Sooo, nachdem die Fanhistorie einige Tage WM-Pause eingelegt hat, setze ich hier mal mit einem, zugegeben, sehr langen Bericht die Serie fort. Man möge mir die Länge im Hinblick darauf, dass ich in meinem Bericht nicht ein Spiel, sondern eine komplette Rückrunde unterbringen musste, nachsehen. Da ich damals einfach nur für mich selbst einen etwa 50-seitigen Bericht geschrieben hatte, konnte ich mich nun darauf stützen. So sind mir auch viele Details wieder eingefallen, die ich zwischenzeitlich schon vergessen hatte.
Klassenerhalte oder Aufstiege am letzten Spieltag sind unserer Eintracht schon mehrfach gelungen und diese hochdramatischen Momente haben ja auch bereits Eingang in die Fanhistorie gefunden, sowohl das 6:3 als auch das 5:1 waren bereits Teil dieser Serie. Ein Jahr nach dem Herzschlagfinale gegen Kaiserslautern gelang es der Eintracht wieder erst am allerletzten Spieltag, in der Bundesliga zu bleiben. Es war kein so spektakuläres Spiel wie zwölf Monate zuvor, dafür aber war dieser Klassenerhalt das Resultat einer beeindruckenden Rückrunde, nachdem die Lage in der Winterpause schon ziemlich aussichtslos gewesen war…
Mit ganzen elf Punkten aus der Hinrunde stand die Eintracht Ende 1999 da, auf dem 17. Tabellenplatz und bereits acht Punkte von einem Nichtabstiegsplatz entfernt. Es sah nicht gut aus… Aus der Hinrunde stand eine Serie von acht sieglosen Spielen zu Buche, danach hatte man sich mit einem tollen 4:0-Erfolg gegen Hertha BSC kurzfristig auf Tabellenplatz 14 gerettet, um dann in den folgenden sechs Partien keinen einzigen Punkt mehr zu holen. Der Verbleib in der Bundesliga schien ziemlich aussichtslos.
Jörg Berger, der Retter vom Frühjahr ’99, wurde einen Tag nach der 0:3-Niederlage in Ulm entlassen und die Eintracht holte Felix Magath, dem seine Trainingsmethoden bald den Spitznamen „Quälix“ einbringen sollten… Außerdem verpflichtete man Torhüter Dirk Heinen und Stürmer Thomas Reichenberger von Bayer Leverkusen, nachdem man wenige Wochen zuvor schon Thomas Sobotzik aus Kaiserslautern zurückgeholt hatte. Was man sich, wie später bekannt wurde, finanziell eigentlich gar nicht mehr hätte erlauben können. Zumindest verkündete ein gewisser Herr Leben, der mal kurzzeitig als Schatzmeister bei der Eintracht tätig war, dass man Schulden im zweistelligen Millionenbereich und somit gegen die Lizenzauflagen des DFB verstoßen habe. Dazu später mehr…
Die Rückrunde begann Anfang Februar 2000 mit einer bescheidenen Leistung und einer Niederlage in Unterhaching, drei Tage später jedoch besiegte man den SC Freiburg zuhause mit 2:0. Ich lag damals krank im Bett und für mich gab es nur Radio und Fernsehen. A propos Fernsehen: Ich hatte seit Herbst 1999 Premiere abonniert, aber damals wurden noch nicht alle Spiele live gezeigt, es gab nur ein Spiel am Freitag, eins am Samstag und eins am Sonntag. Erst in der folgenden Saison wurden Konferenz und Übertragung aller Spiele (damals noch im Pay-per-view-System) eingeführt. So blieb bei Auswärtsspielen, die ich damals noch kaum besuchte, da ich erstens keinen kannte, mit dem ich hätte fahren können und ich zweitens damals mein Geld noch in teure Tageskarten auf der Gegentribüne investierte, häufig nur das Radio und abends die Zusammenfassung in „ran“. Was mich aber eigentlich nicht weiter störte, ich habe die Radio-Konferenz immer gerne verfolgt. Nun ja, um nicht weiter abzuschweifen: Weitere drei Tage später siegte die Eintracht mit 3:2 beim MSV Duisburg und verbesserte sich immerhin auf Rang 16. Sollte nun doch noch die Wende kommen?
Eine Woche später, am 19.02., hatte ich meine Grippe soweit überstanden und konnte endlich wieder im Stadion vor Ort sein. Es war ein ziemlich kalter Februar-Tag, an dem ich mich mit Anika im Schlepptau auf den Weg in Richtung Frankfurt machte, ich kam mir mit meinen diversen Kleiderschichten mal wieder vor wie das Michelin-Männchen höchstpersönlich. Eine der Schichten bestand übrigens aus einem roten Unterhemd, das die ganze Rückrunde mitmachen sollte, denn ich hatte in irgendeinem Fernsehbericht gehört, dass man in Italien an Silvester rote Unterwäsche trage, weil dies als Glücksbringer gelte. Vielleicht würde es ja ausnahmsweise auch in Hessen die gewünschte Wirkung erzielen…? Das Stadion war bei dem Spiel, das ein gewisser Herr B. aus K. pfiff (gegen den vereinzelte Protest-Transparente in den Stehplatz-Blöcken aufgehängt worden waren), nur mäßig gefüllt. Anika und ich saßen auf der Gegentribüne und bedauerten es ein wenig, dass unser Liebling Jan-Aage nicht mitspielte (er laborierte damals an einer Augenverletzung), freuten uns aber über einen 3:1-Erfolg der Eintracht gegen den TSV 1860 München mit Toren von Kutschera, Heldt und Salou. So schwerfällig, wie sich letzterer damals über den Platz schleppte, hätten wir von ihm am allerwenigsten einen Treffer erwartet… Und auch Horst Heldt, den manch einer schon als Fehleinkauf abgestempelt hatte, zeigte eine gute Leistung und sollte in den folgenden Wochen zu einem der besten Spieler der Rückrunde avancieren. Die Eintracht war immer noch auf Platz 16, aber nur noch drei Punkte vom „rettenden Ufer“ entfernt.
Eine Woche später stand das Auswärtsspiel bei Bayern München an und bei uns kam mal wieder das Radio zum Einsatz. An dem Wochenende hatten wir auch noch Besuch von einer – ich formuliere es mal vorsichtig – sehr merkwürdigen Brieffreundin von Anika. Die Eintracht unterlag mit 1:4 (den Treffer für unsere Jungs erzielte Tommy Reichenberger) und wir waren froh, als das Wochenende vorbei war…
Fünf Tage später musste die Eintracht auswärts in Stuttgart antreten und ich machte mich gemeinsam mit meinem ehemaligen Mitschüler Moritz in seinem Auto auf den Weg ins Schwabenland. Das war schon die vierte Begegnung zwischen der Eintracht und dem VfB, die wir gemeinsam besuchten. Er war, obwohl in Frankfurt geboren, VfB-Anhänger, aber es sei ihm verziehen, da seine Familie aus Esslingen stammt. Wir erreichten Stuttgart am späten Nachmittag und mussten einen geplanten Museumsbesuch leider streichen, da es sonst zu knapp hätte werden können. Die U-Bahnen in Richtung Daimler-Stadion verkehrten nämlich nur in großen zeitlichen Abständen und wir hatten auch noch keine Eintrittskarten… Die erwarben wir dann an der Abendkasse und nahmen unsere Plätze auf der Gegentribüne, ziemlich weit unten, ein. Eine Stunde vor Spielbeginn war noch nicht mal das Flutlicht eingeschaltet, von Vorprogramm keine Spur. Irgendwie wirkte das Ganze ziemlich provinziell… Ich durfte mir derweil immer wieder anhören, dass mit Sicherheit Stuttgart gewinnen würde. Nun ja, der VfB war zu diesem Zeitpunkt trotz seines Sieges gegen die Bayern eine Woche zuvor die schlechteste Heimmannschaft. Und ich trug mein rotes Glücksunterhemd, konnte da überhaupt etwas schief gehen? Kurz nach Spielbeginn hatte es den Anschein, als ob die magische Wirkung des roten Textils bereits nachließe, denn die Stuttgarter bekamen einen Elfmeter und neben mir frohlockte Moritz: „Gleich führen wir!“ Ich konnte kaum hinsehen, als Balakov zum Strafstoß antrat und als ich neben mir einige Fans jubelnd aufspringen sah, dachte ich, dass der Bulgare verwandelt hätte. Erst einige Momente später registrierte ich die schwarz-roten Schals um die Hälse meiner Sitznachbarn – ich war nicht der einzige SGE-Fan im Block. Und was noch viel wichtiger war: Heinen hatte den Elfmeter und den Nachschuss pariert! Ihrem Torhüter verdankte die Eintracht auch die Tatsache, dass es zur Pause noch 0:0 stand, Dirk Heinen war in Hochform. Ich schraubte derweil meine Erwartungen zurück, ein Pünktchen hätte mir angesichts der Zitterpartie in der ersten Halbzeit schon gereicht. Aber es sollte noch besser kommen. In der zweiten Hälfte steigerte sich die Eintracht nämlich und neben Dirk Heinen fiel vor allem Marco Gebhardt auf, der unermüdlich die linke Außenbahn auf und ab rannte. Beide bekamen, wenn ich mich recht erinnere, vom Kicker eine Eins für ihre Leistungen. Der eingewechselte Chen Yang schoß die Eintracht schließlich in Führung und der großartig spielende Gebhardt erhöhte auf 2:0. Ich hätte nach dem Schlusspfiff gerne noch länger die Mannschaft gefeiert, aber Moritz zog es schon zum Ausgang und zur Bahn… Einen Tag später waren bei einer Autogrammstunde in der Jahrhunderthalle Höchst Jan-Aage Fjörtoft und ein glänzend aufgelegter Dirk Heinen zu Gast, der herzlich lachen musste, als mein Vater zu ihm meinte: „Wer so einen Elfmeter hält, darf mir auch ein Autogramm geben!“
Am 17. März stand das nächste Heimspiel an, Gegner war Hansa Rostock. Ich saß an diesem Freitagabend wieder alleine in meinem angestammten Block auf der Gegentribüne und freute mich, dass Jan-Aage von Anfang an spielen würde, er war für den an Grippe erkrankten Salou in die Startformation gerückt. Die meisten „Experten“ um mich herum schienen sich darüber auch sehr zu freuen, bis auf einen Kerl, der mir mehrmals durch seine an niemand bestimmten gerichteten, sondern wild durch den Block gebrüllten Kommentare aufgefallen war. „Warum spielt der Depp denn?“ gellte es an diesem Abend von ihm quer durch die Sitzreihen. Selber Depp! Im Spiel hatte die Eintracht sehr, sehr viele Tormöglichkeiten und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie in Führung gehen würde... Von wegen ! Noch nie habe ich eine Mannschaft derart viele Chancen vergeben sehen. Und dass Jan, der sich sonst vielleicht dauerhaft seinen Platz in der Startelf zurückerobert hätte, die beiden größten Chancen vergab (und der Brüllaffe schräg vor mir sich somit in seiner Ansicht bestätigt sah), tat mir schon richtig weh. Der angeschlagene Salou wurde später noch eingewechselt, aber auch er brachte nichts Zählbares zustande. Es endete mit einem deprimierenden 0:0…
Das nächste Heimspiel fand am 01. April statt, Gegner war Arminia Bielefeld. Es regnete schon vormittags ununterbrochen und im Stadion ging es so weiter. Im Zug zum Bahnhof Sportfeld saßen uns ein paar Gehirnakrobaten gegenüber („Na, fahrt ihr auch zum Spiel?“) und auch das setzte sich im Stadion fort. Mein Sitznachbar wollte von mir im breitesten Schwäbisch wissen, warum ich mich denn so anmalen würde, wenn ich ins Stadion gehe (ich hatte damals immer knallrote Lippen, passend zum Jubiläumstrikot) und fühlte sich dann dazu berufen, Anika erklären zu wollen, was ein Tor und was ein Foul ist… Thomas Zampach sorgte für die Führung der Eintracht, doch Bielefeld glich aus und nun stand das Spiel auf der Kippe. Dank der Unterstützung des Publikums (was auch Alex Schur, Schütze des Siegtreffers, später über Stadion-Mikro und –Anzeigetafel versicherte) gewann die Eintracht dann aber noch mit 2:1.
