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Ein bisschen Dankbarkeit ... [Heribert Bruchhagen]

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halte ich angesichts der aktuellen Entwicklungen im Fall "Schalke wirbt um HB" für angebracht. Wenn man das SAW verfolgt, so verdichten sich ja die Gerüchte, dass Schalke sich ein Bein ausreißen würde um an den guten Heribert ranzukommen.
Dafür dass dieser zumindest in der Öffentlichkeit eine harte Linie fährt und der Eintracht die Treue hält, sollte man angesichts dessen, dass die Eintracht Jahr um Jahr abstiegsgefährdet ist und Schalke ein potentieller CL-Teilnehmer ist, mal etwas Dankbarkeit zeigen. Sicherlich ist ein Manager, sei es HB oder Müller, an den Entwicklungen im Verein nicht unschuldig, vergleicht man HB aber mit anderen Vertretern seiner Zunft, so ist er weiterhin ein menschlich einwandfreier Typ mit sehr hohem Fußballsachverstand, der uns im Doppelpass immer wieder zum Lachen bringt anstatt Wontorra und Lattek ins offene Messer zu laufen.
Die Dankbarkeit kann man z.b. im Stadion gegen das Dorf unter Beweis stellen, in dem man darauf verzichtet bestimmte Spieler oder den Trainer auszupfeifen oder nicht damit beginnt die Person HB im Forum in Frage zu stellen, wie es neuerdings mal wieder Mode ist. Ähnlich sinnvoll ist es bestimmt, wenn sich die Fangruppen mal wieder auf das besinnen was sie am besten können, anstatt das Management mit unnötigen Geldstrafen und lächerlichen Boykotts zu konfrontieren.
Wir haben einen Top-Mann und können darauf vertrauen, dass sich in der Sommerpause einiges ändern wird, nachdem wir diese Saison einen Schuss vor den Bug erhalten haben. Ich spiele damit unter anderem auf die geplante Verpflichtung eines 4. Trainers an, was ich für sehr sinnvoll halte.

Also danke Herri, du bist ne coole Sau.
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Ich stimme die voll und ganz zu!

also Herri, Ich will ein Kind von dir!
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Völlig zutreffend, außerdem ist er zu seriös für Schalke 0:6, der wird schon wissen, was da auf ihn zukäme...
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Alles Quatsch weg mit dem.

Überall sind Spitzenleute am Werk. Nur hier feiert die Mittelmäßigkeit fröhliche Urständ

Ich such schon mal den Nachfolger



Köln hat den Vertrag mit Meier, der seine fachlichen Qualitäten ja schon in beeindruckender Weise unter Beweis gestellt hat, bis 2013 verlängert.

Eigentlich hätte er vom BVB noch Boni zu bekommen. Das macht man nämlich heute so.
Der goße Hoeneß geht nicht. Der wird ja bald Rentner.

Der kleine Hoeneß ist auch ein Spitzenmann. So einen Regentanz wie er ihn 11 Tage vor Saisonschluß auf den Rasen gelegt hat werden wir von diesem drögen Lehrer nie zu sehen bekommen.
Was sind schon ca. 50 Millionen Schulden. Für die FAZ ist das übrigens ein kleines finanzielles Risiko.

Schalke hat Gott sei Dank die Reißleine gezogen. Ich bin froh das der Hackfleich ,äh, Fußballfachmann jetzt die ” Große” Lösung favorisiert. Bierhoffski hat sicherlich den typischen Gelsenkirchner Stallgeruch.

Langweiliger ist es nur in Hanoi. “Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und müssen das jetzt korrigieren. Wir planen defensiver”

Feige Schweine. Ausgerechnet jetzt, wo der Erfolg fast da war.

Naja egal. Ach und Rolf Dohmen hat man ja auch wie einen Hund vor die Tür gejagt. Dabei leistet er gute Arbeit. Letztes Jahr 10. Das muß man erst mal schaffen.

Man muß sich doch auch mal ein Beispiel an der Hoffenheimer Jugendförderung nehmen. Die komplette A Jugend , alle aus dem Kraichgau, spielt jetzt um die CL. das ist fast allein Schindelmeisers Verdienst. Seine Arbeit bei Eintracht Braunschweig und Tennis Borussia war genauso geil.

Und hier? Traurig traurig.

Magath wäre natürlich toll. Aber der Trainer den der mitbringt. Furchtbar…

Susi Zorc. Die Entwicklung der BVB Aktie ist zumindest nicht allein auf seinem Mist gewachen.

Alloffs ist HB mit schwarzen Haaren. Geht also gar nicht.

Steffen Heidrich. Ich weiß nicht. Irgendwie erinnert er mich an den ersten Vorsitzenden des Kombinates ” Schwarze Bumpe Bitterfeld”
Der hat auf der Hauptribüne buchstäblich keine Schangse.

Horst Heldt und Thomas Ernst zwei verlorene Adler. Die zwei und Andy Möller als Coach. Das könnte ich mir vorstellen.

Oder Dukaten Didi. Aber der kommt net.
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...und Andy Möller als Coach.     ..selten so gelacht! gleich loslegen, Schwalbe und Heulsuse üben!
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HeinzGründel schrieb:
Horst Heldt und Thomas Ernst zwei verlorene Adler. Die zwei und Andy Möller als Coach. Das könnte ich mir vorstellen.


Ich dachte immer, du wärst ein ernstzunehmender Forumsteilnehmer.
Und dann vergisst du Müller. Der weiß wenigstens, wie man Streit und Jones verpflichtet.
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Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...
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Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  
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Warum dann nicht gleich Assauer?
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Bolzkopp schrieb:
...und Andy Möller als Coach.     ..selten so gelacht! gleich loslegen, Schwalbe und Heulsuse üben!


Da haben wir doch schon einen  
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MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
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dr.diesel schrieb:
..., der uns im Doppelpass immer wieder zum Lachen bringt anstatt Wontorra und Lattek ins offene Messer zu laufen.


