To whom it may concern. Leider nicht in Prag, sondern mit 1 Auge im Internet-Stream gesehen. Smicer hat gespielt, als sei er in einen Jungbrunnen gefallen.
Als ich so im privaten Rahmen im feinen Kleinseitner "Dobra trafika" saß, verriet der Zufallsblick auf die Zeitung, dass heute um 1715 das Prager-"S"-Derby beginnen sollte - es war gerade 1700 Uhr. Argh, wie konnte ich das denn nicht mitbekommen haben? Kurz die Zeit überschlagen, die ich zum Stadion brauchen würde, wurde die etwas überraschte Begleitung verabschiedet und losgerannt. Aus der Straßenbahn gesprungen, erwischten mich die Ausmaße der Tunnelbaustelle Letna erstmal kalt... so viele Absperrungen, dass der Weg zum Stadion gar nicht ersichtlich war. Während es also schon 1720 war und ich an der Absperrung entlangrannte, war dann auch schon der erste Torjubel hörbar. Super. Aufgrund der Lautstärke ging ich vom 1-0 für Sparta aus.
Am Stadion alle Kassen geschlossen, ausverkauft! Aufgrund der fanfreundlichen Anstoßzeit Montag, 1715, kamen immer noch massenhaft Leute, die es nicht pünktlich geschafft hatten, und daher machten auch nach Spielbeginn die Schwarzhändler ein ganz gutes Geschäft. Schließlich kam ich für 200 Kc zum Zuge, um die 8 Euro, wollte ja nicht noch mehr verpassen und saß dann auf der Hintertortribüne der Heimfans. Falls jemand das Stadion nicht von der Nationalmannschaft kennt: Ist mit Leverkusen am ehesten zu vergleichen, allerdings zweirangig, allseater mit einer Kapazität von gut 20.000, komplett überdacht und schön eng.
Hatte sehr gute Sicht auf's Spielfeld und den Slavia-Block, der Blick auf den Heimblock blieb leider verwehrt, da er sich schräg neben/über mir befand. Während ich von Sparta trotz der räumlichen Nähe kaum etwas vernahm, war der gesamte Gästeblock, dem der Spielverlauf natürlich entgegenkam, von Beginn an in blendender Verfassung. Das Spiel war mal-so-mal-so, Sparta spielte v.a. in der Abwehr ziemlich Eintrachtmäßig, während der aktuelle Meister vielfach einen sehr feinen Ball spielte. In der 30. das 2-0 und das sah schon fast nach einer Vorentscheidung aus, so wie das Spiel gelaufen war, allerdings schlug Sparta nach nur einer Minute nach einer tollen Kombination zurück. Danach war auch mal ein bisschen Stimmung auf Heimseite, aber insgesamt war das doch sehr sehr mau von Sparta.
Das Halbzeitbierchen musste dann ausfallen, weil die Schlangen ewig lang waren und es auch im Lande der immerwährenden Bierflüsse zum heutigen "Risikospiel" nur alkfrei gab. A propos Risiko: Das gesamte Stadion war mit einem gigantischen Aufgebot an Riotcops gesegnet. Und zwar nicht nur im Außenbereich oder um's Spielfeld, wie man's bei uns kennt, sondern auf sämtlichen Tribünen und Umläufen.
In der zweiten Halbzeit ähnliches Spielchen, Sparta zwar etwas druckvoller aber einfach zu schlecht, Slavia immer mit Kontrolle über das Spielgeschehen und vor allem auch auf den Rängen. Was die Anhänger von Slavia hier abzogen, war wirklich beeindruckend. Man war fast komplett einheitlich in rot gekleidet, keine sichtbaren Brüche zwischen Fanfraktionen, und alle, wirklich alle im Gästeblock, Ober- und Unterrang machten bei allen Liedern mit. Eher Schlachtrufe als Melodien, aber in brachialer Lautstärke. Sparta zündete gegen Mitte der zweiten Halbzeit einige Bengalen und pöbelte auch teilweise heftig gegen Slavia, was aber immer nach der Durchsage, bitte Schimpfworte zu vermeiden(!), sofort fast verstummte. Traurig...
Nach dem 3-1 in der 70. gingen schon die ersten heim und ab der 80. war das Stadion ein Drittel geleert... wie Schalke und Bayern irgendwie. Das 4-1 für Slavia brachte den Gästeblock endgültig zur Explosion, während von Sparta-Seite einige Gegenstände auf's Spielfeld flogen, aber nix wildes. Überhaupt war ich eigentlich doch eher überrascht, wie friedlich im ganzen Stadion Sparta- und Slavia-Fans nebeneinandersaßen. Hatte eine etwas hasserfülltere Atmosphäre erwartet, davon war wenig zu spüren.
