Nachdem Beve sich eine kleine Anspielung erlaubt hat (http://www.eintracht.de/fans/forum/1/11101184/), habe ich gerade mal auf meiner Festplatte geschaut, ob ich noch irgendwo meinen damaligen Beitrag fĂŒr die "Fan geht vor" habe. Und siehe da, ich hab ihn gefunden!
In Frankfurt steht es...
Abpfiff! 1:4. Regungslose, geradezu vor Angst gepeinigte Spieler im Mittelkreis des Spielfeldes. Panische Gesichter, live auf der Stadion-Videotafel zur Schau gestellt. Mittendrin mein (angeblich ehemaliger) Nachbar aus Frankfurt Nieder-Eschbach. Doch von der GefĂŒhlswelt trennen uns - weiĂ Gott - mehr als nur zwei mickrige StraĂenzĂŒge. Er Trainer, eines bedeutungslosen Karnevalsclubs, der kurz vor dem gröĂten Erfolg seiner Vereinsgeschichte steht. Ich, ein einfacher aber stolzer Fan der ruhmreichen Frankfurter Eintracht, zu diesem Zeitpunkt, und das seit gut einer halben Stunde, nur noch ein HĂ€ufchen Elend...
Leere apathische Blicke auf die Videotafel. Wieso freuen die sich nicht? Der FuĂballgott, der vor vier Jahren noch groĂzĂŒgig seinen Freudenbecher ĂŒber die Eintracht ausschĂŒttete, als eine nicht mehr fĂŒr möglich gehaltene Aufholjagd mit dem 5:1 gegen Lautern gipfelte, hatte doch schon lĂ€ngst die Seiten gewechselt. Niederlage aus heiteren Himmel gegen Trier, Unterkante der Latte gegen Union Berlin, Lastminute-Schock in Mainz... In Ahlen lieĂ er doch nur die Narrenkappen-Bande verlieren, damit wir uns - und das war zu diesem Zeitpunkt klar - in falscher Hoffnung wiegen konnten. Selbst mein wirklich schweres Opfer, nicht in Frankfurt zu sein, sondern hier, an dem Ort, der unmittelbar davor stand als Synonym fĂŒr den gröĂten Triumph des Rosenmontagszuges degradiert zu werden, schien ihn nicht wohlwollend zu stimmen. HĂ€tte ich etwa noch meine Katze opfern sollen??? In Frankfurt steht es 4:3...
Sommer 2002. Eintracht Frankfurt und seine Fans standen vor dem Nichts. Ernsthafte Ăberlegungen wurden in der Kneipe und am Telefon gebrĂŒtet, Geld zu sammeln, damit wir irgendeinen finanzschwachen Landes- oder gar Oberligisten aufkaufen und ihn in SG Eintracht Frankfurt 02 e.V. umbenennen, damit wir nicht auf der Bertramswiese ganz von vorn anfangen mĂŒssen. Im letzteren Fall, sollte also die gesammelte Kohle nicht reichen, sahen wir uns schon selbst das Eintracht-Trikot ĂŒberstreifen (eigentlich eine phantastische Vorstellung!), um, verstĂ€rkt durch die reaktivierten Uwe Bein und Bernd Hölzenbein, die Mission "In 10 Jahren wieder ProfifuĂball!" anzugehen. Der Frankfurter Kommunal-Politiker als solcher, faselte unterdes etwas vom FC Rhein-Main, wenn nicht gerade voller Neid nach Mainz geschaut wurde. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich sammle meine ganze noch verbliebene Kraft, um meinen Kopf nach links zu bewegen und meinen Nachbarn, im gelbblauen Eintracht Braunschweig-Trikot gekleidet und mit einem seiner zwei Ohren am Radio, nur noch diese eine Frage zu stellen: "Steht's immer noch 4:3?" Danach sacke ich wieder in mich zusammen. Seine Antwort, dass er es glaube, aber eigentlich nicht den richtigen Sender drin habe, da er vorher in seinem Leben noch nie so viel Schlager hörte wie an diesem Tage usw., vernehme ich nur noch aus weiter Ferne. In Frankfurt steht es 4:3...
