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Die Geschichte von "Giusy"

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Es sollte eigentlich nur ein Ausflug werden zum Tag der offenen Tür des Tierheims Elisabethenhof bei Friedberg. Doch so richtig weit sind wir an diesem regnerischen Samstag dann doch nicht gekommen. Auf dem Weg zum Eingang erregte ein kleiner, süßer Welpe die Aufmerksamkeit der Besucher. Und wie sich herausstellte, sollte dieser kleine Winzling im Tierheim abgegeben werden, denn sie war tags zuvor von einem Mann in einem Waldstück bei Eichen an eine Parkbank angebunden gefunden worden. Man hatte sie einfach ausgesetzt. Eigentlich nicht zu glauben, zu was Menschen in der Lage sind.

Leider konnte die Kleine vom Elisabethenhof nicht aufgenommen werden und die sehr netten, hilfsbereiten Mitarbeiter stellten den Kontakt zum Tierheim in Bad Nauheim-Rödgen her, wo der Welpe zunächst seinen Platz finden sollte. Der Finder kannte sich kaum aus in der Gegend und hatte auch keine Erfahrung mit Hunden, so dass wir uns kurzentschlossen bereit erklärten, die kleine Hündin nach Rödgen zu fahren. Der Elisabethenhof stattete uns mit einer Kuscheldecke für die Fahrt aus und so machten wir uns auf den Weg.

Im Tierheim angekommen wurde die Kleine registriert. Und als wir dort so saßen und uns bewusst wurde, dass dieser Winzling nun erstmal in Quarantäne käme, erklärten wir uns spontan bereit, die Pflege übers Wochenende zu übernehmen. Montag morgen stand für uns zwar noch ein Termin auf dem Programm, aber wir boten an, den kleinen Racker bis Montag 17 Uhr zu behalten und ihn dann wieder vorbeizubringen. Es war Samstag nachmittag, die Tierarztpraxen hatten zu, aber der vom Tierheim kontaktierte Dr. Keßler in Bad Nauheim erklärte sich sofort bereit, uns noch zu empfangen. Flohprophylaxe und Wurmkur, ansonsten war unser kleines Pflegebaby in bestem Allgemeinzustand, 4 kg brachte sie auf die Waage. Somit etwas beruhigt ging es in das Friedberger Futterhaus, wo wir die Kleine mit einem neuen „Geschirr“ und ein wenig Spielzeug versorgten. Und ein kleiner Kuschelhund durfte schließlich auch nicht fehlen. Ein aufregender Tag für „Giusy“. Der Name ist abgeleitet von einer italienischen Sängerin, deren Musik uns so oft in gute Stimmung versetzt. Und wir fanden es passend für unser Findelkind.

Zuhause hat uns die kleine Dame dann auf Trab gehalten, wir haben uns abgewechselt mit der Betreuung einerseits und der Internet-Recherche andererseits. Denn so richtig wusste bisher niemand, mit was wir es da eigentlich zu tun haben. Nach etlichen Versuchen brachte das Internet dann ein etwas überraschendes Ergebnis, was wir kaum glauben konnten. Ist dieses kleine süße Wollkneul etwa ein reinrassiger Kangal, also ein türkischer Hirtenhund? Der richtig groß wird, einen sehr starken Charakter hat und in fachmännische Halterhände gehört? Einige Emails an alle möglichen Leute, die etwas mit dieser Rasse zu tun haben, wurden versandt, einige Bilder angefügt mit der Frage, wer uns darüber etwas sagen kann und Ideen hat, wie man helfen kann. Und ob unsere Vermutung hinsichtlich der Rasse denn stimme.

Noch nachts antwortete mit Frau von Buchwaldt aus Hamburg eine ganz besondere Expertin auf diesem Gebiet und unser Telefonat am nächsten Tag machte klar, es handelt sich tatsächlich um ein Kangal-Baby, noch dazu viel jünger als angenommen. Unsere „Giusy“ ist erst ganze vier Wochen alt.