Eine Woche später, am 08. April, musste die Eintracht auswärts bei Hertha BSC antreten, jener Hertha, die man fünf Monate zuvor noch mit 4:0 überraschend im heimischen Stadion geschlagen hatte. Es war das einzige Auswärtsspiel in der Rückrunde, zu dem die Mannschaft nicht mit dem Bus, sondern per Flugzeug anreiste. Felix Magath hatte seinen Spielern für den Fall, dass sie zu spät am Frankfurter Flughafen erschienen, Geldstrafen angedroht. Und wer kam vor dem Abflug in die Hauptstadt zu spät? Er selbst… Anika und ich saßen zuhause vor dem Radio und verfolgten das Spiel. Salou und Chen Yang stürmten von Beginn an und vor allem der Togolese lieferte laut Radioreporter eine enttäuschende Vorstellung. Am nächsten Tag stand in der FAZ-Sonntagszeitung, dass er für ein solches Spiel eigentlich gar kein Geld bekommen dürfe. Preetz schoß das 1:0 für die Hertha, an dem Dirk Heinen schuldlos war. Er vereitelte, wie wir später im „ran“-Bericht sahen, noch weitere Großchancen des Gegners. Und wir fragten uns, warum Magath so sehr an Salou festhielt. Als "Strafe" für die schlechten Leistungen in Berlin musste die Mannschaft dann für zwei Tage ins Trainingslager im Hintertaunus. "Quälix sperrt die Versager ein" betitelte die Bild-Zeitung ihren Artikel…
Auf das Berlin-Spiel folgte eine englische Woche und am Mittwoch, dem 12. April, musste die Eintracht zuhause gegen Werder Bremen antreten. Ich war enttäuscht. Trotz Magaths Äußerung: „Der Jan macht einen positiveren Eindruck,“ (im Vergleich zu Salou) stand wieder kein Fjörtoft in der Startformation. Dafür bekam immerhin Tommy Reichenberger eine Chance im Sturm von Beginn an, neben Chen Yang. Ich trug natürlich wieder das rote Glücksunterhemd unter meinem Jubiläumstrikot! Das Spiel besuchte ich zusammen mit meinem Papa und wir machten es uns mit Zigarren und einem Schlückchen Cognac richtig schön gemütlich auf der Gegentribüne. Mein spezieller Freund, der „Brüllaffe“ aus Reihe 16, war auch wieder da, diesmal allerdings mit einem Kumpel, der sich seine schlauen Äußerungen das ganze Spiel über ins Ohr schreien lassen durfte. FFH spielte den „Anton aus Tirol“ im Vorprogramm und kündigte an, man werde versuchen, DJ Ötzi zum nächsten Spiel gegen den HSV einzuladen, damit er den Titel live vortragen könne. Mein Papa und ich waren beide der Ansicht, dass das nicht unbedingt sein müsse. Besonders viele Torchancen gab es in Hälfte eins nicht, Chen Yang war aber mehrmals kurz davor, einen Treffer zu erzielen. In der zweiten Halbzeit wurde es besser, aber es gab auch auf Bremer Seite mehr Tormöglichkeiten. Die Frau neben mir wurde immer nervöser und saß mir irgendwann schon halb auf dem Schoß… Irgendwann wurde Tommy Reichenberger im Strafraum gefoult und es gab einen Elfmeter, den Horst Heldt verwandelte. Wir fielen uns jubelnd in die Arme. Mit einem Sieg würde die Eintracht die Abstiegsränge verlassen! Aber gegen Ende des Spieles wurde es noch einmal eng, als nämlich Ailton, der von Magath einst in Bremen als „zu dick" aussortiert worden war, zweimal hintereinander nur die Latte des Eintracht-Tores traf. Da standen viele Zuschauer wohl kurz vor einem Herzanfall. Aber am Ende ging es gut aus, es blieb beim knappen Sieg und die SGE verließ endlich den 16. Tabellenplatz. Allerdings nicht für lange Zeit, doch das ahnte an diesem Mittwochabend wohl kaum einer… Wir umarmten uns nur voller Erleichterung und machten uns nach einem kurzen Abstecher zu McDonald’s auf den Heimweg.
Das erneute Abrutschen in der Tabelle geschah nicht durch eine sportliche Niederlage. Zwei Tage nach dem so wichtigen Sieg gegen Bremen entschied der DFB über eine Bestrafung der Eintracht wegen der Verstöße gegen die Lizenzauflagen, die Schatzmeister Leben im Winter seltsamerweise noch an die große Glocke gehängt hatte. Andere Clubs, hauptsächlich natürlich die abstiegsbedrohten, zu deren Kreis auch langsam, man mochte es kaum glauben, Borussia Dortmund gehörte, forderten beim DFB eine harte Bestrafung der SGE, natürlich auch, um ihre eigene Haut zu retten. Es gab Forderungen nach Lizenzentzug, nach hohen Punktabzügen etc. Der Zeitpunkt der Entscheidung war natürlich äußerst ungünstig gewählt, einen Tag vor dem Auswärtsspiel der Eintracht in Kaiserslautern. Aus unterschiedlichen Gründen wäre es für den DFB am einfachsten gewesen, wenn die Eintracht durch sportliche Misserfolge in die zweite Liga abgestiegen wäre. Denn ein Zwangsabstieg aufgrund eines Lizenzentzuges hätte Probleme mit sich gebracht. Dann hätte die Bundesliga mit nur 17 statt 18 Clubs dagestanden, da von einem Zwangsabstieg kein anderer, sportlich abgestiegener Club hätte profitieren dürfen. Und ein vierter Aufsteiger aus der 2. Bundesliga war ebenfalls nicht erlaubt. Mit nur 17 Vereinen hätte es gewaltige Probleme mit Vermarktung und Fernsehrechten gegeben. Ein einfacher Abstieg in die zweite Liga hätte das Problem gelöst. Hatte man das beim DFB im Hinterkopf, als man die Entscheidung ausgerechnet für Freitag, den 14. April ansetzte? Wollte man die Spieler so verunsichern, dass sie versagten? Jedenfalls kam am Nachmittag die Meldung, der DFB hätte sich entschieden, Eintracht Frankfurt zwei Punkte abzuziehen und außerdem zu einer Geldstrafe von 500 000 DM zu verdonnern.
Ich war erstmal geschockt. Das bedeutete, dass das Team wieder auf einen Abstiegsplatz abrutschte. Andererseits waren "nur" zwei Punkte noch eine recht milde Strafe, da zuvor schon vom Lizenzentzug und von acht Punkten Abzug die Rede gewesen war. Mit zwei Punkten Abzug war der Klassenerhalt immer noch zu schaffen. Allerdings war es geradezu skandalös, auf welchem Wege die Mannschaft davon erfuhr. Der DFB verhielt sich meiner Ansicht nach extrem unprofessionell, indem er dem Team seine Entscheidung nicht mitteilte, sondern gleich damit an die Öffentlichkeit ging. Felix Magath und seine Jungs befanden sich an jenem Freitagnachmittag im Bus, unterwegs nach Kaiserslautern. Sie hörten durch Zufall im Radio während der Fahrt vom Punktabzug... Die Eintracht legte sofort Beschwerde beim DFB ein, die Chancen auf Erfolg standen jedoch nicht allzu gut. Und so stand das Spiel in der Pfalz unter keinem guten Stern. Wir befanden uns an diesem Samstagnachmittag, dem 15. April, auf dem Weg ins Elsass. Verwandte hatten uns dort in ein Hotel-Restaurant eingeladen, als Geschenk zum 50. Geburtstag meiner Mutter knappe vier Wochen zuvor. Während unsere Eltern im „Super U“ französische Lebensmittel einkauften, saßen Anika und ich im Auto und hörten auf SWR1 die Bundesliga-Konferenz. Wir hörten, dass beide Teams nicht überragend spielten und dass Kaiserslautern irgendwann 1:0 in Führung ging. Es war um die 80. Minute herum, als wir weiterfuhren und der Empfang so schlecht wurde, dass wir nichts mehr verstanden. Abends im Hotel konnten wir immerhin „ran“ gucken, ehe es zum Abendessen ging. Die ausgezeichnete Gänseleberpastete tröstete immerhin ein bisschen. Kann Fußball einen Menschen zum Frustesser machen???