Nicht überraschend aber doch immer wieder extrem negativ auffällig das massive Auftreten von Neonazis - würde man hier TS- und 88-Klamotten verbieten, wären große Teile beider Fanszenen ganz schön leicht bekleidet.
Unter dem Schutz dreier Polizeihubschrauber und vieler Hundertschaften entschwand ich dann gegen 1915 in die Prager Nacht, in der zwar immer mal wieder Kleingruppen von Möbelpackern auf der Suche nach jeweils Gleichgesinnten waren, aber wohl nix größeres passierte...
Fotos und Videos hab' ich leider keine, ein paar Impressionen aus dem Stadion gibt's aber hier. Fußball in Tschechien, durchaus einen Ausflug wert. Und immerhin ist Prag Partnerstadt von Frankfurt.
@ karatekidd sehr schöner Bericht über ein sehr schönes Spiel, beim dem ich Dich beneide, dass Du da warst. Zur Letná, dem dort ansässigen roten Gesindel (das bestimmt x mal wieder "Jude Slavia" gegröhlt hat) , evtl .demnächst noch etwas mehr. Das mit fehlender Fankultur, Rassismus und Affinaität zu gewissen Klamotten müsste man noch etwas differenzieren, auch hier liegt die sogen. "eiserne" Sparta, die den Bodensatz der Hauptstadt "würdig" vertritt, locker vorn.
@ schusch Das neue "Eden" ist wirklich einen Besuch wert. Am schönsten ist es aber bei den Bohemians ("1905", 2. Liga) in Vrsovice (nicht zu verwechseln mit der Gangstertruppe, die z.Zt. mit geklautem Namen und mit 6-7 Fans in der 1.Liga spielt).
Zur Letná, dem dort ansässigen roten Gesindel (das bestimmt x mal wieder "Jude Slavia" gegröhlt hat) , evtl .demnächst noch etwas mehr. Das mit fehlender Fankultur, Rassismus und Affinaität zu gewissen Klamotten müsste man noch etwas differenzieren, auch hier liegt die sogen. "eiserne" Sparta, die den Bodensatz der Hauptstadt "würdig" vertritt, locker vorn.
Stimmt, das "Jude Slavia" habe ich mehrfach gehört. Da Jude auf tschechisch zid ist, hab' ich die Assoziation dann verworfen und hab's als einen unter vielen unverstandenen Gesängen verbucht. Ist das auf das deutsche Wort bezogen? Würde gerne von dir mehr Info über die Fanszenen bekommen, denn alles, was ich bisher in CZ aufgenommen habe, ist größtenteils selbstbeobachtet und mit Info einiger "Gelegenheitsfans" gepanscht, die aber selten im Stadion sind und sich für Fandinge selbst wenig interessieren.
Das neue "Eden" ist wirklich einen Besuch wert. Am schönsten ist es aber bei den Bohemians ("1905", 2. Liga) in Vrsovice.
Das neue Eden steht auf der "To Do"-Liste ganz oben - und was "Bohemka z Vrsovic" angeht, bin ich voll bei dir.
ich war ende märz/anfang april diesen jahres in prag und hab damals das derby zwischen slavia und sparta erlebt - es ging hoch her, sitze gerissen, mehrere verletzte, bengalo's, 20 festnahmen etc. .....stand damals glaub ich sogar in den zeitungen hier in deutschland....
Da gibt es die "echten" und die "falschen" Bohemians also.
So wie ich das verstanden habe, ging der Verein in Konkurs, die Rechte an Namen und Titel hat sich jemand gesichert, der jetzt als solcher die Lizenz nach Pribram oder sonst irgendeinem Kaff rechts der Autobahn verscherbelt hat, und es gab dazu von den alteingessenen Fans eine Neugründung.
Jetzt war nun der "Fanverein" letzte Saison Erstligist, ist aber wieder abgestiegen und der "Fakeverein" ist jetzt wieder aufgestiegen.
Das ist wirklich verwirrend, weil wenn Kicker Tabelle liest, Bohemians abegestiegen ist und jetzt Bohemians (N) wieder dabei ist.
