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Italien im November 2014 - Erfahrungsbericht (XXXL)

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DANKE für den Bericht und die Bilder!! sau stakk!
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Und wie lautet das Fazit?Vergleich mit Deutschland.
Ist das Pille Palle was in deutschen Stadien abgeht?
Naja die Italiener sind halt melodisch. Selbst die Krankenwagen hören sich cool an.
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frikadelle-mit-bulette schrieb:
Und wie lautet das Fazit?Vergleich mit Deutschland.
Ist das Pille Palle was in deutschen Stadien abgeht?


Wozu?
Er hat beschrieben, wie es dort war. Und das auf allerhöchstem Niveau.
Reicht doch.
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stormfather3001 schrieb:
Toller Bericht, interessante Bilder, Danke!
Was ein Irrsinn, da muss man kerngesund sein.

Sag mal, Du scheinst gut italienisch sprechen zu können?
Also ich war Ende der 80er Jahre 10-14 Tage in Salerno. Urlaub!
Mein größtes Problem damals, die Sprachbarriere und die Öffnungszeiten der Banken? Immer von Pistoleros bewacht!
Wenn man kein italienisch konnte, ist man südlich von Rom eigentlich nur mit französisch weiter gekommen. Englisch war nicht. Ist das immer noch so?
Natürlich war da auch Pompeij, Herculaneum, Paestum Pflicht und das bei sengender Hitze.
Nach Neapel habe ich mich mit 2 blonden Kindern jedoch nicht rein getraut. Naja Camorra usw. war ja auch damals bekannt.


Naja, eigentlich spreche ich kein Wort italienisch  
So ein paar ganz rudimentäre Grundkenntnisse eignet man sich mit der Zeit an (ich sag mal so: zum Speisekarte lesen reicht es), zur Verständigung musste aber schon ein Mischmasch aus Englisch, Schulfranzösisch, Hände, Füße und Italienischfetzen herhalten.
Wobei ich es mir schlimmer vorgestellt hätte. In Pisa und Florenz konnte wirklich jeder englisch, im Süden war es da schon schwieriger (teilweise konnten oder wollten Anfang 20jährige kein englisch reden), aber auch da kam dann trotzdem eigentlich gut durch
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reggaetyp schrieb:
frikadelle-mit-bulette schrieb:
Und wie lautet das Fazit?Vergleich mit Deutschland.
Ist das Pille Palle was in deutschen Stadien abgeht?


Wozu?
Er hat beschrieben, wie es dort war. Und das auf allerhöchstem Niveau.
Reicht doch.


Joa.
Bin auch kein Freund von großen Vergleichen. Unterschiedliche Mentalität, Kultur etc.
Trotzdem ganz kurz, da danach gefragt wurde:
Rein auf das Kurvengeschehen bezogen sind nach meinem persönlichen Eindruck - und das ist alles völlig wertfrei - die deutschen Kurven voller, bunter und machen überragende Choreos. Und trotzdem hat das alles was von Original gegenüber Kopie. Oder um es völlig überspitzt zu sagen, ohne jemandem auf die Füße treten zu wollen: In Deutschland stehen kleine Jungs, die einen auf dicke Hose machen. In Italien dicke Hosen, die wieder zu kleinen Jungs mutieren

Mag reichen, könnte zwar wieder drauf los philosophieren, aber in dem Text steht eigentlich genug drin
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Oesch schrieb:
stormfather3001 schrieb:
Toller Bericht, interessante Bilder, Danke!
Was ein Irrsinn, da muss man kerngesund sein.

Sag mal, Du scheinst gut italienisch sprechen zu können?
Also ich war Ende der 80er Jahre 10-14 Tage in Salerno. Urlaub!
Mein größtes Problem damals, die Sprachbarriere und die Öffnungszeiten der Banken? Immer von Pistoleros bewacht!
Wenn man kein italienisch konnte, ist man südlich von Rom eigentlich nur mit französisch weiter gekommen. Englisch war nicht. Ist das immer noch so?
Natürlich war da auch Pompeij, Herculaneum, Paestum Pflicht und das bei sengender Hitze.
Nach Neapel habe ich mich mit 2 blonden Kindern jedoch nicht rein getraut. Naja Camorra usw. war ja auch damals bekannt.


Naja, eigentlich spreche ich kein Wort italienisch  
So ein paar ganz rudimentäre Grundkenntnisse eignet man sich mit der Zeit an (ich sag mal so: zum Speisekarte lesen reicht es), zur Verständigung musste aber schon ein Mischmasch aus Englisch, Schulfranzösisch, Hände, Füße und Italienischfetzen herhalten.
Wobei ich es mir schlimmer vorgestellt hätte. In Pisa und Florenz konnte wirklich jeder englisch, im Süden war es da schon schwieriger (teilweise konnten oder wollten Anfang 20jährige kein englisch reden), aber auch da kam dann trotzdem eigentlich gut durch


Grazie mille!
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Gude Italien Experten, ich will evtl. im Mai nächsten Jahres Rom besuchen (natürlich mit Fußball   )
Am Wochenende des 24.05. findet dort das Derby Lazio vs. Roma statt (vorletzter Spieltag)
Frage: Weiß jemand ob man da als "normalsterblicher Touri" an Karten kommt?
Oder soll ich mir lieber ein anderes Wochenende aussuchen?
Und noch eine Frage, da ich mich unterhalb der Serie A nicht wirklich auskenne; könnt ihr kleinere Vereine in Rom und Umgebung empfehlen?
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Vielen Dank für deine Eindrücke Oesch. Klingt nach ner geilen Tour.  
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Gude mal wieder,

da der Bericht im Eröffnungsbeitrag doch regen Zuspruch erhielt, gibt's hier mal einen Nachschlag. Ich entschuldige mich im Vorfeld schonmal, aber aufgrund der Konstellation der Reisegruppe und der Spielpläne lag der Fokus diesmal auch eher auf Suff. Die Erlebnisse von Samstag Abend habe ich dann auch mal geschickt ausgeblendet. Wer daran Interesse hat kann den kompletten Bericht eventuell noch später (eher nach Saisonende) an anderer Stelle lesen
Dafür habe ich aber diesmal eine Rechtschreibeprüfung über den Text laufen lassen