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Achtung:
Da am Thema selbst offenbar kein Interesse besteht, verschiebe ich diesen Thread gleich ins Gebabbel. Wer etwas zum eigentlichen Thema des Threads schreiben möchte, tut dies dann bitte im SAW-Gebabbel oder hier:
http://www.eintracht.de/meine_eintracht/forum/1/11157959/?page=1
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Pedrogranata schrieb:
MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also "per fas et nefas" [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst "objektive" Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)
Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert, ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichzeitig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache seyn. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborene Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß Jeder sich zu bemühen nicht anders als richtig zu urtheilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angeborenen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwäzzigkeit und angeborene Unredlichkeit.
Sie reden ehe sie gedacht haben und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch wahr erscheinen.
Jedoch hat selbst diese Unredlichkeit, das Beharren bei einem Satz der uns selbst schon falsch scheint, noch eine Entschuldigung: oft sind wir anfangs von der Wahrheit unserer Behauptung fest überzeugt: aber das Argument des Gegners scheint jetzt sie umzustoßen: geben wir jetzt ihre Sache gleich auf; so finden wir hinterher, daß wir doch Recht hatten: unser Beweis war falsch; aber es konnte für die Behauptung einen richtigen geben: das rettende Argument war uns nicht gleich beigefallen. Daher entsteht nun in uns die Maxime, selbst wann das Gegenargument richtig und schlagend scheint, doch noch dagegen anzukämpfen, im Glauben daß dessen Richtigkeit selbst nur scheinbar sei, und uns während des Disputirens noch ein Argument jenes umzustoßen oder eines unsre Wahrheit anderweitig zu bestätigen einfallen werde: hiedurch werden wir zur Unredlichkeit im Disputiren beinahe genöthigt, wenigstens leicht verführt. Diesergestalt unterstützen sich wechselseitig die Schwäche unseres Verstandes und die Verkehrtheit unsers Willens. Daraus kommt daß wer disputirt in der Regel nicht für die Wahrheit, sondern für seinen Satz kämpft, wie "pro ara et focis" [für Heim & Herd] und "per fas et nefas" verfährt, ja wie gezeigt nicht anders kann.
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick nutzen kann wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: - eben so ist es beim Disputiren: gebe ich dem Gegner Recht sobald er es zu haben scheint; so wird er schwerlich dasselbe thun, wann der Fall sich umkehrt: er wird vielmehr "per nefas" verfahren: also muß ich’s auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz: aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es thun werde: also darf man’s auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe um den Irrthum anzunehmen.
Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. 3) Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputiren. Es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urtheile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht: hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgetheilte Naturgabe (hierin der Urtheilskraft gleich, die sehr ungleich ausgetheilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundiren, sich refutiren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft: und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urtheilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandheit mit der er ihn vertheidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste 4): jedoch kann Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht um zu werfen, viel beitragen in dieser Kunst Meister zu werden. Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu seyn. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des besonderen vorhergehn.
Aristoteles bestimmt den Zweck der Dialektik nicht so scharf wie ich gethan: er giebt zwar als Hauptzweck das Disputiren an, aber zugleich auch das Auffinden der Wahrheit: später sagt er wieder: man behandle die Sätze philosophisch nach der Wahrheit, dialektisch nach dem Schein oder Beifall, Meinung Anderer (doxa), Top. I, 12. Er ist sich der Unterscheidung und Trennung der objektiven Wahrheit eines Satzes von dem Geltendmachen desselben oder zum Erlangen der Approbation zwar bewußt: allein er hält sie nicht scharf genug auseinander um der Dialektik bloß letzteres anzuweisen. Seinen Regeln zu letzterem Zweck sind daher oft welche zum ersteren eingemengt. Daher es mir scheint daß er seine Aufgabe nicht rein gelöst hat. 6) Aristoteles hat in den Topicis die Aufstellung der Dialektik mit seinem eignen wissenschaftlichen Geist äußerst methodisch und systematisch angegriffen, und dies verdient Bewunderung, wenn gleich der Zweck, der hier offenbar praktisch ist, nicht sonderlich erreicht worden. Nachdem er in den Analyticis die Begriffe, Urteile und Schlüsse der reinen Form nach betrachtet hatte, geht er nun zum Inhalt über, wobei er es eigentlich nur mit den Begriffen zu tun hat: denn in diesen liegt ja der Gehalt. Sätze und Schlüsse sind rein für sich bloße Form: die Begriffe sind ihr Gehalt. 7) – Sein Gang ist folgender. Jede Disputation hat eine Thesis oder Problem (diese differieren bloß in der Form) und dann Sätze, die es zu lösen dienen sollen. Es handelt sich dabei immer um das Verhältnis von Begriffen zu einander. Dieser Verhältnisse sind zunächst vier. Man sucht nämlich von einem Begriff, entweder 1. seine Definition, oder 2. sein Genus, oder 3. sein Eigentümliches, wesentliches Merkmal, proprium, idion, oder 4. sein accidens, d. i. irgend eine Eigenschaft, gleichviel ob Eigentümliches und Ausschließliches oder nicht, kurz ein Prädikat. Auf eins dieser Verhältnisse ist das Problem jeder Disputation zurückzuführen. Dies ist die Basis der ganzen Dialektik. In den acht Büchern derselben stellt er nun alle Verhältnisse, die Begriffe in jenen vier Rücksichten wechselseitig zu einander haben können, auf und gibt die Regeln für jedes mögliche Verhältnis; wie nämlich ein Begriff sich zum andern verhalten müsse, um dessen proprium, dessen accidens, dessen genus, dessen definitum oder Definition zu sein: welche Fehler bei der Aufstellung leicht gemacht werden, und jedesmal was man demnach zu beobachten habe, wenn man selbst ein solches Verhältnis aufstellt (kataskeuazein), und was man, nachdem der andre es aufgestellt, tun könne, es umzustoßen (anaskeuazein). Die Aufstellung jeder solchen Regel oder jedes solchen allgemeinen Verhältnisses jener Klassen-Begriffe zu einander nennt er topo (topoV), locus, und gibt 382 solcher topoi (topoi): daher Topica. Diesem fügt er noch einige allgemeine Regeln bei, über das Disputieren überhaupt, die jedoch lange nicht erschöpfend sind.
Der topo (topoV) ist also kein rein materieller, bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, oder Begriff; sondern er betrifft immer ein Verhältnis ganzer Klassen von Begriffen, welches unzähligen Begriffen gemein sein kann, sobald sie zu einander in einer der erwähnten vier Rücksichten betrachtet werden, welches bei jeder Disputation statt hat. Und diese vier Rücksichten haben wieder untergeordnete Klassen. Die Betrachtung ist hier also noch immer gewissermaßen formal, jedoch nicht so rein formal wie in der Logik, da sie sich mit dem Inhalt der Begriffe beschäftigt, aber auf eine formelle Weise, nämlich sie gibt an, wie der Inhalt des Begriffs A sich verhalten müsse zu dem des Begriffs B, damit dieser aufgestellt werden könne als dessen genus oder dessen proprium (Merkmal) oder dessen accidens oder dessen Definition oder nach den diesen untergeordneten Rubriken, von Gegenteil antikeimenon (antikeimenon), Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Mangel usw.: und um ein solches Verhältnis soll sich jede Disputation drehen. Die meisten Regeln, die er nun eben als topoi (topoi) über diese Verhältnisse angibt, sind solche, die in der Natur der Begriffsverhältnisse liegen, deren jeder sich von selbst bewußt ist, und auf deren Befolgung vom Gegner er schon von selbst dringt, eben wie in der Logik, und die es leichter ist im speziellen Fall zu beobachten oder ihre Vernachlässigung zu bemerken, als sich des abstrakten topo (topoV) darüber zu erinnern: daher eben der praktische Nutzen dieser Dialektik nicht groß ist.
Er sagt fast lauter Dinge, die sich von selbst verstehn und auf deren Beachtung die gesunde Vernunft von selbst gerät. Beispiele: »Wenn von einem Dinge das genus behauptet wird, so muß ihm auch irgend eine species dieses genus zukommen; ist dies nicht, so ist die Behauptung falsch: z. B. es wird behauptet, die Seele habe Bewegung; so muß ihr irgend eine bestimmte Art der Bewegung eigen sein, Flug, Gang, Wachstum, Abnahme usw. – ist dies nicht, so hat sie auch keine Bewegung. – Also wem keine Spezies zukommt, dem auch nicht das genus: das ist der topo (topoV).« Dieser topoV gilt zum Aufstellen und zum Umwerfen. Es ist der neunte topoV. Und umgekehrt: wenn das Genus nicht zukommt, kommt auch keine Spezies zu: z. B. Einer soll (wird behauptet) von einem Andern schlecht geredet haben: – Beweisen wir, daß er gar nicht geredet hat, so ist auch jenes nicht: denn wo das genus nicht ist, kann die Spezies nicht sein.
Unter der Rubrik des Eigentümlichen, proprium, lautet der 215. locus so: »Erstlich zum Umstoßen: wenn der Gegner als Eigentümliches etwas angibt, das nur sinnlich wahrzunehmen ist, so ists schlecht angegeben: denn alles Sinnliche wird ungewiß, sobald es aus dem Bereich der Sinne hinaus kommt: z. B. er setzt als Eigentümliches der Sonne, sie sei das hellste Gestirn, das über die Erde zieht: – das taugt nicht: denn wenn die Sonne untergegangen, wissen wir nicht ob sie über die Erde zieht, weil sie dann außer dem Bereich der Sinne ist. – Zweitens zum Aufstellen: das Eigentümliche wird richtig angegeben, wenn ein solches aufgestellt wird, das nicht sinnlich erkannt wird, oder wenn sinnlich erkannt, doch notwendig vorhanden: z. B. als Eigentümliches der Oberfläche werde angegeben, daß sie zuerst gefärbt wird; so ist dies zwar ein sinnliches Merkmal, aber ein solches, das offenbar allezeit vorhanden, also richtig.« – Soviel um Ihnen einen Begriff von der Dialektik des Aristoteles zu geben. Sie scheint mir den Zweck nicht zu erreichen: ich habe es also anders versucht. Cicero's Topica sind eine Nachahmung der Aristotelischen aus dem Gedächtnis: höchst seicht und elend; Cicero hat durchaus keinen deutlichen Begriff von dem, was ein topus ist und bezweckt, und so radotiert er ex ingenio allerhand Zeug durcheinander, und staffiert es reichlich mit juristischen Beispielen aus. Eine seiner schlechtesten Schriften.
Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst Recht zu behalten, welches freilich um so leichter seyn wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche vertheidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst seine Sätze als wahr geltend zu machen: jenes ist die Sache einer ganz andern "poagnateia" pragmateia [Betätigung], es ist das Werk der Urtheilskraft, des Nachdenkens, der Erfahrung, und giebt es dazu keine eigene Kunst: das 2te aber ist der Zweck der Dialektik. Man hat sie definirt als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Vertheidigung falscher Sätze: allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen: ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen. Dieserhalb also muß bei der Dialektik die objektive Wahrheit bei Seite gesetzt und als accidentell betrachtet werden: und bloß darauf gesehn werden, wie man seine Behauptungen vertheidigt und die des Andern umstößt: bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist wo sie liegt 8): oft weiß man selbst nicht ob man Recht hat oder nicht, oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Theile: denn "veritas est in puteo" (en buJv h alhJeia [die Wahrheit ist in der Tiefe], Democrit): beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel Jeder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und pariren, darauf kommt es an: eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst: nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disciplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir bloß auf bloße Logik zurück: setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik. Und bei beiden würde vorausgesetzt seyn, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten im Voraus gewiß. Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputiren: obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik: "Dialectica eristica". Und sie ist sehr nützlich: man hat sie mit Unrecht in neuern Zeiten vernachlässigt.
Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von Natur eingegebnen Künste seyn soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; - so würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig seyn wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel das bloße Rechthaben ist. Die wissenschaftliche Dialektik in unserm Sinne hat demnach zur Hauptaufgabe, jene Kunstgriffe der Unredlichkeit im Disputiren aufzustellen und zu analysiren: damit man bei wirklichen Debatten sie sogleich erkenne und vernichte. Eben daher muß sie in ihrer Darstellung eigenständlich bloß das Rechthaben, nicht die objektive Wahrheit, zum Endzweck nehmen.
Mir ist nicht bekannt daß in diesem Sinne etwas geleistet wäre obwohl ich mich weit und breit umgesehn habe 9): es ist also ein noch unbebautes Feld. Um zum Zwecke zu kommen, müßte man aus der Erfahrung schöpfen, betrachten, wie, bei den im Umgang häufig vorkommenden Debatten, dieser oder jener Kunstgriff von einem und dem andern Theil angewandt wird, sodann die unter andern Formen wiederkehrenden Kunstgriffe auf ihr Allgemeines zurückführen, und so gewisse allgemeine Stratagemata aufstellen, die dann sowohl zum eignen Gebrauch, als zum Vereiteln derselben, wenn der Andre sie braucht, nützlich wären.
Basis aller Dialektik
Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.
Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen giebts 2 Modi und 2 Wege.
I.) Die Modi:
a) "ad rem",
b) "ad hominem" oder "ex concessis":
d.h. wir zeigen entweder daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit: oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d.h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Ueberführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.
II.) Die Wege:
a) direkte Widerlegung,
b) indirekte. - Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte, daß sie nicht wahr seyn kann.
zu a) Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind ("nego majorem"; "minorem" [ich bestreite den Obersatz; den Untersatz]): oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber daß die Behauptung daraus nicht folgt ("nego consequentiam" [ich bestreite die Schlußfolgerung]), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.
zu b) Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.
a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an: und nun zeigen wir was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgendeinem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder die Natur der Dinge 1), oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also "ad rem" oder "ad hominem" falsch ist ("Socrates in Hippia maj. et alias"): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen: obwohl aus falschen nicht immer falsche.
(Widerspricht sie einer ganz unzweifelbaren Wahrheit geradezu, so haben wir den Gegner "ad absurdum" geführt.)
b) Die Instanz, enstatiV "exemplum in contrarium": Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch seyn muß.
Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputiren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit ächten oder mit unächten Gründen geschehn: und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht ob man "objektive" Recht oder Unrecht hat: denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Uebrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgendetwas einverstanden seyn, daraus man als Princip die vorliegende Frage beurtheilen will: "Contra negantem principia non est disputandum" [Mit einem, der die Anfangssätze bestreitet, ist nicht zu streiten].
Fußnote:
widerspricht sie einer ganz unbezweifelbaren Wahrheit gradezu, so haben wir den Gegner ad absurdum geführt.  
Folgendes sei als erster Versuch zu betrachten.
Anmerkungen
Bei den Alten werden Logik und Dialektik meistens als Synonyme gebraucht: bei den Neueren ebenfalls.  
Eristik wäre nur ein härteres Wort für dieselbe Sache. – Aristoteles (nach Diog. Laert. V, 28) stellte zusammen Rhetorik und Dialektik, deren Zweck die Überredung, to piJanon (to piJanon), sei; sodann Analytik und Philosophie, deren Zweck die Wahrheit. – Dialektikh de esti tecnh logwn, di' hV anaskeuazomen ti h kataskeuazomen, ex erwthsewV kai apokrisewV tvn prosdialegomenwn, Diog. Laert. III, 48 in vita Platonis. –
Aristoteles unterscheidet zwar
die Logik oder Analytik, als die Theorie oder Anweisung zu den wahren Schlüssen, den apodiktischen;
die Dialektik oder Anweisung zu den für wahr geltenden, als wahr kurrenten – endoxa (endoxa), probabilia (Topik, I, 1 und 12) – Schlüssen, wobei zwar nicht ausgemacht ist, daß sie falsch sind, aber auch nicht, daß sie wahr (an und für sich) sind, indem es darauf nicht ankommt. Was ist denn aber dies anders als die Kunst, Recht zu behalten, gleichviel ob man es im Grunde habe oder nicht? Also die Kunst, den Schein der Wahrheit zu erlangen unbekümmert um die Sache. Daher wie anfangs gesagt. Aristoteles teilt eigentlich die Schlüsse in logische, dialektische, so wie eben gesagt: dann
in eristische (Eristik), bei denen die Schlußform richtig ist, die Sätze selbst aber, die Materie, nicht wahr sind, sondern nur wahr scheinen, und endlich
in sophistische (Sophistik), bei denen die Schlußform falsch ist, jedoch richtig scheint. Alle drei letzten Arten gehören eigentlich zur eristischen Dialektik, da sie alle ausgehn nicht auf die objektive Wahrheit, sondern auf den Schein derselben, unbekümmert um sie selbst, also auf das Recht behalten. Auch ist das Buch über die Sophistischen Schlüsse erst später allein ediert: es war das letzte Buch der Dialektik.  
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor, jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen, um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick benutzen kann, wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: – eben so ist es beim Disputieren: gebe ich dem Gegner Recht, sobald er es zu haben scheint, so wird er schwerlich dasselbe tun, wann der Fall sich umkehrt; er wird vielmehr per nefas verfahren: also muß ich's auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.  
Doctrina sed vim promovet insitam.  
Und andrerseits ist er im Buche de elenchis sophisticis wieder zu sehr bemüht, die Dialektik zu trennen von der Sophistik und Eristik: wo der Unterschied darin liegen soll, daß dialektische Schlüsse in Form und Gehalt wahr, eristische oder sophistische (die sich bloß durch den Zweck unterscheiden, der bei ersteren [Eristik] das Rechthaben an sich, bei letztern [Sophistik] das dadurch zu erlangende Ansehn und das durch dieses zu erwerbende Geld ist) aber falsch sind. Ob Sätze dem Gehalt nach wahr sind, ist immer viel zu ungewiß, als daß man daraus den Unterscheidungsgrund nehmen sollte; und am wenigsten kann der Disputierende selbst darüber völlig gewiß sein: selbst das Resultat der Disputation gibt erst einen unsichern Aufschluß darüber. Wir müssen also unter Dialektik des Aristoteles Sophistik, Eristik, Peirastik mitbegreifen und sie definieren als die Kunst, im Disputieren Recht zu behalten: wobei freilich das größte Hilfsmittel ist, zuvörderst in der Sache Recht zu haben; allein für sich ist dies bei der Sinnesart der Menschen nicht zureichend und andrerseits bei der Schwäche ihres Verstandes nicht durchaus notwendig: es gehören also noch andre Kunstgriffe dazu, welche, eben weil sie vom objektiven Rechthaben unabhängig sind, auch gebraucht werden können, wenn man objektiv Unrecht hat: und ob dies der Fall sei, weiß man fast nie ganz gewiß.
Meine Ansicht also ist, die Dialektik von der Logik schärfer zu sondern, als Aristoteles getan hat, der Logik die objektive Wahrheit, so weit sie formell ist, zu lassen, und die Dialektik auf das Rechtbehalten zu beschränken; dagegen aber Sophistik und Eristik nicht so von ihr zu trennen, wie Aristoteles tut, da dieser Unterschied auf der objektiven materiellen Wahrheit beruht, über die wir nicht sicher zum voraus im klaren sein können, sondern mit Pontius Pilatus sagen müssen: was ist die Wahrheit? – denn veritas est in puteo: en buJv h alhJeia: Spruch des Demokrit, Diog. Laert. IX, 72. Es ist leicht zu sagen, daß man beim Streiten nichts anderes bezwecken soll als die Zutageförderung der Wahrheit; allein man weiß ja noch nicht, wo sie ist: man wird durch die Argumente des Gegners und durch seine eigenen irregeführt. – Übrigens re intellecta, in verbis simus faciles: da man den Namen Dialektik im Ganzen für gleichbedeutend mit Logik zu nehmen pflegt, wollen wir unsre Disziplin Dialectica eristica, eristische Dialektik nennen.  
(Man muß allemal den Gegenstand einer Disziplin von dem jeder andern rein sondern.)  
Die Begriffe lassen sich aber unter gewisse Klassen bringen, wie Genus und Species, Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Gegenteil, Haben und Mangel, u. dgl. m.; und für diese Klassen gelten einige allgemeine Regeln: diese sind die loci, topoi (topoi). – Z. B. ein Locus von Ursache und Wirkung ist: »die Ursache der Ursache ist Ursache der Wirkung« [Christian Wolff, Ontologia, § 928], angewandt: »die Ursache meines Glücks ist mein Reichtum: also ist auch der, welcher mir den Reichtum gab, Urheber meines Glücks.« Loci von Gegensätzen: 1. Sie schließen sich aus, z. B. grad und krumm. 2. Sie sind im selben Subjekt: z. B. hat die Liebe ihren Sitz im Willen epiJumhtikon, so hat der Haß ihn auch. – Ist aber dieser im Sitz des Gefühls JumoeideV, dann die Liebe auch. – Kann die Seele nicht weiß sein, so auch nicht schwarz. – 3. Fehlt der niedrigre Grad, so fehlt auch der höhere: ist ein Mensch nicht gerecht, so ist er auch nicht wohlwollend. – Sie sehn hieraus, daß die Loci sind gewisse allgemeine Wahrheiten, die ganze Klassen von Begriffen treffen, auf die man also bei vorkommenden einzelnen Fällen zurückgehn kann, um aus ihnen seine Argumente zu schöpfen, auch um sich auf sie als allgemein einleuchtend zu berufen. Jedoch sind die meisten sehr trüglich und vielen Ausnahmen unterworfen: z. B. es ist ein locus: entgegengesetzte Dinge haben entgegengesetzte Verhältnisse, z. B. die Tugend ist schön, das Laster häßlich. – Freundschaft ist wohlwollend, Feindschaft übelwollend. – Aber nun: Verschwendung ist ein Laster, also Geiz eine Tugend; Narren sagen die Wahrheit, also lügen die Weisen: geht nicht. Tod ist Vergehn, also Leben Entstehn: falsch.
Beispiel von der Trüglichkeit solcher topi: Scotus Eriugena im Buch de praedestinatione, Kap. 3, will die Ketzer widerlegen, welche in Gott zwei praedestinationes (eine der Erwählten zum Heil, eine der Verworfnen zur Verdammnis) annahmen, und gebraucht dazu diesen (Gott weiß woher genommnen) topus: »Omnium, quae sunt inter se contraria, necesse est eorum causas inter se esse contrarias; unam enim eandemque causam diversa, inter se contraria efficere ratio prohibet.« So! – aber die experientia docet, daß dieselbe Wärme den Ton hart und das Wachs weich macht, und hundert ähnliche Dinge. Und dennoch klingt der topus plausibel. Er baut seine Demonstration aber ruhig auf dem topus auf, die geht uns weiter nichts an. – Eine ganze Sammlung von Locis mit ihren Widerlegungen hat Baco de Verulamio zusammengestellt unter dem Titel Colores boni et mali. – Sie sind hier als Beispiele zu brauchen. Er nennt sie Sophismata. Als ein Locus kann auch das Argument betrachtet werden, durch welches im Symposium Sokrates dem Agathon, der der Liebe alle vortrefflichen Eigenschaften, Schönheit, Güte usw. beigelegt hatte, das Gegenteil beweist: »Was einer sucht, das hat er nicht: nun sucht die Liebe das Schöne und Gute; also hat sie solche nicht.« Es hat etwas Scheinbares, daß es gewisse allgemeine Wahrheiten gäbe, die auf alles anwendbar wären und durch die man also alle vorkommenden einzeln noch so verschiedenartigen Fälle, ohne näher auf ihr Spezielles einzugehn, entscheiden könnte. (Das Gesetz der Kompensation ist ein ganz guter locus.) Allein es geht nicht, eben weil die Begriffe durch Abstraktion von den Differenzen entstanden sind und daher das Verschiedenartigste begreifen, welches sich wieder hervortut, wenn mittels der Begriffe die einzelnen Dinge der verschiedensten Arten aneinandergebracht werden und nur nach den obern Begriffen entschieden wird. Es ist sogar dem Menschen natürlich beim Disputieren, sich, wenn er bedrängt wird, hinter irgend einen allgemeinen topus zu retten. Loci sind auch die lex parsimoniae naturae; – auch: natura nihil facit frustra. – Ja, alle Sprichwörter sind loci mit praktischer Tendenz.  
Oft streiten zwei sehr lebhaft; und dann geht jeder mit der Meinung des Andern nach Hause: sie haben getauscht.  