Währenddessen wurde unser kleiner Gast immer selbstsicherer und testete mal aus, was sich die Pflegeeltern denn so gefallen lassen würden. Ja, ein etwas stressiger Sonntag war es, dass kann man nicht bestreiten. Vor allem kam ein Problem auf uns zu. Wir hatten Montag morgen einen unaufschiebbaren Termin, der etwa zwei Stunden in Anspruch nehmen würde und bei dem „Giusy“ leider nicht dabei sein dürfte. „Giusy – allein zuhause“ erschien bei ihrer rasanten Entwicklung nun wirklich keine gute Idee für Mobiliar und Nachbarschaft. Beim „Gassi-gehen“ kam die Lösung um die Ecke. Eine nette Dame samt Tochter und Golden-Retriever-Welpendame bot sich nach kurzem Plausch spontan an, die Aufsicht über unser Findelkind während unseres Termins zu übernehmen. Eine Sorge weniger und ganz offensichtlich hatte „Giusy“ ihren Spaß beim Spiel mit einem anderen Welpen.

Dieser Stein fiel uns also vom Herzen. Doch was wird nun aus „Giusy“? Frau von Buchwaldt hatte mittlerweile Frau Rösner vom Hirtenschutzhundservice benachrichtigt, die sich auch umgehend bei uns meldete. Sie und ihr Verein waren auch bereit, den kleinen Welpen aufzunehmen. Denn ganz wichtig war, dass „Giusy“ schnell zu einer Adoptivmutter kommt und Anschluß an andere Hunde ihrer Rasse erhält. Ganz wichtig für die Sozialisation und den weiteren Lebensweg unseres neuen liebgewordenen Übergangs-Familienmitglieds.

Nun musste noch das Tierheim zustimmen. Und wieder saßen wir im Tierheim-Büro in Rödgen mit unserer „Giusy“ auf dem Schoß und hofften, dass man hier schnell und unbürokratisch seine Zustimmung geben würde. Und das tat man, ein Telefonat mit Frau Rösner, ein Check der mitgebrachten Informationen und Recherchen über die Seriosität der neuen Betreuer und schon bekamen wir die Zustimmung, am nächsten Tag auf eine vierstündige Reise nach Norddeutschland gehen zu können. Doch eigentlich mussten wir wieder an die Arbeit. Doch auch hier hatte man ein Herz für unsere „Giusy“ und wir konnten ganz kurzfristig einen Tag Urlaub erhalten.

Nach dem doch sehr stressigen Sonntag und zwei Nächten mit sehr wenig Schlaf schien unser kleiner Liebling zu merken, dass es Zeit war, sich nochmal von ihrer besten Seite zu zeigen. Vielleicht war es auch die Müdigkeit nach dem ausgiebigen Spielen mit der Welpenfreundin am Vormittag, aber wir genossen den letzten Tag, die letzte Nacht und die letzten Stunden auf der Autofahrt mit einer einfach nur tollen und verschmusten und inzwischen ganz braven kleinen Dame, die sich unser Herz in nur vier Tagen ganz heftig erobert hatte. Nach einigen kleinen Pausen erreichten wir den Hof des Hirtenschutzhundservice e.V., wo „Giusy“ schon erwartet wurde. Roger zeigte uns das Gelände, stellte uns die Hunde vor und gab uns die Möglichkeit, große ausgewachsene Exemplare der beeindruckenden Rasse „Kangal“ ganz hautnah kennenzulernen und beantworte geduldig unsere vielen Fragen. Und zeigte uns auch die neue Adoptivoma und Adoptivmutter von „Giusy“. Der Abschied war dann schwer. Und so sind wir nun zwar traurig, dass sie nicht mehr bei uns ist, aber auch glücklich, weil wir wissen, dass wir wohl das Richtige getan haben.

Und so sagen wir DANKE an alle, die mitgeholfen haben, ein reizendes Lebewesen auf den richtigen Weg zu bringen. Und DANKE, „Guisy“ für vier wunderschöne Tage. Wir werden Dich ganz sicher nie vergessen.
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gude jermainator
niedlicher bericht.

hab mal bei google nach einem kangal bild gesucht.

der erste "hit" war das hier:



da frage ich mich doch ernsthaft:
warum habt ihr ihn nicht einfach behalten...  

gruss,
6:3
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Die Welt hat sie, diese schönen, herzlichen, menschlichen Seiten.