Anyway, genug das Vorgeplänkels:


In Zeiten von Pegida, den Anschlägen in Paris, Boko Haram usw, in denen man beim Zappen durch wahlweise TV, Radio oder www aus dem Kotzen nicht mehr raus kommt, lag nichts näher als mal wieder einen Reset durchzuführen und für ein Wochenende die ganze Scheiße zu vergessen. Das Jahr hat dank eines fiesen Hämorrhoidenproblems(Infos, die die Welt nicht braucht :-p) und dem alljährlichen Stress zu Jahresbeginn auf der Maloche eh noch nicht sonderlich gut angefangen, so dass das jetzt gerade mal recht kommt. Da am Freitagabend mein Vater noch Geburtstag feierte, das Derby für gewöhnlich Sonntags 15 Uhr angepfiffen wird und allerspätestens Dienstag wieder auf der Arbeit angetanzt werden musste, war schon im Vorfeld klar, dass für das Rahmenprogramm mal keine weiteren Kicks angedacht waren (war zeitlich eh nix kombinierbar) sondern das Augenmerk auf den Ausbau der zwischenmenschlichen Beziehungen lag.

Samstag morgens sollte uns - war ich bei der letzten Italientour noch alleine unterwegs, sollte die Reisegruppe diesmal aus neun (!) Personen bestehen (8x SGE und ein Quotenlautrer) - der heimatvereinseigene 9er mal wieder zur Airbase Hunsrück führen, immerhin für mich das vierte Mal innerhalb der letzten beiden Monate, herzlichen Glückwunsch.
Vor Abfahrt sagte allerdings der Tourälteste aus gesundheitlichen Gründen ab, kacke, also nur noch zu acht.

(...)

Sicher steuerte ich unser Vehikel durch den idyllischen Hunsrück zum Hahn, von wo aus wir nach ruhigem Flug ohne jegliche Vorkommnisse Rom bei strahlendem Sonnenschein erreichten.
Nach einer Runde Memory und zwei Kannen Tee fielen wir auch recht zetig in einen erholsamen Schlaf, schließlich wollten wir am nächsten Tag auch alle fit sein. So zumindest die Erinnerung

Zum Glück sah die Realität anders aus.

(...)

8:30, der Wecker klingelt.

Sonntag. Derbytag. Kader des Todes.

Der erste Blick des Tages ging dann in die Geldbörse, in der sich die dunklen Erinnerungen mit den größten Befürchtungen zu einer grausigen Wahrheit verbanden. Was in der Nacht noch nicht von Erfolg gekrönt war, war dafür jetzt umso realer: Ein Hauch von Nichts lächelte uns bittersüß an. Dafür hatten wir neben Balisto noch drei blinkende Sonnenbrillen, zwei geräuschgebende Tierschlüsselanhänger und sechs Rastaarmbändchen auf dem Zimmer. Nach kurzem Revue passieren lassen und einer messerscharfen Analyse ("So ne Katze ist auch net teuer, aber es summiert sich") konnten wir jedoch feststellen, dass wir nicht etwa beklaut wurden sondern für das Leck im Geldbeutel selbst verantwortlich sind. Aber besser ein Leck im Geldbeutel, als diesen gar nicht mehr zu besitzen. So erging es nämlich unserem Tour-Opi. Was jetzt folgte, war ein absolutes Drama, aber ich will nicht weiter drauf eingehen um nicht die gerade verheilenden Wunden wieder aufzureißen. Nur kurz ein Gedanke dazu: Scheiß Situation (vor allem in Hinsicht, dass ohne Perso kein Einlass ins Stadion), aber man kann ja wenigstens versuchen das Beste draus machen, zu ändern ist es eh nicht mehr. Man kann aber natürlich auch einfach gar nichts machen und sich den ganzen Tag allein im Zimmer einschließen...

Nun gut, schrumpfte die Gruppe also weiter, was soll's, kommt ja eh nicht so cool, in einer großen Gruppe Touristen bei einem der heißesten Derbys (ja, ist es immer noch) aufzulaufen.

Vom Vatikan ging es dann also per pedes in Richtung Olympiastadion, wo das 143. Derby della Capitale auf uns wartete (wenn man nur Ligaspiel betrachtet, mit Pokalspielen kommt man auf 161). Von den 142 bisher ausgetragenen Duellen gingen 49 an Roma, 37 an Lazio und 56 endeten Remis.

Bei meinem einzigen Besuch hier vor zwei Jahren siegte Lazio in einem unglaublich emotionalen Spiel, das irgendwie alle Erwartungen übertraf (heftige Ausschreitungen vorm Spiel, Choreo zu Ehren Gabriele Sandris sowie Ehrenrunde dessen Familie, Stromausfall, irreguläre Platzbedingungen und verrückter Spielverlauf samt zweimal rot) und das Römer Derby in der Liste meiner Lieblingsspiele ganz weit nach oben katapultierte, so dass klar war, dass ich hier auch mal bei einem Heimspiel der Roma auftischen muss.
Also, mal sehen was uns heute erwartet.