Nach Diogenes Laertius gab es unter den vielen rhetorischen Schriften des Theophrastos, die sämtlich verloren gegangen, eine, deren Titel war ’Agwnistikon thV peri touV eristikouV logouV JewriaV. Das wäre unsre Sache.  
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Stoppdenbus schrieb:
Pedrogranata schrieb:
MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also "per fas et nefas" [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst "objektive" Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)
Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert, ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichzeitig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache seyn. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborene Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß Jeder sich zu bemühen nicht anders als richtig zu urtheilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angeborenen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwäzzigkeit und angeborene Unredlichkeit.
Sie reden ehe sie gedacht haben und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch wahr erscheinen.
Jedoch hat selbst diese Unredlichkeit, das Beharren bei einem Satz der uns selbst schon falsch scheint, noch eine Entschuldigung: oft sind wir anfangs von der Wahrheit unserer Behauptung fest überzeugt: aber das Argument des Gegners scheint jetzt sie umzustoßen: geben wir jetzt ihre Sache gleich auf; so finden wir hinterher, daß wir doch Recht hatten: unser Beweis war falsch; aber es konnte für die Behauptung einen richtigen geben: das rettende Argument war uns nicht gleich beigefallen. Daher entsteht nun in uns die Maxime, selbst wann das Gegenargument richtig und schlagend scheint, doch noch dagegen anzukämpfen, im Glauben daß dessen Richtigkeit selbst nur scheinbar sei, und uns während des Disputirens noch ein Argument jenes umzustoßen oder eines unsre Wahrheit anderweitig zu bestätigen einfallen werde: hiedurch werden wir zur Unredlichkeit im Disputiren beinahe genöthigt, wenigstens leicht verführt. Diesergestalt unterstützen sich wechselseitig die Schwäche unseres Verstandes und die Verkehrtheit unsers Willens. Daraus kommt daß wer disputirt in der Regel nicht für die Wahrheit, sondern für seinen Satz kämpft, wie "pro ara et focis" [für Heim & Herd] und "per fas et nefas" verfährt, ja wie gezeigt nicht anders kann.
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick nutzen kann wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: - eben so ist es beim Disputiren: gebe ich dem Gegner Recht sobald er es zu haben scheint; so wird er schwerlich dasselbe thun, wann der Fall sich umkehrt: er wird vielmehr "per nefas" verfahren: also muß ich’s auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz: aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es thun werde: also darf man’s auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe um den Irrthum anzunehmen.
Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. 3) Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputiren. Es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urtheile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht: hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgetheilte Naturgabe (hierin der Urtheilskraft gleich, die sehr ungleich ausgetheilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundiren, sich refutiren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft: und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urtheilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandheit mit der er ihn vertheidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste 4): jedoch kann Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht um zu werfen, viel beitragen in dieser Kunst Meister zu werden. Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu seyn. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des besonderen vorhergehn.
Aristoteles bestimmt den Zweck der Dialektik nicht so scharf wie ich gethan: er giebt zwar als Hauptzweck das Disputiren an, aber zugleich auch das Auffinden der Wahrheit: später sagt er wieder: man behandle die Sätze philosophisch nach der Wahrheit, dialektisch nach dem Schein oder Beifall, Meinung Anderer (doxa), Top. I, 12. Er ist sich der Unterscheidung und Trennung der objektiven Wahrheit eines Satzes von dem Geltendmachen desselben oder zum Erlangen der Approbation zwar bewußt: allein er hält sie nicht scharf genug auseinander um der Dialektik bloß letzteres anzuweisen. Seinen Regeln zu letzterem Zweck sind daher oft welche zum ersteren eingemengt. Daher es mir scheint daß er seine Aufgabe nicht rein gelöst hat. 6) Aristoteles hat in den Topicis die Aufstellung der Dialektik mit seinem eignen wissenschaftlichen Geist äußerst methodisch und systematisch angegriffen, und dies verdient Bewunderung, wenn gleich der Zweck, der hier offenbar praktisch ist, nicht sonderlich erreicht worden. Nachdem er in den Analyticis die Begriffe, Urteile und Schlüsse der reinen Form nach betrachtet hatte, geht er nun zum Inhalt über, wobei er es eigentlich nur mit den Begriffen zu tun hat: denn in diesen liegt ja der Gehalt. Sätze und Schlüsse sind rein für sich bloße Form: die Begriffe sind ihr Gehalt. 7) – Sein Gang ist folgender. Jede Disputation hat eine Thesis oder Problem (diese differieren bloß in der Form) und dann Sätze, die es zu lösen dienen sollen. Es handelt sich dabei immer um das Verhältnis von Begriffen zu einander. Dieser Verhältnisse sind zunächst vier. Man sucht nämlich von einem Begriff, entweder 1. seine Definition, oder 2. sein Genus, oder 3. sein Eigentümliches, wesentliches Merkmal, proprium, idion, oder 4. sein accidens, d. i. irgend eine Eigenschaft, gleichviel ob Eigentümliches und Ausschließliches oder nicht, kurz ein Prädikat. Auf eins dieser Verhältnisse ist das Problem jeder Disputation zurückzuführen. Dies ist die Basis der ganzen Dialektik. In den acht Büchern derselben stellt er nun alle Verhältnisse, die Begriffe in jenen vier Rücksichten wechselseitig zu einander haben können, auf und gibt die Regeln für jedes mögliche Verhältnis; wie nämlich ein Begriff sich zum andern verhalten müsse, um dessen proprium, dessen accidens, dessen genus, dessen definitum oder Definition zu sein: welche Fehler bei der Aufstellung leicht gemacht werden, und jedesmal was man demnach zu beobachten habe, wenn man selbst ein solches Verhältnis aufstellt (kataskeuazein), und was man, nachdem der andre es aufgestellt, tun könne, es umzustoßen (anaskeuazein). Die Aufstellung jeder solchen Regel oder jedes solchen allgemeinen Verhältnisses jener Klassen-Begriffe zu einander nennt er topo (topoV), locus, und gibt 382 solcher topoi (topoi): daher Topica. Diesem fügt er noch einige allgemeine Regeln bei, über das Disputieren überhaupt, die jedoch lange nicht erschöpfend sind.
Der topo (topoV) ist also kein rein materieller, bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, oder Begriff; sondern er betrifft immer ein Verhältnis ganzer Klassen von Begriffen, welches unzähligen Begriffen gemein sein kann, sobald sie zu einander in einer der erwähnten vier Rücksichten betrachtet werden, welches bei jeder Disputation statt hat. Und diese vier Rücksichten haben wieder untergeordnete Klassen. Die Betrachtung ist hier also noch immer gewissermaßen formal, jedoch nicht so rein formal wie in der Logik, da sie sich mit dem Inhalt der Begriffe beschäftigt, aber auf eine formelle Weise, nämlich sie gibt an, wie der Inhalt des Begriffs A sich verhalten müsse zu dem des Begriffs B, damit dieser aufgestellt werden könne als dessen genus oder dessen proprium (Merkmal) oder dessen accidens oder dessen Definition oder nach den diesen untergeordneten Rubriken, von Gegenteil antikeimenon (antikeimenon), Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Mangel usw.: und um ein solches Verhältnis soll sich jede Disputation drehen. Die meisten Regeln, die er nun eben als topoi (topoi) über diese Verhältnisse angibt, sind solche, die in der Natur der Begriffsverhältnisse liegen, deren jeder sich von selbst bewußt ist, und auf deren Befolgung vom Gegner er schon von selbst dringt, eben wie in der Logik, und die es leichter ist im speziellen Fall zu beobachten oder ihre Vernachlässigung zu bemerken, als sich des abstrakten topo (topoV) darüber zu erinnern: daher eben der praktische Nutzen dieser Dialektik nicht groß ist.
Er sagt fast lauter Dinge, die sich von selbst verstehn und auf deren Beachtung die gesunde Vernunft von selbst gerät. Beispiele: »Wenn von einem Dinge das genus behauptet wird, so muß ihm auch irgend eine species dieses genus zukommen; ist dies nicht, so ist die Behauptung falsch: z. B. es wird behauptet, die Seele habe Bewegung; so muß ihr irgend eine bestimmte Art der Bewegung eigen sein, Flug, Gang, Wachstum, Abnahme usw. – ist dies nicht, so hat sie auch keine Bewegung. – Also wem keine Spezies zukommt, dem auch nicht das genus: das ist der topo (topoV).« Dieser topoV gilt zum Aufstellen und zum Umwerfen. Es ist der neunte topoV. Und umgekehrt: wenn das Genus nicht zukommt, kommt auch keine Spezies zu: z. B. Einer soll (wird behauptet) von einem Andern schlecht geredet haben: – Beweisen wir, daß er gar nicht geredet hat, so ist auch jenes nicht: denn wo das genus nicht ist, kann die Spezies nicht sein.
Unter der Rubrik des Eigentümlichen, proprium, lautet der 215. locus so: »Erstlich zum Umstoßen: wenn der Gegner als Eigentümliches etwas angibt, das nur sinnlich wahrzunehmen ist, so ists schlecht angegeben: denn alles Sinnliche wird ungewiß, sobald es aus dem Bereich der Sinne hinaus kommt: z. B. er setzt als Eigentümliches der Sonne, sie sei das hellste Gestirn, das über die Erde zieht: – das taugt nicht: denn wenn die Sonne untergegangen, wissen wir nicht ob sie über die Erde zieht, weil sie dann außer dem Bereich der Sinne ist. – Zweitens zum Aufstellen: das Eigentümliche wird richtig angegeben, wenn ein solches aufgestellt wird, das nicht sinnlich erkannt wird, oder wenn sinnlich erkannt, doch notwendig vorhanden: z. B. als Eigentümliches der Oberfläche werde angegeben, daß sie zuerst gefärbt wird; so ist dies zwar ein sinnliches Merkmal, aber ein solches, das offenbar allezeit vorhanden, also richtig.« – Soviel um Ihnen einen Begriff von der Dialektik des Aristoteles zu geben. Sie scheint mir den Zweck nicht zu erreichen: ich habe es also anders versucht. Cicero's Topica sind eine Nachahmung der Aristotelischen aus dem Gedächtnis: höchst seicht und elend; Cicero hat durchaus keinen deutlichen Begriff von dem, was ein topus ist und bezweckt, und so radotiert er ex ingenio allerhand Zeug durcheinander, und staffiert es reichlich mit juristischen Beispielen aus. Eine seiner schlechtesten Schriften.
Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst Recht zu behalten, welches freilich um so leichter seyn wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche vertheidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst seine Sätze als wahr geltend zu machen: jenes ist die Sache einer ganz andern "poagnateia" pragmateia [Betätigung], es ist das Werk der Urtheilskraft, des Nachdenkens, der Erfahrung, und giebt es dazu keine eigene Kunst: das 2te aber ist der Zweck der Dialektik. Man hat sie definirt als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Vertheidigung falscher Sätze: allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen: ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen. Dieserhalb also muß bei der Dialektik die objektive Wahrheit bei Seite gesetzt und als accidentell betrachtet werden: und bloß darauf gesehn werden, wie man seine Behauptungen vertheidigt und die des Andern umstößt: bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist wo sie liegt 8): oft weiß man selbst nicht ob man Recht hat oder nicht, oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Theile: denn "veritas est in puteo" (en buJv h alhJeia [die Wahrheit ist in der Tiefe], Democrit): beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel Jeder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und pariren, darauf kommt es an: eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst: nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disciplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir bloß auf bloße Logik zurück: setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik. Und bei beiden würde vorausgesetzt seyn, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten im Voraus gewiß. Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputiren: obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik: "Dialectica eristica". Und sie ist sehr nützlich: man hat sie mit Unrecht in neuern Zeiten vernachlässigt.
Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von Natur eingegebnen Künste seyn soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; - so würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig seyn wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel das bloße Rechthaben ist. Die wissenschaftliche Dialektik in unserm Sinne hat demnach zur Hauptaufgabe, jene Kunstgriffe der Unredlichkeit im Disputiren aufzustellen und zu analysiren: damit man bei wirklichen Debatten sie sogleich erkenne und vernichte. Eben daher muß sie in ihrer Darstellung eigenständlich bloß das Rechthaben, nicht die objektive Wahrheit, zum Endzweck nehmen.
Mir ist nicht bekannt daß in diesem Sinne etwas geleistet wäre obwohl ich mich weit und breit umgesehn habe 9): es ist also ein noch unbebautes Feld. Um zum Zwecke zu kommen, müßte man aus der Erfahrung schöpfen, betrachten, wie, bei den im Umgang häufig vorkommenden Debatten, dieser oder jener Kunstgriff von einem und dem andern Theil angewandt wird, sodann die unter andern Formen wiederkehrenden Kunstgriffe auf ihr Allgemeines zurückführen, und so gewisse allgemeine Stratagemata aufstellen, die dann sowohl zum eignen Gebrauch, als zum Vereiteln derselben, wenn der Andre sie braucht, nützlich wären.
Basis aller Dialektik
Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.
Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen giebts 2 Modi und 2 Wege.
I.) Die Modi:
a) "ad rem",
b) "ad hominem" oder "ex concessis":
d.h. wir zeigen entweder daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit: oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d.h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Ueberführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.
II.) Die Wege:
a) direkte Widerlegung,
b) indirekte. - Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte, daß sie nicht wahr seyn kann.
zu a) Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind ("nego majorem"; "minorem" [ich bestreite den Obersatz; den Untersatz]): oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber daß die Behauptung daraus nicht folgt ("nego consequentiam" [ich bestreite die Schlußfolgerung]), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.
zu b) Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.
a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an: und nun zeigen wir was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgendeinem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder die Natur der Dinge 1), oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also "ad rem" oder "ad hominem" falsch ist ("Socrates in Hippia maj. et alias"): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen: obwohl aus falschen nicht immer falsche.
(Widerspricht sie einer ganz unzweifelbaren Wahrheit geradezu, so haben wir den Gegner "ad absurdum" geführt.)
b) Die Instanz, enstatiV "exemplum in contrarium": Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch seyn muß.
Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputiren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit ächten oder mit unächten Gründen geschehn: und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht ob man "objektive" Recht oder Unrecht hat: denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Uebrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgendetwas einverstanden seyn, daraus man als Princip die vorliegende Frage beurtheilen will: "Contra negantem principia non est disputandum" [Mit einem, der die Anfangssätze bestreitet, ist nicht zu streiten].
Fußnote:
widerspricht sie einer ganz unbezweifelbaren Wahrheit gradezu, so haben wir den Gegner ad absurdum geführt.  
Folgendes sei als erster Versuch zu betrachten.
Anmerkungen
Bei den Alten werden Logik und Dialektik meistens als Synonyme gebraucht: bei den Neueren ebenfalls.  
Eristik wäre nur ein härteres Wort für dieselbe Sache. – Aristoteles (nach Diog. Laert. V, 28) stellte zusammen Rhetorik und Dialektik, deren Zweck die Überredung, to piJanon (to piJanon), sei; sodann Analytik und Philosophie, deren Zweck die Wahrheit. – Dialektikh de esti tecnh logwn, di' hV anaskeuazomen ti h kataskeuazomen, ex erwthsewV kai apokrisewV tvn prosdialegomenwn, Diog. Laert. III, 48 in vita Platonis. –
Aristoteles unterscheidet zwar
die Logik oder Analytik, als die Theorie oder Anweisung zu den wahren Schlüssen, den apodiktischen;
die Dialektik oder Anweisung zu den für wahr geltenden, als wahr kurrenten – endoxa (endoxa), probabilia (Topik, I, 1 und 12) – Schlüssen, wobei zwar nicht ausgemacht ist, daß sie falsch sind, aber auch nicht, daß sie wahr (an und für sich) sind, indem es darauf nicht ankommt. Was ist denn aber dies anders als die Kunst, Recht zu behalten, gleichviel ob man es im Grunde habe oder nicht? Also die Kunst, den Schein der Wahrheit zu erlangen unbekümmert um die Sache. Daher wie anfangs gesagt. Aristoteles teilt eigentlich die Schlüsse in logische, dialektische, so wie eben gesagt: dann
in eristische (Eristik), bei denen die Schlußform richtig ist, die Sätze selbst aber, die Materie, nicht wahr sind, sondern nur wahr scheinen, und endlich
in sophistische (Sophistik), bei denen die Schlußform falsch ist, jedoch richtig scheint. Alle drei letzten Arten gehören eigentlich zur eristischen Dialektik, da sie alle ausgehn nicht auf die objektive Wahrheit, sondern auf den Schein derselben, unbekümmert um sie selbst, also auf das Recht behalten. Auch ist das Buch über die Sophistischen Schlüsse erst später allein ediert: es war das letzte Buch der Dialektik.  
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor, jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen, um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick benutzen kann, wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: – eben so ist es beim Disputieren: gebe ich dem Gegner Recht, sobald er es zu haben scheint, so wird er schwerlich dasselbe tun, wann der Fall sich umkehrt; er wird vielmehr per nefas verfahren: also muß ich's auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.  
Doctrina sed vim promovet insitam.  
Und andrerseits ist er im Buche de elenchis sophisticis wieder zu sehr bemüht, die Dialektik zu trennen von der Sophistik und Eristik: wo der Unterschied darin liegen soll, daß dialektische Schlüsse in Form und Gehalt wahr, eristische oder sophistische (die sich bloß durch den Zweck unterscheiden, der bei ersteren [Eristik] das Rechthaben an sich, bei letztern [Sophistik] das dadurch zu erlangende Ansehn und das durch dieses zu erwerbende Geld ist) aber falsch sind. Ob Sätze dem Gehalt nach wahr sind, ist immer viel zu ungewiß, als daß man daraus den Unterscheidungsgrund nehmen sollte; und am wenigsten kann der Disputierende selbst darüber völlig gewiß sein: selbst das Resultat der Disputation gibt erst einen unsichern Aufschluß darüber. Wir müssen also unter Dialektik des Aristoteles Sophistik, Eristik, Peirastik mitbegreifen und sie definieren als die Kunst, im Disputieren Recht zu behalten: wobei freilich das größte Hilfsmittel ist, zuvörderst in der Sache Recht zu haben; allein für sich ist dies bei der Sinnesart der Menschen nicht zureichend und andrerseits bei der Schwäche ihres Verstandes nicht durchaus notwendig: es gehören also noch andre Kunstgriffe dazu, welche, eben weil sie vom objektiven Rechthaben unabhängig sind, auch gebraucht werden können, wenn man objektiv Unrecht hat: und ob dies der Fall sei, weiß man fast nie ganz gewiß.
Meine Ansicht also ist, die Dialektik von der Logik schärfer zu sondern, als Aristoteles getan hat, der Logik die objektive Wahrheit, so weit sie formell ist, zu lassen, und die Dialektik auf das Rechtbehalten zu beschränken; dagegen aber Sophistik und Eristik nicht so von ihr zu trennen, wie Aristoteles tut, da dieser Unterschied auf der objektiven materiellen Wahrheit beruht, über die wir nicht sicher zum voraus im klaren sein können, sondern mit Pontius Pilatus sagen müssen: was ist die Wahrheit? – denn veritas est in puteo: en buJv h alhJeia: Spruch des Demokrit, Diog. Laert. IX, 72. Es ist leicht zu sagen, daß man beim Streiten nichts anderes bezwecken soll als die Zutageförderung der Wahrheit; allein man weiß ja noch nicht, wo sie ist: man wird durch die Argumente des Gegners und durch seine eigenen irregeführt. – Übrigens re intellecta, in verbis simus faciles: da man den Namen Dialektik im Ganzen für gleichbedeutend mit Logik zu nehmen pflegt, wollen wir unsre Disziplin Dialectica eristica, eristische Dialektik nennen.  
(Man muß allemal den Gegenstand einer Disziplin von dem jeder andern rein sondern.)  
Die Begriffe lassen sich aber unter gewisse Klassen bringen, wie Genus und Species, Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Gegenteil, Haben und Mangel, u. dgl. m.; und für diese Klassen gelten einige allgemeine Regeln: diese sind die loci, topoi (topoi). – Z. B. ein Locus von Ursache und Wirkung ist: »die Ursache der Ursache ist Ursache der Wirkung« [Christian Wolff, Ontologia, § 928], angewandt: »die Ursache meines Glücks ist mein Reichtum: also ist auch der, welcher mir den Reichtum gab, Urheber meines Glücks.« Loci von Gegensätzen: 1. Sie schließen sich aus, z. B. grad und krumm. 2. Sie sind im selben Subjekt: z. B. hat die Liebe ihren Sitz im Willen epiJumhtikon, so hat der Haß ihn auch. – Ist aber dieser im Sitz des Gefühls JumoeideV, dann die Liebe auch. – Kann die Seele nicht weiß sein, so auch nicht schwarz. – 3. Fehlt der niedrigre Grad, so fehlt auch der höhere: ist ein Mensch nicht gerecht, so ist er auch nicht wohlwollend. – Sie sehn hieraus, daß die Loci sind gewisse allgemeine Wahrheiten, die ganze Klassen von Begriffen treffen, auf die man also bei vorkommenden einzelnen Fällen zurückgehn kann, um aus ihnen seine Argumente zu schöpfen, auch um sich auf sie als allgemein einleuchtend zu berufen. Jedoch sind die meisten sehr trüglich und vielen Ausnahmen unterworfen: z. B. es ist ein locus: entgegengesetzte Dinge haben entgegengesetzte Verhältnisse, z. B. die Tugend ist schön, das Laster häßlich. – Freundschaft ist wohlwollend, Feindschaft übelwollend. – Aber nun: Verschwendung ist ein Laster, also Geiz eine Tugend; Narren sagen die Wahrheit, also lügen die Weisen: geht nicht. Tod ist Vergehn, also Leben Entstehn: falsch.
Beispiel von der Trüglichkeit solcher topi: Scotus Eriugena im Buch de praedestinatione, Kap. 3, will die Ketzer widerlegen, welche in Gott zwei praedestinationes (eine der Erwählten zum Heil, eine der Verworfnen zur Verdammnis) annahmen, und gebraucht dazu diesen (Gott weiß woher genommnen) topus: »Omnium, quae sunt inter se contraria, necesse est eorum causas inter se esse contrarias; unam enim eandemque causam diversa, inter se contraria efficere ratio prohibet.« So! – aber die experientia docet, daß dieselbe Wärme den Ton hart und das Wachs weich macht, und hundert ähnliche Dinge. Und dennoch klingt der topus plausibel. Er baut seine Demonstration aber ruhig auf dem topus auf, die geht uns weiter nichts an. – Eine ganze Sammlung von Locis mit ihren Widerlegungen hat Baco de Verulamio zusammengestellt unter dem Titel Colores boni et mali. – Sie sind hier als Beispiele zu brauchen. Er nennt sie Sophismata. Als ein Locus kann auch das Argument betrachtet werden, durch welches im Symposium Sokrates dem Agathon, der der Liebe alle vortrefflichen Eigenschaften, Schönheit, Güte usw. beigelegt hatte, das Gegenteil beweist: »Was einer sucht, das hat er nicht: nun sucht die Liebe das Schöne und Gute; also hat sie solche nicht.« Es hat etwas Scheinbares, daß es gewisse allgemeine Wahrheiten gäbe, die auf alles anwendbar wären und durch die man also alle vorkommenden einzeln noch so verschiedenartigen Fälle, ohne näher auf ihr Spezielles einzugehn, entscheiden könnte. (Das Gesetz der Kompensation ist ein ganz guter locus.) Allein es geht nicht, eben weil die Begriffe durch Abstraktion von den Differenzen entstanden sind und daher das Verschiedenartigste begreifen, welches sich wieder hervortut, wenn mittels der Begriffe die einzelnen Dinge der verschiedensten Arten aneinandergebracht werden und nur nach den obern Begriffen entschieden wird. Es ist sogar dem Menschen natürlich beim Disputieren, sich, wenn er bedrängt wird, hinter irgend einen allgemeinen topus zu retten. Loci sind auch die lex parsimoniae naturae; – auch: natura nihil facit frustra. – Ja, alle Sprichwörter sind loci mit praktischer Tendenz.  
Oft streiten zwei sehr lebhaft; und dann geht jeder mit der Meinung des Andern nach Hause: sie haben getauscht.  
Nach Diogenes Laertius gab es unter den vielen rhetorischen Schriften des Theophrastos, die sämtlich verloren gegangen, eine, deren Titel war ’Agwnistikon thV peri touV eristikouV logouV JewriaV. Das wäre unsre Sache.  