Ich war in der folgenden Woche zweimal nachmittags beim Training und erlebte bestens gelaunte Spieler in gelöster Stimmung. Das konnten keine Absteiger sein! Auch das Spiel gegen den VfL Wolfsburg kurz darauf musste zu schaffen sein! Am Freitagabend, dem 28. April, stand es auf dem Programm. Ich hatte den ganzen Tag ein komisches Gefühl, eine richtige innere Unruhe, hoffentlich würde das kein schlechtes Omen für den Abend sein! Ich saß auf der Tribüne, genoß die Atmosphäre an einem herrlichen Frühlingsabend. Bei der Eintracht hatte es zuletzt noch einigen Ärger um Bachirou Salou gegeben, der so lange alles andere als überragend gespielt hatte, weder viel gelaufen war, noch Tore erzielt hatte. Ein Journalist der "FAZ" hatte daraufhin geschrieben, dass der Grund dafür möglicherweise Salous schlechter Lebenswandel sei. Das wiederum hatte die "Bild"-Zeitung aufgegriffen und noch verschärft: "Alkohol? Böse Gerüchte um Frankfurts Salou!" (Oder so ähnlich.) Und schon war der arme Kerl als Alkoholiker abgestempelt. Er war, ebenso wie Felix Magath zutiefst wütend darüber und das schien ihm plötzlich die Motivation zu bringen, die vorher offenbar gefehlt hatte. Denn er erzielte das erste Tor in der achten Minute, und zwar ein wunderschönes, allerdings auch nach einer phantastischen Vorarbeit durch seine Kollegen. Horst Heldt spielte aus dem Mittelfeld auf Gebhardt, der flitzte los auf der linken Seite, über die dank ihm so viele Eintracht-Angriffe laufen, flankte dann genau in die Mitte des Strafraumes, wo Salou mit einem Flugkopfball das Ganze vollendete. Wie aus dem Lehrbuch! Schöner wäre es gar nicht gegangen. Ein wahres Traumtor, das von allen begeistert bejubelt wurde und für Salou sicherlich eine große Genugtuung bedeutete. Es sollte nicht das letzte schöne Tor an diesem Tag gewesen sein! Denn den nächsten Treffer für die Eintracht erzielte nur acht Minuten später Marco Gebhardt, nach einem Pass von Horst Heldt. Eine beruhigende Führung schon nach einer guten Viertelstunde, dazu ein den Wolfsburgern eindeutig überlegenes Frankfurter Team... Das sah doch schon sehr vielversprechend aus. Ich saß zum Glück in der letzten Reihe des Blocks, so dass ich die gesamte zweite Halbzeit stehend verbringen konnte, ohne jemandem die Sicht zu versperren. Und ich war nicht die Einzige: Die meisten Leute auf der unteren Gegentribüne hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen. Eine Schrecksekunde gab es in der Mitte der zweiten Halbzeit, als Horst Heldt verletzt am Boden lag und schließlich ausgewechselt werden musste. Hoffentlich war es keine schwere Verletzung, denn Heldt, der in der Hinrunde oft nicht die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt hatte, war zu einem der wichtigsten Spieler in der Rückrunde geworden. Und zu einem der besten, ebenso wie Dirk Heinen und Marco Gebhardt. Etwa eine Viertelstunde vor Spielende wurde Jan-Aage eingewechselt und Salou verließ unter tosendem Beifall das Spielfeld. Ein wunderschönes Tor hatte er erzielt, vor allem aber hatte er allen Kritikern und bösen Gerüchten an diesem Abend eine passende Antwort gegeben. Drei Minuten später folgte Tor Nummer drei an diesem Abend, erzielt von Chen Yang. Die Stimmung war bestens, wie schon beim HSV-Spiel lief die Welle durchs Stadion und „Oh, wie ist das schön“ und „Nie mehr zweite Liga“ ertönten. Wer hätte das noch zwei Wochen zuvor, am Tag des Punktabzugs gedacht? Die auf der Anzeigetafel bekanntgegebenen Zwischenstände aus anderen Spielen der ersten und zweiten Bundesliga sorgten für noch bessere Laune, da die Offenbacher Kickers in der zweiten Liga gerade sehr hoch verloren und somit so gut wie abgestiegen waren. Dann kam die 79. Minute und mit ihr Tor Nummer vier. Fjörtoft kam im Strafraum der Wolfsburger an den Ball, beförderte ihn irgendwie rückwärts über seinen Kopf -und dabei so hoch, als ob er ihn zum Mond schießen wollte – zu Chen Yang. Und der fackelte nicht lange und hämmerte das Ding mit einem unhaltbaren Volleyschuss in des Gegners Tor. 4:0!!! Und es waren wahrhaftige Traumtore gewesen. Das Ehepaar neben mir schüttelte mir zum Abschied glücklich die Hand und versicherte mir: „Wir schaffen das!“ „Wir“ hatten übrigens Tabellenplatz 13 inne, trotz Punktabzug! Ich schwitzte mich an diesem warmen Abend in der S-Bahn halbtot, aber das rote Unterhemd hatte ich natürlich anziehen müssen! Am Hauptbahnhof holte mich mein Papa ab und zuhause wartete neben der SAT1-Zusammenfassung auf Video ein kaltes Bier auf mich. Fanherz, was willst du mehr???
Der nächste Spieltag stand erst zwei Wochen später auf dem Programm, am folgenden Wochenende war nämlich erstmal das Pokalfinale dran, auch damals fand es nicht nach dem 34. Spieltag, sondern während der Saison statt. In den Medien ging es beim Thema "Eintracht" in dieser Zeit hauptsächlich um den noch immer nicht feststehenden Investor, der bis zum 31. Mai gefunden werden musste. Doch mit keiner der in Frage kommenden Firmen schien man einig zu werden. Die Ideen des umstrittenen Schatzmeisters Rainer Leben konnten am Ende nur noch wenige nachvollziehen. Und so trat Leben am 6. Mai zurück, zur großen Überraschung von Trainer und Spielern. Die "Bild"-Zeitung behauptete, nun sei es sogar möglich, dass Felix Magath den Verein verließe, da er zuvor so gut mit Leben zusammengearbeitet habe. Doch glücklicherweise machte Felix Magath keinerlei Anstalten, den Club zu verlassen, außerdem war sein Vertrag erst kurz zuvor bis zum Jahre 2003 verlängert worden.
Am 13. Mai musste die Eintracht auswärts bei Bayer Leverkusen antreten, an einem wunderschönen warmen Tag, den wir bei meinen Großeltern in Wiesbaden verbrachten. Anika und ich lagen am Pool in der Sonne, vor uns ein etwas altersschwaches Radio, dessen Antenne laufend neu ausgerichtet werden musste. Obwohl ich mir irgendwie ein Herzschlagfinale wünschte (pervers, ich weiß! *g*), ärgerte ich mich natürlich trotzdem, als Leverkusen durch Kirsten in Führung ging. Kracht konnte zwar ausgleichen, aber es dauerte nicht lange, bis es 3:1 für die Gastgeber stand, und dann gab es auch noch Elfmeter für Leverkusen. In „ran“ sahen wir später, wie Jens Rasiejewski direkt vor den Augen des Schiedsrichters im Strafraum am Trikot von Bayer-Stürmer Rink zerrte und Alex Schur ihn wutentbrannt für diese dämliche Aktion anbrüllte… Die Eintracht hatte nach diesem Spieltag 36 Punkte und belegte Tabellenplatz 14. Am letzten Spieltag traf man auf den SSV Ulm, einen direkten Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt, der sich auf Platz 16 befand, punktgleich mit dem 15., Hansa Rostock. Ein Unentschieden würde reichen, die meisten Experten tippten darauf, dass Ulm gemeinsam mit Bielefeld und Duisburg den Weg in Liga zwei würde antreten müssen. Dennoch stand uns eine weitere Woche des Zitterns bevor. Magath verordnete seiner Mannschaft ein Kurz-Trainingslager in Bad Nauheim, sowie intensives Video-Studium am Riederwald. Ich lackierte mir die Nägel fürs Spiel abwechselnd schwarz und rot und ging am Freitagabend zur Ablenkung mit Moritz ins Kino.
Es war kein spektakuläres Spiel wie im Vorjahr gewesen, dafür war der Klassenerhalt 2000 das Ergebnis und glückliche Ende einer unglaublichen Rückrunde und einer tollen Heimserie. Und das Verdienst von Felix Magath. In der darauf folgenden Saison sollte Magath sich selbst demontieren, als er fußballerische „Größen“ wie Lösch oder Rada verpflichten ließ, die gut funktionierende Dreier-Abwehr aus Kutschera, Kracht und Houbtchev auseinanderriss und für schlechte Stimmung in der Mannschaft sorgte. Aber das kam erst später. An diesem 20. Mai hatte erst einmal eine aufregende Saison ihr glückliches Ende gefunden.
Ach Kine ich danke dir. In dem Jahr konnte ich auf kein einziges Spiel der Eintracht, da meiner einer im Auslandseinsatz in Bosnien vergammelt ist. Da konnte man das immer nur aus Hörensagen mitbekommen wies grad steht. Und meine Handyrechnung bestand in dem Monat aus einer vierstelligen Zahl O.o
Dein Bericht zeigt mir die Saison wunderbar welche ich fast komplett verpasst habe. Danke du, wie immer riesengroß, stilistisch sehr wertvoll und eindeutig schön geschrieben!
Diese Rückrunde ist mir auch in Erinnerung geblieben, weil sie wohl der Zeitpunkt ist, in dem ich vom "Sympathisanten" zum "Fan" wurde. Letzlich war die Serie damals unglaublich: In der Hinrunde nur wegen des besseren Torverhältnisses zweitschlechteste Mannschaft, dazu dann noch der Punktabzug und in der Rückrunde das drittbeste Team. Dass diese Mannschaft, die ich als noch unerfahrener Fan wirklich verehrt hab in der Saison darauf dermaßen schlecht und lustlos spielen könnte, hätte ich nie gedacht. Aber das ist halt die Eintracht...
Herrje, was für ne Arbeit. Respekt! Ich hoffe, du konntest alles mit dem Laptop auf der Terasse schreiben... ,-)
Ich möchte nur kurz das letzte Spiel gegen Ulm herausgreifen, nachdem die Saison, gemessen an den ursprünglichen Vorstellungen, enttäuschend verlief.
Wieder war es ein Endspiel, zum Glück war die Situation nicht ganz so dramatisch wie 1 Jahr zuvor. Aber wenige Minuten vor Schluß hatten die Ulmer beim Stande von 1:1 einen Lattentreffer. Da kam doch noch mal ein Frösteln auf. Wenn der drin gewesen wäre...
Als dann der Elfmeterpfiff für uns ertönte, ahnte jeder: jetzt sind wir durch.
Monk schrieb: Wow, wie lang hast du denn daran geschrieben?
Lang! Ich hab'nicht auf die Uhr geschaut, aber ich habe mir das Schreiben auch auf mehrere Tage verteilt. Und wie schon gesagt, habe ich damals schon einen Bericht einfach nur so für mich verfasst, aus dem ich jetzt einige Passagen übernehmen konnte...
@Miep: Stimmt, an den Lattentreffer erinnere ich mich auch noch. Ich hab' ganz schön gezittert in der zweiten Halbzeit dieses Spiels... Einen Laptop habe ich leider nicht, insofern kam die Terrasse nicht in Frage. Aber bei geöffneten Dachfenstern lässt es sich auch aushalten
@Kine Wieso zu lang?Und warum immer diese Entschuldigungen Beiträge dieser Art und Qualität können gar nicht lang genug sein. Btw ,lesen ist ein Feind der Dummheit.
"Brüllaffe" W U N D E R BA R du meinst bestimmt meinen Kumpel Christian S. den Schrecken der Gegentribüne. ach nee der saß nicht in Reihe 16 der saß Reihe 14
Aber wenige Minuten vor Schluß hatten die Ulmer beim Stande von 1:1 einen Lattentreffer. Da kam doch noch mal ein Frösteln auf. Wenn der drin gewesen wäre...
Ich sehe die Situation auch noch vor Augen.Mir ist die Pumpe für einige Sekunden stehen geblieben.Ich glaube Rößler wars. Ohne den (2) ? Punkteabzug hätte es ja gereicht. Nochmal Glück gehabt und wieder 90 Minuten weniger Lebenserwartung.
@ Kine
Sensationell,Hut ab vor Quantität und Qualität. Super Eintracht-Fan
Tja, an dieses 1:1 gegen Dortmund am 05. März 2000 kann ich mich auch noch sehr gut erinnern! Mein Vater hatte Geburtstag und wir haben das Spiel zusammen im Adler auf der Bergerstraße geschaut. Der Ausgleich war zwar mehr so ein Halb-Eigentor von Jürgen Kohler, aber ich war schon verdammt erleichtert als die Murmel reinging... Und am letzten Spieltag gg. Ulm bin ich auch mitsamt Vater und Schwester( die 99/00 ihr erstes und bisher einziges "ich bin Eintracht-Fan-Jahr" hatte) im Stadion gewesen, glaube im H-Block.
"Brüllaffe" W U N D E R BA R du meinst bestimmt meinen Kumpel Christian S. den Schrecken der Gegentribüne. ach nee der saß nicht in Reihe 16 der saß Reihe 14
Schrecken der Gegentribüne? Was hat er denn so schreckliches veranstaltet? *g*
am Gründonnerstag, stand das Heimspiel gegen den HSV an. [...] Es folgte grenzenloser Jubel, es tönte spöttisch in Richtung HSV "Und ihr wollt in die Champions League..." Wir klatschten und sangen "Oh, wie ist das schön" und "Nie mehr zweite Liga" und dann lief die „La-Ola“-Welle durchs Stadion. Ich war in einem totalen Freudenrausch und stand jubelnd auf meinem Sitz. Wer hätte das noch im Winter gedacht? Der HSV, ein Champions-League-Anwärter, 3:0 geschlagen von der Eintracht!
