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Fanfiktion I - Nightmare Waldstadion

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Gude,

die ganzen wunderbaren Beiträge zur Fanhistorie (vielen Dank dafür an alle Autoren) haben mich auf die Idee gebracht, auch 'mal einen Blick in die Zukunft zu werfen. Na ja, wenn ich ehrlich bin: die Idee hatte ich schon vor einiger Zeit. Den folgenden Text habe ich nämlich im Frühjahr 2003 - also von etwas mehr als drei Jahren - für eintrachtfans.de geschrieben. Heute erschrecke ich, wie viel davon wahr geworden ist...

Nightmare Waldstadion

Frank, Fra-hank, FRANK!! Wenn mich meine Frau mitten in der Nacht weckt, hat das meist nur einen Grund: Ich schnarche. Schuld daran bin nicht ich, sondern die Erkältung oder das Glas Apfelwein zu viel gestern Abend oder... was meiner Frau allerdings lediglich als Erklärung und nicht als Entschuldigung für die entgangene Nachtruhe ausreicht.

Diesmal ist es aber nicht das Schnarchen. „Wach auf. Du hast laut 'Nein, Nein NEEIIINNN' geschrieen." Schweißgebadet setze ich mich auf, fasse mir an die ausgetrocknete Kehle. Bild für Bild zieht an mir vorbei, was ich soeben geträumt habe:

Ein echtes Spitzenspiel steht an, im neuen Fraport-Dome - davon künden auch schon seit Tagen die Plakate, die in ganz Frankfurt geklebt sind: „Soccer-Event 2005 - Visit the Eagles." Gegen die Roten Teufel Düsseldorf wird es gehen an diesem Sonntag. Die waren erst letztes Jahr aus Kaiserslautern an den Rhein transferiert worden und sind diese Saison gleich durchgestartet. Mit 23 Punkte knapp hinter uns auf Platz drei, dazu führendes Team im T-Online-Away Contest und auch im European Twix-Cup noch dabei. So etwas lässt man sich nicht entgehen. Das werden drei Mal 30 Minuten voller Spannung.

Also mache ich mich auf den Weg. Natürlich nicht allein: Seitdem die Soccer-League für ein interessantes Rahmenprogramm sorgt und der Stadionbetreiber mit den Kinderbetreuern und dem Abenteuerspielplatz auch an den Nachwuchs gedacht hat, sind auch meine Frau und unsere Kinder mit dabei. Dieses familienfreundliche Angebot wird ausgesprochen gut angenommen. Zumal sich Ultras und Kuttenträger nicht mehr im Stadion blicken lassen - die meisten blieben von selbst weg, der Rest hat Stadionverbot bekommen. Kurzum: Ich rechne mal mit 45.000 Besucher fürs Spiel.

Um 13:00 Uhr soll die Veranstaltung beginnen, Anstoß dann natürlich traditionell um 15:30. Im Vorfeld präsentiert Sony ein paar hoffnungsvolle Nachwuchskünstler, die dann auch gleich Autogramme geben. Wir Zuschauer wählen dann den besten Act. Und die dürfen zur Belohnung das gesamte Spiel während Unterbrechungen ihre Lieder anspielen.

Dann wird auf dem Videowürfel die Begegnung der Basket-Eagles von gestern Abend und eine Vorschau auf das Spiel der Ice-Eagles morgen gezeigt (natürlich gilt mein Kombi-Ticket auch für diese beiden Events; bei Spitzenspielen wie heute werden gar keine einzelnen Eintrittskarten mehr verkauft). Während die Videos laufen, kann ich auf  dem Rasen die neuste Choreographie der Eagles-Cheerleader bewundern. Wirklich schön, dass die Veranstalter an alles gedacht haben -  bis hin zu den Schnellrestaurants unterhalb der Gegentribüne.