Zufällig habe ich vor kurzem ein paar Wiki-Artikel zu tschechischen Vereinen gelesen, darunter auch den zu den Bohemians. Ich hätte ja nicht gedacht, dass dieses Thema jetzt hier aufkommt.
Wikipedia schrieb: Während in diesen Wochen die Zukunft des Vereins auf des Messers Schneide stand, verlieh der Gesamtverein TJ Bohemians Praha, aus dem sich der FC Bohemians Anfang der 1990er Jahre selbstständig gemacht hatte, die Bezeichnung Bohemians sowie das Wappen mit dem Känguru, beides befand sich in dessen Besitz, an den Drittligisten FC Střížkov Praha 9, der sich den Namen FC Bohemians Praha bei der zuständigen Behörde eintragen ließ.
Wikipedia schrieb: Zum Saisonstart schwelte der Konflikt um den Vereinsnamen FC Bohemians Praha wieder auf. Der tschechische Fußballverband machte deutlich, dass er nur einen Verein namens Bohemians in seinen Ligen akzeptieren würde, und zwar jenen, der die Tradition der Vorgänger weiterführen würde. In den Augen der Verbandsfunktionäre war dies Eindeutig der AFK Vršovice a.s., der etwa einen Monat vor Saisonstart seinen Namen auf Bohemians 1905 a.s. geändert hatte. Da sich der FC Střížkov Praha 9 weigerte, seine Umbenennung auf FC Bohemians Praha rückgängig zu machen, wurde er kurzerhand vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Als der Präsident des FC Střížkov Praha 9, Karl Kapr, mit einer Berufung beim Verband keinen Erfolg hatte, klagte er bei einem Zivilgericht. Das ordnete per einstweiliger Verfügung die Wiedereingliederung des FC Bohemians Praha (vormals FC Střížkov Praha 9) in den laufenden Spielbetrieb ein.
Die "Insider-Infos" zur jüngeren Geschichte muss ggf. der Herr Klötzer beitragen, was genau da ablief, ist mir nicht nachvollziehbar. Es ist aber richtig, dass es eine relativ erfolgreiche Sammelaktion unter den Fans gab, aber nur durch die Einbeziehung von Investoren die tatsächliche Fortsetzung des Spielbetriebes möglich war. Die "echten" Bohemians sind die mit der 1905 hintendran, was sich ja auch u.a. am Zuschauerzuspruch ablesen lässt (so hat "Bohemians 1905" in der zweiten Liga einen Schnitt von über 6.000, was in der ersten Liga nur drei Vereine schaffen, während "Bohemians Praha" in der ersten vor unter 2.000 spielt).
Der von dir angesprochene Antonin Panenka hat tatsächlich den größten Teil seines Fußballerlebens bei Bohemka verbracht und ist heute Präsident des Vereins. Zur Zeit steht der Umzug vom liebenswerten, aber eben nicht mehr dem "modernen Fußball" genügenden Stadion Dolicek ins neue Eden (Slavia-Stadion) zur Diskussion, gegen den sich die Fans vehement wehren. Ein ziemlich extravaganter Entwurf zur alternativen Renovierung des Dolicek wurde auch erstellt - hoffentlich setzt sich letzteres durch.
Was den "Sankt Pauli Faktor" angeht - Bohemka ist schon irgendwie "cool" unter den Alternativen der Stadt, so sind mehrere alternative Clubs in ganz Prag mit Stickern zugepappt und die Bohemians Ultras haben auch eine Freundschaft mit USP. Allerdings auch verständlich angesichts einer generell sehr rechten Tendenz in den Fankurven Tschechiens. Ein "Hype" eher nicht, was aber auch im Zusammenhang mit der interessanten Tatsache gesehen werden muss, dass generell zwar sehr viel Interesse am Fußball herrscht, man aber eben nicht ins Stadion geht, sondern im Zweifelsfall eher in der Kneipe die Premier League anschaut...
Falls die Themen Pyro und Besserfan übrigens jetzt beendet wären, könnte ja vielleicht mal ein Mod diese Beiträge rausschneiden?
Mit "Hype" meinte ich nicht St. Pauli. Das ist ja eher abschreckend.
Von der Einstellung her vielleicht eher vergleichbar mit den Wiener Sportklub, klein, fein, Kurve eher links, alternativ drauf.
Ob das jetzt das bessere Fußballerlebnis ist, lieber wenig unter sich, oder doch lieber in einer prall gefüllten Kurve, muss man halt für sich selbst entscheiden.
schusch schrieb: Zurück zum tschechischen Fußball.