AS Roma - SS Lazio 2:2, Stadio Olimpico, Serie A, 51.252 Zuschauer (15.000 "Gäste")


Diesmal gab es zumindest vor dem Spiel keine Ausschreitungen zu sehen, was aber auch daran gelegen haben könnte, dass uns der Weg diesmal aus Süden zum Stadion führte. Von der Geräuschkulisse her könnte es auf der anderen Seite schon wieder geknallt haben. Aufgrund des Vorabends kam auf dem Weg zum Olimpico allerdings noch keine wirklich Derbystimmung. Das änderte sich jedoch zumindest bei mir spätestens in dem Moment, als der Roma Bus an uns vorbei fuhr und von jeder Mende schalwedelnder Tifosi bejubelt wurde. Da war man auf einmal wach und wollte auch schnell ins Stadion rein, immerhin oftmals die Zeit vor Ort Anpfiff die beste Zeit des Derbys, singen sich doch hier schon beide Kurven gegenseitig nieder und startet der für das Römer Derby typische Spruchbandbattle schon weit vor Kick Off. Auch heute sollten wieder Unmengen Spruchbänder gezeigt werden, auf denen wahlweise der Gegner beleidigt, Bezug auf das letzte Aufeinandertreffen, Spieler/Verein glorifiziert oder an Vincenzo Paparelli erinnert wurde (Lazio Fan, der beim Derby 1979 durch eine Signalrakete starb und für den es seit dem bei jedem Derby Spruchbänder gibt). Die meisten Spruchbänder konnte ich jedoch entweder aufgrund meines Platzes oder wegen mangelnder italienisch Kenntnisse nicht verstehen. Laut Aussage Alteingesessener wären diese aber in der Prä-Raciti-Sandri-Zeit wesentlich tiefsinniger und cleverer gewesen.
Na gut, soviel dazu.