Toll, was sich die DFL und ihre Werbepartner auch sonst alles einfallen lassen: Auf meinem Sitzplatz liegt - fein säuberlich in eine praktische Tüte verpackt - das heutige Event-Pack. Ich bin jedes Spiel gespannt, und auch diesmal werde ich nicht enttäuscht: Promo-CD von Blümchen, der Becks Erlebnis-Pass und drei verschiedene Knabbereien zum Probieren. Na ja, das mit dem Becks-Pass find ich nicht so gut. Schließlich bin ich im EFC Jever-Zico. Aber sonst passt es fast immer. Zum Saisonstart gab es sogar das Audi-Saison-Shirt umsonst, auf dem die vier Ringe aus den Logos aller 18 Premium-Werbepartner der Liga zusammen gesetzt waren.

Schade nur, dass ich mein Original-Trikot aus den späten Siebzigern nicht mehr anziehen mag. Denn ich habe keine Lust, den Minolta-Schriftzug abzukleben. Ins Stadion darf man nämlich nur mit Trikots, die der Name des aktuellen Sponsors der jeweilig unterstützten Mannschaft sowie das Bundesliga-Logo ziert. Aber bald soll ja ein Chipkartenabrechnungssystem eingeführt werden. Dann kann sich der stolze Besitzer eines alten Trikots für jedes einzelne Spiel eine vorübergehende Lizenz zum Tragen erwerben. Die gilt dann schon zwei Stunden vor dem Spiel und endet mit dem Schlusspfiff.

Ganz so schlimm ist das aber mit dem Trikot aber auch nicht. Denn dieses Spiel hat sich H&M das Recht gesichert, Mannschaften und Offizielle einzukleiden. Dieses Mal haben wir dabei richtig Glück gehabt, die auberginefarbenen Trikots passen wunderbar zu den pastellgelben Hosen. Und auch unser Trainer Klopp, Sportdirektor Matthäus und Pressechefin Schuster geben in ihrem modischen Freizeit-Anzügen eine gute Figur ab.

Aber genug des Wartens, endlich ist es so weit: Petra Roth segelt am Gleitschirm samt Ball in den Mittelkreis mit seinem Allianz-Logo, wo schon Johnny Klinke und Thomas Gottschalk auf die Ankunft des runden Leders warten, um den symbolischen Anstoß auszuführen...

Manchmal, aber nur manchmal, bin ich wirklich froh, wenn mich meine Frau mitten in der Nacht weckt.

Schwarzrote Grüße, Frank
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*schauder*
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Gruselig, aber leider nicht mehr so ganz realitätsfern  
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Ich hoffe, ich sterbe früh genug, um das niemals erleben zu müssen....

Aber ich glaube, nach solch einem Traum, würde ich mir zur Sicherheit jede Nacht stündlich den Wecker stellen. Nur für den Fall, dass die Frau mal nicht rettend eingreift
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Ein tolles Stadion, eine Mannschaft, die in der 1. Bundesliga konkurrenzfähig ist, erschwingliche Eintrittskarten für den Fanblock, TV-Berichterstattung im öffentlichen Fernsehen am Samstag nur 1h nach Abpfiff - darf's noch mehr sein? Wer all das will, muss den Sponsoren (sprich Geldgebern) schon gewisse Rechte zugestehen. Mir ist es ehrlich egal, ob der Elfmeterpunkt von K&S gesponsort und das entsprechend in der Halbzeitpause verkündet wird, wenn davon ein Spieler mitbezahlt werden kann.  Denn ohne Einnahmen keine Aussicht auf erfolgreichen Fussball.
Fussballvereine sind Wirtschaftsunternehmen, die Geld verdienen müssen. Ob es uns passt oder nicht - eines Tages wird kein Buli-Verein mehr das Risiko des Abstiegs eingehen wollen und somit seine Investitionen gefärden. Wir werden entsprechend den USA eine (Europa-?) Liga bekommen, die dieses Abstiegsrisiko nicht mehr beinhaltet. Dann wird erstklassiger Fussball in weiten Teilen der Republik nur noch im TV und im Amateurbereich stattfinden, weil z.B. Cottbus nicht die finanziellen Mittel hat. Oder ein Geldgeber kauft sich eine Mannschaft zusammen (man beobachte die SG "SAP" Hoffenheim).
Finde ich das gut & schön? Natürlich nicht, aber der geschilderte Alptraum wird schon bald Realität und kann noch viel schlimmer kommen. Besser man stellt sich schon jetzt drauf ein, denn der Phantasie der Fussball-Geldbeschaffer sind wenige Grenzen gesetzt. Ich hatte das vor ein paar Monaten schon mal hier geschrieben: "Geld schiesst Tore" ist ein aktuelles Buch von 2 Handelsblatt-Redakteuren. Lesenswert, wenn man eine Vorstellung gewinnen will, wie sich die Fussball-Landschaft in den nächsten Jahren entwickeln könnte.
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In diesem Sinne:

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Konvertierter schrieb:
Ein tolles Stadion, eine Mannschaft, die in der 1. Bundesliga konkurrenzfähig ist, erschwingliche Eintrittskarten für den Fanblock, TV-Berichterstattung im öffentlichen Fernsehen am Samstag nur 1h nach Abpfiff - darf's noch mehr sein? Wer all das will, muss den Sponsoren (sprich Geldgebern) schon gewisse Rechte zugestehen. Mir ist es ehrlich egal, ob der Elfmeterpunkt von K&S gesponsort und das entsprechend in der Halbzeitpause verkündet wird, wenn davon ein Spieler mitbezahlt werden kann.  Denn ohne Einnahmen keine Aussicht auf erfolgreichen Fussball.
Fussballvereine sind Wirtschaftsunternehmen, die Geld verdienen müssen. Ob es uns passt oder nicht - eines Tages wird kein Buli-Verein mehr das Risiko des Abstiegs eingehen wollen und somit seine Investitionen gefärden. Wir werden entsprechend den USA eine (Europa-?) Liga bekommen, die dieses Abstiegsrisiko nicht mehr beinhaltet. Dann wird erstklassiger Fussball in weiten Teilen der Republik nur noch im TV und im Amateurbereich stattfinden, weil z.B. Cottbus nicht die finanziellen Mittel hat. Oder ein Geldgeber kauft sich eine Mannschaft zusammen (man beobachte die SG "SAP" Hoffenheim).
Finde ich das gut & schön? Natürlich nicht, aber der geschilderte Alptraum wird schon bald Realität und kann noch viel schlimmer kommen. Besser man stellt sich schon jetzt drauf ein, denn der Phantasie der Fussball-Geldbeschaffer sind wenige Grenzen gesetzt. Ich hatte das vor ein paar Monaten schon mal hier geschrieben: "Geld schiesst Tore" ist ein aktuelles Buch von 2 Handelsblatt-Redakteuren. Lesenswert, wenn man eine Vorstellung gewinnen will, wie sich die Fussball-Landschaft in den nächsten Jahren entwickeln könnte.  


dass diese Entwicklung stattfindet ist wohl richtig, aber ich denke es ist falsch, jetzt schon zu resignieren. Ich bin sicher, dass ich nicht zu einem Fraport Frankfurt gehe. Wenn die Eintracht, wie zum Beispiel Salzburg, aufgekauft wird, wars das für mich mit dem Fußball und ich denke/hoffe auch für viele andere. Bei dir klingt das allerdings eher danach, dass du dahin gehen wirst, weil man sonst ja keinen guten Fußball zu sehen bekommt.
Da sollte man sich aufjeden fall gegen diese Entwicklung wehren.
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Diese Geschichte kommt zwar der einträchtlichen Entwicklung relativ nahe, aber mMn noch eher der Galaxy. Das ganze mit den Events, Party und Zirkus vor, während und nach dem Spiel findet doch bei denen viel intensiver als bei uns statt.
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Die Galaxy hat aber auch keine annähernd vergleichbare Tradition.
Das, was dort ist, an Event, Party und den ganzen Kunden im Stadion, war quasi von Anfang an so- ist also fast schon deren "Tradition". Können sie von mir aus gerne auch machen, solange sie uns in Ruhe lassen. Dazu müssten sie nur umziehen, nach Offenbach z.B....