Oh ja, daran erinnere ich mich. Ich war an diesem Tag nach sechsjähriger "Pause" endlich wieder im Waldstadion, weil eine damalige Freundin und ihr Vater mich mitgenommen haben. Das rechne ich ihnen heute noch hoch an Und das Spiel war richtig geil.
hach, geil dass du die geschichte vom spiel gegen wolfsburg erwähnt hast, das war nach 5 jahren ohne eintracht live mein erstes spiel (auch das erste mal mit kumpel im stehbereich) und war schließlich das ereignis dass mich wieder ganz nah ran brachte an die eintracht!
wenn es dein ziel ist, innerhalb kürzester zeit hunderte von replies zu "provozieren", musst du einfach einen völlig sinn-entleerten thread erstellen. beweis: nicht weit entfernt von diesem thread hier, wie jeder nachlesen kann!
sollte dir jedoch qualität wichtiger sein, haste alles richtig gemacht! aber dann bekommst du eben nur ein gutes dutzend replies!
danke für den wunderbaren bericht! auch wenn du die messlatte damit sehr hoch gesetzt hast!
Hatte ich genau so gemeint und das Internetteam hat mit ner Stellungnahme zu dieser Diskussion hier ( haben das Forum gewechselt)r geantwortet : http://www.eintracht.de/fans/forum/7/11101573/
Solche Highlights gehören angemessen präsentiert! . Net nur für uns - wir kennen uns ja z. großen Teil sogar und teilen eben diese geilen Erinnerungen.
Die neuen Fans der Eintracht brauchen überschaubar nutzbar genau solche Lektüre !
Ein schöner Bericht von 99/00 auch wenn ich mich daran kaum noch erinnern kann, warum auch immer. Aber an diesen Kram mit der Lizenzdiskussion und den 2 Pkt. Abzug schon... hmm...
robertz schrieb: sollte dir jedoch qualität wichtiger sein, haste alles richtig gemacht! aber dann bekommst du eben nur ein gutes dutzend replies!
Na, da wird noch was kommen. Ich habe es noch gar nicht gelesen und hebe mir Kines Fanhistorie für schlaflose Nächte bzw. Wochenende auf. Denke, dass viele andere WM geschädigten User das ähnlich machen werden...
Super Bericht, da kommen alle Erinnerungen wieder hoch... War die erste Saison, die ich richtig intensiv miterlebt habe... Außerdem besitze ich auch noch den Bilderrahmen mit dem Gras des Waldstadions vom letzten Spieltag... Das waren noch Zeiten
der thread, auf den ich anspiele, nimmt allmählich latte´sche ausmasse an. es fühlen sich immer wieder - durchaus honorige - leute bemüssigt, den thread auzuwerten, in dem sie entweder ernsthaft mitdiskutiern oder sich über den eröffner lustig machen. jeder hat seine eigene methode, auf solche threads zu reagieren. die methode, die ich in diesen fällen bevorzuge, habe ich - und nicht nur ich alleine!!! - hier schon oft genug propagiert.
erfolglos, wie sich zeigt!
jedenfalls, und diese frage stelle ich einfach mal in den raum (sorry, kine!): geht es den südafrikanern so schlecht, dass sie auf diesen kasper angewiesen sind? wobei ich durchaus nicht unbedingt seine ortografischen unzulänglichkeiten meine (wer im glashaus sitzt...), sondern seine beiträge allgemein, die fast durch die bank bar jeden sinns und bar jeder logik sind!
ich weiss, viele können es nicht mehr hören/lesen, aber in dem man immer wieder solche schrott-threads am leben erhält, landen andere, lesenswerte auf der 2,3. seite. und wer schaut sich diese schon an?
und wetten, auch auf seinen zweiten, wieder hochinteressanten thread wird er innerhalb kurzer zeit mehr reaktionen einheimsen, als kine, die sich stundenlang an den rechner gesetzt hat, um uns alle an ihren schönen erlebnissen teil haben zu lassen.
Klassenerhalte oder Aufstiege am letzten Spieltag sind unserer Eintracht schon mehrfach gelungen und diese hochdramatischen Momente haben ja auch bereits Eingang in die Fanhistorie gefunden, sowohl das 6:3 als auch das 5:1 waren bereits Teil dieser Serie.
Ein Jahr nach dem Herzschlagfinale gegen Kaiserslautern gelang es der Eintracht wieder erst am allerletzten Spieltag, in der Bundesliga zu bleiben. Es war kein so spektakuläres Spiel wie zwölf Monate zuvor, dafür aber war dieser Klassenerhalt das Resultat einer beeindruckenden Rückrunde, nachdem die Lage in der Winterpause schon ziemlich aussichtslos gewesen war…
Mit ganzen elf Punkten aus der Hinrunde stand die Eintracht Ende 1999 da, auf dem 17. Tabellenplatz und bereits acht Punkte von einem Nichtabstiegsplatz entfernt. Es sah nicht gut aus…
Aus der Hinrunde stand eine Serie von acht sieglosen Spielen zu Buche, danach hatte man sich mit einem tollen 4:0-Erfolg gegen Hertha BSC kurzfristig auf Tabellenplatz 14 gerettet, um dann in den folgenden sechs Partien keinen einzigen Punkt mehr zu holen. Der Verbleib in der Bundesliga schien ziemlich aussichtslos.
Jörg Berger, der Retter vom Frühjahr ’99, wurde einen Tag nach der 0:3-Niederlage in Ulm entlassen und die Eintracht holte Felix Magath, dem seine Trainingsmethoden bald den Spitznamen „Quälix“ einbringen sollten… Außerdem verpflichtete man Torhüter Dirk Heinen und Stürmer Thomas Reichenberger von Bayer Leverkusen, nachdem man wenige Wochen zuvor schon Thomas Sobotzik aus Kaiserslautern zurückgeholt hatte. Was man sich, wie später bekannt wurde, finanziell eigentlich gar nicht mehr hätte erlauben können. Zumindest verkündete ein gewisser Herr Leben, der mal kurzzeitig als Schatzmeister bei der Eintracht tätig war, dass man Schulden im zweistelligen Millionenbereich und somit gegen die Lizenzauflagen des DFB verstoßen habe. Dazu später mehr…
Die Rückrunde begann Anfang Februar 2000 mit einer bescheidenen Leistung und einer Niederlage in Unterhaching, drei Tage später jedoch besiegte man den SC Freiburg zuhause mit 2:0. Ich lag damals krank im Bett und für mich gab es nur Radio und Fernsehen. A propos Fernsehen: Ich hatte seit Herbst 1999 Premiere abonniert, aber damals wurden noch nicht alle Spiele live gezeigt, es gab nur ein Spiel am Freitag, eins am Samstag und eins am Sonntag. Erst in der folgenden Saison wurden Konferenz und Übertragung aller Spiele (damals noch im Pay-per-view-System) eingeführt. So blieb bei Auswärtsspielen, die ich damals noch kaum besuchte, da ich erstens keinen kannte, mit dem ich hätte fahren können und ich zweitens damals mein Geld noch in teure Tageskarten auf der Gegentribüne investierte, häufig nur das Radio und abends die Zusammenfassung in „ran“. Was mich aber eigentlich nicht weiter störte, ich habe die Radio-Konferenz immer gerne verfolgt.
Nun ja, um nicht weiter abzuschweifen: Weitere drei Tage später siegte die Eintracht mit 3:2 beim MSV Duisburg und verbesserte sich immerhin auf Rang 16. Sollte nun doch noch die Wende kommen?
Eine Woche später, am 19.02., hatte ich meine Grippe soweit überstanden und konnte endlich wieder im Stadion vor Ort sein. Es war ein ziemlich kalter Februar-Tag, an dem ich mich mit Anika im Schlepptau auf den Weg in Richtung Frankfurt machte, ich kam mir mit meinen diversen Kleiderschichten mal wieder vor wie das Michelin-Männchen höchstpersönlich. Eine der Schichten bestand übrigens aus einem roten Unterhemd, das die ganze Rückrunde mitmachen sollte, denn ich hatte in irgendeinem Fernsehbericht gehört, dass man in Italien an Silvester rote Unterwäsche trage, weil dies als Glücksbringer gelte. Vielleicht würde es ja ausnahmsweise auch in Hessen die gewünschte Wirkung erzielen…?
Das Stadion war bei dem Spiel, das ein gewisser Herr B. aus K. pfiff (gegen den vereinzelte Protest-Transparente in den Stehplatz-Blöcken aufgehängt worden waren), nur mäßig gefüllt. Anika und ich saßen auf der Gegentribüne und bedauerten es ein wenig, dass unser Liebling Jan-Aage nicht mitspielte (er laborierte damals an einer Augenverletzung), freuten uns aber über einen 3:1-Erfolg der Eintracht gegen den TSV 1860 München mit Toren von Kutschera, Heldt und Salou. So schwerfällig, wie sich letzterer damals über den Platz schleppte, hätten wir von ihm am allerwenigsten einen Treffer erwartet… Und auch Horst Heldt, den manch einer schon als Fehleinkauf abgestempelt hatte, zeigte eine gute Leistung und sollte in den folgenden Wochen zu einem der besten Spieler der Rückrunde avancieren.
Die Eintracht war immer noch auf Platz 16, aber nur noch drei Punkte vom „rettenden Ufer“ entfernt.
Eine Woche später stand das Auswärtsspiel bei Bayern München an und bei uns kam mal wieder das Radio zum Einsatz. An dem Wochenende hatten wir auch noch Besuch von einer – ich formuliere es mal vorsichtig – sehr merkwürdigen Brieffreundin von Anika. Die Eintracht unterlag mit 1:4 (den Treffer für unsere Jungs erzielte Tommy Reichenberger) und wir waren froh, als das Wochenende vorbei war…
Am Fastnachtssonntag, dem 05. März, stand das nächste Heimspiel an, man traf im heimischen Waldstadion auf Borussia Dortmund. Ich hatte keinen Begleiter für diesen Tag gefunden und so machte ich mich alleine auf den Weg nach Frankfurt. In der S-Bahn lag auf dem gegenüberliegenden Sitz der Sportteil des „Äppler“ mit einem Foto von Jan-Aage Fjörtoft, der im letzten Heimspiel gegen Dortmund getroffen hatte, und der Bildunterschrift: „Gelingt ihm das heute wieder?“
Die Dortmunder steckten damals in einer tiefen Krise, Michael Skibbe war entlassen worden, man hatte Bernd Krauss geholt, doch es wurde nicht besser, der BVB gewann einfach kein Spiel. Würde die Eintracht davon profitieren können?
Ich fuhr mit dem damals noch verkehrenden Regionalexpress (mittlerweile hat ihn die S-Bahn Linie 7 abgelöst) zum Stadion und weiß noch, dass ich tief beeindruckt war von einem etwa 15 Jahre alten Mädchen, das mir gegenüber im Gang stand und auf der kurzen Fahrt vom Hauptbahnhof zum Stadion alleine eine Flasche „Großmutters Schokogeheimnis“ leerte…
Ich saß wieder auf der Gegentribüne, untere Hälfte, in Höhe der Mittellinie. Ein toller Platz, auf dem man, wenn man sich auf einem bestimmten Sitz in Reihe 18 befand, sogar eine Rückenlehne hatte. Dort stand nämlich ein Stromkasten unmittelbar hinter eben jener letzten Reihe. Dieser war allerdings ein beliebter Treffpunkt von selbsternannten Experten, oder Lederhüten, wie sie HeinzGründel nennen würde. Sie standen bei jedem Spiel um diesen Kasten versammelt, teilweise auch mit den Ellbogen darauf gestützt und gaben ihre „Weisheiten“ zum Besten.