du hast eindeutig zu viel zeit und ich bin auch zu faul um mir das durchzulesen!    
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Stoppdenbus schrieb:
Pedrogranata schrieb:
MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also "per fas et nefas" [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst "objektive" Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)
Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert, ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichzeitig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache seyn. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborene Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß Jeder sich zu bemühen nicht anders als richtig zu urtheilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angeborenen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwäzzigkeit und angeborene Unredlichkeit.
Sie reden ehe sie gedacht haben und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch wahr erscheinen.
Jedoch hat selbst diese Unredlichkeit, das Beharren bei einem Satz der uns selbst schon falsch scheint, noch eine Entschuldigung: oft sind wir anfangs von der Wahrheit unserer Behauptung fest überzeugt: aber das Argument des Gegners scheint jetzt sie umzustoßen: geben wir jetzt ihre Sache gleich auf; so finden wir hinterher, daß wir doch Recht hatten: unser Beweis war falsch; aber es konnte für die Behauptung einen richtigen geben: das rettende Argument war uns nicht gleich beigefallen. Daher entsteht nun in uns die Maxime, selbst wann das Gegenargument richtig und schlagend scheint, doch noch dagegen anzukämpfen, im Glauben daß dessen Richtigkeit selbst nur scheinbar sei, und uns während des Disputirens noch ein Argument jenes umzustoßen oder eines unsre Wahrheit anderweitig zu bestätigen einfallen werde: hiedurch werden wir zur Unredlichkeit im Disputiren beinahe genöthigt, wenigstens leicht verführt. Diesergestalt unterstützen sich wechselseitig die Schwäche unseres Verstandes und die Verkehrtheit unsers Willens. Daraus kommt daß wer disputirt in der Regel nicht für die Wahrheit, sondern für seinen Satz kämpft, wie "pro ara et focis" [für Heim & Herd] und "per fas et nefas" verfährt, ja wie gezeigt nicht anders kann.
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick nutzen kann wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: - eben so ist es beim Disputiren: gebe ich dem Gegner Recht sobald er es zu haben scheint; so wird er schwerlich dasselbe thun, wann der Fall sich umkehrt: er wird vielmehr "per nefas" verfahren: also muß ich’s auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz: aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es thun werde: also darf man’s auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe um den Irrthum anzunehmen.
Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. 3) Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputiren. Es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urtheile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht: hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgetheilte Naturgabe (hierin der Urtheilskraft gleich, die sehr ungleich ausgetheilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundiren, sich refutiren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft: und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urtheilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandheit mit der er ihn vertheidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste 4): jedoch kann Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht um zu werfen, viel beitragen in dieser Kunst Meister zu werden. Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu seyn. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des besonderen vorhergehn.
Aristoteles bestimmt den Zweck der Dialektik nicht so scharf wie ich gethan: er giebt zwar als Hauptzweck das Disputiren an, aber zugleich auch das Auffinden der Wahrheit: später sagt er wieder: man behandle die Sätze philosophisch nach der Wahrheit, dialektisch nach dem Schein oder Beifall, Meinung Anderer (doxa), Top. I, 12. Er ist sich der Unterscheidung und Trennung der objektiven Wahrheit eines Satzes von dem Geltendmachen desselben oder zum Erlangen der Approbation zwar bewußt: allein er hält sie nicht scharf genug auseinander um der Dialektik bloß letzteres anzuweisen. Seinen Regeln zu letzterem Zweck sind daher oft welche zum ersteren eingemengt. Daher es mir scheint daß er seine Aufgabe nicht rein gelöst hat. 6) Aristoteles hat in den Topicis die Aufstellung der Dialektik mit seinem eignen wissenschaftlichen Geist äußerst methodisch und systematisch angegriffen, und dies verdient Bewunderung, wenn gleich der Zweck, der hier offenbar praktisch ist, nicht sonderlich erreicht worden. Nachdem er in den Analyticis die Begriffe, Urteile und Schlüsse der reinen Form nach betrachtet hatte, geht er nun zum Inhalt über, wobei er es eigentlich nur mit den Begriffen zu tun hat: denn in diesen liegt ja der Gehalt. Sätze und Schlüsse sind rein für sich bloße Form: die Begriffe sind ihr Gehalt. 7) – Sein Gang ist folgender. Jede Disputation hat eine Thesis oder Problem (diese differieren bloß in der Form) und dann Sätze, die es zu lösen dienen sollen. Es handelt sich dabei immer um das Verhältnis von Begriffen zu einander. Dieser Verhältnisse sind zunächst vier. Man sucht nämlich von einem Begriff, entweder 1. seine Definition, oder 2. sein Genus, oder 3. sein Eigentümliches, wesentliches Merkmal, proprium, idion, oder 4. sein accidens, d. i. irgend eine Eigenschaft, gleichviel ob Eigentümliches und Ausschließliches oder nicht, kurz ein Prädikat. Auf eins dieser Verhältnisse ist das Problem jeder Disputation zurückzuführen. Dies ist die Basis der ganzen Dialektik. In den acht Büchern derselben stellt er nun alle Verhältnisse, die Begriffe in jenen vier Rücksichten wechselseitig zu einander haben können, auf und gibt die Regeln für jedes mögliche Verhältnis; wie nämlich ein Begriff sich zum andern verhalten müsse, um dessen proprium, dessen accidens, dessen genus, dessen definitum oder Definition zu sein: welche Fehler bei der Aufstellung leicht gemacht werden, und jedesmal was man demnach zu beobachten habe, wenn man selbst ein solches Verhältnis aufstellt (kataskeuazein), und was man, nachdem der andre es aufgestellt, tun könne, es umzustoßen (anaskeuazein). Die Aufstellung jeder solchen Regel oder jedes solchen allgemeinen Verhältnisses jener Klassen-Begriffe zu einander nennt er topo (topoV), locus, und gibt 382 solcher topoi (topoi): daher Topica. Diesem fügt er noch einige allgemeine Regeln bei, über das Disputieren überhaupt, die jedoch lange nicht erschöpfend sind.
Der topo (topoV) ist also kein rein materieller, bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, oder Begriff; sondern er betrifft immer ein Verhältnis ganzer Klassen von Begriffen, welches unzähligen Begriffen gemein sein kann, sobald sie zu einander in einer der erwähnten vier Rücksichten betrachtet werden, welches bei jeder Disputation statt hat. Und diese vier Rücksichten haben wieder untergeordnete Klassen. Die Betrachtung ist hier also noch immer gewissermaßen formal, jedoch nicht so rein formal wie in der Logik, da sie sich mit dem Inhalt der Begriffe beschäftigt, aber auf eine formelle Weise, nämlich sie gibt an, wie der Inhalt des Begriffs A sich verhalten müsse zu dem des Begriffs B, damit dieser aufgestellt werden könne als dessen genus oder dessen proprium (Merkmal) oder dessen accidens oder dessen Definition oder nach den diesen untergeordneten Rubriken, von Gegenteil antikeimenon (antikeimenon), Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Mangel usw.: und um ein solches Verhältnis soll sich jede Disputation drehen. Die meisten Regeln, die er nun eben als topoi (topoi) über diese Verhältnisse angibt, sind solche, die in der Natur der Begriffsverhältnisse liegen, deren jeder sich von selbst bewußt ist, und auf deren Befolgung vom Gegner er schon von selbst dringt, eben wie in der Logik, und die es leichter ist im speziellen Fall zu beobachten oder ihre Vernachlässigung zu bemerken, als sich des abstrakten topo (topoV) darüber zu erinnern: daher eben der praktische Nutzen dieser Dialektik nicht groß ist.
Er sagt fast lauter Dinge, die sich von selbst verstehn und auf deren Beachtung die gesunde Vernunft von selbst gerät. Beispiele: »Wenn von einem Dinge das genus behauptet wird, so muß ihm auch irgend eine species dieses genus zukommen; ist dies nicht, so ist die Behauptung falsch: z. B. es wird behauptet, die Seele habe Bewegung; so muß ihr irgend eine bestimmte Art der Bewegung eigen sein, Flug, Gang, Wachstum, Abnahme usw. – ist dies nicht, so hat sie auch keine Bewegung. – Also wem keine Spezies zukommt, dem auch nicht das genus: das ist der topo (topoV).« Dieser topoV gilt zum Aufstellen und zum Umwerfen. Es ist der neunte topoV. Und umgekehrt: wenn das Genus nicht zukommt, kommt auch keine Spezies zu: z. B. Einer soll (wird behauptet) von einem Andern schlecht geredet haben: – Beweisen wir, daß er gar nicht geredet hat, so ist auch jenes nicht: denn wo das genus nicht ist, kann die Spezies nicht sein.
Unter der Rubrik des Eigentümlichen, proprium, lautet der 215. locus so: »Erstlich zum Umstoßen: wenn der Gegner als Eigentümliches etwas angibt, das nur sinnlich wahrzunehmen ist, so ists schlecht angegeben: denn alles Sinnliche wird ungewiß, sobald es aus dem Bereich der Sinne hinaus kommt: z. B. er setzt als Eigentümliches der Sonne, sie sei das hellste Gestirn, das über die Erde zieht: – das taugt nicht: denn wenn die Sonne untergegangen, wissen wir nicht ob sie über die Erde zieht, weil sie dann außer dem Bereich der Sinne ist. – Zweitens zum Aufstellen: das Eigentümliche wird richtig angegeben, wenn ein solches aufgestellt wird, das nicht sinnlich erkannt wird, oder wenn sinnlich erkannt, doch notwendig vorhanden: z. B. als Eigentümliches der Oberfläche werde angegeben, daß sie zuerst gefärbt wird; so ist dies zwar ein sinnliches Merkmal, aber ein solches, das offenbar allezeit vorhanden, also richtig.« – Soviel um Ihnen einen Begriff von der Dialektik des Aristoteles zu geben. Sie scheint mir den Zweck nicht zu erreichen: ich habe es also anders versucht. Cicero's Topica sind eine Nachahmung der Aristotelischen aus dem Gedächtnis: höchst seicht und elend; Cicero hat durchaus keinen deutlichen Begriff von dem, was ein topus ist und bezweckt, und so radotiert er ex ingenio allerhand Zeug durcheinander, und staffiert es reichlich mit juristischen Beispielen aus. Eine seiner schlechtesten Schriften.
Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst Recht zu behalten, welches freilich um so leichter seyn wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche vertheidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst seine Sätze als wahr geltend zu machen: jenes ist die Sache einer ganz andern "poagnateia" pragmateia [Betätigung], es ist das Werk der Urtheilskraft, des Nachdenkens, der Erfahrung, und giebt es dazu keine eigene Kunst: das 2te aber ist der Zweck der Dialektik. Man hat sie definirt als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Vertheidigung falscher Sätze: allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen: ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen. Dieserhalb also muß bei der Dialektik die objektive Wahrheit bei Seite gesetzt und als accidentell betrachtet werden: und bloß darauf gesehn werden, wie man seine Behauptungen vertheidigt und die des Andern umstößt: bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist wo sie liegt 8): oft weiß man selbst nicht ob man Recht hat oder nicht, oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Theile: denn "veritas est in puteo" (en buJv h alhJeia [die Wahrheit ist in der Tiefe], Democrit): beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel Jeder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und pariren, darauf kommt es an: eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst: nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disciplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir bloß auf bloße Logik zurück: setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik. Und bei beiden würde vorausgesetzt seyn, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten im Voraus gewiß. Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputiren: obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik: "Dialectica eristica". Und sie ist sehr nützlich: man hat sie mit Unrecht in neuern Zeiten vernachlässigt.
Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von Natur eingegebnen Künste seyn soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; - so würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig seyn wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel das bloße Rechthaben ist. Die wissenschaftliche Dialektik in unserm Sinne hat demnach zur Hauptaufgabe, jene Kunstgriffe der Unredlichkeit im Disputiren aufzustellen und zu analysiren: damit man bei wirklichen Debatten sie sogleich erkenne und vernichte. Eben daher muß sie in ihrer Darstellung eigenständlich bloß das Rechthaben, nicht die objektive Wahrheit, zum Endzweck nehmen.
Mir ist nicht bekannt daß in diesem Sinne etwas geleistet wäre obwohl ich mich weit und breit umgesehn habe 9): es ist also ein noch unbebautes Feld. Um zum Zwecke zu kommen, müßte man aus der Erfahrung schöpfen, betrachten, wie, bei den im Umgang häufig vorkommenden Debatten, dieser oder jener Kunstgriff von einem und dem andern Theil angewandt wird, sodann die unter andern Formen wiederkehrenden Kunstgriffe auf ihr Allgemeines zurückführen, und so gewisse allgemeine Stratagemata aufstellen, die dann sowohl zum eignen Gebrauch, als zum Vereiteln derselben, wenn der Andre sie braucht, nützlich wären.
Basis aller Dialektik
Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.
Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen giebts 2 Modi und 2 Wege.
I.) Die Modi:
a) "ad rem",
b) "ad hominem" oder "ex concessis":
d.h. wir zeigen entweder daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit: oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d.h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Ueberführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.
II.) Die Wege:
a) direkte Widerlegung,
b) indirekte. - Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte, daß sie nicht wahr seyn kann.
zu a) Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind ("nego majorem"; "minorem" [ich bestreite den Obersatz; den Untersatz]): oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber daß die Behauptung daraus nicht folgt ("nego consequentiam" [ich bestreite die Schlußfolgerung]), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.
zu b) Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.
a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an: und nun zeigen wir was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgendeinem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder die Natur der Dinge 1), oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also "ad rem" oder "ad hominem" falsch ist ("Socrates in Hippia maj. et alias"): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen: obwohl aus falschen nicht immer falsche.
(Widerspricht sie einer ganz unzweifelbaren Wahrheit geradezu, so haben wir den Gegner "ad absurdum" geführt.)
b) Die Instanz, enstatiV "exemplum in contrarium": Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch seyn muß.
Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputiren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit ächten oder mit unächten Gründen geschehn: und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht ob man "objektive" Recht oder Unrecht hat: denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Uebrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgendetwas einverstanden seyn, daraus man als Princip die vorliegende Frage beurtheilen will: "Contra negantem principia non est disputandum" [Mit einem, der die Anfangssätze bestreitet, ist nicht zu streiten].
Fußnote:
widerspricht sie einer ganz unbezweifelbaren Wahrheit gradezu, so haben wir den Gegner ad absurdum geführt.  
Folgendes sei als erster Versuch zu betrachten.
Anmerkungen
Bei den Alten werden Logik und Dialektik meistens als Synonyme gebraucht: bei den Neueren ebenfalls.  
Eristik wäre nur ein härteres Wort für dieselbe Sache. – Aristoteles (nach Diog. Laert. V, 28) stellte zusammen Rhetorik und Dialektik, deren Zweck die Überredung, to piJanon (to piJanon), sei; sodann Analytik und Philosophie, deren Zweck die Wahrheit. – Dialektikh de esti tecnh logwn, di' hV anaskeuazomen ti h kataskeuazomen, ex erwthsewV kai apokrisewV tvn prosdialegomenwn, Diog. Laert. III, 48 in vita Platonis. –
Aristoteles unterscheidet zwar
die Logik oder Analytik, als die Theorie oder Anweisung zu den wahren Schlüssen, den apodiktischen;
die Dialektik oder Anweisung zu den für wahr geltenden, als wahr kurrenten – endoxa (endoxa), probabilia (Topik, I, 1 und 12) – Schlüssen, wobei zwar nicht ausgemacht ist, daß sie falsch sind, aber auch nicht, daß sie wahr (an und für sich) sind, indem es darauf nicht ankommt. Was ist denn aber dies anders als die Kunst, Recht zu behalten, gleichviel ob man es im Grunde habe oder nicht? Also die Kunst, den Schein der Wahrheit zu erlangen unbekümmert um die Sache. Daher wie anfangs gesagt. Aristoteles teilt eigentlich die Schlüsse in logische, dialektische, so wie eben gesagt: dann
in eristische (Eristik), bei denen die Schlußform richtig ist, die Sätze selbst aber, die Materie, nicht wahr sind, sondern nur wahr scheinen, und endlich
in sophistische (Sophistik), bei denen die Schlußform falsch ist, jedoch richtig scheint. Alle drei letzten Arten gehören eigentlich zur eristischen Dialektik, da sie alle ausgehn nicht auf die objektive Wahrheit, sondern auf den Schein derselben, unbekümmert um sie selbst, also auf das Recht behalten. Auch ist das Buch über die Sophistischen Schlüsse erst später allein ediert: es war das letzte Buch der Dialektik.  
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor, jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen, um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick benutzen kann, wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: – eben so ist es beim Disputieren: gebe ich dem Gegner Recht, sobald er es zu haben scheint, so wird er schwerlich dasselbe tun, wann der Fall sich umkehrt; er wird vielmehr per nefas verfahren: also muß ich's auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.  
Doctrina sed vim promovet insitam.  
Und andrerseits ist er im Buche de elenchis sophisticis wieder zu sehr bemüht, die Dialektik zu trennen von der Sophistik und Eristik: wo der Unterschied darin liegen soll, daß dialektische Schlüsse in Form und Gehalt wahr, eristische oder sophistische (die sich bloß durch den Zweck unterscheiden, der bei ersteren [Eristik] das Rechthaben an sich, bei letztern [Sophistik] das dadurch zu erlangende Ansehn und das durch dieses zu erwerbende Geld ist) aber falsch sind. Ob Sätze dem Gehalt nach wahr sind, ist immer viel zu ungewiß, als daß man daraus den Unterscheidungsgrund nehmen sollte; und am wenigsten kann der Disputierende selbst darüber völlig gewiß sein: selbst das Resultat der Disputation gibt erst einen unsichern Aufschluß darüber. Wir müssen also unter Dialektik des Aristoteles Sophistik, Eristik, Peirastik mitbegreifen und sie definieren als die Kunst, im Disputieren Recht zu behalten: wobei freilich das größte Hilfsmittel ist, zuvörderst in der Sache Recht zu haben; allein für sich ist dies bei der Sinnesart der Menschen nicht zureichend und andrerseits bei der Schwäche ihres Verstandes nicht durchaus notwendig: es gehören also noch andre Kunstgriffe dazu, welche, eben weil sie vom objektiven Rechthaben unabhängig sind, auch gebraucht werden können, wenn man objektiv Unrecht hat: und ob dies der Fall sei, weiß man fast nie ganz gewiß.
Meine Ansicht also ist, die Dialektik von der Logik schärfer zu sondern, als Aristoteles getan hat, der Logik die objektive Wahrheit, so weit sie formell ist, zu lassen, und die Dialektik auf das Rechtbehalten zu beschränken; dagegen aber Sophistik und Eristik nicht so von ihr zu trennen, wie Aristoteles tut, da dieser Unterschied auf der objektiven materiellen Wahrheit beruht, über die wir nicht sicher zum voraus im klaren sein können, sondern mit Pontius Pilatus sagen müssen: was ist die Wahrheit? – denn veritas est in puteo: en buJv h alhJeia: Spruch des Demokrit, Diog. Laert. IX, 72. Es ist leicht zu sagen, daß man beim Streiten nichts anderes bezwecken soll als die Zutageförderung der Wahrheit; allein man weiß ja noch nicht, wo sie ist: man wird durch die Argumente des Gegners und durch seine eigenen irregeführt. – Übrigens re intellecta, in verbis simus faciles: da man den Namen Dialektik im Ganzen für gleichbedeutend mit Logik zu nehmen pflegt, wollen wir unsre Disziplin Dialectica eristica, eristische Dialektik nennen.  
(Man muß allemal den Gegenstand einer Disziplin von dem jeder andern rein sondern.)  
Die Begriffe lassen sich aber unter gewisse Klassen bringen, wie Genus und Species, Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Gegenteil, Haben und Mangel, u. dgl. m.; und für diese Klassen gelten einige allgemeine Regeln: diese sind die loci, topoi (topoi). – Z. B. ein Locus von Ursache und Wirkung ist: »die Ursache der Ursache ist Ursache der Wirkung« [Christian Wolff, Ontologia, § 928], angewandt: »die Ursache meines Glücks ist mein Reichtum: also ist auch der, welcher mir den Reichtum gab, Urheber meines Glücks.« Loci von Gegensätzen: 1. Sie schließen sich aus, z. B. grad und krumm. 2. Sie sind im selben Subjekt: z. B. hat die Liebe ihren Sitz im Willen epiJumhtikon, so hat der Haß ihn auch. – Ist aber dieser im Sitz des Gefühls JumoeideV, dann die Liebe auch. – Kann die Seele nicht weiß sein, so auch nicht schwarz. – 3. Fehlt der niedrigre Grad, so fehlt auch der höhere: ist ein Mensch nicht gerecht, so ist er auch nicht wohlwollend. – Sie sehn hieraus, daß die Loci sind gewisse allgemeine Wahrheiten, die ganze Klassen von Begriffen treffen, auf die man also bei vorkommenden einzelnen Fällen zurückgehn kann, um aus ihnen seine Argumente zu schöpfen, auch um sich auf sie als allgemein einleuchtend zu berufen. Jedoch sind die meisten sehr trüglich und vielen Ausnahmen unterworfen: z. B. es ist ein locus: entgegengesetzte Dinge haben entgegengesetzte Verhältnisse, z. B. die Tugend ist schön, das Laster häßlich. – Freundschaft ist wohlwollend, Feindschaft übelwollend. – Aber nun: Verschwendung ist ein Laster, also Geiz eine Tugend; Narren sagen die Wahrheit, also lügen die Weisen: geht nicht. Tod ist Vergehn, also Leben Entstehn: falsch.
Beispiel von der Trüglichkeit solcher topi: Scotus Eriugena im Buch de praedestinatione, Kap. 3, will die Ketzer widerlegen, welche in Gott zwei praedestinationes (eine der Erwählten zum Heil, eine der Verworfnen zur Verdammnis) annahmen, und gebraucht dazu diesen (Gott weiß woher genommnen) topus: »Omnium, quae sunt inter se contraria, necesse est eorum causas inter se esse contrarias; unam enim eandemque causam diversa, inter se contraria efficere ratio prohibet.« So! – aber die experientia docet, daß dieselbe Wärme den Ton hart und das Wachs weich macht, und hundert ähnliche Dinge. Und dennoch klingt der topus plausibel. Er baut seine Demonstration aber ruhig auf dem topus auf, die geht uns weiter nichts an. – Eine ganze Sammlung von Locis mit ihren Widerlegungen hat Baco de Verulamio zusammengestellt unter dem Titel Colores boni et mali. – Sie sind hier als Beispiele zu brauchen. Er nennt sie Sophismata. Als ein Locus kann auch das Argument betrachtet werden, durch welches im Symposium Sokrates dem Agathon, der der Liebe alle vortrefflichen Eigenschaften, Schönheit, Güte usw. beigelegt hatte, das Gegenteil beweist: »Was einer sucht, das hat er nicht: nun sucht die Liebe das Schöne und Gute; also hat sie solche nicht.« Es hat etwas Scheinbares, daß es gewisse allgemeine Wahrheiten gäbe, die auf alles anwendbar wären und durch die man also alle vorkommenden einzeln noch so verschiedenartigen Fälle, ohne näher auf ihr Spezielles einzugehn, entscheiden könnte. (Das Gesetz der Kompensation ist ein ganz guter locus.) Allein es geht nicht, eben weil die Begriffe durch Abstraktion von den Differenzen entstanden sind und daher das Verschiedenartigste begreifen, welches sich wieder hervortut, wenn mittels der Begriffe die einzelnen Dinge der verschiedensten Arten aneinandergebracht werden und nur nach den obern Begriffen entschieden wird. Es ist sogar dem Menschen natürlich beim Disputieren, sich, wenn er bedrängt wird, hinter irgend einen allgemeinen topus zu retten. Loci sind auch die lex parsimoniae naturae; – auch: natura nihil facit frustra. – Ja, alle Sprichwörter sind loci mit praktischer Tendenz.  
Oft streiten zwei sehr lebhaft; und dann geht jeder mit der Meinung des Andern nach Hause: sie haben getauscht.  
Nach Diogenes Laertius gab es unter den vielen rhetorischen Schriften des Theophrastos, die sämtlich verloren gegangen, eine, deren Titel war ’Agwnistikon thV peri touV eristikouV logouV JewriaV. Das wäre unsre Sache.  