Da gibt es die "echten" und die "falschen" Bohemians also.
So wie ich das verstanden habe, ging der Verein in Konkurs, die Rechte an Namen und Titel hat sich jemand gesichert, der jetzt als solcher die Lizenz nach Pribram oder sonst irgendeinem Kaff rechts der Autobahn verscherbelt hat, und es gab dazu von den alteingessenen Fans eine Neugründung.
Jetzt war nun der "Fanverein" letzte Saison Erstligist, ist aber wieder abgestiegen und der "Fakeverein" ist jetzt wieder aufgestiegen.
Das ist wirklich verwirrend, weil wenn Kicker Tabelle liest, Bohemians abegestiegen ist und jetzt Bohemians (N) wieder dabei ist.
Ja, da fällt mir ein, als ich 1979 mit einer Jugendgruppe in Prag war, lief Mittwochs das UEFA-Cup-Spiel Dukla Prag - Racing Straßburg. Unser netter Reiseleiter hat uns Karten besorgt + ist mit dem fussballinteressierten Teil unserer Gruppe ins Stadion des Armeesportklubs gefahren.
Bei Dukla spielten damals noch so Stars wie Zdenek Nehoda (später bei Darmstadt 98 in der BuLi) + die Dukla hatte in der Vorsaison immerhin den VfB Stuttgart (Mit Hansi Müller, K. H. Förster, Walter Kelsch, Dieter Hoeneß...) unter Jürgen Sundermann aus dem UEFA-Cup geworfen, sie war also eine gute Adresse.
Es wurde technisch hochwertiger Fussball geboten und Dukla gewann das Hinspiel dieser Runde 1:0. Am Morgen danach musste ich in einer Prager Zeitung lesen, dass unserer Eintracht wiederum ihr UEFA-Cup-Hinspiel in Bukarest gegen Dynamo 0:2 verloren hatte... Da ahnte ich noch nicht, dass mir im Rückspiel der berühmte Hölzenbein-Kopfball im Sitzen in allerletzter Minute zum Erreichen der Verlängerung bevorstehen würde...
Übrigens: Am Wochenende zuvor reisten wir Samstags abends nach Prag ab. Mittags war im noch Waldstadion und sah eines der unvergesslichen Eintrachtspiele: 0:2 lagen wir gegen Bayern in der Anfangsviertelstunde der 2. HZ zurück und kamen durch Nickel, Körbel und ich glaube Harry Karger noch zum Sieg! Ich erinnere mich noch gut, wie aufreizend langsam Paul Breitner bei eigener Führung zur Ausführung von Eckbällen schritt... und wie er plötzlich zu den Ecken rannte, als sie später im Rückstand lagen!
Ich versuche mal, das ganze im Vergleich zur Eintracht darzustellen, vielleicht wird's dann etwas durchsichtiger.
Auf hiesige Strukturen übertragen also in etwa dieses Szenario: Eintracht Frankfurt Fußball AG geht bankrott und stellt den Spielbetrieb ein. Eintracht Frankfurt e.V. hat finanziell auch schon bessere Zeiten gesehen und sieht jetzt das - wenn auch ausgegliederte - Aushängeschild des Vereins untergehen. Gleichzeitig wirbt ein gewisser Wasserfilterhersteller aus dem Taunus mit viel Bimbes, um seinem hochgepuschten, doch ungeliebten Vorort-Verein einen Anstrich von Tradition und Glamour zu geben. Der e.V. verkauft also den Namen "Eintracht Frankfurt Fußball" inklusive des Adlers in den Vorort, der daraufhin als Kopie der vermeintlich untergegangenen Eintracht auftritt - inklusive "neuer" Vereinsfarben und getilgter bisheriger Historie. Irgendwie schaffen es aber Fans und Investoren der "alten Eintracht", eine Finanzierung und eine Mannschaft aufzustellen - die aufgrund der zwischenzeitlich verkauften Namensrechte aber jetzt eben unter dem Namen "Eintracht 1899" auflaufen muss.
Kompliziert - dass das ganze Verwirrspiel auch in Tschechien ganz gut funktioniert, scheint mir übrigens eine ganz aktuelle Umfrage zu zeigen, derzufolge sich 135.000 TschechInnen als Fans des Erstligisten "Bohemians Praha" bezeichnen. Ein "FC Praha Strikov 9" in der ersten Liga wäre wahrscheinlich eher auf 1.350 gekommen...