Nachdem „Im Herzen von Europa“ im Vorprogramm hauptsächlich für Erheiterung beim Publikum gesorgt hatte (es war die von Rigobert_G in Fanhistorie I erwähnte Zeit, als FFH begann, den Titel ins Repertoire aufzunehmen), begann die Partie und die angeblich so mitgenommenen Dortmunder gingen bald durch Heiko Herrlich in Führung. Daran änderte sich bis etwa 15 Minuten vor Schlusspfiff auch nichts und ich begann schon zu resignieren und mir das Horrorszenario auszumalen, dass die Eintracht niemals die Abstiegsränge verlassen würde. Da hörte ich hinter mir erregtes Gemurmel: „Fjörtoft kommt!“ „Jan kommt rein!“ „Endlich!“ Und in der 76. Minute wurde der „Wikinger“ für Guié-Mien eingewechselt. Die Fans hatten kaum seinen Namen gebrüllt, da hatte er schon den Ball per Kopf ins Dortmunder Tor befördert. Großartig! Ich ging glücklich nach Hause nach einem Unentschieden, das sich wie ein Sieg anfühlte.
Fünf Tage später musste die Eintracht auswärts in Stuttgart antreten und ich machte mich gemeinsam mit meinem ehemaligen Mitschüler Moritz in seinem Auto auf den Weg ins Schwabenland. Das war schon die vierte Begegnung zwischen der Eintracht und dem VfB, die wir gemeinsam besuchten. Er war, obwohl in Frankfurt geboren, VfB-Anhänger, aber es sei ihm verziehen, da seine Familie aus Esslingen stammt.
Wir erreichten Stuttgart am späten Nachmittag und mussten einen geplanten Museumsbesuch leider streichen, da es sonst zu knapp hätte werden können. Die U-Bahnen in Richtung Daimler-Stadion verkehrten nämlich nur in großen zeitlichen Abständen und wir hatten auch noch keine Eintrittskarten… Die erwarben wir dann an der Abendkasse und nahmen unsere Plätze auf der Gegentribüne, ziemlich weit unten, ein. Eine Stunde vor Spielbeginn war noch nicht mal das Flutlicht eingeschaltet, von Vorprogramm keine Spur. Irgendwie wirkte das Ganze ziemlich provinziell… Ich durfte mir derweil immer wieder anhören, dass mit Sicherheit Stuttgart gewinnen würde. Nun ja, der VfB war zu diesem Zeitpunkt trotz seines Sieges gegen die Bayern eine Woche zuvor die schlechteste Heimmannschaft. Und ich trug mein rotes Glücksunterhemd, konnte da überhaupt etwas schief gehen?
Kurz nach Spielbeginn hatte es den Anschein, als ob die magische Wirkung des roten Textils bereits nachließe, denn die Stuttgarter bekamen einen Elfmeter und neben mir frohlockte Moritz: „Gleich führen wir!“ Ich konnte kaum hinsehen, als Balakov zum Strafstoß antrat und als ich neben mir einige Fans jubelnd aufspringen sah, dachte ich, dass der Bulgare verwandelt hätte. Erst einige Momente später registrierte ich die schwarz-roten Schals um die Hälse meiner Sitznachbarn – ich war nicht der einzige SGE-Fan im Block. Und was noch viel wichtiger war: Heinen hatte den Elfmeter und den Nachschuss pariert!
Ihrem Torhüter verdankte die Eintracht auch die Tatsache, dass es zur Pause noch 0:0 stand, Dirk Heinen war in Hochform. Ich schraubte derweil meine Erwartungen zurück, ein Pünktchen hätte mir angesichts der Zitterpartie in der ersten Halbzeit schon gereicht. Aber es sollte noch besser kommen. In der zweiten Hälfte steigerte sich die Eintracht nämlich und neben Dirk Heinen fiel vor allem Marco Gebhardt auf, der unermüdlich die linke Außenbahn auf und ab rannte. Beide bekamen, wenn ich mich recht erinnere, vom Kicker eine Eins für ihre Leistungen. Der eingewechselte Chen Yang schoß die Eintracht schließlich in Führung und der großartig spielende Gebhardt erhöhte auf 2:0. Ich hätte nach dem Schlusspfiff gerne noch länger die Mannschaft gefeiert, aber Moritz zog es schon zum Ausgang und zur Bahn…
Einen Tag später waren bei einer Autogrammstunde in der Jahrhunderthalle Höchst Jan-Aage Fjörtoft und ein glänzend aufgelegter Dirk Heinen zu Gast, der herzlich lachen musste, als mein Vater zu ihm meinte: „Wer so einen Elfmeter hält, darf mir auch ein Autogramm geben!“
Am 17. März stand das nächste Heimspiel an, Gegner war Hansa Rostock. Ich saß an diesem Freitagabend wieder alleine in meinem angestammten Block auf der Gegentribüne und freute mich, dass Jan-Aage von Anfang an spielen würde, er war für den an Grippe erkrankten Salou in die Startformation gerückt. Die meisten „Experten“ um mich herum schienen sich darüber auch sehr zu freuen, bis auf einen Kerl, der mir mehrmals durch seine an niemand bestimmten gerichteten, sondern wild durch den Block gebrüllten Kommentare aufgefallen war. „Warum spielt der Depp denn?“ gellte es an diesem Abend von ihm quer durch die Sitzreihen. Selber Depp!
Im Spiel hatte die Eintracht sehr, sehr viele Tormöglichkeiten und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie in Führung gehen würde... Von wegen ! Noch nie habe ich eine Mannschaft derart viele Chancen vergeben sehen. Und dass Jan, der sich sonst vielleicht dauerhaft seinen Platz in der Startelf zurückerobert hätte, die beiden größten Chancen vergab (und der Brüllaffe schräg vor mir sich somit in seiner Ansicht bestätigt sah), tat mir schon richtig weh. Der angeschlagene Salou wurde später noch eingewechselt, aber auch er brachte nichts Zählbares zustande. Es endete mit einem deprimierenden 0:0…
Zum nächsten Auswärtsspiel, das am 26.03. auf Schalke stattfand, organisierte Eintrachts Medienpartner FFH einen Sonderzug zum günstigen Fahrpreis von 30 DM, in dem ich mitgefahren wäre… - wenn mich nicht meine Großeltern zu einem Kurztrip nach Paris eingeladen hätten. So starteten wir mit dem Wohnmobil in die französische Hauptstadt und die Eintracht spielte auf Schalke während ich mit Oma und Opa auf den Champs-Elysées Kaffee trank. Dank Satellitenantenne konnte ich abends die Zusammenfassung eines weiteren deprimierenden 0:0 auf DSF verfolgen… Dafür trank ich am nächsten Tag eines der teuersten Biere meines Lebens, in einem Bistro direkt an der Notre-Dame für 50 Francs, während sich mein Opa einen Gin Tonic für 75 Francs genehmigte… Touristen-Preise eben.
Das nächste Heimspiel fand am 01. April statt, Gegner war Arminia Bielefeld. Es regnete schon vormittags ununterbrochen und im Stadion ging es so weiter. Im Zug zum Bahnhof Sportfeld saßen uns ein paar Gehirnakrobaten gegenüber („Na, fahrt ihr auch zum Spiel?“) und auch das setzte sich im Stadion fort. Mein Sitznachbar wollte von mir im breitesten Schwäbisch wissen, warum ich mich denn so anmalen würde, wenn ich ins Stadion gehe (ich hatte damals immer knallrote Lippen, passend zum Jubiläumstrikot) und fühlte sich dann dazu berufen, Anika erklären zu wollen, was ein Tor und was ein Foul ist…
Thomas Zampach sorgte für die Führung der Eintracht, doch Bielefeld glich aus und nun stand das Spiel auf der Kippe. Dank der Unterstützung des Publikums (was auch Alex Schur, Schütze des Siegtreffers, später über Stadion-Mikro und –Anzeigetafel versicherte) gewann die Eintracht dann aber noch mit 2:1.
Eine Woche später, am 08. April, musste die Eintracht auswärts bei Hertha BSC antreten, jener Hertha, die man fünf Monate zuvor noch mit 4:0 überraschend im heimischen Stadion geschlagen hatte. Es war das einzige Auswärtsspiel in der Rückrunde, zu dem die Mannschaft nicht mit dem Bus, sondern per Flugzeug anreiste. Felix Magath hatte seinen Spielern für den Fall, dass sie zu spät am Frankfurter Flughafen erschienen, Geldstrafen angedroht. Und wer kam vor dem Abflug in die Hauptstadt zu spät? Er selbst…
Anika und ich saßen zuhause vor dem Radio und verfolgten das Spiel. Salou und Chen Yang stürmten von Beginn an und vor allem der Togolese lieferte laut Radioreporter eine enttäuschende Vorstellung. Am nächsten Tag stand in der FAZ-Sonntagszeitung, dass er für ein solches Spiel eigentlich gar kein Geld bekommen dürfe. Preetz schoß das 1:0 für die Hertha, an dem Dirk Heinen schuldlos war. Er vereitelte, wie wir später im „ran“-Bericht sahen, noch weitere Großchancen des Gegners. Und wir fragten uns, warum Magath so sehr an Salou festhielt. Als "Strafe" für die schlechten Leistungen in Berlin musste die Mannschaft dann für zwei Tage ins Trainingslager im Hintertaunus. "Quälix sperrt die Versager ein" betitelte die Bild-Zeitung ihren Artikel…
Auf das Berlin-Spiel folgte eine englische Woche und am Mittwoch, dem 12. April, musste die Eintracht zuhause gegen Werder Bremen antreten. Ich war enttäuscht. Trotz Magaths Äußerung: „Der Jan macht einen positiveren Eindruck,“ (im Vergleich zu Salou) stand wieder kein Fjörtoft in der Startformation. Dafür bekam immerhin Tommy Reichenberger eine Chance im Sturm von Beginn an, neben Chen Yang. Ich trug natürlich wieder das rote Glücksunterhemd unter meinem Jubiläumstrikot! Das Spiel besuchte ich zusammen mit meinem Papa und wir machten es uns mit Zigarren und einem Schlückchen Cognac richtig schön gemütlich auf der Gegentribüne. Mein spezieller Freund, der „Brüllaffe“ aus Reihe 16, war auch wieder da, diesmal allerdings mit einem Kumpel, der sich seine schlauen Äußerungen das ganze Spiel über ins Ohr schreien lassen durfte. FFH spielte den „Anton aus Tirol“ im Vorprogramm und kündigte an, man werde versuchen, DJ Ötzi zum nächsten Spiel gegen den HSV einzuladen, damit er den Titel live vortragen könne. Mein Papa und ich waren beide der Ansicht, dass das nicht unbedingt sein müsse.
