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Unruhen in Tibet

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So-Wie-Einst-Real-Madrid schrieb:
Ich finde man hätte die Olympischen Spiele erst gar nicht in ein Land, von dem bekannt ist, dass regelmäßig Menschenrechte verletzt werden, geben sollen!
Jetzt mit einem Boykott o.ä. anzukommen schadet letzten Endes nur den Athleten.


naja, sind sportler das maß aller dinge?

ist irgendeine medaille es wert dafür menschenleben zu opfern?

ich kann viele überlegungen gegenseitig abwägen für oder gegen einen boykott zu sein. aber zu allerletzt spielen dabei die befindlichkeiten von sportlern eine rolle. ganz im ernst.

peter
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Pedrogranata schrieb:


Ich habe meine Zweifel daran, daß Tibet kein Teil Chinas sein soll. Ebenso müßte man meiner Ansicht nach Katalonien, das Baskenland und andere Regionen Europas in die Unabhängigkeit entlassen. Die Oberhoheit Chinas hat eine 200 Jahre lange Geschichte. Der Frage einer Autonomie für Tibet, wie sie längst, aber leider nur auf dem Papier, existiert, stehe ich zustimmend gegenüber. Das ist aber wohl nicht das Ziel der Aufständischen.
Es war es, bis vor kurzem, auch nicht des DL. Ich stelle fest, daß er der einzige prominente Tibeter ist, der (nunmehr) sich für die Autonomie unter der Oberhoheit Chinas äußerte. Weder die Exilregierung noch die Führung der Aufständischen verfolgt diese Linie. Der Gedanke drängt sich mir auf, daß es sich bei der abweichenden Äußerung des DL um ein propagandistisches politisches Manöver im Rahmen einer arbeitsteiligen Politik der diversen tibetischen Führerteile handelt. Dabei wird evtl. gerade der internationale Ruf des DL benutzt.

Weiter gibt mir zu denken, ob ich in dieser Frage untergehakt bei den diversen imperialistischen Interessenvertretern von Bush über Pöttering zur Taiwanesischen Guomindang Chiang Kai Cheks, die schon immer die Tibetische Exilregierung unterstützte, gut aufgehoben bin. Diese Allianz ist mir zu "heilig".

Ich bin angesichts des sehr dünnen Informationsflusses auf die hiesige interessenbehaftete Medienlandschaft und ansonsten die Verlautbarungen der
Tibetischen Exilregierung und ihre Organisationen angewiesen. Das ist mir nicht nur zu dünn, sondern auch zu interessenverbrämt.  


Dazu nur ganz kurz:

- Der Dalai Lama vertrittt seine Auffassung - Verzicht auf Unabhängigkeit, Betonung auf Autonome Region - nicht erst seit gestern, sonder seit Jahrzehnten. Damit wusste er sich anfangs auch einig mit der überwiegenden Mehrheit der Exiltibeter wie auch der Bevölkerung im Land. Erst im Laufe der Zeit und mit wachsender Ungeduld v.a. bei den jungen Tibeter gibt es diesbezüglich Dissens, der übrigens auch immer wieder intern thematisiert wird. Dies alles spricht sehr deutlich dafür, dass es sich hier nicht um ein strategisches Manöver mit verteilten Rollen handelt. Zudem die politische Haltung des DL sich in absoluter Übereinstimmung mit seiner Position als spirituelles Oberhaupt des tibetischen Buddhismus befindet.

- Der Status Tibets ist schwierig zu bestimmen, gerade dann, wenn man mit China vergleicht. China hat seit der Zeit der Streitenden Reiche (ca. 4. Jhdt.), spätestens aber seit der Tang Dynastie (ca. 6./7. Jhdt.) relativ klar definierte Grenzen. Nicht so Tibet, dessen nomadische Zivilisation solche Grenzen definitionsgemäß niemals kannte. Die Grenzen etwa zur Mongolei waren stets fließend. Schon von daher kann man eine klare Definition eines Staatsgebietes nicht erwarten. Nach der Desintegration des mongolischen Reiches hat China, um sich gegen die penetranten Briten im Westen zu schützen, Tibet als zwar autonome, aber dem chinesischen Staatsgebiet zugehörige Region für sich reklamiert. Einseitig. Wobei man im übrigen nicht vergessen darf, dass umgekehrt über Jahrhunderte Tibet angrenzende chinesische Provinzen kontrolliert hat. Mit anderen Worten: rekuriert China heute mit seinen Ansprüchen auf die Geschichte, so könnte dies umgekehrt mit ebensoviel (oder wenig) Recht Tibet tun. Es existieren jedenfalls historisch und kulturell ganz klar keine begründeten Ansprüche Chinas auf Tibet.
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peter schrieb:
So-Wie-Einst-Real-Madrid schrieb:
Ich finde man hätte die Olympischen Spiele erst gar nicht in ein Land, von dem bekannt ist, dass regelmäßig Menschenrechte verletzt werden, geben sollen!
Jetzt mit einem Boykott o.ä. anzukommen schadet letzten Endes nur den Athleten.