Die heiĂe Phase der WM in Asien wurde eingelĂ€utet. Mittlerweile versuchten uns die Eintracht-Verantwortlichen, allen voran Volker Sparmann, damit zu beruhigen, dass man zuversichtlich sei, pĂŒnktlich zum Abgabetermin, Unterlagen bei der DFL-Zentrale abgeben zu können, die uns doch noch die so erhoffte Lizenz ermöglicht. Es war irgendein Achtel- oder Viertelfinalspiel der englischen Nationalmannschaft. Und es war der Samstag vor dem alles entscheidenden Montag, der von der DFL als letzte Frist fĂŒr das Lizenzierungsverfahren bestimmt wurde. Wir saĂen im Frankfurter Westend im English Pub. Wir, das waren verzweifelte Eintrachtfans und Axel, Vize des Vereins, der zu diesem Zeitpunkt mehr Panik vor der angekĂŒndigten Fan-Demo am folgenden Tag auf dem Römer, als vor dem Gang zur DFL am Montag hatte. "Jungs, es fehlen nur noch Zusagen fĂŒr wenige tausend Euro, dann haben wir die Lizenz. Falls Ihr morgen am Römer seid, beschwichtigt dort die Fans. Nicht dass es dort zu unschönen Szenen kommt... - die Lizenz ist sicher!" Um uns herum hunderte von englischen Gastarbeitern, die Tod und Teufel schwitzten. Uns war das, was ĂŒber die Fernseher aus dem fernen Asien ĂŒbertragen wurde, so ziemlich schnuppe. In Frankfurt steht es 4:3...
WĂ€hrend der Typ links neben mir mittlerweile alle Schlagerhits von Karel Gott und Vicky Leandros rauf und runter beten kann, schien meine zweite, ach was sag ich, vierte Informationsquelle zu verstummen. Rechts von mir stehen ein paar Jungs - ich vermute Hannover 96 oder Wolfsburg-Fans, geben sich aber, rein aus Selbsterhaltungstrieben, nicht als solche zu erkennen - die durch Freunde, die sich den letzten Spieltag auf Premiere anschauen, per SMS ĂŒber die Ergebnisse aus den anderen Stadien informiert werden. Ich brauche sie nicht zu fragen, es genĂŒgt ein verzweifelte Blick in ihre Richtung. "Nee, noch nichts aus Frankfurt gehört (...)" In Frankfurt steht es 4:3...
Die Bombe schlug ein! Ausgerechnet die im Vorfeld als wasserdicht angesehene HELABA-BĂŒrgschaft, sorgte fĂŒr Misstrauen bei den DFL-FunktionĂ€ren und diente als BegrĂŒndung fĂŒr den "endgĂŒltigen" Lizenzentzug! Schock! Wir standen ziemlich gelackmeiert und mit leeren HĂ€nden da! Die Lizenz war doch sicher? Wieso jetzt doch nicht? Das gibst doch nicht! Wo ist die nĂ€chste AutobahnbrĂŒcke? Es folgte ein, fĂŒr nicht Eintrachtfans, bestimmt unterhaltsames Gerichtsmarathon. FĂŒr uns, fĂŒr die diese schwarzweiĂe Fahne mit dem roten Adler in der Mitte ungefĂ€hr den Stellenwelt einnimmt, wie fĂŒr die christliche Welt das Abbild der Jungfrau Maria, war das allerdings ĂŒberhaupt nicht unterhaltsam. Es war ein Albtraum! Ein Albtraum, in dem wir von grĂ€sslichen DFL-Monstern mit ihren furchteinflöĂenden Fratzen getreten, bespuckt und gedemĂŒtigt wurden. Gut nur, dass das Drehbuch fĂŒr diese schlaflosen NĂ€chte offenbar in Hollywood zu Papier gebracht wurde! Anders ist es nicht zu erklĂ€ren, dass auf einmal, scheinbar aus dem Nichts, ein brillentragendes immerzu grinsendes Wesen - wir nennen es der Einfachheit wegen mal Schickhardt - mit den groĂen, zu Paragraphen geformten Schwertern, die Ungeheuer aus der Otto-Fleck-Schneise und der MĂŒnchner Vorstadt in die Knie zwang! Die Nachricht vom Schiedsspruch, der uns die Lizenz dann doch noch unverhofft einbrachte, erreichte mich damals in ... Braunschweig! Da wusste ich natĂŒrlich noch nicht, dass sich der Kreis gut zehn Monate spĂ€ter genau dort wider schlieĂen sollte. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich werde angeschrieen, gerĂŒttelt und getreten, die Jungs neben mir erhielten gerade eine SMS: Frankfurt fĂŒhrt 5:3! FRANKFURT FĂHRT 5:3!!! Kurz nachgerechnet, reicht nicht. Das Lebensbejahende war in mir schon lĂ€ngst erloschen... Nun bestĂ€tigt es auch der Stadionsprecher, wĂ€hrend die Mannen, die gerade noch ein AuswĂ€rtsspiel mit 4:1 fĂŒr sich entscheiden konnten, im Mittelkreis verzweifelt in ihre rotweiĂen Trikots beiĂen, hochoffiziell "In Frankfurt lĂ€uft das Spiel noch in der Nachspielzeit. Dort steht es 5:3 fĂŒr Frankfurt. Wir informieren sie umgehend, wenn das Spiel dort beendet ist" Der FuĂballgott ist echt ein Komiker. 5:3! Ein Ergebnis, dass in jedem Eintrachtfan seit 44 Jahren höchste GlĂŒcksgefĂŒhle auslöst. 5:3, das bisher geilste aller geilen Ergebnisse! Und nun? FĂŒr was steht nun das 5:3? FĂŒr tragisches Scheitern! Das groĂe 5:3 von den Pfaffs und den Sztanis bis in alle Ewigkeit hinweggefegt durch so ein profanes, belangloses, unbedeutendes 5:3, das in Zukunft nur noch dafĂŒr steht, am letzten Spieltag den Aufstieg gegen einen Absteiger in die Amateurklasse jĂ€mmerlich vergeigt zu haben. In Frankfurt steht es 5:3...
Lizenz gerettet, aber einen Trainer, der seit zwei Jahren aus dem GeschĂ€ft war und eine Truppe, teils zusammengesetzt aus der enttĂ€uschenden Eintracht-Truppe des Vorjahres und der aufs Abstellgleis geschobene Spieler anderer Vereine. Wir konnten froh sein, ĂŒberhaupt noch im Kicker-Sonderheft als Mannschaftsfoto aufgefĂŒhrt zu sein. Klar, eine groĂe siegreiche Saison war nicht zu erwarten. Kampf gegen den Abstieg, gerade bei diesem Auftaktprogramm gegen drei aus der Bundesliga abgestiegenen Mannschaften aus Pauli, Freiburg und Köln, gerade mal kurz unterbrochen von dem Spiel gegen die ambitionierten FĂŒrther. Nach dem vierten Spieltag stehen wir immer noch mit null Punkten da. Es wurden neun! Einzig in Köln verloren wir, trotz der meiner Ansicht nach besten Saisonleistung. Wir ĂŒberwinterten auf einen Aufstiegsplatz! Ein Wunder! In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre auf die Braunschweiger Videowand, die Protagonisten auf eben dieser, kleben mit ihren Augen an den Monitoren, die auf den AnstoĂkreis des Spielfeldes getragen wurden. Auf diesen Monitoren scheint die vom Stadionsprecher angesprochene Nachspielzeit in Frankfurt zu laufen. Oh Gott, Naheinstellung von Thurkdusau. Gleich wird er mit geballter Faust laut schreiend auf die Blöcke seiner Fans zurennen, wird sie abklatschen, kĂŒssen, auf den Zaun den Affen machen. Und wieso? Nur weil der Pole in Oberhausen das verdammte leere Tor nicht traf! Was mach ich hier? Wieso bin ich nicht schon lĂ€ngst an die nĂ€chste Bierbude und sauf mich besinnungslos (das Bier in Braunschweig war immerhin alkoholhaltig). So besinnungslos, dass ich ein Jahr ins Koma falle, danach kurz die Augen öffne, um mich zu vergewissern, dass die Eintracht endlich