Danke das man ein wenig teilhaben durfte, Danke für Euer großes Herz.
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es ist schön das es doch noch Menschen mit Herz gibt die so was aufsich nemen!!!
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lt.commander schrieb:
Die Welt hat sie, diese schönen, herzlichen, menschlichen Seiten.

Danke das man ein wenig teilhaben durfte, Danke für Euer großes Herz.


Besser kann man es nicht ausdrücken.
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wie man einen hund aussetzen kann werde ich sicher nie verstehen.

alles andere wurde ja schon gesagt.
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Ups, habe einen kleinen Fehler im Text gemacht. Natürlich ist es nicht der Hirtenschutzhundservice, sondern der Herdenschutzhundservice.

Wer sich dafür interessiert www.herdenschutzhund-service.de

Meine kleine Giusy bewacht aber bestimmt mal Herde und Hirte  
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zamusi schrieb:
wie man einen hund aussetzen kann werde ich sicher nie verstehen.
 

Leider ist das um die Urlaubszeit normal. Wie sagte mal Kaya Yanar in seiner Sendung: die deutschen bereiten ihren Urlaub vor, Koffer packen, Hund aussetzen.....
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Der Bericht zeigt exemplarisch mal wieder die Gegensätzlichkeit menschlicher Charakteren....Die einen schmeißen ein Tier weg wie Abfall....   andere reißen sich den ***** auf, um zu retten was zu retten ist....
Das Exemplarische dieser Story ließe sich auf viele Bereiche des täglichen Lebens übertragen, aber das würde hier etwas den Rahmen sprengen...
Jedenfalls habt ihr das super gemacht.... und danke für den schönen Bericht...
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Jermainator,

vielen Dank für Deinen wunderbaren Bericht - ich habe jede Minute intensiv nacherlebt. Und an Stelle der Vierbeiner ein großes Kompliment und Dankeschön für die Mühe, die ihr Euch gemacht habt.

Wuff!  

Wir sind selbst frohe Chefs eines Hundes, und vor mittlerweile 2 Jahren kam ganz ungeplant noch eine Katze dazu. Wir waren sehr gespannt, wie das ganze funktionieren würde, aber beide Tiere haben einen sehr friedfertigen Charakter und wir haben hier alle Spaß mitneinander.

Kurzum: manchmal kommt das Glück auf kleinen, leisen Pfoten daher, niemals mehr würden wir unsere kleinen 4beinigen Freunde wieder hergeben.

Wer die Chance hat, einem Tier ein zuhause zu geben, sollte sie nutzen - es bereichert das Leben.
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Jermainator schrieb:


Ein tolles Hundemädchen. So einen kleinen Kangal hätte ich auch gerne. Aber leider wohne ich mitten in der Stadt im 4.OG ohne Aufzug mit 2 äußerst eigenwilligen Katzendamen. Ich glaube nicht, dass das gut gehen würde.
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scheisse, das vieh is echt herzallerliebst.
allerdings ist die ausgewachsene version wohl nicht ganz stadttauglich ...
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singender_hesse schrieb:
scheisse, das vieh is echt herzallerliebst.
allerdings ist die ausgewachsene version wohl nicht ganz stadttauglich ...


Richtig. Diese Hunderasse steht in Hessen sogar auf der Liste. Und da sieht  mal wieder das Hauptproblem: den Menschen.

Diese Hunde arbeiten vor allem in der Türkei bei Schafhirten. Sie kümmern sich manchmal tagelang selbständig um eine Herde und beschützen diese. Als einer der wenigen Rassen hat ein Kangal keine Angst vor Bären und Wölfen. Sie sind eigentlich sehr defensiv und beschränken sich darauf, den Feind in die Flucht zu schlagen. Doch im Fall der Fälle beschützen sie die ihm Anvertrauten auch unter Einsatz ihres Lebens.

Dort und für diese Aufgaben (sie "arbeiten" auch für Militär und Polizei) ist das eine richtig gute Sache. Das ein solcher Hund von deutschen Großstädtern gehalten wird ist einfach unverantwortlich.

Der Herdenschutzhund-Service vermittelt europaweit (und sogar einmal nach Kanada) und schaut sich jede neue Hundeheimat vor einer Vermittlung an. Somit sind wir guter Hoffnung, dass Giusy auch ein gutes Plätzchen und vor allem eine gute Aufgabe findet. Vielleicht bewacht sie viele andere Tiere auf einem Bauernhof oder so. Ich würds mir wünschen.