naja, sind sportler das maß aller dinge?

ist irgendeine medaille es wert dafür menschenleben zu opfern?

ich kann viele überlegungen gegenseitig abwägen für oder gegen einen boykott zu sein. aber zu allerletzt spielen dabei die befindlichkeiten von sportlern eine rolle. ganz im ernst.

peter



Den ursächlichen Zusammenhang zwischen Medaillen und Menschenopfern habe ich nicht so ganz begriffen, muß ich sagen.

Und die Befindlichkeiten von Athleten stehen nun einmal bei olympischen Spielen im Vordergrund. Man kann gegen olympische Spiele in China oder überhaupt sein. Aber allemal betrifft dies am wesentlichsten die Teilnehmer. Die Befindlichkeit des Vorsitzenden des ZK der Chinesischen KP und anderer Herren und Damen seiner Riege soll ja wohl mit dem fraglichen Boykott beeinträchtigt werden. Tatsächlich soll das chinesische Volk getroffen werden und für seine Führer bestraft, sowie gegen diese aufgebracht werden. Tatsächlich bin ich nicht der Ansicht, daß diese sich von dieser leeren Drohung - etwas anderes dürfte wohl daran nicht sein - dazu bewegen und beeindrucken lassen, von ihrer Führung zu fordern, auf die Aufständischen Tibeter und deren Forderungen einzugehen (so diese sich über solche Forderungen wirklich einig sein sollten, was ich bezweifle). Vermutlich dürfte das Gegenteil eintreten, wenn es zum Boykott käme: ein Zusammenrücken der Zentralregierung und möglicherweise auch des chinesischen Volkes gegen die "imperialistisch gesteuerten Kriminellen" und die sie unterstützenden Führer der westlichen Boykott-Länder. Die Befindlichkeit der Chinesischen Führung dürfte dadurch zwar als betroffen bis verärgert zu beschreiben sein. Die hauptsächlichen Leidtragenden aber werden tatsächlich die Athleten sein, die sich lange unter Zurückstellung jeglicher sonstiger Vorhaben körperlich und seelisch sehr hart auf ihre große Stunde vorbereiten.
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Als die Spiele nach Peking vergeben wurden, war allen klar, dass die Machthaber in diesem Land keinen Halmaklub betreiben. Es geht hier auch nicht in erster Linie um die Sportler, sondern, wie überraschend, um Geld: durch Hofierung der Führungsriege einer auch wirtschaftlich aufstrebenden Weltmacht durch den Westen.
Was ein Boykott bringt, hat man 1980 gesehen: In Afghanistan ging die Invasion der UdSSR weiter und sie hatten ihre Olympiade. Viele Sportler fühlten sich um den Lohn ihrer Arbeit betrogen.
Diesmal wird es keinen staatlich verordneten Boykott geben. Zu viel steht im Außenhandel auf dem Spiel. Beispiel: Merkel empfängt den Dalai Lama, Peking droht mit wirtschaftlichem Liebesentzug!
Boykottbereite Sportler erhalten keine Unterstützung durch den DOSB. Sie müßten einen Boykott auf eigene Faust machen, was evtl. Regressansprüche der Verbände nach sich ziehen könnte. Böse Falle.
Ihr werdet es sehen: Es wird (fast) nichts passieren. Vielleicht bleiben ja einige Sportler der Eröffnungsfeier fern.
Apropos Fernsehen: Stellt euch vor, es sind olympische Spiele und keiner sieht zu. Das wäre dann unser Boykott.
Gruß
paw  
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Es sollte einem aber auch klar sein, welch schwierige Aufgabe die "Machthaber" zu lösen haben. Richtig, es ist kein Halmaklub, und das wissen "sie" am besten. Natürlich geht es für sie bei der Olympiade um Geld, aber in einem strategischen und langfristigen Sinne; China braucht die Fernsehmillionen aus Deutschland nicht, es geht um die Imagepflege eines Landes und um die für uns Laien nicht so einsehbare (weil sehr fremde) Gefühlswelt nicht nur von Machthabern, sondern auch von weiten Kreisen der Bevölkerung. Dafür werbe ich um Verständnis.
Bitte nicht falsch verstehen, meine Sympathie und, ja, Liebe, ist bei dem DL und den Leuten die ihm folgen, aber auch in Tibet gibt´s Arschlöcher.
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Grauer_Adler schrieb:
Es sollte einem aber auch klar sein, welch schwierige Aufgabe die "Machthaber" zu lösen haben. Richtig, es ist kein Halmaklub, und das wissen "sie" am besten. Natürlich geht es für sie bei der Olympiade um Geld, aber in einem strategischen und langfristigen Sinne; China braucht die Fernsehmillionen aus Deutschland nicht, es geht um die Imagepflege eines Landes und um die für uns Laien nicht so einsehbare (weil sehr fremde) Gefühlswelt nicht nur von Machthabern, sondern auch von weiten Kreisen der Bevölkerung. Dafür werbe ich um Verständnis.
Bitte nicht falsch verstehen, meine Sympathie und, ja, Liebe, ist bei dem DL und den Leuten die ihm folgen, aber auch in Tibet gibt´s Arschlöcher.