Besonders viele Torchancen gab es in Hälfte eins nicht, Chen Yang war aber mehrmals kurz davor, einen Treffer zu erzielen. In der zweiten Halbzeit wurde es besser, aber es gab auch auf Bremer Seite mehr Tormöglichkeiten. Die Frau neben mir wurde immer nervöser und saß mir irgendwann schon halb auf dem Schoß… Irgendwann wurde Tommy Reichenberger im Strafraum gefoult und es gab einen Elfmeter, den Horst Heldt verwandelte. Wir fielen uns jubelnd in die Arme. Mit einem Sieg würde die Eintracht die Abstiegsränge verlassen! Aber gegen Ende des Spieles wurde es noch einmal eng, als nämlich Ailton, der von Magath einst in Bremen als „zu dick" aussortiert worden war, zweimal hintereinander nur die Latte des Eintracht-Tores traf. Da standen viele Zuschauer wohl kurz vor einem Herzanfall. Aber am Ende ging es gut aus, es blieb beim knappen Sieg und die SGE verließ endlich den 16. Tabellenplatz. Allerdings nicht für lange Zeit, doch das ahnte an diesem Mittwochabend wohl kaum einer… Wir umarmten uns nur voller Erleichterung und machten uns nach einem kurzen Abstecher zu McDonald’s auf den Heimweg.
Das erneute Abrutschen in der Tabelle geschah nicht durch eine sportliche Niederlage. Zwei Tage nach dem so wichtigen Sieg gegen Bremen entschied der DFB über eine Bestrafung der Eintracht wegen der Verstöße gegen die Lizenzauflagen, die Schatzmeister Leben im Winter seltsamerweise noch an die große Glocke gehängt hatte. Andere Clubs, hauptsächlich natürlich die abstiegsbedrohten, zu deren Kreis auch langsam, man mochte es kaum glauben, Borussia Dortmund gehörte, forderten beim DFB eine harte Bestrafung der SGE, natürlich auch, um ihre eigene Haut zu retten. Es gab Forderungen nach Lizenzentzug, nach hohen Punktabzügen etc. Der Zeitpunkt der Entscheidung war natürlich äußerst ungünstig gewählt, einen Tag vor dem Auswärtsspiel der Eintracht in Kaiserslautern. Aus unterschiedlichen Gründen wäre es für den DFB am einfachsten gewesen, wenn die Eintracht durch sportliche Misserfolge in die zweite Liga abgestiegen wäre. Denn ein Zwangsabstieg aufgrund eines Lizenzentzuges hätte Probleme mit sich gebracht. Dann hätte die Bundesliga mit nur 17 statt 18 Clubs dagestanden, da von einem Zwangsabstieg kein anderer, sportlich abgestiegener Club hätte profitieren dürfen. Und ein vierter Aufsteiger aus der 2. Bundesliga war ebenfalls nicht erlaubt. Mit nur 17 Vereinen hätte es gewaltige Probleme mit Vermarktung und Fernsehrechten gegeben. Ein einfacher Abstieg in die zweite Liga hätte das Problem gelöst. Hatte man das beim DFB im Hinterkopf, als man die Entscheidung ausgerechnet für Freitag, den 14. April ansetzte? Wollte man die Spieler so verunsichern, dass sie versagten?
Jedenfalls kam am Nachmittag die Meldung, der DFB hätte sich entschieden, Eintracht Frankfurt zwei Punkte abzuziehen und außerdem zu einer Geldstrafe von 500 000 DM zu verdonnern.
Ich war erstmal geschockt. Das bedeutete, dass das Team wieder auf einen Abstiegsplatz abrutschte. Andererseits waren "nur" zwei Punkte noch eine recht milde Strafe, da zuvor schon vom Lizenzentzug und von acht Punkten Abzug die Rede gewesen war. Mit zwei Punkten Abzug war der Klassenerhalt immer noch zu schaffen. Allerdings war es geradezu skandalös, auf welchem Wege die Mannschaft davon erfuhr. Der DFB verhielt sich meiner Ansicht nach extrem unprofessionell, indem er dem Team seine Entscheidung nicht mitteilte, sondern gleich damit an die Öffentlichkeit ging. Felix Magath und seine Jungs befanden sich an jenem Freitagnachmittag im Bus, unterwegs nach Kaiserslautern. Sie hörten durch Zufall im Radio während der Fahrt vom Punktabzug... Die Eintracht legte sofort Beschwerde beim DFB ein, die Chancen auf Erfolg standen jedoch nicht allzu gut.
Und so stand das Spiel in der Pfalz unter keinem guten Stern. Wir befanden uns an diesem Samstagnachmittag, dem 15. April, auf dem Weg ins Elsass. Verwandte hatten uns dort in ein Hotel-Restaurant eingeladen, als Geschenk zum 50. Geburtstag meiner Mutter knappe vier Wochen zuvor. Während unsere Eltern im „Super U“ französische Lebensmittel einkauften, saßen Anika und ich im Auto und hörten auf SWR1 die Bundesliga-Konferenz. Wir hörten, dass beide Teams nicht überragend spielten und dass Kaiserslautern irgendwann 1:0 in Führung ging. Es war um die 80. Minute herum, als wir weiterfuhren und der Empfang so schlecht wurde, dass wir nichts mehr verstanden. Abends im Hotel konnten wir immerhin „ran“ gucken, ehe es zum Abendessen ging. Die ausgezeichnete Gänseleberpastete tröstete immerhin ein bisschen. Kann Fußball einen Menschen zum Frustesser machen???
Am folgenden Montag waren wir mit der ganzen Familie am Riederwald, die Eintracht veranstaltete ihre „Oster-Aktionstage“ mit Autogrammstunde und allem Drum und Dran. Ich erstand in weiser Voraussicht schon mal meine Karte für’s letzte Saisonspiel, diesmal Haupttribüne. Da hatte ich erst einmal gesessen, beim Länderspiel Deutschland-Kolumbien. Und Jahre zuvor beim Guns’n’Roses-Konzert, aber das fiel ja nicht unter die Kategorie „Fußball“.
Am nächsten Tag war ich, wenn ich mich recht erinnere, mal wieder beim Training, es liefen immer noch die Aktionstage, mit Torwandschießen und Kartfahren. Neben mir stand ein Ehepaar, bei dem sich nicht feststellen ließ, wer von beiden den beschränkteren Eindruck machte. Ich erinnere mich an folgenden Dialog: „Ei guck’, da is’ de Schi-Ming!“ (Offensichtlich meinte der gute Mann Rolf-Christel Guié-Mien…) –„Ei wer is’ dann de Schi-Ming?“ –„Ei der da!“ –„Ach so, isch hab’ immer gedacht, de Schi-Ming wär’ de Schinees!“ Namen aussprechen müsste man können! *g*
Und dann hatte noch ein älterer Herr seinen großen Auftritt, der plötzlich anfing, über die Eintracht zu schimpfen. Die heutigen Spieler taugten doch alle nichts, die müsse man einbetonieren und im Main versenken. Er kenne sich schließlich aus, immerhin habe er schon als Kind am Riederwald Salamander gefangen...
Durch den Umzug des Profi-Trainings ans Stadion sind diese älteren Herrschaften, die jeden Tag zuschauen, leider sehr viel weniger geworden. Na ja, die besten Sprüche hat ohnehin unser Lieblingsrentner Bernd drauf!
Zwei Tage später, am Gründonnerstag, stand das Heimspiel gegen den HSV an. Ich hatte gehofft, dass es am Ostersamstag, meinem Geburtstag, stattfinden würde, aber es wurde vorverlegt. (In den Genuss eines Sieges an meinem Geburtstag sollte ich aber 2005 und 2006 noch kommen.)
Wir waren mit der ganzen Familie im Stadion, wieder auf der Gegentribüne und ich wieder mit dem roten Glücksunterhemd unterm Jubiläumstrikot. Mein Liebling Jan-Aage war gelbgesperrt, lieferte uns aber mit einem Interview vor dem Spiel beste Unterhaltung. Und dann trat tatsächlich der von FFH eingeladene DJ Ötzi auf. Er gab im Eintracht-Trikot vor dem G-Block den „Anton aus Tirol“ zum Besten und durfte dann auch die – recht offensiv ausgerichtete – Mannschaftsaufstellung vorlesen. Das Sturmduo bildeten Yang und Reichenberger, dahinter agierten Heldt und Schi-Ming…äääh…Guié-Mien. Und der erzielte bereits nach knappen sechs Minuten das 1:0 gegen einen stark ersatzgeschwächten HSV. Bis zur Halbzeit fiel aber kein weiteres Tor mehr, ein Treffer wurde wegen Abseitsstellung nicht gegeben.
Reichenberger wurde ausgewechselt, Salou kam ins Spiel (mein Papa stöhnte entsetzt auf). Das 2:0 erzielte aber Chen Yang in der 71. Minute und nur fünf Minuten später traf erneut Guié-Mien. Übrigens vor 50.000 Zuschauern, so viele waren es in dieser Rückrunde noch nie gewesen. Es folgte grenzenloser Jubel, es tönte spöttisch in Richtung HSV "Und ihr wollt in die Champions League..." Wir klatschten und sangen "Oh, wie ist das schön" und "Nie mehr zweite Liga" und dann lief die „La-Ola“-Welle durchs Stadion. Ich war in einem totalen Freudenrausch und stand jubelnd auf meinem Sitz. Wer hätte das noch im Winter gedacht? Der HSV, ein Champions-League-Anwärter, 3:0 geschlagen von der Eintracht!
Felix Magath gab seinen Spielern zur Belohnung erstmal drei Tage frei. Mal Zuckerbrot, mal Peitsche, der Mann schien die richtige Mischung zu finden.
Ich war in der folgenden Woche zweimal nachmittags beim Training und erlebte bestens gelaunte Spieler in gelöster Stimmung. Das konnten keine Absteiger sein! Auch das Spiel gegen den VfL Wolfsburg kurz darauf musste zu schaffen sein!
Am Freitagabend, dem 28. April, stand es auf dem Programm. Ich hatte den ganzen Tag ein komisches Gefühl, eine richtige innere Unruhe, hoffentlich würde das kein schlechtes Omen für den Abend sein!
Ich saß auf der Tribüne, genoß die Atmosphäre an einem herrlichen Frühlingsabend. Bei der Eintracht hatte es zuletzt noch einigen Ärger um Bachirou Salou gegeben, der so lange alles andere als überragend gespielt hatte, weder viel gelaufen war, noch Tore erzielt hatte. Ein Journalist der "FAZ" hatte daraufhin geschrieben, dass der Grund dafür möglicherweise Salous schlechter Lebenswandel sei. Das wiederum hatte die "Bild"-Zeitung aufgegriffen und noch verschärft: "Alkohol? Böse Gerüchte um Frankfurts Salou!" (Oder so ähnlich.) Und schon war der arme Kerl als Alkoholiker abgestempelt. Er war, ebenso wie Felix Magath zutiefst wütend darüber und das schien ihm plötzlich die Motivation zu bringen, die vorher offenbar gefehlt hatte. Denn er erzielte das erste Tor in der achten Minute, und zwar ein wunderschönes, allerdings auch nach einer phantastischen Vorarbeit durch seine Kollegen. Horst Heldt spielte aus dem Mittelfeld auf Gebhardt, der flitzte los auf der linken Seite, über die dank ihm so viele Eintracht-Angriffe laufen, flankte dann genau in die Mitte des Strafraumes, wo Salou mit einem Flugkopfball das Ganze vollendete. Wie aus dem Lehrbuch! Schöner wäre es gar nicht gegangen. Ein wahres Traumtor, das von allen begeistert bejubelt wurde und für Salou sicherlich eine große Genugtuung bedeutete. Es sollte nicht das letzte schöne Tor an diesem Tag gewesen sein!