Weiterhin ist demnach übrigens Sparta mit gut 1 Mio. Fans (bei einer Bevölkerung von 10 Mio.!) vor Banik Ostrava und Slavia mit je gut 600.000 der beliebteste Verein Tschechiens. Natürlich sind solche Umfragen immer mit sehr vielen Vorbehalten zu betrachten, aber in der Tendenz scheint das schon so hinzukommen.
Da ich noch die ganze Woche in Prag bleiben werde, werde ich mir am Sonntag evtl. mal Slavia im Heimspiel gegen Kladno anschauen. Mal schauen, ob da Ultras Slavia und Co. an die Party aus dem Derby anknüpfen können. Kladno ist jedenfalls ein Gegner aus der Attraktivitätsklasse von Cottbus oder Bielefeld.
(K)Ein Wort zu Zizkov: Der Verein scheint mir in der Stadt keinen besonderen Rückhalt zu haben, abgesehen von einer sehr Sticker-aktiven Ultragruppe.
Bigbamboo schrieb: Dazke, Kidd. Allerdings begreife ich das immer noch nicht so ganz. Aber es scheint ja zu funktionieren.
Nu ja, da hat halt einer die Restbestände (Marke) aufgekauft und war schneller als die "richtigen".
In Italien kam und kommt das auch so ähnlich vor. Beispiel: Die Fiorentina, bzw deren Besitzer war im Konkursverfahren. Aber sie war noch nicht ganz platt. Es gab eine "legitime" Neugründung (von den Fans und der Stadt getragen), die als "Florentia Viola" in der vierten Liga angetreten ist. Ein Jahr später wurde aus der Konkursmasse des Altvereins Marke, Wappen und das Geschirr ausgelöst und auf die Neugründung übertragen, die jetzt wieder als stolze Fiorentina in der CL antritt. Und das auch zu Recht.
Im Falle Bohemians ist der Kampf noch nicht entschieden. Den Eigentümern der "Marke" ist anscheinend nicht klar, wo der Verein hingehört. Ist denen vielleicht auch egal. Da ist die die Frage, wer länger durchhält, bis es wieder zur notwendigen Zusammenführung kommt.
Leider nicht in Prag, sondern mit 1 Auge im Internet-Stream gesehen.
Smicer hat gespielt, als sei er in einen Jungbrunnen gefallen.
Als ich so im privaten Rahmen im feinen Kleinseitner "Dobra trafika" saß, verriet der Zufallsblick auf die Zeitung, dass heute um 1715 das Prager-"S"-Derby beginnen sollte - es war gerade 1700 Uhr. Argh, wie konnte ich das denn nicht mitbekommen haben? Kurz die Zeit überschlagen, die ich zum Stadion brauchen würde, wurde die etwas überraschte Begleitung verabschiedet und losgerannt. Aus der Straßenbahn gesprungen, erwischten mich die Ausmaße der Tunnelbaustelle Letna erstmal kalt... so viele Absperrungen, dass der Weg zum Stadion gar nicht ersichtlich war. Während es also schon 1720 war und ich an der Absperrung entlangrannte, war dann auch schon der erste Torjubel hörbar. Super. Aufgrund der Lautstärke ging ich vom 1-0 für Sparta aus.
Am Stadion alle Kassen geschlossen, ausverkauft! Aufgrund der fanfreundlichen Anstoßzeit Montag, 1715, kamen immer noch massenhaft Leute, die es nicht pünktlich geschafft hatten, und daher machten auch nach Spielbeginn die Schwarzhändler ein ganz gutes Geschäft. Schließlich kam ich für 200 Kc zum Zuge, um die 8 Euro, wollte ja nicht noch mehr verpassen und saß dann auf der Hintertortribüne der Heimfans. Falls jemand das Stadion nicht von der Nationalmannschaft kennt: Ist mit Leverkusen am ehesten zu vergleichen, allerdings zweirangig, allseater mit einer Kapazität von gut 20.000, komplett überdacht und schön eng.
Hatte sehr gute Sicht auf's Spielfeld und den Slavia-Block, der Blick auf den Heimblock blieb leider verwehrt, da er sich schräg neben/über mir befand. Während ich von Sparta trotz der räumlichen Nähe kaum etwas vernahm, war der gesamte Gästeblock, dem der Spielverlauf natürlich entgegenkam, von Beginn an in blendender Verfassung.
Das Spiel war mal-so-mal-so, Sparta spielte v.a. in der Abwehr ziemlich Eintrachtmäßig, während der aktuelle Meister vielfach einen sehr feinen Ball spielte.