Nicht mit dem Ersten dem Besten zu disputieren; sondern allein mit solchen, die man kennt und von denen man weiß, dass sie Verstand genug besitzen, nicht gar zu Absurdes vorzubringen und dadurch beschämt werden zu müssen; und um mit Gründen zu disputieren und nicht mit Machtsprüchen, und um auf Gründe zu hören und darauf einzugehen, und endlich, dass sie die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern hören, auch aus dem Munde des Gegners, und Billigkeit genug haben, um es ertragen zu können Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der anderen Seite liegt. Daraus folgt, dass unter Hundert kaum Einer ist, der es wert ist, dass man mit ihm disputiert.

Du gehörst freilich nicht dazu...
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sge96limburg schrieb:
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Pedrogranata schrieb:
MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also "per fas et nefas" [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst "objektive" Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)
Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert, ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichzeitig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache seyn. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborene Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß Jeder sich zu bemühen nicht anders als richtig zu urtheilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angeborenen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwäzzigkeit und angeborene Unredlichkeit.
Sie reden ehe sie gedacht haben und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch wahr erscheinen.
Jedoch hat selbst diese Unredlichkeit, das Beharren bei einem Satz der uns selbst schon falsch scheint, noch eine Entschuldigung: oft sind wir anfangs von der Wahrheit unserer Behauptung fest überzeugt: aber das Argument des Gegners scheint jetzt sie umzustoßen: geben wir jetzt ihre Sache gleich auf; so finden wir hinterher, daß wir doch Recht hatten: unser Beweis war falsch; aber es konnte für die Behauptung einen richtigen geben: das rettende Argument war uns nicht gleich beigefallen. Daher entsteht nun in uns die Maxime, selbst wann das Gegenargument richtig und schlagend scheint, doch noch dagegen anzukämpfen, im Glauben daß dessen Richtigkeit selbst nur scheinbar sei, und uns während des Disputirens noch ein Argument jenes umzustoßen oder eines unsre Wahrheit anderweitig zu bestätigen einfallen werde: hiedurch werden wir zur Unredlichkeit im Disputiren beinahe genöthigt, wenigstens leicht verführt. Diesergestalt unterstützen sich wechselseitig die Schwäche unseres Verstandes und die Verkehrtheit unsers Willens. Daraus kommt daß wer disputirt in der Regel nicht für die Wahrheit, sondern für seinen Satz kämpft, wie "pro ara et focis" [für Heim & Herd] und "per fas et nefas" verfährt, ja wie gezeigt nicht anders kann.
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick nutzen kann wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: - eben so ist es beim Disputiren: gebe ich dem Gegner Recht sobald er es zu haben scheint; so wird er schwerlich dasselbe thun, wann der Fall sich umkehrt: er wird vielmehr "per nefas" verfahren: also muß ich’s auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz: aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es thun werde: also darf man’s auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe um den Irrthum anzunehmen.
Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. 3) Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputiren. Es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urtheile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht: hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgetheilte Naturgabe (hierin der Urtheilskraft gleich, die sehr ungleich ausgetheilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundiren, sich refutiren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft: und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urtheilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandheit mit der er ihn vertheidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste 4): jedoch kann Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht um zu werfen, viel beitragen in dieser Kunst Meister zu werden. Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu seyn. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des besonderen vorhergehn.
Aristoteles bestimmt den Zweck der Dialektik nicht so scharf wie ich gethan: er giebt zwar als Hauptzweck das Disputiren an, aber zugleich auch das Auffinden der Wahrheit: später sagt er wieder: man behandle die Sätze philosophisch nach der Wahrheit, dialektisch nach dem Schein oder Beifall, Meinung Anderer (doxa), Top. I, 12. Er ist sich der Unterscheidung und Trennung der objektiven Wahrheit eines Satzes von dem Geltendmachen desselben oder zum Erlangen der Approbation zwar bewußt: allein er hält sie nicht scharf genug auseinander um der Dialektik bloß letzteres anzuweisen. Seinen Regeln zu letzterem Zweck sind daher oft welche zum ersteren eingemengt. Daher es mir scheint daß er seine Aufgabe nicht rein gelöst hat. 6) Aristoteles hat in den Topicis die Aufstellung der Dialektik mit seinem eignen wissenschaftlichen Geist äußerst methodisch und systematisch angegriffen, und dies verdient Bewunderung, wenn gleich der Zweck, der hier offenbar praktisch ist, nicht sonderlich erreicht worden. Nachdem er in den Analyticis die Begriffe, Urteile und Schlüsse der reinen Form nach betrachtet hatte, geht er nun zum Inhalt über, wobei er es eigentlich nur mit den Begriffen zu tun hat: denn in diesen liegt ja der Gehalt. Sätze und Schlüsse sind rein für sich bloße Form: die Begriffe sind ihr Gehalt. 7) – Sein Gang ist folgender. Jede Disputation hat eine Thesis oder Problem (diese differieren bloß in der Form) und dann Sätze, die es zu lösen dienen sollen. Es handelt sich dabei immer um das Verhältnis von Begriffen zu einander. Dieser Verhältnisse sind zunächst vier. Man sucht nämlich von einem Begriff, entweder 1. seine Definition, oder 2. sein Genus, oder 3. sein Eigentümliches, wesentliches Merkmal, proprium, idion, oder 4. sein accidens, d. i. irgend eine Eigenschaft, gleichviel ob Eigentümliches und Ausschließliches oder nicht, kurz ein Prädikat. Auf eins dieser Verhältnisse ist das Problem jeder Disputation zurückzuführen. Dies ist die Basis der ganzen Dialektik. In den acht Büchern derselben stellt er nun alle Verhältnisse, die Begriffe in jenen vier Rücksichten wechselseitig zu einander haben können, auf und gibt die Regeln für jedes mögliche Verhältnis; wie nämlich ein Begriff sich zum andern verhalten müsse, um dessen proprium, dessen accidens, dessen genus, dessen definitum oder Definition zu sein: welche Fehler bei der Aufstellung leicht gemacht werden, und jedesmal was man demnach zu beobachten habe, wenn man selbst ein solches Verhältnis aufstellt (kataskeuazein), und was man, nachdem der andre es aufgestellt, tun könne, es umzustoßen (anaskeuazein). Die Aufstellung jeder solchen Regel oder jedes solchen allgemeinen Verhältnisses jener Klassen-Begriffe zu einander nennt er topo (topoV), locus, und gibt 382 solcher topoi (topoi): daher Topica. Diesem fügt er noch einige allgemeine Regeln bei, über das Disputieren überhaupt, die jedoch lange nicht erschöpfend sind.
Der topo (topoV) ist also kein rein materieller, bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, oder Begriff; sondern er betrifft immer ein Verhältnis ganzer Klassen von Begriffen, welches unzähligen Begriffen gemein sein kann, sobald sie zu einander in einer der erwähnten vier Rücksichten betrachtet werden, welches bei jeder Disputation statt hat. Und diese vier Rücksichten haben wieder untergeordnete Klassen. Die Betrachtung ist hier also noch immer gewissermaßen formal, jedoch nicht so rein formal wie in der Logik, da sie sich mit dem Inhalt der Begriffe beschäftigt, aber auf eine formelle Weise, nämlich sie gibt an, wie der Inhalt des Begriffs A sich verhalten müsse zu dem des Begriffs B, damit dieser aufgestellt werden könne als dessen genus oder dessen proprium (Merkmal) oder dessen accidens oder dessen Definition oder nach den diesen untergeordneten Rubriken, von Gegenteil antikeimenon (antikeimenon), Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Mangel usw.: und um ein solches Verhältnis soll sich jede Disputation drehen. Die meisten Regeln, die er nun eben als topoi (topoi) über diese Verhältnisse angibt, sind solche, die in der Natur der Begriffsverhältnisse liegen, deren jeder sich von selbst bewußt ist, und auf deren Befolgung vom Gegner er schon von selbst dringt, eben wie in der Logik, und die es leichter ist im speziellen Fall zu beobachten oder ihre Vernachlässigung zu bemerken, als sich des abstrakten topo (topoV) darüber zu erinnern: daher eben der praktische Nutzen dieser Dialektik nicht groß ist.
Er sagt fast lauter Dinge, die sich von selbst verstehn und auf deren Beachtung die gesunde Vernunft von selbst gerät. Beispiele: »Wenn von einem Dinge das genus behauptet wird, so muß ihm auch irgend eine species dieses genus zukommen; ist dies nicht, so ist die Behauptung falsch: z. B. es wird behauptet, die Seele habe Bewegung; so muß ihr irgend eine bestimmte Art der Bewegung eigen sein, Flug, Gang, Wachstum, Abnahme usw. – ist dies nicht, so hat sie auch keine Bewegung. – Also wem keine Spezies zukommt, dem auch nicht das genus: das ist der topo (topoV).« Dieser topoV gilt zum Aufstellen und zum Umwerfen. Es ist der neunte topoV. Und umgekehrt: wenn das Genus nicht zukommt, kommt auch keine Spezies zu: z. B. Einer soll (wird behauptet) von einem Andern schlecht geredet haben: – Beweisen wir, daß er gar nicht geredet hat, so ist auch jenes nicht: denn wo das genus nicht ist, kann die Spezies nicht sein.
Unter der Rubrik des Eigentümlichen, proprium, lautet der 215. locus so: »Erstlich zum Umstoßen: wenn der Gegner als Eigentümliches etwas angibt, das nur sinnlich wahrzunehmen ist, so ists schlecht angegeben: denn alles Sinnliche wird ungewiß, sobald es aus dem Bereich der Sinne hinaus kommt: z. B. er setzt als Eigentümliches der Sonne, sie sei das hellste Gestirn, das über die Erde zieht: – das taugt nicht: denn wenn die Sonne untergegangen, wissen wir nicht ob sie über die Erde zieht, weil sie dann außer dem Bereich der Sinne ist. – Zweitens zum Aufstellen: das Eigentümliche wird richtig angegeben, wenn ein solches aufgestellt wird, das nicht sinnlich erkannt wird, oder wenn sinnlich erkannt, doch notwendig vorhanden: z. B. als Eigentümliches der Oberfläche werde angegeben, daß sie zuerst gefärbt wird; so ist dies zwar ein sinnliches Merkmal, aber ein solches, das offenbar allezeit vorhanden, also richtig.« – Soviel um Ihnen einen Begriff von der Dialektik des Aristoteles zu geben. Sie scheint mir den Zweck nicht zu erreichen: ich habe es also anders versucht. Cicero's Topica sind eine Nachahmung der Aristotelischen aus dem Gedächtnis: höchst seicht und elend; Cicero hat durchaus keinen deutlichen Begriff von dem, was ein topus ist und bezweckt, und so radotiert er ex ingenio allerhand Zeug durcheinander, und staffiert es reichlich mit juristischen Beispielen aus. Eine seiner schlechtesten Schriften.
Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst Recht zu behalten, welches freilich um so leichter seyn wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche vertheidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst seine Sätze als wahr geltend zu machen: jenes ist die Sache einer ganz andern "poagnateia" pragmateia [Betätigung], es ist das Werk der Urtheilskraft, des Nachdenkens, der Erfahrung, und giebt es dazu keine eigene Kunst: das 2te aber ist der Zweck der Dialektik. Man hat sie definirt als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Vertheidigung falscher Sätze: allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen: ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen. Dieserhalb also muß bei der Dialektik die objektive Wahrheit bei Seite gesetzt und als accidentell betrachtet werden: und bloß darauf gesehn werden, wie man seine Behauptungen vertheidigt und die des Andern umstößt: bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist wo sie liegt 8): oft weiß man selbst nicht ob man Recht hat oder nicht, oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Theile: denn "veritas est in puteo" (en buJv h alhJeia [die Wahrheit ist in der Tiefe], Democrit): beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel Jeder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und pariren, darauf kommt es an: eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst: nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disciplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir bloß auf bloße Logik zurück: setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik. Und bei beiden würde vorausgesetzt seyn, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten im Voraus gewiß. Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputiren: obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik: "Dialectica eristica". Und sie ist sehr nützlich: man hat sie mit Unrecht in neuern Zeiten vernachlässigt.
Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von Natur eingegebnen Künste seyn soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; - so würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig seyn wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel das bloße Rechthaben ist. Die wissenschaftliche Dialektik in unserm Sinne hat demnach zur Hauptaufgabe, jene Kunstgriffe der Unredlichkeit im Disputiren aufzustellen und zu analysiren: damit man bei wirklichen Debatten sie sogleich erkenne und vernichte. Eben daher muß sie in ihrer Darstellung eigenständlich bloß das Rechthaben, nicht die objektive Wahrheit, zum Endzweck nehmen.
Mir ist nicht bekannt daß in diesem Sinne etwas geleistet wäre obwohl ich mich weit und breit umgesehn habe 9): es ist also ein noch unbebautes Feld. Um zum Zwecke zu kommen, müßte man aus der Erfahrung schöpfen, betrachten, wie, bei den im Umgang häufig vorkommenden Debatten, dieser oder jener Kunstgriff von einem und dem andern Theil angewandt wird, sodann die unter andern Formen wiederkehrenden Kunstgriffe auf ihr Allgemeines zurückführen, und so gewisse allgemeine Stratagemata aufstellen, die dann sowohl zum eignen Gebrauch, als zum Vereiteln derselben, wenn der Andre sie braucht, nützlich wären.
Basis aller Dialektik
Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.
Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen giebts 2 Modi und 2 Wege.
I.) Die Modi:
a) "ad rem",
b) "ad hominem" oder "ex concessis":
d.h. wir zeigen entweder daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit: oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d.h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Ueberführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.
II.) Die Wege:
a) direkte Widerlegung,
b) indirekte. - Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte, daß sie nicht wahr seyn kann.
zu a) Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind ("nego majorem"; "minorem" [ich bestreite den Obersatz; den Untersatz]): oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber daß die Behauptung daraus nicht folgt ("nego consequentiam" [ich bestreite die Schlußfolgerung]), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.
zu b) Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.
a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an: und nun zeigen wir was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgendeinem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder die Natur der Dinge 1), oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also "ad rem" oder "ad hominem" falsch ist ("Socrates in Hippia maj. et alias"): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen: obwohl aus falschen nicht immer falsche.
(Widerspricht sie einer ganz unzweifelbaren Wahrheit geradezu, so haben wir den Gegner "ad absurdum" geführt.)
b) Die Instanz, enstatiV "exemplum in contrarium": Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch seyn muß.
Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputiren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit ächten oder mit unächten Gründen geschehn: und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht ob man "objektive" Recht oder Unrecht hat: denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Uebrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgendetwas einverstanden seyn, daraus man als Princip die vorliegende Frage beurtheilen will: "Contra negantem principia non est disputandum" [Mit einem, der die Anfangssätze bestreitet, ist nicht zu streiten].
Fußnote:
widerspricht sie einer ganz unbezweifelbaren Wahrheit gradezu, so haben wir den Gegner ad absurdum geführt.  
Folgendes sei als erster Versuch zu betrachten.
Anmerkungen
Bei den Alten werden Logik und Dialektik meistens als Synonyme gebraucht: bei den Neueren ebenfalls.  
Eristik wäre nur ein härteres Wort für dieselbe Sache. – Aristoteles (nach Diog. Laert. V, 28) stellte zusammen Rhetorik und Dialektik, deren Zweck die Überredung, to piJanon (to piJanon), sei; sodann Analytik und Philosophie, deren Zweck die Wahrheit. – Dialektikh de esti tecnh logwn, di' hV anaskeuazomen ti h kataskeuazomen, ex erwthsewV kai apokrisewV tvn prosdialegomenwn, Diog. Laert. III, 48 in vita Platonis. –
Aristoteles unterscheidet zwar
die Logik oder Analytik, als die Theorie oder Anweisung zu den wahren Schlüssen, den apodiktischen;
die Dialektik oder Anweisung zu den für wahr geltenden, als wahr kurrenten – endoxa (endoxa), probabilia (Topik, I, 1 und 12) – Schlüssen, wobei zwar nicht ausgemacht ist, daß sie falsch sind, aber auch nicht, daß sie wahr (an und für sich) sind, indem es darauf nicht ankommt. Was ist denn aber dies anders als die Kunst, Recht zu behalten, gleichviel ob man es im Grunde habe oder nicht? Also die Kunst, den Schein der Wahrheit zu erlangen unbekümmert um die Sache. Daher wie anfangs gesagt. Aristoteles teilt eigentlich die Schlüsse in logische, dialektische, so wie eben gesagt: dann
in eristische (Eristik), bei denen die Schlußform richtig ist, die Sätze selbst aber, die Materie, nicht wahr sind, sondern nur wahr scheinen, und endlich
in sophistische (Sophistik), bei denen die Schlußform falsch ist, jedoch richtig scheint. Alle drei letzten Arten gehören eigentlich zur eristischen Dialektik, da sie alle ausgehn nicht auf die objektive Wahrheit, sondern auf den Schein derselben, unbekümmert um sie selbst, also auf das Recht behalten. Auch ist das Buch über die Sophistischen Schlüsse erst später allein ediert: es war das letzte Buch der Dialektik.  
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor, jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen, um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick benutzen kann, wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: – eben so ist es beim Disputieren: gebe ich dem Gegner Recht, sobald er es zu haben scheint, so wird er schwerlich dasselbe tun, wann der Fall sich umkehrt; er wird vielmehr per nefas verfahren: also muß ich's auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.  
Doctrina sed vim promovet insitam.  
Und andrerseits ist er im Buche de elenchis sophisticis wieder zu sehr bemüht, die Dialektik zu trennen von der Sophistik und Eristik: wo der Unterschied darin liegen soll, daß dialektische Schlüsse in Form und Gehalt wahr, eristische oder sophistische (die sich bloß durch den Zweck unterscheiden, der bei ersteren [Eristik] das Rechthaben an sich, bei letztern [Sophistik] das dadurch zu erlangende Ansehn und das durch dieses zu erwerbende Geld ist) aber falsch sind. Ob Sätze dem Gehalt nach wahr sind, ist immer viel zu ungewiß, als daß man daraus den Unterscheidungsgrund nehmen sollte; und am wenigsten kann der Disputierende selbst darüber völlig gewiß sein: selbst das Resultat der Disputation gibt erst einen unsichern Aufschluß darüber. Wir müssen also unter Dialektik des Aristoteles Sophistik, Eristik, Peirastik mitbegreifen und sie definieren als die Kunst, im Disputieren Recht zu behalten: wobei freilich das größte Hilfsmittel ist, zuvörderst in der Sache Recht zu haben; allein für sich ist dies bei der Sinnesart der Menschen nicht zureichend und andrerseits bei der Schwäche ihres Verstandes nicht durchaus notwendig: es gehören also noch andre Kunstgriffe dazu, welche, eben weil sie vom objektiven Rechthaben unabhängig sind, auch gebraucht werden können, wenn man objektiv Unrecht hat: und ob dies der Fall sei, weiß man fast nie ganz gewiß.
Meine Ansicht also ist, die Dialektik von der Logik schärfer zu sondern, als Aristoteles getan hat, der Logik die objektive Wahrheit, so weit sie formell ist, zu lassen, und die Dialektik auf das Rechtbehalten zu beschränken; dagegen aber Sophistik und Eristik nicht so von ihr zu trennen, wie Aristoteles tut, da dieser Unterschied auf der objektiven materiellen Wahrheit beruht, über die wir nicht sicher zum voraus im klaren sein können, sondern mit Pontius Pilatus sagen müssen: was ist die Wahrheit? – denn veritas est in puteo: en buJv h alhJeia: Spruch des Demokrit, Diog. Laert. IX, 72. Es ist leicht zu sagen, daß man beim Streiten nichts anderes bezwecken soll als die Zutageförderung der Wahrheit; allein man weiß ja noch nicht, wo sie ist: man wird durch die Argumente des Gegners und durch seine eigenen irregeführt. – Übrigens re intellecta, in verbis simus faciles: da man den Namen Dialektik im Ganzen für gleichbedeutend mit Logik zu nehmen pflegt, wollen wir unsre Disziplin Dialectica eristica, eristische Dialektik nennen.  
(Man muß allemal den Gegenstand einer Disziplin von dem jeder andern rein sondern.)  
Die Begriffe lassen sich aber unter gewisse Klassen bringen, wie Genus und Species, Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Gegenteil, Haben und Mangel, u. dgl. m.; und für diese Klassen gelten einige allgemeine Regeln: diese sind die loci, topoi (topoi). – Z. B. ein Locus von Ursache und Wirkung ist: »die Ursache der Ursache ist Ursache der Wirkung« [Christian Wolff, Ontologia, § 928], angewandt: »die Ursache meines Glücks ist mein Reichtum: also ist auch der, welcher mir den Reichtum gab, Urheber meines Glücks.« Loci von Gegensätzen: 1. Sie schließen sich aus, z. B. grad und krumm. 2. Sie sind im selben Subjekt: z. B. hat die Liebe ihren Sitz im Willen epiJumhtikon, so hat der Haß ihn auch. – Ist aber dieser im Sitz des Gefühls JumoeideV, dann die Liebe auch. – Kann die Seele nicht weiß sein, so auch nicht schwarz. – 3. Fehlt der niedrigre Grad, so fehlt auch der höhere: ist ein Mensch nicht gerecht, so ist er auch nicht wohlwollend. – Sie sehn hieraus, daß die Loci sind gewisse allgemeine Wahrheiten, die ganze Klassen von Begriffen treffen, auf die man also bei vorkommenden einzelnen Fällen zurückgehn kann, um aus ihnen seine Argumente zu schöpfen, auch um sich auf sie als allgemein einleuchtend zu berufen. Jedoch sind die meisten sehr trüglich und vielen Ausnahmen unterworfen: z. B. es ist ein locus: entgegengesetzte Dinge haben entgegengesetzte Verhältnisse, z. B. die Tugend ist schön, das Laster häßlich. – Freundschaft ist wohlwollend, Feindschaft übelwollend. – Aber nun: Verschwendung ist ein Laster, also Geiz eine Tugend; Narren sagen die Wahrheit, also lügen die Weisen: geht nicht. Tod ist Vergehn, also Leben Entstehn: falsch.
Beispiel von der Trüglichkeit solcher topi: Scotus Eriugena im Buch de praedestinatione, Kap. 3, will die Ketzer widerlegen, welche in Gott zwei praedestinationes (eine der Erwählten zum Heil, eine der Verworfnen zur Verdammnis) annahmen, und gebraucht dazu diesen (Gott weiß woher genommnen) topus: »Omnium, quae sunt inter se contraria, necesse est eorum causas inter se esse contrarias; unam enim eandemque causam diversa, inter se contraria efficere ratio prohibet.« So! – aber die experientia docet, daß dieselbe Wärme den Ton hart und das Wachs weich macht, und hundert ähnliche Dinge. Und dennoch klingt der topus plausibel. Er baut seine Demonstration aber ruhig auf dem topus auf, die geht uns weiter nichts an. – Eine ganze Sammlung von Locis mit ihren Widerlegungen hat Baco de Verulamio zusammengestellt unter dem Titel Colores boni et mali. – Sie sind hier als Beispiele zu brauchen. Er nennt sie Sophismata. Als ein Locus kann auch das Argument betrachtet werden, durch welches im Symposium Sokrates dem Agathon, der der Liebe alle vortrefflichen Eigenschaften, Schönheit, Güte usw. beigelegt hatte, das Gegenteil beweist: »Was einer sucht, das hat er nicht: nun sucht die Liebe das Schöne und Gute; also hat sie solche nicht.« Es hat etwas Scheinbares, daß es gewisse allgemeine Wahrheiten gäbe, die auf alles anwendbar wären und durch die man also alle vorkommenden einzeln noch so verschiedenartigen Fälle, ohne näher auf ihr Spezielles einzugehn, entscheiden könnte. (Das Gesetz der Kompensation ist ein ganz guter locus.) Allein es geht nicht, eben weil die Begriffe durch Abstraktion von den Differenzen entstanden sind und daher das Verschiedenartigste begreifen, welches sich wieder hervortut, wenn mittels der Begriffe die einzelnen Dinge der verschiedensten Arten aneinandergebracht werden und nur nach den obern Begriffen entschieden wird. Es ist sogar dem Menschen natürlich beim Disputieren, sich, wenn er bedrängt wird, hinter irgend einen allgemeinen topus zu retten. Loci sind auch die lex parsimoniae naturae; – auch: natura nihil facit frustra. – Ja, alle Sprichwörter sind loci mit praktischer Tendenz.  
Oft streiten zwei sehr lebhaft; und dann geht jeder mit der Meinung des Andern nach Hause: sie haben getauscht.  
Nach Diogenes Laertius gab es unter den vielen rhetorischen Schriften des Theophrastos, die sämtlich verloren gegangen, eine, deren Titel war ’Agwnistikon thV peri touV eristikouV logouV JewriaV. Das wäre unsre Sache.  


du hast eindeutig zu viel zeit und ich bin auch zu faul um mir das durchzulesen!    




wollte auch nur nochmal alles zitieren  ,-)
#
Pedrogranata schrieb:
Stoppdenbus schrieb:
Pedrogranata schrieb:
MrBoccia schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Wieso Herri, ich bin für SDB. Dann übernehme ich hier seinen Nick...