Denn den nächsten Treffer für die Eintracht erzielte nur acht Minuten später Marco Gebhardt, nach einem Pass von Horst Heldt. Eine beruhigende Führung schon nach einer guten Viertelstunde, dazu ein den Wolfsburgern eindeutig überlegenes Frankfurter Team... Das sah doch schon sehr vielversprechend aus.
Ich saß zum Glück in der letzten Reihe des Blocks, so dass ich die gesamte zweite Halbzeit stehend verbringen konnte, ohne jemandem die Sicht zu versperren. Und ich war nicht die Einzige: Die meisten Leute auf der unteren Gegentribüne hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen.
Eine Schrecksekunde gab es in der Mitte der zweiten Halbzeit, als Horst Heldt verletzt am Boden lag und schließlich ausgewechselt werden musste. Hoffentlich war es keine schwere Verletzung, denn Heldt, der in der Hinrunde oft nicht die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt hatte, war zu einem der wichtigsten Spieler in der Rückrunde geworden. Und zu einem der besten, ebenso wie Dirk Heinen und Marco Gebhardt.
Etwa eine Viertelstunde vor Spielende wurde Jan-Aage eingewechselt und Salou verließ unter tosendem Beifall das Spielfeld. Ein wunderschönes Tor hatte er erzielt, vor allem aber hatte er allen Kritikern und bösen Gerüchten an diesem Abend eine passende Antwort gegeben.
Drei Minuten später folgte Tor Nummer drei an diesem Abend, erzielt von Chen Yang. Die Stimmung war bestens, wie schon beim HSV-Spiel lief die Welle durchs Stadion und „Oh, wie ist das schön“ und „Nie mehr zweite Liga“ ertönten. Wer hätte das noch zwei Wochen zuvor, am Tag des Punktabzugs gedacht? Die auf der Anzeigetafel bekanntgegebenen Zwischenstände aus anderen Spielen der ersten und zweiten Bundesliga sorgten für noch bessere Laune, da die Offenbacher Kickers in der zweiten Liga gerade sehr hoch verloren und somit so gut wie abgestiegen waren.
Dann kam die 79. Minute und mit ihr Tor Nummer vier. Fjörtoft kam im Strafraum der Wolfsburger an den Ball, beförderte ihn irgendwie rückwärts über seinen Kopf -und dabei so hoch, als ob er ihn zum Mond schießen wollte – zu Chen Yang. Und der fackelte nicht lange und hämmerte das Ding mit einem unhaltbaren Volleyschuss in des Gegners Tor. 4:0!!! Und es waren wahrhaftige Traumtore gewesen. Das Ehepaar neben mir schüttelte mir zum Abschied glücklich die Hand und versicherte mir: „Wir schaffen das!“ „Wir“ hatten übrigens Tabellenplatz 13 inne, trotz Punktabzug!
Ich schwitzte mich an diesem warmen Abend in der S-Bahn halbtot, aber das rote Unterhemd hatte ich natürlich anziehen müssen! Am Hauptbahnhof holte mich mein Papa ab und zuhause wartete neben der SAT1-Zusammenfassung auf Video ein kaltes Bier auf mich. Fanherz, was willst du mehr???
Der nächste Spieltag stand erst zwei Wochen später auf dem Programm, am folgenden Wochenende war nämlich erstmal das Pokalfinale dran, auch damals fand es nicht nach dem 34. Spieltag, sondern während der Saison statt.
In den Medien ging es beim Thema "Eintracht" in dieser Zeit hauptsächlich um den noch immer nicht feststehenden Investor, der bis zum 31. Mai gefunden werden musste. Doch mit keiner der in Frage kommenden Firmen schien man einig zu werden. Die Ideen des umstrittenen Schatzmeisters Rainer Leben konnten am Ende nur noch wenige nachvollziehen. Und so trat Leben am 6. Mai zurück, zur großen Überraschung von Trainer und Spielern. Die "Bild"-Zeitung behauptete, nun sei es sogar möglich, dass Felix Magath den Verein verließe, da er zuvor so gut mit Leben zusammengearbeitet habe. Doch glücklicherweise machte Felix Magath keinerlei Anstalten, den Club zu verlassen, außerdem war sein Vertrag erst kurz zuvor bis zum Jahre 2003 verlängert worden.
Am 13. Mai musste die Eintracht auswärts bei Bayer Leverkusen antreten, an einem wunderschönen warmen Tag, den wir bei meinen Großeltern in Wiesbaden verbrachten. Anika und ich lagen am Pool in der Sonne, vor uns ein etwas altersschwaches Radio, dessen Antenne laufend neu ausgerichtet werden musste. Obwohl ich mir irgendwie ein Herzschlagfinale wünschte (pervers, ich weiß! *g*), ärgerte ich mich natürlich trotzdem, als Leverkusen durch Kirsten in Führung ging. Kracht konnte zwar ausgleichen, aber es dauerte nicht lange, bis es 3:1 für die Gastgeber stand, und dann gab es auch noch Elfmeter für Leverkusen. In „ran“ sahen wir später, wie Jens Rasiejewski direkt vor den Augen des Schiedsrichters im Strafraum am Trikot von Bayer-Stürmer Rink zerrte und Alex Schur ihn wutentbrannt für diese dämliche Aktion anbrüllte…
Die Eintracht hatte nach diesem Spieltag 36 Punkte und belegte Tabellenplatz 14. Am letzten Spieltag traf man auf den SSV Ulm, einen direkten Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt, der sich auf Platz 16 befand, punktgleich mit dem 15., Hansa Rostock. Ein Unentschieden würde reichen, die meisten Experten tippten darauf, dass Ulm gemeinsam mit Bielefeld und Duisburg den Weg in Liga zwei würde antreten müssen. Dennoch stand uns eine weitere Woche des Zitterns bevor. Magath verordnete seiner Mannschaft ein Kurz-Trainingslager in Bad Nauheim, sowie intensives Video-Studium am Riederwald. Ich lackierte mir die Nägel fürs Spiel abwechselnd schwarz und rot und ging am Freitagabend zur Ablenkung mit Moritz ins Kino.
Und dann war er da, der Tag der Entscheidung, der 20. Mai. Der Tag, an dem sich zeigen würde, ob die großartige Heimserie der Rückrunde von einem glücklichen Ende gekrönt sein sollte. Ich erstand am Morgen im Supermarkt noch eine Flasche Sekt für die Feier am Abend und brachte mich dann mit der Lektüre der Sonderberichte in der Zeitung in die richtige Stimmung für das Spiel. Die Partie war ausverkauft und laut Zeitung war es schwieriger gewesen, eine Karte für das Spiel gegen Ulm zu bekommen als für das Heimspiel gegen die Bayern ein knappes Dreivierteljahr zuvor. Ich war froh, mir meine Karte rechtzeitig gesichert zu haben, schon beim Kauf hatte ich ja auf ein mögliches Herzschlagfinale am letzten Spieltag spekuliert, daher auch der Platz auf der Haupttribüne, denn ich ging davon aus, dass die Spieler, wie schon im Vorjahr, oben auf der Tribüne im Erfolgsfall mit den Fans feiern würden.
Leider würde mit Marco Gebhardt, der Leistenprobleme hatte, einer der besten Spieler der Hinrunde ausfallen. Zweifellos bedeutete dies eine Schwächung der Mannschaft. Es war noch darüber diskutiert worden, ob Gebhardt nicht wenigstens eine Halbzeit spielen könne, aber das ließ die Verletzung offenbar nicht zu.
Nachdem ich mich in der S-Bahn ein wenig mit zwei anderen Fans, Mutter und Tochter aus Sulzbach, unterhalten hatte, sie dann am aber am Hauptbahnhof aus den Augen verlor, musste ich warten, bis ich einen Zug zum Stadion erwischte, der noch nicht hoffnungslos überfüllt war. So erreichte ich das Stadion zwar etwas später als geplant, hatte aber immer noch genügend Zeit.
Ich saß ganz außen in Block zehn, direkt an der Treppe, auf deren anderer Seite sich der Presseblock befand. Rechts von diesem wiederum war Block 8 mit den VIPs, zu denen an diesem Tag übrigens u.a. Petra Roth, Roland Koch und der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel gehörten. Letztgenannter tauchte übrigens erst gegen Ende der ersten Halbzeit auf, eilig einen Eintracht Schal über den Anzug geworfen. Ja ja, die angeblich so großen Fans aus der Politik, die seltsamerweise immer nur dann Zeit für einen Stadionbesuch haben, wenn ein entscheidendes Spiel ansteht…
An diesem letzten Spieltag der Saison 1999/2000 sollte übrigens nicht nur die Entscheidung über den dritten Absteiger fallen, sondern auch die über die deutsche Meisterschaft. Bayer Leverkusen, das in Unterhaching antreten musste, fehlte bloß noch ein Punkt, während Bayern München auf eine Leverkusener Niederlage hoffen und gleichzeitig zuhause Werder Bremen schlagen musste. Uli Hoeneß hatte dem kleinen Nachbarverein übrigens im Siegesfall Bier und Bratwürste versprochen. Was die Leverkusener als „Bestechung“ werteten.
Aber das war an jenem Tag zweitrangig. Zwischenstände anderer Partien wurden im Waldstadion sowieso nicht eingeblendet und die einzige andere Begegnung, die für uns von Interesse war, war die zwischen Schalke und Rostock. Im Falle eines Schalker Sieges würde die Eintracht auch mit einer Niederlage gegen Ulm in der Liga bleiben und Hansa würde den Weg in die zweite Liga antreten müssen. So war manch einer im Stadion mit den Ohren „auf Schalke“, auch ich hatte einen Walkman mit Radiofunktion dabei, packte ihn jedoch bald weg. Dank der Radioreporter direkt nebendran bekam ich ohnehin alles mit, was sich in den anderen Stadien tat.
Bald zeichnete sich in der Meisterschaftsentscheidung eine Überraschung ab, denn Bayern führte gegen Bremen und Fast-Meister Leverkusen lag in Unterhaching zurück, dank eines Eigentors, für das ein gewisser Michael Ballack verantwortlich war…
Was jedoch in erster Linie zählte, war die Partie Eintracht-Ulm. Es war kein gutes Spiel; die ganze Partie bezog ihre Spannung hauptsächlich aus der Tabellensituation. Manchmal kann ich so richtig in einem Fußballspiel "versinken", da bin ich wie verzaubert, das Ganze zieht mich in seinen Bann und alles um mich herum zählt in diesem Moment nicht, ähnlich wie bei einem mitreißenden Film im Kino. Aber zumindest in den ersten zwanzig Minuten gelang mir das überhaupt nicht.
Im Sturm spielten Salou und Yang, nach Verletzungspausen waren Heldt und Sobotzik wieder dabei. Gebhardts Fehlen war deutlich erkennbar, ebenso, dass die ganze Mannschaft sehr nervös war. In der 24. Minute erzielte Salou nach Vorarbeit von Guié-Mien das 1:0. Das beruhigte immerhin ein klein wenig. Nach diesem Tor jedoch schienen die Ulmer "aufzuwachen". Alex Schur vergab die Chance zum 2:0 für die Eintracht und nur kurz darauf nutzte Ulm die erste richtige Torchance zum Ausgleich in der 40. Minute. Selbst der sonst so sichere Dirk Heinen, der vor dem Anpfiff noch zum "Spieler des Monats" gekürt worden war, sah in dieser Situation nicht allzu glücklich aus. Entsetzen breitete sich aus im Publikum. Zwar hätte dieses 1:1 zum Klassenerhalt gereicht, aber wer wusste, wie schnell die Ulmer vielleicht noch ein Tor erzielen würden...