Gut eine Stunde vor Anpfiff ließen wir die Einlasskontrolle nach zweimaligen Perso-Ticket- Abgleich aber ohne Taschenkontrolle hinter uns und nahmen unseren Platz in der Distinti Sud (zwischen Curva Sud und Haupttribüne, 50€ und damit billigste frei verfügbare Kategorie, dafür aber bequem online über listicket.com bestellbar) ein.
Erster Blick zur Roma in die Curva Sud. Noch paar Lücken zu sehen, Choreo aber schon aufgebaut. Blick rüber in den Norden zu den Laziali. Boah, was ist denn hier los? Hingen das letzte Mal hier noch keinerlei Zaunfahnen, sah das diesmal schon ganz anders aus. Besonders dass die Fahne der berüchtigten Irriducibili wieder hing, sorgte für große Augen. Ist hier was an mir vorbei gegangen oder seit wann sind diese wieder aktiv im Stadion? Oder war das eine einmalige Sache zum Derby?
Mittlerweile wurden auch die ersten Spruchbänder gezeigt und ab und an gegeneinander gesungen. Das war dann auch sehr beeindruckend, aber trotzdem nicht in der Intensität wie beim letzten Mal. Richtig laut wurde es jedoch, als eine Gruppe Laziali zum Choreoaufbau die Laufbahn kam und dafür vom kompletten Rest des Stadions niedergepfiffen und -gesungen wurde. Das ist schon geil, wie der Hass hier allgegenwärtig auch beim normalen Stadionbesucher verankert ist.
So konnte man jetzt bis zum Anpfiff dem Treiben der Kurven oder den Spielern beim warmmachen zusehen, man konnte aber seinen Blick auch auf die Anzeigetafel richten, blendete der hierfür verantwortliche Regisseur doch eine Traumfrau nach der anderen aus dem Publikum ein. War schon nicht schlecht und eine gelungene Abwechslung
Ebenfalls nicht schlecht waren die Roma-Hymnen. Ich bin ja eigentlich kein Freund von so möchtegern-melodramatischen Vereinshymnen, die ja in den meisten Fällen nur zum Fremdschämen sind, aber in Rom kommt das einfach gut (und da zähle ich die Lazio Hymne "Lazio Grande Lazio" explizit mit zu). Zum Einlaufen der Mannschaft wird das sensationelle "Roma Roma Roma" gespielt, und genau in dem Moment, in dem der Song einen Break hat und das Publikum singt, geht absolut zeitglich die Choreo hoch. Stark.
Im Hintergrund Pappen in den Vereinsfarben, dazu auf riesigen Doppelhaltern die Porträts der wichtigsten Kapitäne und Spieler der Vereinshistorie, von Attilio Ferraris IV (1927) bis Totti. Zusammen mit dem Spruchband „Söhne Roms, Kapitäne und Flaggen…unser Stolz, den ihr nie haben werdet“ (so oder eher so ähnlich) ergab dies ein sehr stimmungsvolles Bild.
Auf der gegenüberliegenden Seite im Norden wurde wie jedes Jahr ein hellblau-weißes Fähnchenmuster gezeigt, über das eine große Blockfahne gezogen wurde. Vor der Kurve prangerte das Dante-Zitat: „Macht euch keine Hoffnung, jemals den Himmel zu sehen! Ich komme, euch dort an dem andern Ufer, (in die ewige Finsternis, wo Hitze und Kälte wüten) zu führen“. Auf der Fahne selbst war ein Fährmann zu sehen, der mit einer toten Romanisti über das Wasser fuhr, so dass Bild in Kombination mit dem Spruch keiner weiteren Erklärung bedarf.
Mit Anpfiff der Partie begann es dann in beiden Kurven zu brennen, wobei der Punkt hier ganz klar an die gelb-roten ging, die eine für sie typische und eigentlich schon zur Hymne erwartete Pyroshow aus kiloweise Rauch in Vereinsfarben sowie mehreren Fackeln, die größtenteils alle auf der Tartanbahn entsorgt wurden zeigten. Garniert wurde das mit jeder Menge Böller und Papierbomben, die einen jedes Mal auf’s Neue zusammen zucken ließen. Die Anzahl der über das ganze Spiel detonierten Sprengsätze dürfte bestimmt dreistellig gewesen sein, gestört haben sich daran aber weder Zuschauer noch Spieler. Überhaupt dauerte es fast bis zur 10. Minute, bis man letztgenannte mal genauer beobachten konnte, ging das vorher doch aufgrund von Sichtbehinderung im Sinne von Nebel oder fasziniertem Blick auf die Tribüne (Choreo stand immer noch) nicht so wirklich. Machte aber nichts, in der ersten Anfangsphase war das Spiel eh nicht berauschend. Roma wollte zwar, aber leistete sich viel zu viele Fehler, so dass Lazio (bei denen Djordjevic für Klose in der Spitze spielte) besser ins Spiel kam und folgerichtig auch in Führung ging. Nach dem 0:2, das gleichbedeutend mit dem Halbzeitstand war, sah es aufgrund der desolaten Leistung schon so aus, als wäre der Käse hier gegessen.
Die Romanisti waren jetzt natürlich geschockt, gingen sie doch mit großen Erwartungen und einer riesigen Euphorie in die Partie, schließlich liegt man mit nur zwei Punkten Rückstand auf Juve (merda) auf Tabellenplatz zwei und könnte mit einem Sieg zumindest kurzfristig den Platz an der Sonne erobern, da Juve erst am Abend in Napoli spielen musste. Das schienen dann auch die Spieler zu begreifen, nach nur wenigen Minuten kamen diese aus dem Kabinentrakt zurück und nach noch weniger Minuten der zweiten Hälfte hatte Totti (wer sonst) den Ball auch schon zum Anschlusstreffer im gegnerischen Kasten versenkt.
Das war jetzt natürlich die perfekte Ausgangssituation für die verbleibende Spielzeit. Das Publikum war zurück, feierte jeden Einwurf euphorisch, Roma drückte, Lazio nutzte die Konterchancen nicht und in der 64. Minute schlug Jose Holebas einen Ball Richtung langen Pfosten. Und dort lauerte mit Seitfallzieher…Francesco TOTTI! Francescooooo TOTTI! Frrrrancescooo TOTTI! Was hier jetzt los war. Die Bilder, wie Totti in die Kurve rennt, mit Mannschaft und Fans feiert und auf dem Rückweg ein Selbstportrait (um das unsägliche Wort Selfie nicht zu benutzen [scheiße, doch passiert]) dürfte jeder gesehen haben. Zusätzlich war es für ihn persönlich auch ein geschichtsträchtiges Tor, da es sein 11. Derbytreffer war, wodurch er zusammen mit Dino da Costa (1955-60) Rekordtorschütze ist. Im Gegensatz zu da Costa erzielte Totti aber alle seine Tore in Ligaspielen.
Jetzt wurde es mal wieder kurzzeitig so richtig laut im Stadion und der Hauch vom alten Italien wehte durchs weite rund. Die Hoffnung, dass Totti auch noch den Hattrick perfekt macht und dem damit verbundenen Ausnahmezustand wurde leider mit dessen Auswechslung begraben und in der Schlussphase plätscherte das Spiel nur noch vor sich hin, so dass es zum Abpfiff beim letztendlich gerechten Unentschieden blieb.
Beide Mannschaften bedankten sich noch artig in der jeweiligen Kurve, wir bedankten uns bei den Mannschaften, dass sie freundlicherweise alle Tore auf unserer Seite erzielten und dann machten wir uns auch schon recht zufrieden auf dem Weg heraus. War schon gut, kam zwar vom Gesamtpaket her nicht ganz an das letzte gesehene heran, reicht aber auf jeden Fall, um nochmal vorbeikommen zu wollen. Dann investiere ich aber lieber 30€ mehr in die Karte (kann ja zum Ausgleich am Abend vorher weniger Bier trinken, höhöhö und hab dafür wenigstens etwas bessere Sicht, nicht nur deutsche Hopper im Block und vor allem hört man dann auch was von beiden Kurven. Von Lazio kam eigentlich so gar nichts bei uns an, obwohl es von der Bewegung her teilweise schon gut aussah.
Zur Stimmung bei Roma lässt sich sagen, dass diese schon ganz gut war, aber das Fehlen von Megafon und Trommeln schon sehr schwer ins Gewicht fällt. Aber ist auch klar, in so einer riesigen Kurve ist es einfach sehr schwer alle ohne Hilfsmittel zu erreichen und zu koordinieren. Da das aber schon vorher klar war, bin ich trotzdem recht zufrieden.

Nach dem Spiel kam es wohl noch zu Scharmützeln rivalisierender Fangruppen und der Polizei. Mitbekommen davon haben wir nichts, die Zeitungsberichte lesen sich auch nicht sonderlich schlimm, trotzdem wurden beide Vereine für das kommende Heimspiel mit einem Teilausschuss der Zuschauer bestraft bzw. dürfen nur Tessera-Inhaber Karten kaufen.

Uns führte der Weg zurück zum Petersdom, von wir aus wir den Rückweg zum Hostel am Termini mit einer kleinen Sightseesing Tour unter meiner fachkundigen Führung (das „Wissen“ stammt hauptsächlich aus der HBO Serie „Rom“ – wer sie noch nicht gesehen hat, unbedingt nachholen) vorbei an Engelsburg, Piazza Navona, Pantheon und Forum Augustus verbanden, unterbrochen nur durch kurze Nahrungsaufnahme in einem absoluten Touri-Abzockerladen. Als wären wir das erste Mal unterwegs, aber irgendwie hatte es außer Ede keiner geschnallt…
Trotz allem war dann heute Abend mit uns kein Krieg mehr zu gewinnen. Außer ein paar Bieren konzentrierten wir uns quasi ausschließlich darauf, was wir am besten können: Dummgeschwätz.