Wie schon einige sagten und der Eingangsbeitrag ja auch sehr "schön" darlegt, ist im Fussball möglich, das zeigen einige Beispiele- und die Entwicklung geht in die Richtung. Vielleicht nicht in den nächsten 5, möglicherweise aber in 10 Jahren. Wenn es so weitergeht.
Es liegt an uns, dass weitestgehend zu verhindern.
Und es liegt an uns, Alternativen aufzuzeigen, wenn es denn mal soweit kommen sollte.
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Maxfanatic schrieb:


Wie schon einige sagten und der Eingangsbeitrag ja auch sehr "schön" darlegt, ist im Fussball möglich, das zeigen einige Beispiele- und die Entwicklung geht in die Richtung. Vielleicht nicht in den nächsten 5, möglicherweise aber in 10 Jahren. Wenn es so weitergeht.
Es liegt an uns, dass weitestgehend zu verhindern.
Und es liegt an uns, Alternativen aufzuzeigen, wenn es denn mal soweit kommen sollte.


Meine Rede. Es liegt auch an uns. Eine starke, selbstbewusste Fanszene, die klare Positionen vertritt, kann da einiges aufhalten. Es liegt an uns, klar zu machen, dass wir auf bestimmte Dinge großen Wert legen.  Und es liegt auch an uns Fußball, zu einem einzigartigen Erlebnis zu machen, was es bei der Galaxy eben nicht gibt.

Und ein Dienstleister wäre dumm, seine Stammkundschaft zu vergraulen und seinen USP aufzugeben. Mal so als BWL-mäßig gesprochen.
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In dem Augenblick, indem die Eintracht das Namensrecht an einen Sponsor verkauft, war´s das mit Erstligafußball für mich. Dann geh ich Sonntags schön zu nem Amateurverein, vielleicht Landesliga, wegen mir auch tiefer, Hauptsache es gibt ne Bratwurst, Bier und Fußball.
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Konvertierter schrieb:
...der geschilderte Alptraum wird schon bald Realität und kann noch viel schlimmer kommen. Besser man stellt sich schon jetzt drauf ein,...

Warum sollte ich?
Besser ist in meinen Augen, sich beizeiten dagegen zu wehren.

Mir war die vergangene Saison bereits der "Diver" in der Halbzeitpause beim Spiel gegen die Hertha in Berlin zuviel. Von der Dauerbeschallung in Hamburg und der Ankündigung der 15., 30., 45. usw. Minute wie des aktuellen Eckenverhältnisses durch einen Sponsoren gar nicht zu reden...
Widerlich.

Wie bei der "Sponsoren- und Premium-Partner-Präsentations-Veranstaltung" der FIFA, die gerade hierzulande stattfindet, und bei der am Rande auch etwas gekickt werden darf, gilt für mich immer: Ich muss nicht mitmachen.
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Stimmt, wir können es machen wie die Fans bei Bayern, die Klappe halten bis es zu spät ist, oder wir bleiben wie wir sind. Stehen hinter dem Verein wie eine Wand, lassen uns aber nichts gefallen was die Tradition des Vereins schaden kann! Den Stadionnamen kann ich noch verstehen, das Stadion gehört nicht der Eintracht, und die Eintracht braucht die Kohle. Aber sollten sie anfangen die Farben, das Logo oder an den Namen zu gehen, dann geh ich erst auf die Barrikaden, und wenn das nix hilft, hol ich mir ne Dauerkarte vom SV-Villmar! Ist zwar nur Kreisklasse oder so, aber da gibt es legger Worscht, legger Bier in Flaschen und die Jungs ham noch Spaß am Kicken!

Mein Herz würde zwar Bluten aber ich würde meine Eintracht als Eintracht in Erinnerung behalten.
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Übrigens: Danke.


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