In der 30. das 2-0 und das sah schon fast nach einer Vorentscheidung aus, so wie das Spiel gelaufen war, allerdings schlug Sparta nach nur einer Minute nach einer tollen Kombination zurück. Danach war auch mal ein bisschen Stimmung auf Heimseite, aber insgesamt war das doch sehr sehr mau von Sparta.
Das Halbzeitbierchen musste dann ausfallen, weil die Schlangen ewig lang waren und es auch im Lande der immerwährenden Bierflüsse zum heutigen "Risikospiel" nur alkfrei gab. A propos Risiko: Das gesamte Stadion war mit einem gigantischen Aufgebot an Riotcops gesegnet. Und zwar nicht nur im Außenbereich oder um's Spielfeld, wie man's bei uns kennt, sondern auf sämtlichen Tribünen und Umläufen.
In der zweiten Halbzeit ähnliches Spielchen, Sparta zwar etwas druckvoller aber einfach zu schlecht, Slavia immer mit Kontrolle über das Spielgeschehen und vor allem auch auf den Rängen. Was die Anhänger von Slavia hier abzogen, war wirklich beeindruckend. Man war fast komplett einheitlich in rot gekleidet, keine sichtbaren Brüche zwischen Fanfraktionen, und alle, wirklich alle im Gästeblock, Ober- und Unterrang machten bei allen Liedern mit. Eher Schlachtrufe als Melodien, aber in brachialer Lautstärke. Sparta zündete gegen Mitte der zweiten Halbzeit einige Bengalen und pöbelte auch teilweise heftig gegen Slavia, was aber immer nach der Durchsage, bitte Schimpfworte zu vermeiden(!), sofort fast verstummte. Traurig...
Nach dem 3-1 in der 70. gingen schon die ersten heim und ab der 80. war das Stadion ein Drittel geleert... wie Schalke und Bayern irgendwie. Das 4-1 für Slavia brachte den Gästeblock endgültig zur Explosion, während von Sparta-Seite einige Gegenstände auf's Spielfeld flogen, aber nix wildes.
Überhaupt war ich eigentlich doch eher überrascht, wie friedlich im ganzen Stadion Sparta- und Slavia-Fans nebeneinandersaßen. Hatte eine etwas hasserfülltere Atmosphäre erwartet, davon war wenig zu spüren.
Nicht überraschend aber doch immer wieder extrem negativ auffällig das massive Auftreten von Neonazis - würde man hier TS- und 88-Klamotten verbieten, wären große Teile beider Fanszenen ganz schön leicht bekleidet.
Unter dem Schutz dreier Polizeihubschrauber und vieler Hundertschaften entschwand ich dann gegen 1915 in die Prager Nacht, in der zwar immer mal wieder Kleingruppen von Möbelpackern auf der Suche nach jeweils Gleichgesinnten waren, aber wohl nix größeres passierte...
Fotos und Videos hab' ich leider keine, ein paar Impressionen aus dem Stadion gibt's aber hier. Fußball in Tschechien, durchaus einen Ausflug wert. Und immerhin ist Prag Partnerstadt von Frankfurt.
So was macht doch Spass zu lesen.
Danke!
War mal bei Sigma Olomouc gegen Sparta, eher interessant als aufregend, das Prager Derby ist doch aber mal was.
Bei Gelegenheit, wo doch Slavia wieder in seinem alten, neuen Stadion spielt würde ich mir das gerne auch mal gerne dort angucken.
sehr schöner Bericht über ein sehr schönes Spiel, beim dem ich Dich beneide, dass Du da warst.
Zur Letná, dem dort ansässigen roten Gesindel (das bestimmt x mal wieder "Jude Slavia" gegröhlt hat) , evtl .demnächst noch etwas mehr. Das mit fehlender Fankultur, Rassismus und Affinaität zu gewissen Klamotten müsste man noch etwas differenzieren, auch hier liegt die sogen. "eiserne" Sparta, die den Bodensatz der Hauptstadt "würdig" vertritt, locker vorn.
@ schusch
Das neue "Eden" ist wirklich einen Besuch wert. Am schönsten ist es aber bei den Bohemians ("1905", 2. Liga) in Vrsovice (nicht zu verwechseln mit der Gangstertruppe, die z.Zt. mit geklautem Namen und mit 6-7 Fans in der 1.Liga spielt).