wieder auf- und Thurkdusau als Lachnummer der 1. Liga wieder abgestiegen ist. Es geht nicht. Mein Geist will zwar, mein Körper aber nach den vier Toren von Auer lĂ€ngst zu Salz erstarrt. Ich beschlieĂe an dem Platz, von dem ich regungslos das Geschehen im Stadion wahrnehme, zu sterben. Hoffentlich weiĂ meine Frau, dass ich dort nicht auch noch beerdigt werden will! Sondern unter dem Tor meine letzte Ruhe finden will, auf das Holz sein Sitzkopfballtor gegen Bukarest, Schaub (Legenden sterben nie!) das Siegtor gegen Gladbach, Binz das 2:0 gegen SaarbrĂŒcken, Jay Jay sein Weltklassetor gegen Kahn und ĂŒberhaupt die Eintracht alle fĂŒnf Tore gegen Kaiserslautern erzielte. Hoffentlich weiĂ das meine Frau, denn ich vergaĂ meinen letzten Willen im Testament festzuhalten. In Frankfurt steht es 5:3...
Es ist ja nun wirklich keine traditionsreiche Auseinandersetzung. Dazu gab es das Duell in der Vergangenheit gegen Mainz einfach zu selten. Tradition hat allenfalls die Schiffstour zur Bruchbude. Innerhalb der illustren Reisegruppe, die diesmal zum vermeintlich entscheidenden Spiel um den Aufstieg ĂŒber den Main schipperte, war klar, wer nach dem Spiel auf einem Aufstiegsplatz steht, der steigt auch auf. Dazu wĂŒrde uns das Standard-Ergebnis reichen. Ein Unentschieden. Danach sah es auch lange Zeit aus, bis auf einmal, es war wohl in der 89. Minute, der Schiri auf FreistoĂ fĂŒr Mainz entschied. AusgefĂŒhrt, Nikolov lĂ€sst abprallen, Auer zur Stelle, Entsetzen! Pures Entsetzen! NĂ€chstes Jahr Regensburg, Burghausen und Unterhaching. Das nĂ€chste Heimspiel, 4:1 gegen Mannheim, nahm ich eigentlich nur noch Schulterzuckend zur Kenntnis. Vielleicht hilft uns ja ein Wunder, am besten schon beim Mainzer Gastspiel in Ahlen! Aber so wie die RĂŒckrunde bisher fĂŒr uns verlief, insbesondere bei den Heimspielen, steigt dann wohl eher FĂŒrth auf. Andere, beispielsweise ein gewisser Jens, sah die ganze Sache durchaus positiver. Er rief auf der Eintracht-Internetpage dazu auf, man möge Werner "Beinhart" Lorant mit Tonnen von Ăppler eindecken, wenn seine Jungs den Sieg gegen den Karnevalsverein erringen. In einem dramatischen Spiel schafften sie es tatsĂ€chlich! Ehrensache, dass Lorant nun das gude Stöffche zu bekommen hat. Mit 40 Kisten Possmann fuhren wir nach Ahlen. Auf der Ahlener GeschĂ€ftsstelle war man sichtlich begeistert, dass wir unser Wort gehalten hatten. Selbst Lorant, der gewöhnlich nur grimmig dreinschauend seine Umwelt zur Kenntnis nimmt, war, untermalt durch ein LĂ€cheln (!), hocherfreut beim Anblick der Lieferung! Die Ahlener Spieler unterstrichen fĂŒr uns glaubhaft, dass sie schon vor ihrem Spiel von der Ăppler-Aktion erfahren hatten, die richtige Motivation, um uns SchĂŒtzenhilfe zu leisten. Sie werden, abzĂŒglich der zwei Kisten, die Lorant fĂŒr seine "Schwiegermutter" im Kofferraum seines SLK verschwinden lieĂ, nach einem erfolgreichen Spiel in Mannheim, den Ăppler auf der RĂŒckfahrt genĂŒsslich leeren. Lorant unterdes, stellte uns gegenĂŒber klar, was er von seinem Kollegen aus der rheinland-pfĂ€lzischen Landeshauptstadt hĂ€lt: "Der Klopp? Der ist doch Offenbacher!" In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre schon eine halbe