Montagmorgen wurde nahtlos daran angeschlossen, sogar unser verlorene Sohn war wieder besser gelaunt und schmiss sein noch nach dem Aufwachen abgelegtes Abstinenzgelübde wieder über den Haufen – zumindest solange, bis er den Schlüssel eines Schließfaches bei der deutschen Botschaft in seiner Hosentasche fand. Und zack, war die Gruppe wieder dezimiert. Bedanken möchte ich noch kurz vor Abflug bei Ede für die Auswahl der Location montags. In so einem abgeranzten Inderimbiss mit acht (später sieben) Leuten auf 2qm ohne Tisch zu sitzen, hat schon Stil…

Heimflug landete dann ausnahmsweise mal pünktlich, noch schnell die zwei Stunden unter weiteren Planungen und Dummgebabbel heimgeschrubbt und schon hatte uns der Alltag wieder.

In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal und nicht vergessen: No Totti, No Party
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Geil!

Danke.

Ich werde das letzte Heimspiel von Napoli noch verschärfter ins Auge fassen, zumal ich noch ein paar Meilen wegballern muss, bevor sie verfallen.
Und, bitte: Fotos!
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Erinnert daran, dass das römische Derby noch in meiner Sammlung fehlt...

Hinreißender Bericht. Danke!  
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WuerzburgerAdler schrieb:
Erinnert daran, dass das römische Derby noch in meiner Sammlung fehlt...


Bei mir auch.
24.05. Rückspiel  
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reggaetyp schrieb:
WuerzburgerAdler schrieb:
Erinnert daran, dass das römische Derby noch in meiner Sammlung fehlt...


Bei mir auch.
24.05. Rückspiel    


Ui, da ist Pfingsten, sehe ich gerade.
Das werde ich mal angehen. Flüge, die nicht mit meiner Arbeit kollidieren, nach Napoli sind sackteuer.
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Oesch schrieb:
In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal und nicht vergessen: No Totti, No Party


Ach, den Typ fand ich einfach schon immer genial  

Danke auch für diesen grandiosen Bericht. Beim nächsten Mal aber nicht mehr soviel trinken (und weniger Souvenirs kaufen)
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Freut mich, dass die Berichte so gut ankommen und ich scheinbar auch Lust auf ne Tour wecken konnte. Dann will ich hier aber auch Berichte lesen :-p

Hier wie gewünscht noch ein paar Bilder. Ich hatte leider selbst keine Kamera dabei, daher diesmal nur eine abgespeckte Version. Wer bessere sucht, findet diese sicherlich auf den bekannten Seiten im Netz.









Special: Die Tanzkatze "Balisto" samt weiteren Souvenirs (zum Größenvergleich: ist ne 0,66l Flasche)...
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Und weiter geht’s in meinem kleinen Italien“blog“.

Auswärtsspiel sonntags in Augsburg. Was bietet sich da mehr an als mal wieder ein Abstecher auf den Stiefel. Dieses Augsburg liegt aber auch einfach verdammt verkehrsgünstig. Ich glaube langsam, dass alle Wege nach Augsburg und nicht nach Rom führen. Vor zwei Jahren führte der Weg über das Prager Derby, beim Pokalspiel über das Amateurderby in München, jetzt halt Italien, man muss sich das Spiel ja auch irgendwie interessant machen.

Die Autobesatzung war auch schnell gefunden, aber wieder das immer so ist, wird diese in der Woche vor Abfahrt nochmals kräftig durchgemischt, so dass von der ursprünglichen Crew nur noch zwei Bordmitglieder übrig blieben. Da sich jedoch kurzfristig zwei weitere Verwegene, darunter mit dem Duke auch der Fahrer und Autosponsor – auch nochmals vielen Dank an dieser Stelle dafür -, für die Tour begeistern konnte, stand dem Ausflug dennoch nichts im Wege.

Samstagmorgen sollte mich der Wecker um 3:01Uhr nach einer anstrengenden Woche aus meinem wohlverdienten Schlaf zurück in die Realität holen. 3:01Uhr deshalb, damit ich den psychologischen Effekt hatte, dass ich bis nach drei Uhr geschlafen hatte. Ins Gegenteil wird dieser Effekt halt geführt, wenn man des nachts aufwacht, auf die Uhr schaut und diese 2:59Uhr anzeigt (kein Scheiß). Da ist die Erholung der Massage und Sauna vom Abend vorher doch gleich wieder verpufft. Normalerweise ein Grund für mich mich jetzt erstmal richtig aufzuregen, aber hey, es geht nach Italien, da fällt das Aufstehen doch gleich viel leichter. Nichtsdestotrotz habe ich die ersten zwei Stunden Fahrt verschlafen. Der Schlaf wurde nur unterbrochen, wenn das Fenster auf der Fahrerseite zum Rauchen geöffnet wurde und ich dadurch aufgrund meines Sitzplatzes hinten links im eiskalten Fahrtwind saß…