Ist das nicht eh schon Dein Zweitnick?  



Psssssst
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also "per fas et nefas" [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst "objektive" Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)
Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert, ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichzeitig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache seyn. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborene Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß Jeder sich zu bemühen nicht anders als richtig zu urtheilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angeborenen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwäzzigkeit und angeborene Unredlichkeit.
Sie reden ehe sie gedacht haben und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch wahr erscheinen.
Jedoch hat selbst diese Unredlichkeit, das Beharren bei einem Satz der uns selbst schon falsch scheint, noch eine Entschuldigung: oft sind wir anfangs von der Wahrheit unserer Behauptung fest überzeugt: aber das Argument des Gegners scheint jetzt sie umzustoßen: geben wir jetzt ihre Sache gleich auf; so finden wir hinterher, daß wir doch Recht hatten: unser Beweis war falsch; aber es konnte für die Behauptung einen richtigen geben: das rettende Argument war uns nicht gleich beigefallen. Daher entsteht nun in uns die Maxime, selbst wann das Gegenargument richtig und schlagend scheint, doch noch dagegen anzukämpfen, im Glauben daß dessen Richtigkeit selbst nur scheinbar sei, und uns während des Disputirens noch ein Argument jenes umzustoßen oder eines unsre Wahrheit anderweitig zu bestätigen einfallen werde: hiedurch werden wir zur Unredlichkeit im Disputiren beinahe genöthigt, wenigstens leicht verführt. Diesergestalt unterstützen sich wechselseitig die Schwäche unseres Verstandes und die Verkehrtheit unsers Willens. Daraus kommt daß wer disputirt in der Regel nicht für die Wahrheit, sondern für seinen Satz kämpft, wie "pro ara et focis" [für Heim & Herd] und "per fas et nefas" verfährt, ja wie gezeigt nicht anders kann.
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick nutzen kann wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: - eben so ist es beim Disputiren: gebe ich dem Gegner Recht sobald er es zu haben scheint; so wird er schwerlich dasselbe thun, wann der Fall sich umkehrt: er wird vielmehr "per nefas" verfahren: also muß ich’s auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz: aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es thun werde: also darf man’s auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe um den Irrthum anzunehmen.
Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. 3) Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputiren. Es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urtheile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht: hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgetheilte Naturgabe (hierin der Urtheilskraft gleich, die sehr ungleich ausgetheilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundiren, sich refutiren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft: und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urtheilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandheit mit der er ihn vertheidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste 4): jedoch kann Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht um zu werfen, viel beitragen in dieser Kunst Meister zu werden. Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu seyn. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des besonderen vorhergehn.
Aristoteles bestimmt den Zweck der Dialektik nicht so scharf wie ich gethan: er giebt zwar als Hauptzweck das Disputiren an, aber zugleich auch das Auffinden der Wahrheit: später sagt er wieder: man behandle die Sätze philosophisch nach der Wahrheit, dialektisch nach dem Schein oder Beifall, Meinung Anderer (doxa), Top. I, 12. Er ist sich der Unterscheidung und Trennung der objektiven Wahrheit eines Satzes von dem Geltendmachen desselben oder zum Erlangen der Approbation zwar bewußt: allein er hält sie nicht scharf genug auseinander um der Dialektik bloß letzteres anzuweisen. Seinen Regeln zu letzterem Zweck sind daher oft welche zum ersteren eingemengt. Daher es mir scheint daß er seine Aufgabe nicht rein gelöst hat. 6) Aristoteles hat in den Topicis die Aufstellung der Dialektik mit seinem eignen wissenschaftlichen Geist äußerst methodisch und systematisch angegriffen, und dies verdient Bewunderung, wenn gleich der Zweck, der hier offenbar praktisch ist, nicht sonderlich erreicht worden. Nachdem er in den Analyticis die Begriffe, Urteile und Schlüsse der reinen Form nach betrachtet hatte, geht er nun zum Inhalt über, wobei er es eigentlich nur mit den Begriffen zu tun hat: denn in diesen liegt ja der Gehalt. Sätze und Schlüsse sind rein für sich bloße Form: die Begriffe sind ihr Gehalt. 7) – Sein Gang ist folgender. Jede Disputation hat eine Thesis oder Problem (diese differieren bloß in der Form) und dann Sätze, die es zu lösen dienen sollen. Es handelt sich dabei immer um das Verhältnis von Begriffen zu einander. Dieser Verhältnisse sind zunächst vier. Man sucht nämlich von einem Begriff, entweder 1. seine Definition, oder 2. sein Genus, oder 3. sein Eigentümliches, wesentliches Merkmal, proprium, idion, oder 4. sein accidens, d. i. irgend eine Eigenschaft, gleichviel ob Eigentümliches und Ausschließliches oder nicht, kurz ein Prädikat. Auf eins dieser Verhältnisse ist das Problem jeder Disputation zurückzuführen. Dies ist die Basis der ganzen Dialektik. In den acht Büchern derselben stellt er nun alle Verhältnisse, die Begriffe in jenen vier Rücksichten wechselseitig zu einander haben können, auf und gibt die Regeln für jedes mögliche Verhältnis; wie nämlich ein Begriff sich zum andern verhalten müsse, um dessen proprium, dessen accidens, dessen genus, dessen definitum oder Definition zu sein: welche Fehler bei der Aufstellung leicht gemacht werden, und jedesmal was man demnach zu beobachten habe, wenn man selbst ein solches Verhältnis aufstellt (kataskeuazein), und was man, nachdem der andre es aufgestellt, tun könne, es umzustoßen (anaskeuazein). Die Aufstellung jeder solchen Regel oder jedes solchen allgemeinen Verhältnisses jener Klassen-Begriffe zu einander nennt er topo (topoV), locus, und gibt 382 solcher topoi (topoi): daher Topica. Diesem fügt er noch einige allgemeine Regeln bei, über das Disputieren überhaupt, die jedoch lange nicht erschöpfend sind.
Der topo (topoV) ist also kein rein materieller, bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, oder Begriff; sondern er betrifft immer ein Verhältnis ganzer Klassen von Begriffen, welches unzähligen Begriffen gemein sein kann, sobald sie zu einander in einer der erwähnten vier Rücksichten betrachtet werden, welches bei jeder Disputation statt hat. Und diese vier Rücksichten haben wieder untergeordnete Klassen. Die Betrachtung ist hier also noch immer gewissermaßen formal, jedoch nicht so rein formal wie in der Logik, da sie sich mit dem Inhalt der Begriffe beschäftigt, aber auf eine formelle Weise, nämlich sie gibt an, wie der Inhalt des Begriffs A sich verhalten müsse zu dem des Begriffs B, damit dieser aufgestellt werden könne als dessen genus oder dessen proprium (Merkmal) oder dessen accidens oder dessen Definition oder nach den diesen untergeordneten Rubriken, von Gegenteil antikeimenon (antikeimenon), Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Mangel usw.: und um ein solches Verhältnis soll sich jede Disputation drehen. Die meisten Regeln, die er nun eben als topoi (topoi) über diese Verhältnisse angibt, sind solche, die in der Natur der Begriffsverhältnisse liegen, deren jeder sich von selbst bewußt ist, und auf deren Befolgung vom Gegner er schon von selbst dringt, eben wie in der Logik, und die es leichter ist im speziellen Fall zu beobachten oder ihre Vernachlässigung zu bemerken, als sich des abstrakten topo (topoV) darüber zu erinnern: daher eben der praktische Nutzen dieser Dialektik nicht groß ist.
Er sagt fast lauter Dinge, die sich von selbst verstehn und auf deren Beachtung die gesunde Vernunft von selbst gerät. Beispiele: »Wenn von einem Dinge das genus behauptet wird, so muß ihm auch irgend eine species dieses genus zukommen; ist dies nicht, so ist die Behauptung falsch: z. B. es wird behauptet, die Seele habe Bewegung; so muß ihr irgend eine bestimmte Art der Bewegung eigen sein, Flug, Gang, Wachstum, Abnahme usw. – ist dies nicht, so hat sie auch keine Bewegung. – Also wem keine Spezies zukommt, dem auch nicht das genus: das ist der topo (topoV).« Dieser topoV gilt zum Aufstellen und zum Umwerfen. Es ist der neunte topoV. Und umgekehrt: wenn das Genus nicht zukommt, kommt auch keine Spezies zu: z. B. Einer soll (wird behauptet) von einem Andern schlecht geredet haben: – Beweisen wir, daß er gar nicht geredet hat, so ist auch jenes nicht: denn wo das genus nicht ist, kann die Spezies nicht sein.
Unter der Rubrik des Eigentümlichen, proprium, lautet der 215. locus so: »Erstlich zum Umstoßen: wenn der Gegner als Eigentümliches etwas angibt, das nur sinnlich wahrzunehmen ist, so ists schlecht angegeben: denn alles Sinnliche wird ungewiß, sobald es aus dem Bereich der Sinne hinaus kommt: z. B. er setzt als Eigentümliches der Sonne, sie sei das hellste Gestirn, das über die Erde zieht: – das taugt nicht: denn wenn die Sonne untergegangen, wissen wir nicht ob sie über die Erde zieht, weil sie dann außer dem Bereich der Sinne ist. – Zweitens zum Aufstellen: das Eigentümliche wird richtig angegeben, wenn ein solches aufgestellt wird, das nicht sinnlich erkannt wird, oder wenn sinnlich erkannt, doch notwendig vorhanden: z. B. als Eigentümliches der Oberfläche werde angegeben, daß sie zuerst gefärbt wird; so ist dies zwar ein sinnliches Merkmal, aber ein solches, das offenbar allezeit vorhanden, also richtig.« – Soviel um Ihnen einen Begriff von der Dialektik des Aristoteles zu geben. Sie scheint mir den Zweck nicht zu erreichen: ich habe es also anders versucht. Cicero's Topica sind eine Nachahmung der Aristotelischen aus dem Gedächtnis: höchst seicht und elend; Cicero hat durchaus keinen deutlichen Begriff von dem, was ein topus ist und bezweckt, und so radotiert er ex ingenio allerhand Zeug durcheinander, und staffiert es reichlich mit juristischen Beispielen aus. Eine seiner schlechtesten Schriften.
Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst Recht zu behalten, welches freilich um so leichter seyn wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche vertheidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst seine Sätze als wahr geltend zu machen: jenes ist die Sache einer ganz andern "poagnateia" pragmateia [Betätigung], es ist das Werk der Urtheilskraft, des Nachdenkens, der Erfahrung, und giebt es dazu keine eigene Kunst: das 2te aber ist der Zweck der Dialektik. Man hat sie definirt als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Vertheidigung falscher Sätze: allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen: ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen. Dieserhalb also muß bei der Dialektik die objektive Wahrheit bei Seite gesetzt und als accidentell betrachtet werden: und bloß darauf gesehn werden, wie man seine Behauptungen vertheidigt und die des Andern umstößt: bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist wo sie liegt 8): oft weiß man selbst nicht ob man Recht hat oder nicht, oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Theile: denn "veritas est in puteo" (en buJv h alhJeia [die Wahrheit ist in der Tiefe], Democrit): beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel Jeder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und pariren, darauf kommt es an: eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst: nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disciplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir bloß auf bloße Logik zurück: setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik. Und bei beiden würde vorausgesetzt seyn, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten im Voraus gewiß. Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputiren: obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik: "Dialectica eristica". Und sie ist sehr nützlich: man hat sie mit Unrecht in neuern Zeiten vernachlässigt.
Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von Natur eingegebnen Künste seyn soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; - so würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig seyn wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel das bloße Rechthaben ist. Die wissenschaftliche Dialektik in unserm Sinne hat demnach zur Hauptaufgabe, jene Kunstgriffe der Unredlichkeit im Disputiren aufzustellen und zu analysiren: damit man bei wirklichen Debatten sie sogleich erkenne und vernichte. Eben daher muß sie in ihrer Darstellung eigenständlich bloß das Rechthaben, nicht die objektive Wahrheit, zum Endzweck nehmen.
Mir ist nicht bekannt daß in diesem Sinne etwas geleistet wäre obwohl ich mich weit und breit umgesehn habe 9): es ist also ein noch unbebautes Feld. Um zum Zwecke zu kommen, müßte man aus der Erfahrung schöpfen, betrachten, wie, bei den im Umgang häufig vorkommenden Debatten, dieser oder jener Kunstgriff von einem und dem andern Theil angewandt wird, sodann die unter andern Formen wiederkehrenden Kunstgriffe auf ihr Allgemeines zurückführen, und so gewisse allgemeine Stratagemata aufstellen, die dann sowohl zum eignen Gebrauch, als zum Vereiteln derselben, wenn der Andre sie braucht, nützlich wären.
Basis aller Dialektik
Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.
Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen giebts 2 Modi und 2 Wege.
I.) Die Modi:
a) "ad rem",
b) "ad hominem" oder "ex concessis":
d.h. wir zeigen entweder daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit: oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d.h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Ueberführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.
II.) Die Wege:
a) direkte Widerlegung,
b) indirekte. - Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte, daß sie nicht wahr seyn kann.
zu a) Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind ("nego majorem"; "minorem" [ich bestreite den Obersatz; den Untersatz]): oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber daß die Behauptung daraus nicht folgt ("nego consequentiam" [ich bestreite die Schlußfolgerung]), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.
zu b) Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.
a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an: und nun zeigen wir was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgendeinem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder die Natur der Dinge 1), oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also "ad rem" oder "ad hominem" falsch ist ("Socrates in Hippia maj. et alias"): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen: obwohl aus falschen nicht immer falsche.
(Widerspricht sie einer ganz unzweifelbaren Wahrheit geradezu, so haben wir den Gegner "ad absurdum" geführt.)
b) Die Instanz, enstatiV "exemplum in contrarium": Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch seyn muß.
Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputiren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit ächten oder mit unächten Gründen geschehn: und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht ob man "objektive" Recht oder Unrecht hat: denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Uebrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgendetwas einverstanden seyn, daraus man als Princip die vorliegende Frage beurtheilen will: "Contra negantem principia non est disputandum" [Mit einem, der die Anfangssätze bestreitet, ist nicht zu streiten].
Fußnote:
widerspricht sie einer ganz unbezweifelbaren Wahrheit gradezu, so haben wir den Gegner ad absurdum geführt.  
Folgendes sei als erster Versuch zu betrachten.
Anmerkungen
Bei den Alten werden Logik und Dialektik meistens als Synonyme gebraucht: bei den Neueren ebenfalls.  
Eristik wäre nur ein härteres Wort für dieselbe Sache. – Aristoteles (nach Diog. Laert. V, 28) stellte zusammen Rhetorik und Dialektik, deren Zweck die Überredung, to piJanon (to piJanon), sei; sodann Analytik und Philosophie, deren Zweck die Wahrheit. – Dialektikh de esti tecnh logwn, di' hV anaskeuazomen ti h kataskeuazomen, ex erwthsewV kai apokrisewV tvn prosdialegomenwn, Diog. Laert. III, 48 in vita Platonis. –
Aristoteles unterscheidet zwar
die Logik oder Analytik, als die Theorie oder Anweisung zu den wahren Schlüssen, den apodiktischen;
die Dialektik oder Anweisung zu den für wahr geltenden, als wahr kurrenten – endoxa (endoxa), probabilia (Topik, I, 1 und 12) – Schlüssen, wobei zwar nicht ausgemacht ist, daß sie falsch sind, aber auch nicht, daß sie wahr (an und für sich) sind, indem es darauf nicht ankommt. Was ist denn aber dies anders als die Kunst, Recht zu behalten, gleichviel ob man es im Grunde habe oder nicht? Also die Kunst, den Schein der Wahrheit zu erlangen unbekümmert um die Sache. Daher wie anfangs gesagt. Aristoteles teilt eigentlich die Schlüsse in logische, dialektische, so wie eben gesagt: dann
in eristische (Eristik), bei denen die Schlußform richtig ist, die Sätze selbst aber, die Materie, nicht wahr sind, sondern nur wahr scheinen, und endlich
in sophistische (Sophistik), bei denen die Schlußform falsch ist, jedoch richtig scheint. Alle drei letzten Arten gehören eigentlich zur eristischen Dialektik, da sie alle ausgehn nicht auf die objektive Wahrheit, sondern auf den Schein derselben, unbekümmert um sie selbst, also auf das Recht behalten. Auch ist das Buch über die Sophistischen Schlüsse erst später allein ediert: es war das letzte Buch der Dialektik.  
Machiavelli schreibt dem Fürsten vor, jeden Augenblick der Schwäche seines Nachbarn zu benutzen, um ihn anzugreifen: weil sonst dieser einmal den Augenblick benutzen kann, wo jener schwach ist. Herrschte Treue und Redlichkeit, so wäre es ein andres: weil man sich aber deren nicht zu versehn hat, so darf man sie nicht üben, weil sie schlecht bezahlt wird: – eben so ist es beim Disputieren: gebe ich dem Gegner Recht, sobald er es zu haben scheint, so wird er schwerlich dasselbe tun, wann der Fall sich umkehrt; er wird vielmehr per nefas verfahren: also muß ich's auch. Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.  
Doctrina sed vim promovet insitam.  
Und andrerseits ist er im Buche de elenchis sophisticis wieder zu sehr bemüht, die Dialektik zu trennen von der Sophistik und Eristik: wo der Unterschied darin liegen soll, daß dialektische Schlüsse in Form und Gehalt wahr, eristische oder sophistische (die sich bloß durch den Zweck unterscheiden, der bei ersteren [Eristik] das Rechthaben an sich, bei letztern [Sophistik] das dadurch zu erlangende Ansehn und das durch dieses zu erwerbende Geld ist) aber falsch sind. Ob Sätze dem Gehalt nach wahr sind, ist immer viel zu ungewiß, als daß man daraus den Unterscheidungsgrund nehmen sollte; und am wenigsten kann der Disputierende selbst darüber völlig gewiß sein: selbst das Resultat der Disputation gibt erst einen unsichern Aufschluß darüber. Wir müssen also unter Dialektik des Aristoteles Sophistik, Eristik, Peirastik mitbegreifen und sie definieren als die Kunst, im Disputieren Recht zu behalten: wobei freilich das größte Hilfsmittel ist, zuvörderst in der Sache Recht zu haben; allein für sich ist dies bei der Sinnesart der Menschen nicht zureichend und andrerseits bei der Schwäche ihres Verstandes nicht durchaus notwendig: es gehören also noch andre Kunstgriffe dazu, welche, eben weil sie vom objektiven Rechthaben unabhängig sind, auch gebraucht werden können, wenn man objektiv Unrecht hat: und ob dies der Fall sei, weiß man fast nie ganz gewiß.
Meine Ansicht also ist, die Dialektik von der Logik schärfer zu sondern, als Aristoteles getan hat, der Logik die objektive Wahrheit, so weit sie formell ist, zu lassen, und die Dialektik auf das Rechtbehalten zu beschränken; dagegen aber Sophistik und Eristik nicht so von ihr zu trennen, wie Aristoteles tut, da dieser Unterschied auf der objektiven materiellen Wahrheit beruht, über die wir nicht sicher zum voraus im klaren sein können, sondern mit Pontius Pilatus sagen müssen: was ist die Wahrheit? – denn veritas est in puteo: en buJv h alhJeia: Spruch des Demokrit, Diog. Laert. IX, 72. Es ist leicht zu sagen, daß man beim Streiten nichts anderes bezwecken soll als die Zutageförderung der Wahrheit; allein man weiß ja noch nicht, wo sie ist: man wird durch die Argumente des Gegners und durch seine eigenen irregeführt. – Übrigens re intellecta, in verbis simus faciles: da man den Namen Dialektik im Ganzen für gleichbedeutend mit Logik zu nehmen pflegt, wollen wir unsre Disziplin Dialectica eristica, eristische Dialektik nennen.  
(Man muß allemal den Gegenstand einer Disziplin von dem jeder andern rein sondern.)  
Die Begriffe lassen sich aber unter gewisse Klassen bringen, wie Genus und Species, Ursache und Wirkung, Eigenschaft und Gegenteil, Haben und Mangel, u. dgl. m.; und für diese Klassen gelten einige allgemeine Regeln: diese sind die loci, topoi (topoi). – Z. B. ein Locus von Ursache und Wirkung ist: »die Ursache der Ursache ist Ursache der Wirkung« [Christian Wolff, Ontologia, § 928], angewandt: »die Ursache meines Glücks ist mein Reichtum: also ist auch der, welcher mir den Reichtum gab, Urheber meines Glücks.« Loci von Gegensätzen: 1. Sie schließen sich aus, z. B. grad und krumm. 2. Sie sind im selben Subjekt: z. B. hat die Liebe ihren Sitz im Willen epiJumhtikon, so hat der Haß ihn auch. – Ist aber dieser im Sitz des Gefühls JumoeideV, dann die Liebe auch. – Kann die Seele nicht weiß sein, so auch nicht schwarz. – 3. Fehlt der niedrigre Grad, so fehlt auch der höhere: ist ein Mensch nicht gerecht, so ist er auch nicht wohlwollend. – Sie sehn hieraus, daß die Loci sind gewisse allgemeine Wahrheiten, die ganze Klassen von Begriffen treffen, auf die man also bei vorkommenden einzelnen Fällen zurückgehn kann, um aus ihnen seine Argumente zu schöpfen, auch um sich auf sie als allgemein einleuchtend zu berufen. Jedoch sind die meisten sehr trüglich und vielen Ausnahmen unterworfen: z. B. es ist ein locus: entgegengesetzte Dinge haben entgegengesetzte Verhältnisse, z. B. die Tugend ist schön, das Laster häßlich. – Freundschaft ist wohlwollend, Feindschaft übelwollend. – Aber nun: Verschwendung ist ein Laster, also Geiz eine Tugend; Narren sagen die Wahrheit, also lügen die Weisen: geht nicht. Tod ist Vergehn, also Leben Entstehn: falsch.
Beispiel von der Trüglichkeit solcher topi: Scotus Eriugena im Buch de praedestinatione, Kap. 3, will die Ketzer widerlegen, welche in Gott zwei praedestinationes (eine der Erwählten zum Heil, eine der Verworfnen zur Verdammnis) annahmen, und gebraucht dazu diesen (Gott weiß woher genommnen) topus: »Omnium, quae sunt inter se contraria, necesse est eorum causas inter se esse contrarias; unam enim eandemque causam diversa, inter se contraria efficere ratio prohibet.« So! – aber die experientia docet, daß dieselbe Wärme den Ton hart und das Wachs weich macht, und hundert ähnliche Dinge. Und dennoch klingt der topus plausibel. Er baut seine Demonstration aber ruhig auf dem topus auf, die geht uns weiter nichts an. – Eine ganze Sammlung von Locis mit ihren Widerlegungen hat Baco de Verulamio zusammengestellt unter dem Titel Colores boni et mali. – Sie sind hier als Beispiele zu brauchen. Er nennt sie Sophismata. Als ein Locus kann auch das Argument betrachtet werden, durch welches im Symposium Sokrates dem Agathon, der der Liebe alle vortrefflichen Eigenschaften, Schönheit, Güte usw. beigelegt hatte, das Gegenteil beweist: »Was einer sucht, das hat er nicht: nun sucht die Liebe das Schöne und Gute; also hat sie solche nicht.« Es hat etwas Scheinbares, daß es gewisse allgemeine Wahrheiten gäbe, die auf alles anwendbar wären und durch die man also alle vorkommenden einzeln noch so verschiedenartigen Fälle, ohne näher auf ihr Spezielles einzugehn, entscheiden könnte. (Das Gesetz der Kompensation ist ein ganz guter locus.) Allein es geht nicht, eben weil die Begriffe durch Abstraktion von den Differenzen entstanden sind und daher das Verschiedenartigste begreifen, welches sich wieder hervortut, wenn mittels der Begriffe die einzelnen Dinge der verschiedensten Arten aneinandergebracht werden und nur nach den obern Begriffen entschieden wird. Es ist sogar dem Menschen natürlich beim Disputieren, sich, wenn er bedrängt wird, hinter irgend einen allgemeinen topus zu retten. Loci sind auch die lex parsimoniae naturae; – auch: natura nihil facit frustra. – Ja, alle Sprichwörter sind loci mit praktischer Tendenz.  
Oft streiten zwei sehr lebhaft; und dann geht jeder mit der Meinung des Andern nach Hause: sie haben getauscht.  
Nach Diogenes Laertius gab es unter den vielen rhetorischen Schriften des Theophrastos, die sämtlich verloren gegangen, eine, deren Titel war ’Agwnistikon thV peri touV eristikouV logouV JewriaV. Das wäre unsre Sache.  