Ewigkeit auf diese verdammte Videotafel. Auf einmal, was war das? Was ist denn jetzt los? Bin ich jetzt ein Opfer von Halluzinationen??? Klopps Gesicht erklĂ€rt eigentlich alles, ich vermag es aber nicht zu interpretieren. Andere brechen in sich zusammen! Mein Gott... Ist es möglich? Blick auf die Mainzer Blöcke - Stille! Absolute Stille!!! Ich trĂ€ume, da ich wohl schon unbemerkt sanft erschlummert bin und befinde mich nun ganz offensichtlich in Andy im Wunderland. Gleich werden weiĂe Kaninchen und Skatkarten ĂŒber das Spielfeld feixend tanzen und eine unsichtbare Grinsekatze mir die Stinkekralle zeigen, um deutlich erkennen zu geben, dass ich mich mittlerweile in einer anderen RealitĂ€t befinde. ****! Wie steht es in Frankfurt???
In meinen Freundeskreis erntete ich bestenfalls KopfschĂŒtteln gepaart mit unglĂ€ubigen Blicken (in etwa der Art, als wenn man behaupten wĂŒrde Napoleon zu sein und bei nĂ€chster Gelegenheit Wellington in seinen fetten britischen ***** treten wolle), als ich - durchaus zögernd - meinen Entschluss preis gab, dass ich beim letzten Saisonspiel der Eintracht gegen Reutlingen nicht im Waldstadion anwesend sein werde. Zumindest nicht physisch.
Es war aus familiĂ€ren GrĂŒnden bereits lĂ€nger geplant ausgerechnet an diesem Wochenende, an dem dummerweise der letzte Spieltag in den FuĂball-Bundesligen anstand, in Norddeutschland zu sein. Normalerweise wĂŒrde mir das natĂŒrlich nicht passieren, aber unglĂŒcklicherweise ist mir die absolute Unkenntnis des Spielplanes zu eigen. Das geht sogar so weit, dass mir öfters auf dem Weg ins Stadion nicht immer ganz klar ist, gegen wen die Eintracht eigentlich spielen wird (erstaunlich genug, dass ich ĂŒberhaupt weiĂ, dass die Eintracht spielt...). Bei AuswĂ€rtsspielen habe ich dieses Problem Gott sei Dank nicht. Denn Pferd ruft mich meist rechtzeitig an, ob ich am soundsovielten fĂŒr das Spiel beim WasweiĂichwem noch Karten brĂ€uchte. Nun, erst bei der Urlaubsabsprache im BĂŒro, wurde mir das ganze Dilemma bewusst "Bist Du gegen Reutlingen nicht da???" Schwitz, ausgerechnet gegen Reutlingen nicht da? Nein, kann ja wohl nicht sein! Wird auch nicht sein! Ich setze mich am Sonntag in den ICE und fahr zum Spiel in Frankfurt ein. Damit war fĂŒr mich das Thema erledigt! Erledigt? Spielt da nicht noch Braunschweig gegen den Karnevalsverein? Bin ich nicht zufĂ€lligerweise an diesem Tag in Braunschweig? Schwachsinn! Was soll ich da? Erledigt!
SpĂ€testens nach dem Spiel in Oberhausen war klar, dass das fĂŒr mich nach dem Mainz-Spiel Unvorstellbare RealitĂ€t wurde. Wir haben es am letzten Spieltag selbst in der Hand! Und diese Saison begann eigentlich schon mit einem Happyend! Ein Happyend, von dem ich erfuhr, als ich in Braunschweig war. Und jetzt könnte die Steigerung eintreten. Keinen Gedanken daran verschwendet, nicht bei der Eintracht zu sein! Seit dem ich zur Eintracht gehe, war ich bei allen entscheidenden Spielen im Stadion, ob UEFA-Cup, DFB-Pokal, Spiele gegen den Abstieg, um den Aufstieg, Relegation usw. Und jetzt? Bin ich komplett wahnsinnig oder einfach nur total aberglĂ€ubig??? Beides schlieĂlich Eigenschaften, die ja bekanntlich ziemlich untypisch fĂŒr einen FuĂballfan sind...