Als ich dann komplett wach wurde, standen wir bereits im Stau um München. Wie in den Verkehrsmeldungen angekündigt, war wohl halb Bayern und Sachsen auf dem Weg um über das Wochenende Ski zu fahren. Ich habe mich dann zwar gefragt, wieso die sich das antun, erst den halben Tag im Stau um später ein paar Stunden auf Skiern zu stehen, und am nächsten Tag dasselbe wieder in umgekehrter Reihenfolge zu machen, aber eigentlich ist es ja noch viel unlogischer, die ganze Tortur auf sich zu nehmen nur um etwas Fußball zu schauen. Die viel größere Frage in diesem Moment war eh, wie wir am schnellsten wieder aus dem Stau herauskommen sollten, immerhin hatte der Puffer gemäß Navi bis zum mittaglichen Anpfiff im noch fünf Stunden entfernten Vicenza die Grenze von einer Stunde schon unterschritten. Glücklicherweise lief der Verkehr ab Innsbruck wieder besser und bei der weiteren Fahrt durch traumhafte Winterlandschaften und bei Gesprächen, die erstaunlicherweise nahezu allesamt oberhalb der Gürtellinie angesiedelt waren, verging die Zeit recht flink. Erstaunlich übrigens, was man auf so einer Fahrt alles lernt. Wusstet ihr z.B., dass den Schilderungen zu Folge Echzell wohl eine der höchsten Kneipe/Kopf-Dichte deutschlandweit hat (Notiz an mich selbst: Das muss demnächst mal überprüft werden)?

Nach dem Brenner überquert war, wir so durch Südtirol rollten (nächste Notiz: Hier muss ich dringend auch mal wieder hin, ich konnte mich an der Landschaft ja gar nicht satt sehen), der Schnee immer weniger wurde und das Quecksilber immer weiter stieg, zeichnete sich langsam ab, dass wir die Alternativpläne ad acta legen konnten und wir Vicenza rechtzeitig erreichen werden. Gute 45 Minuten vor Kick Off standen wir dann auch wirklich in der Schlange vorm Kassenhäuschen, an welchem es problemlos Karten für die Gegentribüne zu kaufen gab. Ohne Namensabgleich beim Einlass (Premiere für mich) konnten wir unsere Plätze rechtzeitig einnehmen.


Vicenza Calcio – AC Perugia 3:1, Stadio Romeo Menti, Serie B, 7.000 Zuschauer (300 Gäste)


Bevor ich jetzt etwas zum Spiel an sich schreibe, lohnt es sich erstmal einen Blick auf die Tabelle zu werfen. Die Serie B besteht bekanntlich aus 22 Mannschaften. Die ersten beiden steigen direkt in die Serie A auf, die letzten drei steigen ab. Zwischen Platz drei und Platz acht wird nach Ende der Saison in einer Playoff Runde der dritte Aufsteiger ausgespielt, analog dazu erspielen Platz 18 und 19 den letzten Absteiger. Vor diesem Spieltag sah es nun so aus, dass an der Tabellenspitze Carpi einsam seine Runden dreht und sich anschickt, zum ersten Mal in die Serie A aufzusteigen. Danach kommt mit etwas Abstand Bologna, zwischen Platz drei und dem letzten Platz liegen dann jedoch gerade einmal 13 Punkte. Die zur Auftstiegs- bzw. Abstiegsrelegation berechtugten Plätzen acht und 18 trennen gerade mal acht Punkte, was in Anbetracht von noch 17 ausstehenden Spielen quasi nichts ist. Eben jenen achten Platz – und damit komme ich auch wieder zurück zur heutigen Spielpaarung – belegt aktuell das Team aus Vicenza, jedoch gerade einmal vier Punkte vor den Gästen aus Umbrien, so dass es heute für beide (wie eigentlich jede Woche) ein richtungsweisendes Spiel werden sollte.

So wirklich eine Vorstellung, was uns hier heute erwarten sollte, konnte ich mir nicht machen. Klar sind von Vicenza ein paar Bilder bekannt, aber wie das dann in der Realität aussieht und vor allem anhört, konnte ich mir kein Bild machen, da auch bewusst auf z.B. Videostudium im Vorfeld verzichtet wurde. Einzig von Perugia erwartete ich auf der Tribüne einiges, fahren diese doch mit allen Gruppen auswärts (u.a. mit 1.500 Leuten in Bologna Anfang Januar) und die Heimkurve lässt optisch kaum Änderungen zur guten alten Zeit erkennen. Ich nehme es vorweg, vom Gästeauftritt war ich etwas enttäuscht. Zwar sah der Block optisch erste Sahne aus, es wurde eigentlich auch ständig gesungen und Fahnen geschwenkt, aber irgendwie kam mir das alles bis auf manche Phasen recht lustlos vor. Ist aber wohl eine subjektive Einschätzung. Italienneuling Nino bemängelte zwar die gedruckten Fahnen, war aber sonst recht angetan vom Gästesupport.

Einstimmig hingegen fiel die Beurteilung des restlichen Geschehens aus. In dem sehr geilen Stadion (in der Stadt, eng, typisch italienisch verranzt, schöne Flutlichtmasten) entwickelte sich von Beginn an ein sehr flottes Spiel. Es hätte eigentlich noch viel flotter sein können, wenn zum einen der Unparteiische nicht von Anfang an für jeden Körperkontakt den gelben Karton ausgepackt hätte und zum anderen die Spielweise der Akteure nicht so extrem italienisch gewesen wäre. Wundert mich, dass es keine schwereren Verletzte gab, so oft und lange wie die Leute da auf dem Boden lagen. Auch der Schiri war sehr konsequent in seiner Spielleitung. Während er wie gesagt im Mittelfeld jeden Furz ahndete, zogen Rudelbildungen samt Faustschlägen keinerlei Konsequenzen nach sich. Abgesehen davon ging es sportlich aber wirklich hin und her. Bei den Abwehrleistungen, die einem da geboten wurden, konnte man fast denken, dass ein hessischer Bundesligist auf dem Rasen steht. Trotzdem wurde die Kugel bis zum Pausentee nur einmal in die Maschen gesetzt: Einen schönen Konter schloss Gästestürmer Davide Lanzafame mit sattem Flachschuss ins lange ab.
Nach der Pause war es dann jedoch Vicenza-Stürmer Andrea Cocco, der mit einem lupenreinen Hattrick innerhalb von 25 Minuten seine Farben zum Sieg schoss. Bemerkenswert, dass er je einen Treffer mit rechts, links und dem Kopf erzielte. Jedes Tor wurde mit einem Sprung auf die Werbebande und anschließendem Urschrei in Richtung Fankurve gefeiert. Geiler Typ, wär was für die Eintracht.