Nicht mit dem Ersten dem Besten zu disputieren; sondern allein mit solchen, die man kennt und von denen man weiß, dass sie Verstand genug besitzen, nicht gar zu Absurdes vorzubringen und dadurch beschämt werden zu müssen; und um mit Gründen zu disputieren und nicht mit Machtsprüchen, und um auf Gründe zu hören und darauf einzugehen, und endlich, dass sie die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern hören, auch aus dem Munde des Gegners, und Billigkeit genug haben, um es ertragen zu können Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der anderen Seite liegt. Daraus folgt, dass unter Hundert kaum Einer ist, der es wert ist, dass man mit ihm disputiert.

Du gehörst freilich nicht dazu...



Das würde ich mir auch niemals anmaßen. Allerdings würde ich Folgendes sagen:

In Beziehung auf das Gefühl der Lust ist ein Gegenstand entweder zum Angenehmen, oder Schönen, oder Erhabenen, oder Guten (schlechthin) zu zählen (iucundum, pulchrum, sublime, honestum).

Das Angenehme ist, als Triebfeder der Begierden, durchgängig von einerlei Art, woher es auch kommen, und wie spezifisch-verschieden auch die Vorstellung (des Sinnes und der Empfindung, objektiv betrachtet) sein mag. Daher kommt es bei der Beurteilung des Einflusses desselben auf das Gemüt nur auf die Menge der Reize (zugleich und nacheinander), und gleichsam nur auf die Masse der angenehmen Empfindung an; und diese läßt sich also durch nichts als die Quantität verständlich machen. Es kultiviert auch nicht, sondern gehört zum bloßen Genusse. - Das Schöne erfordert dagegen die Vorstellung einer gewissen Qualität des Objekts, die sich auch verständlich machen, und auf Begriffe bringen läßt (wiewohl es im ästhetischen Urteile darauf nicht gebracht wird); und kultiviert, indem es zugleich auf Zweckmäßigkeit im Gefühle der Lust acht zu haben lehrt. - Das Erhabene besteht bloß in der Relation, worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird. - Das Schlechthin-Gute, subjektiv nach dem Gefühle, welches es einflößt, beurteilt (das Objekt des moralischen Gefühls), als die Bestimmbarkeit der Kräfte des Subjekts, durch die Vorstellung eines schlechthin-nötigenden Gesetzes, unterscheidet sich vornehmlich durch die Modalität einer auf Begriffen a priori beruhenden Notwendigkeit, die nicht bloß Anspruch, sondern auch Gebot des Beifalls für jedermann in sich enthält, und gehört an sich zwar nicht für die ästhetische, sondern die reine intellektuelle Urteilskraft; wird auch nicht in einem bloß reflektierenden, sondern bestimmenden Urteile, nicht der Natur, sondern der Freiheit beigelegt. Aber die Bestimmbarkeit des Subjekts durch diese Idee, und zwar eines Subjekts, welches in sich an der Sinnlichkeit Hindernisse, zugleich aber Überlegenheit aber dieselbe durch die Überwindung derselben als Modifikation seines Zustandes empfinden kann, d. i. das moralische Gefühl, ist doch mit der ästhetischen Urteilskraft und deren formalen Bedingungen sofern verwandt, daß es dazu dienen kann, die Gesetzmäßigkeit der Handlung aus Pflicht zugleich als ästhetisch, d. i. als erhaben, oder auch als schön vorstellig zu machen, ohne an seiner Reinigkeit einzubüßen: welches nicht stattfindet, wenn man es mit dem Gefühl des Angenehmen in natürliche Verbindung setzen wollte.

Wenn man das Resultat aus der bisherigen Exposition beiderlei Arten ästhetischer Urteile zieht, so würden sich daraus folgende kurze Erklärungen ergeben:

Schön ist das, was in der bloßen Beurteilung (also nicht vermittelst der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefällt. Hieraus folgt von selbst, daß es ohne alles Interesse gefallen müsse.

Erhaben ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittelbar gefällt.

Beide, als Erklärungen ästhetischer allgemeingültiger Beurteilung, beziehen sich auf subjektive Gründe, nämlich einerseits der Sinnlichkeit, so wie sie zu Gunsten des kontemplativen Verstandes; andererseits wie sie wider dieselbe, dagegen für die Zwecke der praktischen Vernunft, und doch beide in demselben Subjekte vereinigt, in Beziehung auf das moralische Gefühl zweckmäßig sind. Das Schöne bereitet uns vor, etwas, selbst die Natur, ohne Interesse zu lieben; das Erhabene, es, selbst wider unser (sinnliches) Interesse, hochzuschätzen.

Man kann des Erhabene so beschreiben: es ist ein Gegenstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemüt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken.

Buchstäblich genommen, und logisch betrachtet, können Ideen nicht dargestellt werden. Aber, wenn wir unser empirisches Vorstellungsvermögen (mathematisch, oder dynamisch) für die Anschauung der Natur erweitern; so tritt unausbleiblich die Vernunft hinzu, als Vermögen der Independenz der absoluten Totalität, und bringt die, obzwar vergebliche, Bestrebung des Gemüts hervor, die Vorstellung der Sinne dieser angemessen zu machen. Diese Bestrebung, und das Gefühl der Unerreichbarkeit der Idee durch die Einbildungskraft, ist selbst eine Darstellung der subjektiven Zweckmäßigkeit unseres Gemüts im Gebrauche der Einbildungskraft für dessen übersinnliche Bestimmung, und nötigt uns, subjektiv die Natur selbst in ihrer Totalität, als Darstellung von etwas übersinnlichem, zu denken, ohne diese Darstellung objektiv zustande bringen zu können.

Denn das werden wir bald inne, daß der Natur im Raume und der Zeit das Unbedingte, mithin auch die absolute Größe, ganz abgehe, die doch von der gemeinsten Vernunft verlangt wird. Eben dadurch werden wir auch erinnert, daß wir es nur mit einer Natur als Erscheinung zu tun haben, und diese selbst noch als bloße Darstellung einer Natur an sich (welche die Vernunft in der Idee hat) müsse angesehen werden. Diese Idee des Übersinnlichen aber, die wir zwar nicht weiter bestimmen, mithin die Natur als Darstellung derselben nicht erkennen, sondern nur denken können, wird in uns durch einen Gegenstand erweckt, dessen ästhetische Beurteilung die Einbildungskraft bis zu ihrer Grenze, es sei der Erweiterung (mathematisch), oder ihrer Macht über das Gemüt (dynamisch), anspannt, indem sie sich auf dem Gefühle einer Bestimmung desselben gründet, welche das Gebiet der ersteren gänzlich überschreitet (dem moralischen Gefühl), in Ansehung dessen die Vorstellung des Gegenstandes als subjektiv-zweckmäßig beurteilt wird.

In der Tat läßt sich ein Gefühl für das Erhabene der Natur nicht wohl denken, ohne eine Stimmung des Gemüts, die der zum moralischen ähnlich ist, damit zu verbinden; und, obgleich die unmittelbare Lust am Schönen der Natur gleichfalls eine gewisse Liberalität der Denkungsart, d. i. Unabhängigkeit des Wohlgefallens vom bloßen Sinnengenusse, voraussetzt und kultiviert, so wird dadurch noch mehr die Freiheit im Spiele, als unter einem gesetzlichen Geschäfte vorgestellt: welches die echte Beschaffenheit der Sittlichkeit des Menschen ist, wo die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt antun muß; nur daß im ästhetischen Urteile über das Erhabene diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, ausgeübt vorgestellt wird.

Das Wohlgefallen am Erhabenen der Natur ist daher auch nur negativ (statt dessen das am Schönen positiv ist), nämlich ein Gefühl der Beraubung der Freiheit der Einbildungskraft durch sie selbst, indem sie nach einem andern Gesetze, als dem des empirischen Gebrauchs, zweckmäßig bestimmt wird. Dadurch bekommt sie eine Erweiterung und Macht, welche größer ist, als die, welche sie aufopfert, deren Grund aber ihr selbst verborgen ist, statt dessen sie die Aufopferung oder die Beraubung, und zugleich die Ursache fühlt, der sie unterworfen wird. Die Verwunderung, die an Schreck grenzt, das Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlünde und darin tobender Gewässer, tiefbeschatteter, zum schwermütigen Nachdenken einladender Einöden usw. ergreift, ist, bei der Sicherheit, worin er sich weiß, nicht wirkliche Furcht, sondern nur ein Versuch, uns mit der Einbildungskraft darauf einzulassen, um die Macht ebendesselben Vermögens zu fühlen, die dadurch erregte Bewegung des Gemüts mit dem Ruhestande desselben zu verbinden, und so der Natur in uns selbst, mithin auch der außer uns, sofern sie auf das Gefühl unseres Wohlbefindens Einfluß haben kann, überlegen zu sein. Denn die Einbildungskraft nach dem Assoziationsgesetze macht unseren Zustand der Zufriedenheit physisch abhängig; aber ebendieselbe nach Prinzipien des Schematisms der Urteilskraft (folglich sofern der Freiheit untergeordnet), ist Werkzeug der Vernunft und ihrer Ideen, als solches aber eine Macht, unsere Unabhängigkeit gegen die Natureinflüsse zu behaupten, das, was nach der ersteren groß ist, als klein abzuwürdigen, und so das Schlechthin-Große nur in seiner (des Subjekts) eigenen Bestimmung zu setzen. Diese Reflexion der ästhetischen Urteilskraft, sich zur Angemessenheit mit der Vernunft (doch ohne einen bestimmten Begriff derselben) zu erheben, stellt den Gegenstand, selbst durch die objektive Unangemessenheit der Einbildungskraft, in ihrer größten Erweiterung für die Vernunft (als Vermögen der Ideen) doch als subjektiv-zweckmäßig vor.

Man muß hier überhaupt darauf acht haben, was oben schon erinnert worden ist, daß in der transzendentalen Ästhetik der Urteilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urteilen die Rede sein müsse, folglich die Beispiele nicht von solchen schönen oder erhabenen Gegenständen der Natur hergenommen werden dürfen, die den Begriff von einem Zwecke voraussetzen; denn alsdann würde es entweder teleologische, oder sich auf bloßen Empfindungen eines Gegenstandes (Vergnügen oder Schmerz) gründende, mithin im ersteren Falle nicht ästhetische, im zweiten nicht bloße formale Zweckmäßigkeit sein. Wenn man also den Anblick des bestirnten Himmels erhaben nennt, so muß man der Beurteilung desselben nicht Begriffe von Welten, von vernünftigen Wesen bewohnt, und nun die hellen Punkte, womit wir den Raum über uns erfüllt sehen, als ihre Sonnen, in sehr zweckmäßig für sie gestellten Kreisen bewegt, zum Grunde legen, sondern bloß, wie man ihn sieht, als ein weites Gewölbe, was alles befaßt; und bloß unter dieser Vorstellung müssen wir die Erhabenheit setzen, die ein reines ästhetisches Urteil diesem Gegenstande beilegt. Ebenso den Anblick des Ozeans nicht so, wie wir, mit allerlei Kenntnissen (die aber nicht in der unmittelbaren Anschauung enthalten sind) bereichert, ihn denken; etwa als ein weites Reich von Wassergeschöpfen, als den großen Wasserschatz für die Ausdünstungen, welche die Luft mit Wolken zum Behuf der Länder beschwängern, oder auch als ein Element, das zwar Weltteile voneinander trennt, gleichwohl aber die größte Gemeinschaft unter ihnen möglich macht: denn das gibt lauter teleologische Urteile; sondern man muß den Ozean bloß, wie die Dichter es tun, nach dem, was der Augenschein zeigt, etwa, wenn er in Ruhe betrachtet wird, als einen klaren Wasserspiegel, der bloß vom Himmel begrenzt ist, aber ist er unruhig, wie einen alles zu verschlingen drohenden Abgrund, dennoch erhaben finden können. Ebendas ist von dem Erhabenen und Schönen in der Menschengestalt zu sagen, wo wir nicht auf Begriffe der Zwecke, wozu alle seine Gliedmaßen da sind, als Bestimmungsgründe des Urteils zurücksehen, und die Zusammenstimmung mit ihnen auf unser (alsdann nicht mehr reines) ästhetisches Urteil nicht einfließen lassen müssen, obgleich, daß sie jenen nicht widerstreiten, freilich eine notwendige Bedingung auch des ästhetischen Wohlgefallens ist. Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist die Gesetzmäßigkeit der Urteilskraft in ihrer Freiheit. Das Wohlgefallen an dem Gegenstande hängt von der Beziehung ab, in welcher wir die Einbildungskraft setzen wollen: nur daß sie für sich selbst das Gemüt in freier Beschäftigung unterhalte. Wenn dagegen etwas anderes, es sei Sinnenempfindung, oder Verstandesbegriff, das Urteil bestimmt; so ist es zwar gesetzmäßig, aber nicht das Urteil einer freien Urteilskraft.

Wenn man also von intellektueller Schönheit oder Erhabenheit spricht, so sind erstlich diese Ausdrücke nicht ganz richtig, weil es ästhetische Vorstellungsarten sind, die, wenn wir bloße reine Intelligenzen wären (oder uns auch in Gedanken in diese Qualität versetzen), in uns gar nicht anzutreffen sein würden; zweitens, obgleich beide, als Gegenstände eines intellektuellen (moralischen) Wohlgefallens, zwar sofern mit dem ästhetischen vereinbar sind, als sie auf keinem Interesse beruhen: so sind sie doch darin wiederum mit diesem schwer zu vereinigen, weil sie ein Interesse bewirken sollen, welches, wenn die Darstellung zum Wohlgefallen in der ästhetischen Beurteilung zusammenstimmen soll, in dieser niemals anders als durch ein Sinneninteresse, welches man damit in der Darstellung verbindet, geschehen würde, wodurch aber der intellektuellen Zweckmäßigkeit Abbruch geschieht, und sie verunreinigt wird.

Der Gegenstand eines reinen und unbedingten intellektuellen Wohlgefallens ist das moralische Gesetz in seiner Macht, die es in uns über alle und jede vor ihm vorhergehende Triebfedern des Gemüts ausübt; und, da diese Macht sich eigentlich nur durch Aufopferungen ästhetisch-kenntlich macht (welches eine Beraubung, obgleich zum Behuf der innern Freiheit, ist, dagegen eine unergründliche Tiefe dieses übersinnlichen Vermögens, mit ihren ins Unabsehliche sich erstreckenden Folgen, in uns aufdeckt): so ist das Wohlgefallen von der ästhetischen Seite (in Beziehung auf Sinnlichkeit) negativ, d. i. wider dieses Interesse, von der intellektuellen aber betrachtet, positiv, und mit einem Interesse verbunden. Hieraus folgt: daß das intellektuelle, an sich selbst zweckmäßige (das Moralisch-) Gute, ästhetisch beurteilt, nicht sowohl schön, als vielmehr erhaben vorgestellt werden müsse, so daß es mehr das Gefühl der Achtung (welches den Reiz verschmäht), als der Liebe und vertraulichen Zuneigung erwecke; weil die menschliche Natur nicht so von selbst, sondern nur durch Gewalt, welche die Vernunft der Sinnlichkeit antut, zu jenem Guten zusammenstimmt. Umgekehrt, wird auch das, was wir in der Natur außer uns, oder auch in uns (z. B. gewisse Affekten), erhaben nennen, nur als eine Macht des Gemüts, sich über gewisse Hindernisse der Sinnlichkeit durch moralische Grundsätze zu schwingen, vorgestellt, und dadurch interessant werden.