Wenn ich in Frankfurt aber einen Kangal sehe, werde ich die Straßenseite wechseln.
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Grad erst gelesen, diese Hundegeschichte, die gar nicht schön anfängt und dann hoffentlich ein gutes Ende nimmt. Ihr habt Giusy ganz bestimmt einen Riesendienst erwiesen - erst ausgesetzt (unfasslich!)  und dann auch noch in Quarantäne. Mensch, Mensch. Armes Viech. Aber stattdessen hat sie dann ja euch auf Trab gehalten   Das habt ihr großartig gemacht! Hoffentlich hört ihr mal, was aus Giusy geworden ist!

Man kann gar nicht glauben, dass aus diesem putzigen Kerlchen so ein Riesentier werden wird. Und ghostinthemachine hat vollkommen recht:  "Ohne"  (in meinem Fall: Katze) ist das Leben ein ganzes Stück ärmer.

Danke dafür, dass du die Geschichte hier erzählt hast.
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Daumen hoch für das aufrechte Engagement und die Geduld für die kleine Dame. Und da Giusy offenbar mit deutlichem Potential ausgestattet ist, schnell neue Herzen zu erweichen, sei ihr viel Glück bei der Suche nach neuer Geborgenheit gewünscht.

Insbesondere den Tierfreunden aus dem Frankfurter Raum kann ich an dieser Stelle bei der Suche nach einem neuen Vierbeiner nur den Besuch des Tierschutzvereins in Fechenheim ans Herz legen. Nicht zu glauben, wie wenig Anerkennung diese tagtägliche Aufopferungsbereitschaft für die schwachen Geschöpfe bekommt, wenn man sich ein Bild von deren Arbeit macht. So war es auch für mich ein Leichtes, einen neuen Mitbewohner in die eigenen vier Wände aufzunehmen
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Für alle, die wissen wollen, wie die Geschichte von Giusy ausgegangen ist, hier die Fortsetzung:

Sie war zwei Monate lang auf dem Gelände des Herdenschutzhund-Service und hat dort durch erfahrene Kangalmütter eine vernünftige Sozialisierung genossen und sich sehr gut entwickelt im Kreise der vielen Artgenossen.

Nun lebt sie bei einer Familie mit großem Grundstück, die weitere zwei große Hunde hat und Giusy fühlt sich dort offensichtlich unheimlich wohl und liebt es, bei Wind und Wetter das Grundstück zu bewachen und mit den beiden anderen Hunden herumzutollen. Sie hat eine eigene Hundehütte, darf aber im Wohnzimmer auf der Couch schlafen. Die neuen Besitzer sind sehr nett und haben uns Fotos geschickt. Die Kleine ist mittlerweile wahnsinnig gewachsen und sie ist nach wie vor eine ganz hübsche Dame.

Also ein wirklich tolles Happy-End.
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Sehr schön. Würden Geschichten doch nur immer so ausgehen.
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Meinen höchsten Respekt für das, was ihr getan habt.
Und schön, dass die Geschichte ein so positives Ende fand.
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Jermainator schrieb:
Für alle, die wissen wollen, wie die Geschichte von Giusy ausgegangen ist, hier die Fortsetzung:

Sie war zwei Monate lang auf dem Gelände des Herdenschutzhund-Service und hat dort durch erfahrene Kangalmütter eine vernünftige Sozialisierung genossen und sich sehr gut entwickelt im Kreise der vielen Artgenossen.

Nun lebt sie bei einer Familie mit großem Grundstück, die weitere zwei große Hunde hat und Giusy fühlt sich dort offensichtlich unheimlich wohl und liebt es, bei Wind und Wetter das Grundstück zu bewachen und mit den beiden anderen Hunden herumzutollen. Sie hat eine eigene Hundehütte, darf aber im Wohnzimmer auf der Couch schlafen. Die neuen Besitzer sind sehr nett und haben uns Fotos geschickt. Die Kleine ist mittlerweile wahnsinnig gewachsen und sie ist nach wie vor eine ganz hübsche Dame.

Also ein wirklich tolles Happy-End.


die fotos sin ja immernoch net hier verlinkt


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