Sehr richtig. Eifern und an den Pranger stellen hilft, wenn überhaupt, nur dem eigenen Gefühl der Empörung, für vielleicht 5 Minuten. Was zu vermeiden ist: jeglicher Versuch, China in die Ecke zu drängen oder zu isolieren. Was gebraucht wird, ist das Gegenteil: mehr Offenheit und Gespräch. Da darf man allerdings mit Fug von der chinesischen Seite mehr, viel mehr erwarten. Sie haben mit dem Dalai Lama einen idealen Gesprächspartner und sollten, wie ich weiter oben schon geschrieben habe, diese historische Chance jetzt wirklich nützen.
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Das unbedingte Optieren des Dalai Lama für Gewaltlosigkeit wird zunehmend hinterfragt. Dazu ein ausgezeichnetes Interview in der heutigen Ausgabe der NZZ:

Das Spiel hat erst begonnen
Gespräch mit dem Schriftsteller Jamyang Norbu über den Kampf der Tibeter um die eigene Identität

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/das_spiel_hat_erst_begonnen_1.696097.html

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Louis Bayard verabschiedet in der FR etwas voreilig den Dalai Lama, weist aber mit Recht auf dessen problematische Doppelfunktion als politisches wie auch spirituelles Oberhaupt hin (wobei der DL nach eigener Aussage froh wäre, so bald als möglich die politische Verantwortung abgeben und nur noch als Mönch leben zu können):
Abschied vom Dalai Lama
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1309831
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Beschwörender Appell des Dalai Lama an Chinas Regierung:

Dalai Lama befürchtet rassistische Ausschreitungen
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,543974,00.html

@Papi-Mod: jetzt warten wir gemeinsam
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Ganz offenbar haltlose Anschuldigungen von chinesischer Seite, die zunehmend nervös zu werden scheint. Dabei wäre miteinander sprechen weiß Gott eine Alternative ...
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,544650,00.html
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Die Wahrung des Gesichts steht dort leider oft über der Vernunft - auch gut hier zu sehen:

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/meldung3288.html
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Wo bleiben die Demos in germany?? Es gab Zeiten da knickte nur ein Ast um in Guatemala o. El Salvador o. Niccragua ect. und man begab sich auf die Strasse.

Ein Sportler hat es treffend formuliert...der Fehler wurde schon viel früher gemacht indem man überhaupt die Spiele nach China übergab. Schon damals wusste man das Tausende dort jährlich hingerichtet weren...Regimekritiker werden sofort inhaftiert und gefoltert und Tibeter wird es eines Tages in Tibet nicht mehr geben.  
Ein Boykott von einigen Staaten wird leider nichts bringen vlt. sollte ein Sportler auf dem Medaillenpotest ein Banner hissen und somit gg. China protestieren aber auch Qutasch letzendlich wird sich gg. China NIEMAND stellen denn ALLE brauchen sie äh benutzen sie...
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Heutige Ausgabe der SZ :

Olympische Spiele
Ein verhöhnter Geist

Durch Kritik von Menschenrechtsorganisationen erhöht sich der Druck auf das weiterhin zurückhaltende IOC.
Von Thomas Kistner
http://www.sueddeutsche.de/sport/weitere/artikel/979/166502/

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Olympische Spiele
Mut zur Lücke