Es wurde über weite Strecken der zweiten Halbzeit eine Zitterpartie. Da Rostock gegen Schalke führte, wussten die Ulmer, dass sie nur ein Tor gegen die Eintracht erzielen mussten, damit diese abstieg und sie in der Liga blieben. „Auf Schalke konntest du dich ja noch nie verlassen!" schimpfte ein verärgerter alter Mann hinter mir.
Ulm spielte offensiver in der zweiten Halbzeit, manchmal hätte nicht viel gefehlt, und die "Spatzen" wären 2:1 in Führung gegangen. Die zweite Halbzeit, in der alles manchmal fast auf der Kippe stand, war nichts für schwache Nerven. "Ich geh' jetzt," meinte ein Mann vor mir und erhob sich von seinem Sitz, "ich kann das nicht mehr sehen, ich halt' das nicht mehr aus." Für ein paar Lacher sorgte die folgende Durchsage: "Herr (...), bitte kommen Sie zu Block 29! Sie haben ein dringend benötigtes Medikament bei sich!" Wessen Herztropfen das wohl waren...
In der 66. Minute verließ Torschütze Salou den Platz und Fjörtoft wurde eingewechselt. Aber auch ihm gelang nichts Zählbares, er wirkte eher übermotiviert, als ob er mit der Brechstange für den Siegtreffer sorgen wolle. Kurz vor Ende des Spiels hatten sich wohl alle mit dem 1:1 abgefunden, das zum Klassenerhalt ja auch gereicht hätte; da fiel Thomas Reichenberger im Ulmer Strafraum. Und Schiedsrichter Helmut Krug zeigte auf den Elfmeterpunkt. Große Freude beim Publikum, wenn auch vermutlich viele zu diesem Zeitpunkt dachten, dass der gute Tommy da wohl etwas nachgeholfen hatte (später bewiesen Zeitlupenaufnahmen im Fernsehen, dass es sich tatsächlich um einen berechtigten Strafstoß handelte). Jan-Aage schnappte sich zunächst den Ball und ich sah vor meinem geistigen Auge seinen verschossenen Elfmeter gegen die Bayern vor mir… Zum Glück ließ er dann doch Horst Heldt den Vortritt und der verwandelte in der 89. Minute den Strafstoß zum 2:1. Das war die Rettung! Und als wenige Minuten später abgepfiffen wurde, stürmten Tausende Fans den Platz, sicherten sich Rasenstücke und die Eckfahnen als Souvenirs, fielen Trainer Magath und den Spielern um den Hals. Über Stadionlautsprecher lief „We are the champions“ und ich spürte, wie alle Anspannung und Nervosität langsam von mir abfiel und einer tiefen Freude wich.
Wenig später betraten die Spieler dann den „Promi-Block“ 8 des Stadions. Da ich inmitten einer Menschenmasse auf der Tribüne stand, sah ich nicht allzu viel und so kroch ich unter dem Gelände durch, das Block 9 und 10 voneinander trennte und kletterte im Presseblock auf einen Tisch. Und da stand ich dann zwischen Telefonen und Laptops, während die Journalisten hektisch versuchten, ihr Arbeitsgerät vor den Fanfüßen in Sicherheit zu bringen.
Nacheinander hatten Alex Schur, der diverse Fangesänge anstimmte, Jan-Aage Fjörtoft, der die norwegische Nationalhymne zum Besten gab und Felix Magath, der sich an „Nie mehr zweite Liga“ versuchte (und hier liegt die Betonung auf „versuchte!“), ein Mikro in der Hand. Die Fans auf dem Rasen sangen und ich stand singend und klatschend auf meinem Tisch. Die Wolken verzogen sich, die Sonne kam heraus. Später fand ich die beiden Sulzbacherinnen wieder, wir warteten hinter der Haupttribüne vorm VIP-Raum mit einigen anderen Fans auf die Spieler und fielen einigen von ihnen um den Hals, als sie auftauchten, ließen unsere Trikots signieren und einige Glückliche ergatterten auch noch Souvenirs in Form von Trikots oder T-Shirts. Wir ließen uns Zeit und begaben uns erst zum Bahnhof, als die Spieler abgefahren waren und die meisten Fans längst den Heimweg angetreten hatten.
Es war kein spektakuläres Spiel wie im Vorjahr gewesen, dafür war der Klassenerhalt 2000 das Ergebnis und glückliche Ende einer unglaublichen Rückrunde und einer tollen Heimserie. Und das Verdienst von Felix Magath. In der darauf folgenden Saison sollte Magath sich selbst demontieren, als er fußballerische „Größen“ wie Lösch oder Rada verpflichten ließ, die gut funktionierende Dreier-Abwehr aus Kutschera, Kracht und Houbtchev auseinanderriss und für schlechte Stimmung in der Mannschaft sorgte. Aber das kam erst später. An diesem 20. Mai hatte erst einmal eine aufregende Saison ihr glückliches Ende gefunden.
Dein Bericht zeigt mir die Saison wunderbar welche ich fast komplett verpasst habe. Danke du, wie immer riesengroß, stilistisch sehr wertvoll und eindeutig schön geschrieben!
Diese Rückrunde ist mir auch in Erinnerung geblieben, weil sie wohl der Zeitpunkt ist, in dem ich vom "Sympathisanten" zum "Fan" wurde. Letzlich war die Serie damals unglaublich: In der Hinrunde nur wegen des besseren Torverhältnisses zweitschlechteste Mannschaft, dazu dann noch der Punktabzug und in der Rückrunde das drittbeste Team. Dass diese Mannschaft, die ich als noch unerfahrener Fan wirklich verehrt hab in der Saison darauf dermaßen schlecht und lustlos spielen könnte, hätte ich nie gedacht. Aber das ist halt die Eintracht...
Ich möchte nur kurz das letzte Spiel gegen Ulm herausgreifen, nachdem die Saison, gemessen an den ursprünglichen Vorstellungen, enttäuschend verlief.
Wieder war es ein Endspiel, zum Glück war die Situation nicht ganz so dramatisch wie 1 Jahr zuvor. Aber wenige Minuten vor Schluß hatten die Ulmer beim Stande von 1:1 einen Lattentreffer. Da kam doch noch mal ein Frösteln auf. Wenn der drin gewesen wäre...
Als dann der Elfmeterpfiff für uns ertönte, ahnte jeder: jetzt sind wir durch.
Lang! Ich hab'nicht auf die Uhr geschaut, aber ich habe mir das Schreiben auch auf mehrere Tage verteilt. Und wie schon gesagt, habe ich damals schon einen Bericht einfach nur so für mich verfasst, aus dem ich jetzt einige Passagen übernehmen konnte...
@Miep: Stimmt, an den Lattentreffer erinnere ich mich auch noch. Ich hab' ganz schön gezittert in der zweiten Halbzeit dieses Spiels...
Einen Laptop habe ich leider nicht, insofern kam die Terrasse nicht in Frage. Aber bei geöffneten Dachfenstern lässt es sich auch aushalten
Wieso zu lang?Und warum immer diese Entschuldigungen
Beiträge dieser Art und Qualität können gar nicht lang genug sein. Btw ,lesen ist ein Feind der Dummheit.
"Brüllaffe" W U N D E R BA R du meinst bestimmt meinen Kumpel Christian S. den Schrecken der Gegentribüne. ach nee der saß nicht in Reihe 16 der saß Reihe 14
Ich sehe die Situation auch noch vor Augen.Mir ist die Pumpe für einige Sekunden stehen geblieben.Ich glaube Rößler wars.
Ohne den (2) ? Punkteabzug hätte es ja gereicht.
Nochmal Glück gehabt und wieder 90 Minuten weniger Lebenserwartung.
@ Kine
Sensationell,Hut ab vor Quantität und Qualität.
Super Eintracht-Fan
Gruß alexdergroße
Schrecken der Gegentribüne? Was hat er denn so schreckliches veranstaltet? *g*
Oh ja, daran erinnere ich mich. Ich war an diesem Tag nach sechsjähriger "Pause" endlich wieder im Waldstadion, weil eine damalige Freundin und ihr Vater mich mitgenommen haben. Das rechne ich ihnen heute noch hoch an Und das Spiel war richtig geil.
a²
wenn es dein ziel ist, innerhalb kürzester zeit hunderte von replies zu "provozieren", musst du einfach einen völlig sinn-entleerten thread erstellen. beweis: nicht weit entfernt von diesem thread hier, wie jeder nachlesen kann!
sollte dir jedoch qualität wichtiger sein, haste alles richtig gemacht! aber dann bekommst du eben nur ein gutes dutzend replies!
danke für den wunderbaren bericht! auch wenn du die messlatte damit sehr hoch gesetzt hast!
wie immer: prädikat wertvoll!
robertz
Setz auch bewusst nomma hier dies rein :
http://www.eintracht.de/fans/forum/1/11101232/
Hatte ich genau so gemeint und das Internetteam hat mit ner Stellungnahme zu dieser Diskussion hier ( haben das Forum gewechselt)r geantwortet :
http://www.eintracht.de/fans/forum/7/11101573/
Solche Highlights gehören angemessen präsentiert! . Net nur für uns - wir kennen uns ja z. großen Teil sogar und teilen eben diese geilen Erinnerungen.
Die neuen Fans der Eintracht brauchen überschaubar nutzbar genau solche Lektüre !
Fanhistorie - Ein Dankeschön
Na, da wird noch was kommen. Ich habe es noch gar nicht gelesen und hebe mir Kines Fanhistorie für schlaflose Nächte bzw. Wochenende auf. Denke, dass viele andere WM geschädigten User das ähnlich machen werden...
der thread, auf den ich anspiele, nimmt allmählich latte´sche ausmasse an. es fühlen sich immer wieder - durchaus honorige - leute bemüssigt, den thread auzuwerten, in dem sie entweder ernsthaft mitdiskutiern oder sich über den eröffner lustig machen. jeder hat seine eigene methode, auf solche threads zu reagieren. die methode, die ich in diesen fällen bevorzuge, habe ich - und nicht nur ich alleine!!! - hier schon oft genug propagiert.
erfolglos, wie sich zeigt!
jedenfalls, und diese frage stelle ich einfach mal in den raum (sorry, kine!): geht es den südafrikanern so schlecht, dass sie auf diesen kasper angewiesen sind? wobei ich durchaus nicht unbedingt seine ortografischen unzulänglichkeiten meine (wer im glashaus sitzt...), sondern seine beiträge allgemein, die fast durch die bank bar jeden sinns und bar jeder logik sind!
ich weiss, viele können es nicht mehr hören/lesen, aber in dem man immer wieder solche schrott-threads am leben erhält, landen andere, lesenswerte auf der 2,3. seite. und wer schaut sich diese schon an?
und wetten, auch auf seinen zweiten, wieder hochinteressanten thread wird er innerhalb kurzer zeit mehr reaktionen einheimsen, als kine, die sich stundenlang an den rechner gesetzt hat, um uns alle an ihren schönen erlebnissen teil haben zu lassen.
ich nicht!