet? Das sind ja schließlich diejenigen, die seinetwegen das Land verlassen haben. Das findet sich doch in jedem Regime. Oder denkst Du, dass die Perser, die (ist sogar aufgrund der Nähe zu den USA vergleichbar) dem Schah nahe standen Trauer tragen würden, wenn die Zeit der Ayatollahs zu Ende geht?
Ja selbstverständlich tun sie das. Was hast Du denn erwartet? Das sind ja schließlich diejenigen, die seinetwegen das Land verlassen haben. Das findet sich doch in jedem Regime. Oder denkst Du, dass die Perser, die (ist sogar aufgrund der Nähe zu den USA vergleichbar) dem Schah nahe standen Trauer tragen würden, wenn die Zeit der Ayatollahs zu Ende geht?
hawischer schrieb: Ein alter Mann und Diktator ist gestorben! Eines Tages wird Kuba ein Rechtsstaat und eine Demokratie werden. Dann werden die Kubaner über ihn richten.
Natürlich. Es kommt eben nur darauf an, welche Kubaner das dann sein werden.
Wie wäre es mit den Kubaner, die in Kuba leben und dann ihre demokratischen Rechte wahrnehmen. Also das was man als Staatsvolk bezeichnet
Ich möchte dir nicht infamerweise etwas in den Mund legen, sondern eher vor Augen führen. Wie die meisten apodiktischen Bemerkungen, ist nämlich auch die obige historisch falsch. Die Bürger Roms beispielsweise hatten über Jahrhunderte mit Demokratie wenig am Hut, genossen aber qua Status hohe soziale Sicherheit, gemessen an damaligen Maßstäben. Selbstverständlich auf Kosten der Sklaven, unterworfenen Provinzen usw. Bitte nicht mißverstehen: Ich schätze die von dir angeführten demokratischen Errungenschaften wie Meinungsfreiheit, Rechtssicherheit, aber auch Gewaltenteilung etc. sehr. Und tatsächlich: Mit meinem losen Mundwerk hätte ich in Kuba, Venezuela oder auch China arge Probleme, während ich hier weitgehend unbehelligt bleibe. Das liegt an einem systematischen Dilemma: Während die kapitalistischen Demokratien von den Rechtsunterworfenen nichts weiter verlangen, als keine ernsthafte Veränderung des kapitalistischen Parts anzustreben, verlangen die sozialistischen Diktaturen ein unbedingtes dafür sein. Nach der immanenten Logik, wenn erst alle dafür sind, könne man auf die Zwangsmaßnahmen der Diktatur verzichten. Da diese Phase leider ungemütlich lange dauert (i.e. in der bisherigen Geschichte noch nie zu Ende gegangen ist), richten sich die meisten Leute dort entsprechend ein. Man heuchelt öffentlich Zustimmung zum beglückenden Zwangsregime, und kümmert sich ansonsten um sein privates Fortkommen. Das geht dann soweit wie in China, wo vom sozialistischen Parteiregime eben nur noch das Regime übrig geblieben ist, und ein Manchesterkapitalismus inklusive Sweatshops etc. fröhliche Urstände feiert. Und auch Chavez jubeln große Teile der Bevölkerung in Hoffnung auf volle Teller und gesunde Zähne zu, ungeachtet der Zwangsschließung eines kritischen Fernsehsenders. Ich halte die Welt insgesamt für denkbar schlecht eingerichtet, auch in dem Bewusstsein, in einem der angenehmsten Teile zu leben. Das Elend des großen Rests vermag mich nämlich kaum zu trösten, sondern scheint mir eher das Ergebnis der Verhältnisse zu sein. Aber die könnte man ja ändern.
So 09.09 23:00 (BR)
Paraiso
Dokumentarfilm, Deutschland 2004
Regie: Alina Teodorescu
Buch: Alina Teodorescu
Musik: Madera Limpia
Rafaels einziger Besitz ist ein gelber Chevrolet Baujahr 57. Der Rost nagt an ihm und der Regen dringt ungehindert durch die zerbrochene Windschutzscheibe ein. In Guantanamo, im Osten Kubas, gibt es nichts als Armut, Regen und Sex, die Zeit scheint einen anderen Rhythmus zu haben. Rafael ist immer auf der Suche nach Jobs, er braucht Benzin, etwas zu essen oder zu trinken. Bei einem dieser Streifzüge lernt er die Band "Madera Limpia" kennen und bleibt bei ihnen - als ihr Chauffeur. Den jungen Musikern reichen ein paar Stücke Holz, einige ausgebleichte Flaschen aus Plastik - und schon entsteht Musik, kraftvoll und vibrierend vor Lust, eine Explosion, der Rhythmus des jungen Kuba. Die junge Band im tropischen Osten der Insel spielt die Musik der Straße. Schnell, heiß und aggressiv, sie mischen den pulsierenden Changui mit Rap und Hip-Hop auf Holzinstrumenten. "Unsere Musik", sagt Puro, der Mann an der Tres-Gitarre, "musst du tanzen, singen und spüren, um sie zu hören." Die Musik entspringt aus dem Überlebenskampf und erzählt von alltäglichen Momenten, von Liebe, Untreue, Sehnsucht, Frustration, Langeweile. Der Bandleader Yasel sagt: "Während ich lebe, träume ich von dem, was mir fehlt. Und mir fehlt alles ..." Aber er hütet sich davor, deprimiert zu sein, denn er weiß: "Ein frustrierter Künstler ist das Schlimmste, was es gibt."
Das frag ich mich jedes Mal, wenn der Thread hoch geholt wird...
dpa
Máximo Líder denkt an den Tod. „Wir alle kommen an die Reihe“
War einer der ersten Threads im D&D.
Irgendwann sind wir alle an der Reihe.
Diese Revolution kam nicht aus dem Vakuum. Die Leute wollten ihn , weil sie nicht mehr ein Mafiahort und das Bordell der USA sein wollten. War würdet ihr machen , wenn ihr das Spielcasino und der Puff eines großen Landes sein müsstet ? Wer mal dort war , sieht ihn anders als jemand der die Verhältnisse niemals geschaut hat.
War einer der ersten Threads im D&D.
http://m.oe24.at/welt/Exil-Kubaner-feiern-Fidel-Castros-Tod/260050420
http://m.oe24.at/welt/Exil-Kubaner-feiern-Fidel-Castros-Tod/260050420
http://m.oe24.at/welt/Exil-Kubaner-feiern-Fidel-Castros-Tod/260050420