Apropos Fankurve, die gab es ja auch noch. Und wie. Ich geh mal soweit und sage, dass war hier heute die größte Überraschung, die ich bisher in Italien gesehen habe. Das Spiel eingeleitet wurde mit einer sehr schönen Rauchshow in den Vereinsfarben, danach wurde relativ durchgängig supportet. Zwar auch hier ohne irgendwelche akkustische Hilfsmittel und auch nur die eher typischen italienischen Kurvengassenhauer, aber das Ganze in sehr guter Lautstärke und Intensität. Hat auf jeden Fall richtig Spaß gemacht und war in dieser Form nicht zu erwarten.

Leider mussten wir die Wettkampfstätte zehn Minuten bevor der Mann in gelb zum finalen Pfiff ansetzte verlassen, wollten wir doch nicht riskieren, zum Abendspiel in Verona zu spät aufzuschlagen. Da die Hopperpolizei jedoch nicht gesichtet wurde, drücken wir da mal ein Auge zu. Kleines „Highlight“ noch beim Toilettengang auf dem Weg nach draußen: Da war doch am Pissoir tatsächlich das Abflussrohr abgeschraubt. Ergo hat man sich, wenn man das erst während des Geschäftes merkte,  direkt auf die Füße gepinkelt, oh mann…

Jetzt hieß es aber „Auf nach Verona“. 16:45 verließen wir den Parkplatz, 18:00 Uhr ist Anpfiff, Strecke gute 40km. Sollte eigentlich reichen, wenn, ja wenn, nicht die falsche Adresse ins Navi eingegeben wird. Das ist aber auch tückisch. Das Navi lotste uns exakt so, wie die Verkehrsschilder, nur als wir laut Navi am Ziel angekommen waren, war da alles, nur kein Fußballstadion (gut, um ehrlich zu sein war da eigentlich gar nichts). Herzlichen Glückwunsch. Also Zielangabe korrigiert, noch fünf Kilometer angezeigt bekommen und gedanklich das rechtzeige Erscheinen schon abgehakt, zumal Der Weg mal gepflegt durch das Stadtzentrum gehen sollte. Manchmal muss man aber auch einfach Glück. Das ging dann alles schneller als gedacht, und da wir schnell einen kostenfreien Parkplatz fanden und die Tickets schon im Vorfeld via Print@home (ein richtiges Ticket für die Sammlung lässt sich immer auftreiben – war dann auch kein Problem) gekauft wurden, waren wir tatsächlich drei Minuten vor Spielbeginn auf unseren Plätzen. Einziger Nachteil war, dass wieder keine Zeit blieb feste Nahrung aufzunehmen und der Hunger mittlerweile Überhand gewann. Aber egal, da muss man durch.


Hellas Verona – Torino, Stadio Marc Antonio Bentegodi, Serie A, 17.000 Zuschauer (400 Gäste)


Als wir dann unsere Plätze in der ersten Reihe des Oberrangs einnahmen, war der Hunger auch schon wieder vergessen. Trotz Laufbahn absolut geiles Teil hier. Ich behaupte auch, dass man in der Höhe, in der wir gesessen haben, im Waldstadion weiter vom Spielfeld entfernt ist. Sofort ins Auge ist auch die einheitliche Bestuhlung gestochen. Ich glaube es gab keine zwei identischen Sitzschalen hier. Man merkt einfach auch hier, dass seit der WM 1990 nichts mehr am Stadion gemacht wurde.

Kommen wir aber mal zu Hellas Verona bzw. dem Publikum hier vor Ort, wobei mir die Einschätzung echt schwer fällt. Irgendwie ist das ja ein faszinierender Haufen. Vom Stil her ganz anders als sonst in Italien üblich sehr britisch angehaucht, was sich sowohl im Klamotten- (sehr casual),Zaunfahnen- (sehr viele kleine) und Supportstil (z.B. „Oh when the saints“ oder „Amazing Grace“) zeigt. Dazu eilt der Ruf voraus extrem gewaltbereit zu sein. Trotz dass die Tessera schon seit längerem akzeptiert wird und man dadurch auch in größeren Zahlen auswärts fährt, kommt es immer wieder zu größeren Ausschreitungen. Man macht einfach sein Ding und scheißt auf alles andere. Dazu gehört dann leider auch die ultrafaschistische Einstellung der Kurve. Das ist zum einem historisch begründet, da Mussolini einst sein Manifest der faschistischen Bewegung in Verona verkündete, zum anderen darin, dass im Norden Italiens im Allgemeinen und in Verona als Wirtschaftszentrum im Besonderen ein großer Hass auf Süditalien besteht und somit z.B. auch die rechtspopulistische Partei Lega Nord in Verona relativ hohe Werte erzielt und als letzter Punkt ist es dennoch einfach scheiße. Wer erinnert sich z.B. nicht an die (Nicht-)Verpflichtung des dunkelhäutigen Kameruners Patrick Mboma im Jahre 2001, von der aufgrund massiver Proteste aus Reihen der Fans abgesehen wurde. Der damalige Präsident kommentierte das mit den Worten: „Die Fangemeinde von Verona ist schlimm, jedenfalls was farbige Spieler betrifft.“ Das Zeigen von Haken- und Keltenkreuzen, Solidarisierungen mit rechtsextremen Terroristen und beleidigende Spruchbänder in der Vergangenheit machen zusätzlich noch einmal deutlich, mit wem man es hier zu tun hat.