Bis Mittwoch vor dem Spiel war ich sicher, dass ich in Frankfurt sein muss - orderte aber schon vorher auf Verdacht bei Freunden eine Karte fĂŒr das Braunschweig-Spiel. In der schlaflosen Nacht zum Donnerstag stand mein Entschluss fest. Wenn ich in Frankfurt bin, vergeigen wir den Aufstieg... Die Saison begann mit meiner Anwesenheit in Braunschweig, also muss sie dort auch enden! Alles wird gut!
Am Spieltag im Stadion angekommen, gaben sich doch einige Leute als Fans der Frankfurter Eintracht zu erkennen. Meist aus der nĂ€heren Umgebung (wir sind ĂŒberall!), die keine Karten mehr fĂŒr das Reutlingen-Spiel bekommen haben. Einige kamen allerdings direkt aus Frankfurt, welche Intention die hatten in Braunschweig zu sein, blieb mir allerdings unklar. Waren die etwa auch bei der Lizenzentscheidung in Braunschweig? Keine Ahnung. Ein Fan, aus Frankfurt "Bernem", hatte, so meinte er zumindest, einen direkten SMS-Draht zu Lizenspieler-Betreuer Falkenhain (!!!). Ohne mir darĂŒber nĂ€here Gedanken zu machen, wie Falkenhain es von der Spielerbank in Frankfurt bewerkstelligt, ihn mit einem SMS-Ergebnisdienst zu versorgen, erklĂ€rte ich ihn kurzerhand zu meiner ersten Informationsquelle. Er war spĂ€ter glĂŒcklich, dass meine zweite Informationsquelle, nĂ€mlich der direkte Handykontakt zu mehreren Leuten im Waldstadion, zumindest noch in der ersten Halbzeit halbwegs funktionierte. So war er wenigstens auch ĂŒber die ZwischenstĂ€nde aus Frankfurt informiert...
Das Braunschweiger Stadion platzte natĂŒrlich aus allen NĂ€hten. Die ganze Stadt trug an diesem Tag blaugelb! Es herrschte die Zuversicht, dass die Mainzer geschlagen und der Klassenerhalt gemeistert werden kann. Einziges Unbehagen herrschte ĂŒber den Spielausgang in Karlsruhe. FĂŒr den Ligenverbleib der Braunschweiger war eine Niederlage des KSC zwingend notwendig. Aber man hoffte, dass sich die FĂŒrther schon nicht hĂ€ngen lassen werden. Nun, das sorgte natĂŒrlich bei mir fĂŒr ein flaues GefĂŒhl im Magen, denn wenn meine Eintracht so ein blödes Unentschieden gegen Reutlingen prĂ€sentiert, und bei den ganzen Remis im Waldstadion wĂ€hrend der RĂŒckrunde, war das ja durchaus im Bereich des Möglichen, wĂ€ren die FĂŒrther der lachende Dritte...
Beim Einlauf der Mannschaften, bot sich fĂŒr mich ein doch durchaus ungewohntes Bild. Denn war ich es bisher gewohnt, dass Choreos meist ihren Mittelpunkt in den Fanblöcken haben, fand diese in Braunschweig auf der Haupt- und GegentribĂŒne, nicht aber in der Eintrachtfan-Kurve statt! Es sollte nicht der einzige Aha-Effekt an diesem Spieltag bleiben.