Stimmt, das "Jude Slavia" habe ich mehrfach gehört. Da Jude auf tschechisch zid ist, hab' ich die Assoziation dann verworfen und hab's als einen unter vielen unverstandenen Gesängen verbucht. Ist das auf das deutsche Wort bezogen?
Würde gerne von dir mehr Info über die Fanszenen bekommen, denn alles, was ich bisher in CZ aufgenommen habe, ist größtenteils selbstbeobachtet und mit Info einiger "Gelegenheitsfans" gepanscht, die aber selten im Stadion sind und sich für Fandinge selbst wenig interessieren.
Das neue Eden steht auf der "To Do"-Liste ganz oben - und was "Bohemka z Vrsovic" angeht, bin ich voll bei dir.
Panenka, kam der net auch daher? Einer der lässigere Elfer schießt als Wurst-Uli.
Da gibt es die "echten" und die "falschen" Bohemians also.
So wie ich das verstanden habe, ging der Verein in Konkurs, die Rechte an Namen und Titel hat sich jemand gesichert, der jetzt als solcher die Lizenz nach Pribram oder sonst irgendeinem Kaff rechts der Autobahn verscherbelt hat, und es gab dazu von den alteingessenen Fans eine Neugründung.
Jetzt war nun der "Fanverein" letzte Saison Erstligist, ist aber wieder abgestiegen und der "Fakeverein" ist jetzt wieder aufgestiegen.
Das ist wirklich verwirrend, weil wenn Kicker Tabelle liest, Bohemians abegestiegen ist und jetzt Bohemians (N) wieder dabei ist.
Kidd, Kuno, was denn jetzt?
http://de.wikipedia.org/wiki/Bohemians_1905_Prag
Zum Kotzen, was ein Gericht einfach so entscheiden kann!
Der von dir angesprochene Antonin Panenka hat tatsächlich den größten Teil seines Fußballerlebens bei Bohemka verbracht und ist heute Präsident des Vereins. Zur Zeit steht der Umzug vom liebenswerten, aber eben nicht mehr dem "modernen Fußball" genügenden Stadion Dolicek ins neue Eden (Slavia-Stadion) zur Diskussion, gegen den sich die Fans vehement wehren. Ein ziemlich extravaganter Entwurf zur alternativen Renovierung des Dolicek wurde auch erstellt - hoffentlich setzt sich letzteres durch.
Was den "Sankt Pauli Faktor" angeht - Bohemka ist schon irgendwie "cool" unter den Alternativen der Stadt, so sind mehrere alternative Clubs in ganz Prag mit Stickern zugepappt und die Bohemians Ultras haben auch eine Freundschaft mit USP. Allerdings auch verständlich angesichts einer generell sehr rechten Tendenz in den Fankurven Tschechiens. Ein "Hype" eher nicht, was aber auch im Zusammenhang mit der interessanten Tatsache gesehen werden muss, dass generell zwar sehr viel Interesse am Fußball herrscht, man aber eben nicht ins Stadion geht, sondern im Zweifelsfall eher in der Kneipe die Premier League anschaut...
Falls die Themen Pyro und Besserfan übrigens jetzt beendet wären, könnte ja vielleicht mal ein Mod diese Beiträge rausschneiden?
Von der Einstellung her vielleicht eher vergleichbar mit den Wiener Sportklub, klein, fein, Kurve eher links, alternativ drauf.
Ob das jetzt das bessere Fußballerlebnis ist, lieber wenig unter sich, oder doch lieber in einer prall gefüllten Kurve, muss man halt für sich selbst entscheiden.
Sehr merkwürdig. Warum macht man sowas?
Bei Dukla spielten damals noch so Stars wie Zdenek Nehoda (später bei Darmstadt 98 in der BuLi) + die Dukla hatte in der Vorsaison immerhin den VfB Stuttgart (Mit Hansi Müller, K. H. Förster, Walter Kelsch, Dieter Hoeneß...) unter Jürgen Sundermann aus dem UEFA-Cup geworfen, sie war also eine gute Adresse.
Es wurde technisch hochwertiger Fussball geboten und Dukla gewann das Hinspiel dieser Runde 1:0.
Am Morgen danach musste ich in einer Prager Zeitung lesen, dass unserer Eintracht wiederum ihr UEFA-Cup-Hinspiel in Bukarest gegen Dynamo 0:2 verloren hatte... Da ahnte ich noch nicht, dass mir im Rückspiel der berühmte Hölzenbein-Kopfball im Sitzen in allerletzter Minute zum Erreichen der Verlängerung bevorstehen würde...