Alles nicht schön (im Gegenteil…), aber man weiß wenigstens auf was man sich einlässt. Heute gab es solche Auswüchse glücklicherweise nicht zu sehen und hören. Dafür war das Publikum emotional bei der Sache und gut am ausrasten. Überhaupt ist die Zuschauerstruktur hier eine ganz andere als in Deutschland. Sowas wie Picknickpublikum sucht man hier vergeblich. Jeder war mit war mit Herzblut dabei, besonders beim pöbeln gegen Gegner und Schiri. Dementsprechend konnte auch öfters eine beachtliche Lautstärke erzielt werden und in die Gesänge stieg oftmals das ganze Stadion ein. Wie oben beschrieben ist das vom ganzen Stil her sehr eigen. Kaum lange Gesänge mit ich nenn es mal Durchdrehmelodien, eher kurze Schlachtrufe oder britische Melodien. Das ganze immer mal wieder unterlegt von Pyrotechnik war aber auf jeden Fall sehr sehr geil. In der zweiten Hälfte wurde es aufgrund des Spielverlaufs etwas leiser, in der Schlussphase gab es dann aber nochmal Gänsehautmomente, als das ganze Stadion zur Melodie von „Amazing Grace“ am Singen war.

Zu diesem Zeitpunkt führte der einzig wahre Verein aus Turin in diesem Mittelfeldduell bereits mit 2:0. Das Spiel ähnelte etwas dem Kick mittags in Vicenza. Recht schnelles Spiel, allerdings auch viele Schauspieleinlagen und durch ein Konter des vor der Saison aus Bern gekommenen Venezuelaners Martinez führte Toro beim Halbzeitpfiff. Zu Beginn des zweiten Durchgangs lagen dann zwei Bälle im Spielfeld und die Ersatzspieler stellten ihre Hütchen auf der Seitenauslinie auf, was hier jedoch keinen störte. Die mit den Altstars Rafael Marquez, Javier Saviola und Luca Toni gepickten Veronesi drängten gleich auf den Ausgleich, doch die Bemühungen wurden bereits nach fünf Minuten je unterbunden, da der ehemalige Nationalspieler und vor der Saison vom Stadtrivalen Juve zurückgekehrte Fabio Quagliarella per Foulelfmeter auf 2:0 erhöhte. Erst zehn Minuten vor Ultimo konnte Luca Toni, der bis dahin hauptsächlich durch ständiges Lamentieren oder dem Versuch schön auszusehen glänzte, verkürzen, doch in der Nachspielzeit stellte Toro den Zwei-Tore-Abstand wieder her und sicherte sich so die drei Punkte und damit den vierten Sieg in Folge, was die mitgereisten Tifosi nochmal zu einer Jubelarie ermunterte.

Diese wurden in den zweiten Oberrang verfrachtet und standen hinter dem Banner der 1969 gegründeten Ultras Granata, das seit dem Derby bei Juve Ende November wieder regelmäßig hängt. Ansonsten fällt eine Beurteilung schwer, da sie aufgrund des Platzes nur schwer zu hören waren, aber allgemein sah es auch nicht nach sonderlich viel Bewegung Block aus.

Nach Spielende gab es dann endlich etwas zu essen (laut Stand Betreiber „das beste Sandwich in Veronas“ – ich glaub es sogar) bevor wir unser Nachtdomizil in Innsbruck ansteuerten. Dass wir uns noch für die Weiterfahrt entschieden hatten, erwies sich am nächsten Tag als Glücksgriff, als wir die Meldungen über einen Wintereinbruch in Südtürol mit vier Todesfällen hörten. Wahrscheinlich hätten wir es bei einer Übernachtung in Verona nicht rechtzeitig nach Augsburg geschafft. Selbst zwischen Innsbruck und München war es ob des Schnees, der da vom Himmel fiel, nicht wirklich gut zu fahren. Davon bekam ich glücklicherweise nicht viel mit, außer eines Essenstopps im wunderschön eingeschneiten Kufstein verschlief ich die meiste Zeit der Fahrt. An dieser Stelle möchte ich nicht verzichten Werbung für das eigentlich eh schon bekannte Restaurant „Auracher Löchl“ in Kufstein zu machen. Zwar nicht billig, aber dafür ein Gaumenschmaus allererster Güter. Nach einstimmiger Meinung meiner Mitfahrer hätte e auch den besten Kaiserschmarrn aller Zeiten gegeben, den konnte ich jedoch nicht probieren, da ich von den Käsespätzle überfressen war

Dementsprechend schlief ich auf der Weiterfahrt auch gleich wieder ein und als ich die Augen öffnete, war der Schnee größtenteils verschwunden und wir befanden uns bereits eine Stunde vor Augsburg.

Aber das ist eine andere Geschichte…


Vicenza - Perugia:





Verona - Torino











Kufstein und Essen






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Boah, echt geil!  
Danke für Deinen umfassenden Bericht!
Sehr umfangreich und mit Herzblut geschrieben!
Man freut sich immer, wenn Du wieder auf Reisen bist!
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Stark. Habe alles gelesen. Das sagt wohl alles.  
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wieder überragend.

Vielen Dank!
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Ich wollt auch mal vielen Dank sagen. Sehr gut geschriebene Berichte. Mille Grazie!


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