Nach wenigen Minuten schien bereits alles nach Plan zu laufen! Nach der frohen Kunde aus Frankfurt, dass es 1:0 steht, erzielten die Braunschweiger ein Tor. WĂ€hrend ich realisieren musste, dass das Tor, wieso auch immer, nicht gegeben wurde, erreichte mich zeitgleich das 1:1 fĂŒr Reutlingen... Kurze Zeit spĂ€ter das FĂŒhrungstor durch (ich nenn ihn jetzt nur einmal, dann nie wieder) Auer. Erster Schock, aber eigentlich noch nichts passiert... Der zweite Schock saĂ deutlich tiefer, als die Mainzer nach knapp 20 Minuten mit 2:0 davoneilten. Von der Braunschweiger Eintracht sah man nichts mehr. Die Braunschweiger Fans um mich herum, konnten sich auch nicht so recht daran erinnern, wann ihre Truppe das letzte Mal drei Tore im heimischen Stadion erzielte. Die Messe war, zumindest in der Abstiegsfrage, fĂŒr den norddeutschen Traditionsverein gesungen... Ich flehte alle mir bekannten Götter an, dass sie sich jetzt nicht noch abschlachten lassen. Aber genau das passierte in der zweiten Halbzeit! In Kenntnis ĂŒber die 3:1-FĂŒhrung der AdlertrĂ€ger, spielte sich das Geschehen nur noch vor dem Braunschweiger Kasten ab. Die Braunschweiger Fans, bewusst geworden, dass der Abstieg besiegelt schien (mittlerweile fĂŒhrte auch der KSC), interessierten sich fortan nur noch fĂŒr die Aufstiegsfrage. Im gesamten Stadion, mit Ausnahme bestimmter Blöcke, wurde lautstark "Und ihr, steigt sowieso nicht auf!" gesungen, ach, eigentlich fast schon gebrĂŒllt!
0:3 und keinen Handy-Kontakt mehr nach Frankfurt! Die Reutlinger Tore blieben mir aber dennoch nicht verborgen, da diese durch die Reaktion der etwa 2.000 Mainzer mir ganz persönlich kund getan wurden... 0:4 und zusĂ€tzliches zweimaliges Jubeln in der Faschings-Kurve. Ich sackte zusammen. Weltuntergang. Um mich herum tobte die blaugelbe Masse! Es stand 0:4 und es verlieĂ nicht ein Mensch das Stadion! Nicht mal ich, wobei ich dazu allerdings auch körperlich nicht mehr in der Lage war. Die Braunschweiger, und zwar alle (!!!), feuerten ihre Truppe an, standen ohne Ausnahme bei "Steht auf wenn ihr Löwen seid" und zeigten den Mainzern verbal auf, wer bisher FuĂballgeschichte geschrieben hat: "Nie Deutscher Meister, ihr wart noch nie Deutscher Meister!". Immer wieder peitschte es aus allen Kehlen "Eintracht, Eintracht!" Wenn ich mit meinen Gedanken nicht schon sonst wo gewesen wĂ€re, hĂ€tte ich aufgrund der Stimmung bei DIESEM Spielstand schon lĂ€ngst mein GĂ€nsehaut-Feeling gehabt! Es ging mir aber am ***** vorbei...
Zu unrecht, wie sich aber erst spĂ€ter noch herausstellen sollte. Ăber 20.000 Braunschweiger forderten von ihrer Mannschaft lautstark "Und zum Abschied, schenkt uns noch ein Tor!" Das Tor, das ich eigentlich gar nicht mehr richtig zur Kenntnis nahm, weil es mir einfach nur noch egal war, fiel tatsĂ€chlich! Und es wurde gefeiert wie die Deutsche Meisterschaft! Erst Stunden spĂ€ter erfuhr ich, dass dieses - fĂŒr mich zu diesem Zeitpunkt völlig unbedeutende - Tor in Frankfurt Signalwirkung hatte...