Übrigens: Am Wochenende zuvor reisten wir Samstags abends nach Prag ab. Mittags war im noch Waldstadion und sah eines der unvergesslichen Eintrachtspiele: 0:2 lagen wir gegen Bayern in der Anfangsviertelstunde der 2. HZ zurück und kamen durch Nickel, Körbel und ich glaube Harry Karger noch zum Sieg! Ich erinnere mich noch gut, wie aufreizend langsam Paul Breitner bei eigener Führung zur Ausführung von Eckbällen schritt... und wie er plötzlich zu den Ecken rannte, als sie später im Rückstand lagen!
Kuno?
Wir warten auf jemanden, der uns was erzählen kann, was wir noch nicht meinen, zu wissen.
Wär mal ne willkommenene Abwechslung in diesem Forum.
Auf hiesige Strukturen übertragen also in etwa dieses Szenario: Eintracht Frankfurt Fußball AG geht bankrott und stellt den Spielbetrieb ein. Eintracht Frankfurt e.V. hat finanziell auch schon bessere Zeiten gesehen und sieht jetzt das - wenn auch ausgegliederte - Aushängeschild des Vereins untergehen. Gleichzeitig wirbt ein gewisser Wasserfilterhersteller aus dem Taunus mit viel Bimbes, um seinem hochgepuschten, doch ungeliebten Vorort-Verein einen Anstrich von Tradition und Glamour zu geben. Der e.V. verkauft also den Namen "Eintracht Frankfurt Fußball" inklusive des Adlers in den Vorort, der daraufhin als Kopie der vermeintlich untergegangenen Eintracht auftritt - inklusive "neuer" Vereinsfarben und getilgter bisheriger Historie.
Irgendwie schaffen es aber Fans und Investoren der "alten Eintracht", eine Finanzierung und eine Mannschaft aufzustellen - die aufgrund der zwischenzeitlich verkauften Namensrechte aber jetzt eben unter dem Namen "Eintracht 1899" auflaufen muss.
Kompliziert - dass das ganze Verwirrspiel auch in Tschechien ganz gut funktioniert, scheint mir übrigens eine ganz aktuelle Umfrage zu zeigen, derzufolge sich 135.000 TschechInnen als Fans des Erstligisten "Bohemians Praha" bezeichnen. Ein "FC Praha Strikov 9" in der ersten Liga wäre wahrscheinlich eher auf 1.350 gekommen...
Weiterhin ist demnach übrigens Sparta mit gut 1 Mio. Fans (bei einer Bevölkerung von 10 Mio.!) vor Banik Ostrava und Slavia mit je gut 600.000 der beliebteste Verein Tschechiens. Natürlich sind solche Umfragen immer mit sehr vielen Vorbehalten zu betrachten, aber in der Tendenz scheint das schon so hinzukommen.
Da ich noch die ganze Woche in Prag bleiben werde, werde ich mir am Sonntag evtl. mal Slavia im Heimspiel gegen Kladno anschauen. Mal schauen, ob da Ultras Slavia und Co. an die Party aus dem Derby anknüpfen können. Kladno ist jedenfalls ein Gegner aus der Attraktivitätsklasse von Cottbus oder Bielefeld.
(K)Ein Wort zu Zizkov: Der Verein scheint mir in der Stadt keinen besonderen Rückhalt zu haben, abgesehen von einer sehr Sticker-aktiven Ultragruppe.
All dies vorbehaltlich Korrekturen durch Kuno...
Nu ja, da hat halt einer die Restbestände (Marke) aufgekauft und war schneller als die "richtigen".
In Italien kam und kommt das auch so ähnlich vor. Beispiel: Die Fiorentina, bzw deren Besitzer war im Konkursverfahren. Aber sie war noch nicht ganz platt. Es gab eine "legitime" Neugründung (von den Fans und der Stadt getragen), die als "Florentia Viola" in der vierten Liga angetreten ist. Ein Jahr später wurde aus der Konkursmasse des Altvereins Marke, Wappen und das Geschirr ausgelöst und auf die Neugründung übertragen, die jetzt wieder als stolze Fiorentina in der CL antritt. Und das auch zu Recht.
Im Falle Bohemians ist der Kampf noch nicht entschieden. Den Eigentümern der "Marke" ist anscheinend nicht klar, wo der Verein hingehört. Ist denen vielleicht auch egal. Da ist die die Frage, wer länger durchhält, bis es wieder zur notwendigen Zusammenführung kommt.