Der Druck auf das weiterhin zurückhaltende IOC wächst durch Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Man stelle sich vor: Es ist Eröffnungsfeier in Peking - und niemand geht hin. In diesem Fall würde der Festakt zur peinlichen, dafür aber wahrhaftigen Demonstration des unpolitischen Sports mutieren.
Ein Kommentar von Thomas Kistner
http://www.sueddeutsche.de/sport/championsleague/bildstrecke/21/166543/p0/
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Nicht direkt zu Tibet, sondern zur Lage der Menschenrechte in China - kann man ja nicht trennen:

JUSTIZ
Chinas prominentester Menschenrechtler Hu Jia zu drei Jahren Haft verurteilt
Vom "Time Magazine" wird er zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gezählt. Er tritt in China ein für Aids-Kranke und die Religionsfreiheit. Nun wurde der Menschenrechtler Hu Jia wegen umstürzlerischer Machenschaften zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,545038,00.html

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: es geht hier nicht darum, China zu dämonisieren. Die chinesische Kultur ist eine der großartigsten der Welt, und das Land hat ein ungeheueres Potential. Es ist nur bedauerlich, dass man vor lauter Angst und Nervosität gerade jetzt, wo sich besondere Chancen zum Positiven bieten, den falschen Weg zu mehr Unterdrückung einschlägt.
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adlerkadabra schrieb:

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: es geht hier nicht darum, China zu dämonisieren. Die chinesische Kultur ist eine der großartigsten der Welt, und das Land hat ein ungeheueres Potential. Es ist nur bedauerlich, dass man vor lauter Angst und Nervosität gerade jetzt, wo sich besondere Chancen zum Positiven bieten, den falschen Weg zu mehr Unterdrückung einschlägt.  
Sorry aber ich kann dem Land wenig abgewinnen...und was heist vor Lauter Angst und Nervosität??? die müsste dann schon seid Jahrzehnten andauern...denn so lange wird alles mundtot gemacht was nicht konform der Regierung geht...nein das ist alles berechnendes Kalkül...
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ElStefano schrieb:
Sorry aber ich kann dem Land wenig abgewinnen...

Ich empfehle dir dringend eine (lange) Reise in dieses unglaublich tolle Land.
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ElStefano schrieb:
adlerkadabra schrieb:

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: es geht hier nicht darum, China zu dämonisieren. Die chinesische Kultur ist eine der großartigsten der Welt, und das Land hat ein ungeheueres Potential. Es ist nur bedauerlich, dass man vor lauter Angst und Nervosität gerade jetzt, wo sich besondere Chancen zum Positiven bieten, den falschen Weg zu mehr Unterdrückung einschlägt.  
Sorry aber ich kann dem Land wenig abgewinnen...und was heist vor Lauter Angst und Nervosität??? die müsste dann schon seid Jahrzehnten andauern...denn so lange wird alles mundtot gemacht was nicht konform der Regierung geht...nein das ist alles berechnendes Kalkül...  

Sehe ich etwas anders. In China ist während des vergangenen Jahrzehnts mehr in Bewegung geraten als all die Jahrzehnte davor. Die Wirtschaft war Wegbereiter, jetzt müssen und werden andere Parameter nachfolgen. Man darf sicherlich zugestehen, dass die Steuerung dieses Prozesses, in dem das Riesenland sich befindet, nicht ganz einfach ist. Insofern halte ich eine Position grundsätzlichen und kritischen Verständnisses für diese Schwierigkeiten für angemessen. Was natürlich nicht heißen kann, dass eklatante Verletzungen von Menschenrechten, wie etwa in Tibet oder gegenüber den Uiguren, von der Weltöffentlichkeit geduldet werden sollen. Nur halte ich bloßes An-den-Pranger-Stellen oder Isolation nicht für geeignete Mittel. Es muss alles versucht werden, um im Gespräch zu bleiben, da man nur über das Gespräch Einfluss wahren kann.
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pipapo schrieb:
ElStefano schrieb:
Sorry aber ich kann dem Land wenig abgewinnen...

Ich empfehle dir dringend eine (lange) Reise in dieses unglaublich tolle Land.
Ich empfehle dir dringend die Seen u. Wälder Kanadas...oder ein Aufenthalt/Streifzug durch die Geschichte Mexikos...du siehst jeder hat so seine Favoriten...
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Danke, aber mal davon abgesehen dass ich beispielweise in Kanada schon war maße ich mir ein Urteil nicht an wenn ich nicht weiß wovon ich spreche.
Aber ok, China ist total blöd. Du weißt das, du warst schließlich noch nie dort. Akzeptiert.


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