Ich will bei dem letztern etwas verweilen. Die Idee des Guten mit Affekt heißt der Enthusiasm. Dieser Gemütszustand scheint erhaben zu sein, dermaßen, daß man gemeiniglich vorgibt: ohne ihn könne nichts Großes ausgerichtet werden. Nun ist aber jeder Affekt [Fußnote]Affekten sind von Leidenschaften spezifisch unterschieden. Jene beziehen sich bloß auf das Gefühl; diese gehören dem Begehrungsvermögen an, und sind Neigungen, welche alle Bestimmbarkeit der Willkür durch Grundsätze erschweren oder unmöglich machen. Jene sind stürmisch und unvorsätzlich, diese anhaltend und überlegt: so ist der Unwille, als Zorn, ein Affekt; aber als Haß (Rachgier) eine Leidenschaft. Die letztere kann niemals und in keinem Verhältnis erhaben genannt werden; weil im Affekt die Freiheit des Gemüts zwar gehemmt, in der Leidenschaft aber aufgehoben wird. blind, entweder in der Wahl seines Zwecks, oder, wenn dieser auch durch Vernunft gegeben worden, in der Ausführung desselben; denn er ist diejenige Bewegung des Gemüts, welche es unvermögend macht, freie Überlegung der Grundsätze anzustellen, um sich darnach zu bestimmen. Also kann er auf keinerlei Weise ein Wohlgefallen der Vernunft verdienen. Ästhetisch gleichwohl ist der Enthusiasm erhaben, weil er eine Anspannung der Kräfte durch Ideen ist, welche dem Gemüte einen Schwung geben, der weit mächtiger und dauerhafter wirkt, als der Antrieb durch Sinnenvorstellungen. Aber (welches befremdlich scheint) selbst Affektlosigkeit (Apatheia, Phlegma in significatu bono) eines seinen unwandelbaren Grundsätzen nachdrücklich nachgehenden Gemüts ist, und zwar auf weit vorzüglichere Art, erhaben, weil sie zugleich das Wohlgefallen der reinen Vernunft auf ihrer Seite hat. Eine dergleichen Gemütsart heißt allein edel: welcher Ausdruck nachher auch auf Sachen, z. B. Gebäude, ein Kleid, Schreibart, körperlichen Anstand u. dgl., angewandt wird, wenn diese nicht sowohl Verwunderung (Affekt in der Vorstellung der Neuigkeit, welche die Erwartung übersteigt), als Bewunderung (eine Verwunderung, die beim Verlust der Neuigkeit nicht aufhört) erregt, welches geschieht, wenn Ideen in ihrer Darstellung unabsichtlich und ohne Kunst zum ästhetischen Wohlgefallen zusammenstimmen.

Ein jeder Affekt von der wackern Art (der nämlich das Bewußtsein unserer Kräfte, jeden Widerstand zu überwinden (animi strenui) rege macht) ist ästhetisch erhaben, z. B. der Zorn, sogar die Verzweiflung (nämlich die entrüstete, nicht aber die verzagte). Der Affekt von der schmelzenden Art aber (welcher die Bestrebung zu widerstehen selbst zum Gegenstande der Unlust (animum languidum) macht) hat nichts Edeles an sich, kann aber zum Schönen der Sinnesart gezählt werden. Daher sind die Rührungen, welche bis zum Affekt stark werden können, auch sehr verschieden. Man hat mutige, man hat zärtliche Rührungen. Die letztern, wenn sie bis zum Affekt steigen, taugen gar nichts; der Hang dazu heißt die Empfindelei. Ein teilnehmender Schmerz, der sich nicht will trösten lassen, oder auf den wir uns, wenn er erdichtete Übel betrifft, bis zur Täuschung durch die Phantasie, als ob es wirkliche wären, vorsätzlich einlassen, beweiset und macht eine weiche aber zugleich schwache Seele, die eine schöne Seite zeigt, und zwar phantastisch, aber nicht einmal enthusiastisch genannt werden kann. Romane, weinerliche Schauspiele, schale Sittenvorschriften, die mit (obzwar fälschlich) sogenannten edlen Gesinnungen tändeln, in der Tat aber das Herz welk, und für die strenge Vorschrift der Pflicht unempfindlich, aller Achtung für die Würde der Menschheit in unserer Person und das Recht der Menschen (welches ganz etwas anderes als ihre Glückseligkeit ist) und überhaupt aller festen Grundsätze unfähig machen; selbst ein Religionsvortrag, welcher kriechende, niedrige Gunstbewerbung und Einschmeichelung empfiehlt, die alles Vertrauen auf eigenes Vermögen zum Widerstande gegen das Böse in uns aufgibt, statt der rüstigen Entschlossenheit, die Kräfte, die uns bei aller unserer Gebrechlichkeit doch noch übrigbleiben, zu Überwindung der Neigungen zu versuchen; die falsche Demut, welche in der Selbstverachtung, in der winselnden erheuchelten Reue, und einer bloß leidenden Gemütsfassung die Art setzt, wie man allein dem höchsten Wesen gefällig werden könne: vertragen sich nicht einmal mit dem, was zur Schönheit, weit weniger aber noch mit dem, was zur Erhabenheit der Gemütsart gezählt werden könnte.

Aber auch stürmische Gemütsbewegungen, sie mögen nun unter dem Namen der Erbauung, mit Ideen der Religion, oder als bloß zur Kultur gehörig, mit Ideen, die ein gesellschaftliches Interesse enthalten, verbunden werden, können, so sehr sie auch die Einbildungskraft spannen, keinesweges auf die Ehre einer erhabenen Darstellung Anspruch machen, wenn sie nicht eine Gemütsstimmung zurücklassen, die, wenngleich nur indirekt, auf das Bewußtsein seiner Stärke und Entschlossenheit zu dem, was reine intellektuelle Zweckmäßigkeit bei sich führt (dem Übersinnlichen), Einfluß hat. Denn sonst gehören alle diese Rührungen nur zur Motion, welche man der Gesundheit wegen gerne hat. Die angenehme Mattigkeit, welche auf eine solche Rüttelung durch das Spiel der Affekten folgt, ist ein Genuß des Wohlbefindens aus dem hergestellten Gleichgewichte der mancherlei Lebenskräfte in uns: welcher am Ende auf dasselbe hinausläuft, als derjenige, den die Wollüstlinge des Orients so behaglich finden, wenn sie ihren Körper gleichsam durchkneten, und alle ihre Muskeln und Gelenke sanft drücken und biegen lassen; nur daß dort das bewegende Prinzip größtenteils in uns, hier hingegen gänzlich außer uns ist. Da glaubt sich nun mancher durch eine Predigt erbaut, in dem doch nichts aufgebauet (kein System guter Maximen) ist; oder durch ein Trauerspiel gebessert, der bloß über glücklich vertriebne Langeweile froh ist. Also muß das Erhabene jederzeit Beziehung auf die Denkungsart haben, d. i. auf Maximen, dem Intellektuellen und den Vernunftideen über die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen.

Man darf nicht besorgen, daß das Gefühl des Erhabenen durch eine dergleichen abgezogene Darstellungsart, die in Ansehung des Sinnlichen gänzlich negativ wird, verlieren werde; denn die Einbildungskraft, ob sie zwar über das Sinnliche hinaus nichts findet, woran sie sich halten kann, fühlt sich doch auch eben durch diese Wegschaffung der Schranken derselben unbegrenzt: und jene Absonderung ist also eine Darstellung des Unendlichen, welche zwar ebendarum niemals anders als bloß negative Darstellung sein kann, die aber doch die Seele erweitert. Vielleicht gibt es keine erhabenere Stelle im Gesetzbuche der Juden, als das Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen, noch irgendein Gleichnis, weder dessen was im Himmel, noch auf der Erden, noch unter der Erden ist usw. Dieses Gebot allein kann den Enthusiasm erklären, den das jüdische Volk in seiner gesitteten Epoche für seine Religion fühlte, wenn es sich mit andern Völkern verglich, oder denjenigen Stolz, den der Mohammedanism einflößt. Ebendasselbe gilt auch von der Vorstellung des moralischen Gesetzes und der Anlage zur Moralität in uns. Es ist eine ganz irrige Besorgnis, daß, wenn man sie alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann, sie alsdann keine andere, als kalte, leblose Billigung und keine bewegende Kraft oder Rührung bei sich führen würde. Es ist gerade umgekehrt; denn da, wo nun die Sinne nichts mehr vor sich sehen, und die unverkennliche und unauslöschliche Idee der Sittlichkeit dennoch übrigbleibt, würde es eher nötig sein, den Schwung einer unbegrenzten Einbildungskraft zu mäßigen, um ihn nicht bis zum Enthusiasm steigen zu lassen, als, aus Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen, für sie in Bildern und kindischem Apparat Hülfe zu suchen. Daher haben auch Regierungen gerne erlaubt, die Religion mit dem letztern Zubehör reichlich versorgen zu lassen, und so dem Untertan die Mühe, zugleich aber auch das Vermögen zu benehmen gesucht, seine Seelenkräfte über die Schranken auszudehnen, die man ihm willkürlich setzen, und wodurch man ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann.

Diese reine, seelenerhebende, bloß negative Darstellung der Sittlichkeit, bringt dagegen keine Gefahr der Schwärmerei, welche ein Wahn ist, über alle Grenze der Sinnlichkeit hinaus etwassehen, d. i. nach Grundsätzen träumen (mit Vernunft rasen) zu wollen; eben darum, weil die Darstellung bei jener bloß negativ ist. Denn die Unerforschlichkeit der Idee der Freiheit schneidet aller positiven Darstellung gänzlich den Weg ab: das moralische Gesetz aber ist an sich selbst in uns hinreichend und ursprünglich bestimmend, so daß es nicht einmal erlaubt, uns nach einem Bestimmungsgrunde außer demselben umzusehen. Wenn der Enthusiasm mit dem Wahnsinn, so ist die Schwärmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen, wovon der letztere sich unter allen am wenigsten mit dem Erhabenen verträgt, weil er grüblerisch lächerlich ist. Im Enthusiasm, als Affekt, ist die Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei, als eingewurzelter brütender Leidenschaft, regellos. Der erstere ist vorübergehender Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft; der zweite eine Krankheit, die ihn zerrüttet.

Einfalt (kunstlose Zweckmäßigkeit) ist gleichsam der Stil der Natur im Erhabenen, und so auch der Sittlichkeit, welche eine zweite (übersinnliche) Natur ist, wovon wir nur die Gesetze kennen, ohne das übersinnliche Vermögen in uns selbst, was den Grund dieser Gesetzgebung enthält, durch Anschauen erreichen zu können.

Noch ist anzumerken, daß, obgleich das Wohlgefallen am Schönen ebensowohl, als das am Erhabenen, nicht allein durch allgemeine Mitteilbarkeit unter den andern ästhetischen Beurteilungen kenntlich unterschieden ist, sondern auch durch diese Eigenschaft, in Beziehung auf Gesellschaft (in der es sich mitteilen läßt), ein Interesse bekommt, gleichwohl doch auch die Absonderung von aller Gesellschaft als etwas Erhabenes angesehen werde, wenn sie auf Ideen beruht, welche über alles sinnliche Interesse hinweg sehen. Sich selbst genug sein, mithin Gesellschaft nicht bedürfen, ohne doch ungesellig zu sein, d. i. sie zu fliehen, ist etwas dem Erhabenen sich Näherndes, so wie jede Überhebung von Bedürfnissen. Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus Misanthropie, weil man sie anfeindet, oder aus Anthropophobie (Menschenscheu), weil man sie als seine Feinde fürchtet, teils häßlich, teils verächtlich. Gleichwohl gibt es eine (sehr uneigentlich sogenannte) Misanthropie, wozu die Anlage sich mit dem Alter in vieler wohldenkenden Menschen Gemüt einzufinden pflegt, welche zwar, was das Wohlwollen betrifft, philanthropisch genug ist, aber vom Wohlgefallen an Menschen durch eine lange traurige Erfahrung weit abgebracht ist: wovon der Hang zur Eingezogenheit, der phantastische Wunsch auf einem entlegenen Landsitze, oder auch (bei jungen Personen) die erträumte Glückseligkeit auf einem der übrigen Welt unbekannten Eilande, mit einer kleinen Familie, seine Lebenszeit zubringen zu können, welche die Romanschreiber, oder Dichter der Robinsonaden, so gut zu nutzen wissen, Zeugnis gibt. Falschheit, Undankbarkeit, Ungerechtigkeit, das Kindische in den von uns selbst für wichtig und groß gehaltenen Zwecken, in deren Verfolgung sich Menschen selbst untereinander alle erdenkliche Übel antun, stehen mit der Idee dessen, was sie sein könnten, wenn sie wollten, so im Widerspruch, und sind dem lebhaften Wunsche, sie besser zu sehen, so sehr entgegen: daß, um sie nicht zu hassen, da man sie nicht lieben kann, die Verzichtung auf alle gesellschaftliche Freuden nur ein kleines Opfer zu sein scheint. Diese Traurigkeit, nicht über die Übel, welche das Schicksal über andere Menschen verhängt (wovon die Sympathie Ursache ist), sondern die sie sich selbst antun (welche auf der Antipathie in Grundsätzen beruht), ist, weil sie auf Ideen beruht, erhaben, indessen daß die erstere allenfalls nur für schön gelten kann. - Der ebenso geistreiche als gründliche Saussure sagt in der Beschreibung seiner Alpenreisen von Bonhomme, einem der savoyischen Gebirge: »Es herrscht daselbst eine gewisse abgeschmackte Traurigkeit.« Er kannte daher doch auch eine interessante Traurigkeit, welche der Anblick einer Einöde einflößt, in die sich Menschen wohl versetzen möchten, um von der Welt nichts weiter zu hören, noch zu erfahren, die denn doch nicht so ganz unwirtbar sein muß, daß sie nur einen höchst mühseligen Aufenthalt für Menschen darböte. - Ich mache diese Anmerkung nur in der Absicht, um zu erinnern, daß auch Betrübnis (nicht niedergeschlagene Traurigkeit) zu den rüstigen Affekten gezählt werden könne, wenn sie in moralischen Ideen ihren Grund hat; wenn sie aber auf Sympathie gegründet, und, als solche, auch liebenswürdig ist, sie bloß zu den schmelzenden Affekten gehöre: um dadurch auf die Gemütsstimmung, die nur im ersteren Falle erhaben ist, aufmerksam zu machen.

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Man kann mit der jetzt durchgeführten transzendentalen Exposition der ästhetischen Urteile nun auch die physiologische, wie sie ein Burke und viele scharfsinnige Männer unter uns bearbeitet haben, vergleichen, um zu sehen, wohin eine bloß empirische Exposition des Erhabenen und Schönen führe. Burke[Fußnote] Nach der deutschen Übersetzung seiner Schrift: Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unserer Begriffe vom Schönen und Erhabenen. Riga, bei Hartknoch 1773. , der in dieser Art der Behandlung als der vornehmste Verfasser genannt zu werden verdient, bringt auf diesem Wege (S. 223 seines Werks) heraus: »daß das Gefühl des Erhabenen sich auf dem Triebe zur Selbsterhaltung und auf Furcht, d. i. einem Schmerze, gründe, der, weil er nicht bis zur wirklichen Zerrüttung der körperlichen Teile geht, Bewegungen hervorbringt, die, da sie die feineren oder gröberen Gefäße von gefährlichen und beschwerlichen Verstopfungen reinigen, imstande sind, angenehme Empfindungen zu erregen, zwar nicht Lust, sondern eine Art von wohlgefälligem Schauer, eine gewisse Ruhe, die mit Schrecken vermischt ist.« Das Schöne, welches er auf Liebe gründet (wovon er doch die Begierde abgesondert wissen will), führt er (S. 251-252) »auf die Nachlassung, Losspannung und Erschlaffung der Fibern des Körpers, mithin eine Erweichung, Auflösung, Ermattung, ein Hinsinken, Hinsterben, Wegschmelzen vor Vergnügen, hinaus«. Und nun bestätigt er diese Erklärungsart nicht allein durch Fälle, in denen die Einbildungskraft in Verbindung mit dem Verstande, sondern sogar mit Sinnesempfindung in uns das Gefühl des Schönen sowohl als des Erhabenen erregen könne. - Als psychologische Bemerkungen sind diese Zergliederungen der Phänomene unseres Gemüts überaus schön, und geben reichen Stoff zu den beliebtesten Nachforschungen der empirischen Anthropologie. Es ist auch nicht zu leugnen, daß alle Vorstellungen in uns, sie mögen objektiv bloß sinnlich, oder ganz intellektuell sein, doch subjektiv mit Vergnügen oder Schmerz, so unmerklich beides auch sein mag, verbunden werden können (weil sie insgesamt das Gefühl des Lebens affizieren, und keine derselben, sofern als sie Modifikation des Subjekts ist, indifferent sein kann); sogar, daß, wie Epikur behauptete, immer Vergnügen und Schmerz zuletzt doch körperlich sei, es mag nun von der Einbildung, oder gar von Verstandesvorstellungen anfangen: weil das Leben ohne das Gefühl des körperlichen Organs bloß Bewußtsein seiner Existenz, aber kein Gefühl des Wohl- oder Übelbefindens, d. i. der Beförderung oder Hemmung der Lebenskräfte, sei; weil das Gemüt für sich allein ganz Leben (das Lebensprinzip selbst) ist, und Hindernisse oder Beförderungen außer demselben und doch im Menschen selbst, mithin in der Verbindung mit seinem Körper, gesucht werden müssen.

Setzt man aber das Wohlgefallen am Gegenstande ganz und gar darin, daß dieser durch Reiz oder durch Rührung vergnügt: so muß man auch keinem andern zumuten, zu dem ästhetischen Urteile, was wir fällen, beizustimmen; denn darüber befragt ein jeder mit Recht nur seinen Privatsinn. Alsdann aber hört auch alle Zensur des Geschmacks gänzlich auf; man müßte denn das Beispiel, welches andere, durch die zufällige Übereinstimmung ihrer Urteile, geben, zum Gebot des Beifalls für uns machen, wider welches Prinzip wir uns doch vermutlich sträuben und auf das natürliche Recht berufen würden, das Urteil, welches auf dem unmittelbaren Gefühle des eigenen Wohlbefindens beruht, seinem eigenen Sinne, und nicht anderer ihrem, zu unterwerfen.

Wenn also das Geschmacksurteil nicht für egoistisch, sondern seiner inneren Natur nach, d. i. um sein selbst, nicht um der Beispiele willen, die andere von ihrem Geschmack geben, notwendig als pluralistisch gelten muß, wenn man es als ein solches würdigt, welches zugleich verlangen darf, daß jedermann ihm beipflichten soll; so muß ihm irgendein (es sei objektives oder subjektives) Prinzip a priori zum Grunde liegen, zu welchem man durch Aufspähung empirischer Gesetze der Gemütsveränderungen niemals gelangen kann: weil diese nur zu erkennen geben, wie geurteilt wird, nicht aber gebieten, wie geurteilt werden soll, und zwar gar so, daß das Gebot unbedingt ist; dergleichen die Geschmacksurteile voraussetzen, indem sie das Wohlgefallen mit einer Vorstellung unmittelbar verknüpft wissen wollen. Also mag die empirische Exposition der ästhetischen Urteile immer den Anfang machen, um den Stoff zu einer höhern Untersuchung herbeizuschaffen; eine transzendentale Erörterung dieses Vermögens ist doch möglich, und zur Kritik des Geschmacks wesentlich gehörig. Denn, ohne daß derselbe Prinzipien a priori habe, könnte er unmöglich die Urteile anderer richten, und über sie, auch nur mit einigem Scheine des Rechts, Billigungs- oder Verwerfungsaussprüche fällen.
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Schade, dass dieser Thread ins Gebabbel abgerutscht ist. Ich glaube zwar, dass Bruchhagen sein Wort hält, dass Frankfurt seine letzte Station in der Bundesliga sein wird, aber Dankbarkeit ist trotzdem angebracht.

ABer mich beschäftigt eine anderer Gedanke und zwar was wird nach Bruchhagen passieren?

Sein Vertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2012, in diesem Jahr wird der gute Mann auch 63 Jahre alt. Ich bezweifel es, dass es dann die Eintracht für die Dauer eines weiteren Vertrags anbietet. Gut ich weiß bis dahin sind es noch 3 Jahre, aber mich interessiert schon, was passiert anschließend.  

Kann Bruchhagen einen Nachfolger einarbeiten? Wie verhält sich der Aufsichtsrat. Angeblich knirscht es ja im Gebälk , dieses wird sich wohl kaum einen Nachfolger von Bruchhagen vorschreiben, allenfalls vorschlagen lassen.

Und zum Teil hat ja der Machtkampf schon begonnen zumindest kommt es mir als Leser zum Teil vor, wenn man bei bestimmten Beiträgen etwas zwischen den Zeilen ließt. Also ist es überhaupt möglich, dass Bruchhagen einen Nachfolger einarbeitet? Ich hätte da schon einen Kanidaten, stammt aus Norwegen, aber das ist wohl Wunschtraum.

Aber wäre ganz nett, wenn hier jemand kurz skizzieren könnte, wie die Amtsübergabe von Bruchhagen als VV im Idealfall aussehe.
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Swartzyn schrieb:
ABer mich beschäftigt eine anderer Gedanke und zwar was wird nach Bruchhagen passieren?


Hast du den SAW nicht gelesen? Die DFL hat doch bereits beschlossen, dass nach Bruchhases Abgang der sofortige Zwangsabstieg und Lizenzentzug folgt, egal, wann das passiert.
Also brauchen wir dann auch keinen VV mehr.


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