Nun schaue ich fassungslos auf das Spielfeld. Klopp stĂŒrmt Richtung HaupttribĂŒne in die Katakomben. Spieler in rotweiĂen Trikots fallen wir vom Blitz getroffen in sich zusammen. Der Mainzer-PrĂ€sident heult auf dem Boden sitzend hemmungslos. Irgendwie, ganz langsam, fang ich an zu begreifen! Es muss das Unvorstellbare passiert sein! Aber der Stadionsprecher meldet nichts aus Frankfurt... Verdammt, was ist los? Ich erwache aus meiner Lethargie, stehe auf, taumel zum Zaun. Um mich herum ratlose Gesichter. Ich begreife immer mehr, so feiert man keinen Aufstieg! Nicht mal die Mainzer! Dann die ersten Rufe hinter mir "SECHSZUDREI! 6:3!!!". Ich traue dem nicht. Ich will dem nicht trauen. Immer mehr GebrĂŒlle hinter mir: "Das gibt's nicht, die Frankfurter haben es gepackt!!!". Die ersten Braunschweiger stĂŒrzen auf mich zu, gratulieren mir, umarmen mich, tanzen mit mir "Ihr seid aufgestiegen!!!" Ich reiĂe mich los, renn wir ein Irrer durch den Block, mindestens 750 Kilometer in Sekundenbruchteilen! Die Braunschweiger fallen unterdessen auf alles was Frankfurt-Trikots an hat freudestrahlend ein. Ich hĂ€ng am Zaun, lieg am Boden, heule, schreie, bin einfach nur ĂŒberwĂ€ltigt! Stammel vor mich hin, das gibt's nicht, das gibt's nicht, das kann doch nicht, nein, das glaub ich nicht, WAHNSINN!!! Ich flehe mein Handy an! Kein Durchkommen nach Frankfurt, nur die blöde Mailbox an! Es muss wahr sein, es kann nur wahr sein, ja, ich will jetzt einfach, dass es wahr ist!!! WIR SIND AUFGESTIEGEN! Ich klettere auf den Zaun und schreie es in Richtung Mainzer Kurve. Renne aus dem Stadion raus und wieder rein, wieder auf den Zaun, ĂŒber den Zaun, renne in das Tor, in DAS TOR! ErklĂ€re es heilig, klammere mich ans Tornetz, schreie, jubel, tanze. Um mich herum bemerke ich aus dem Augenwinkel die panischen Ordner. Egal, sollen sie mich abfĂŒhren und mir fĂŒr die nĂ€chsten hundert Jahre Stadionverbot erteilen, ich habe jetzt meinen ganz persönlichen Platzsturm! Aber sie interessieren sich ĂŒberhaupt nicht fĂŒr mich. Um mich herum sind bereits einige hundert Braunschweigfans auf dem Platz. Sie feiern. Keine Ahnung was. Ihren Abstieg, unseren Aufstieg? Egal! Weitere tausend sind gerade dabei die Fluchttore zu stĂŒrmen und wenige Augenblicke spĂ€ter auch auf dem Platz! VerbrĂŒderungsszenen zwischen Frankfurter und Braunschweiger Eintrachtfans an der Stelle, wo wenige Minuten zuvor Mainzer Spieler ins Tal der TrĂ€nen stĂŒrzten. Erst jetzt schieĂt es mir durch den Kopf: Was, was, um alles auf der Welt, muss eigentlich in Frankfurt jetzt gerade abgehen, und vor allem, was ist da eigentlich passiert??? War da ĂŒberhaupt noch irgendwer im Stadion, oder setzte nach dem 3:3 die groĂe Flucht aus dem Stadion ein? Wer erzielte wann die Tore? LĂ€uft am Ende noch das Spiel und die Reutlinger schieĂen in diesem Augenblick das vierte Tor??? Schwachsinn! Wir haben es geschafft!!! JAAAAAAAAAAAAAA!!!
Harrrrch des war scheee geschrieben Rigo. Hoffe von dir noch ne menge SChreibselei zu lesen, besonderst Fanhistorisch!!! Denn dank der Fanhistorie geht die Zeit vieeeeel Schneller rum im Sommerloch!
Vielen Dank, mir persönlich hat deine Geschichte bis jetzt am besten gefallen und das ist wirklich nicht leicht bei all den anderen guten BeitrÀgen... Hoffe, bald mal wieder sowas von dir lesen zu können
Das ist mit Abstand das beste Wort zum Sonntag an einem Montag was ich je gelesen habe. Jetzt weiss ich auch, das es ein Frevel ist FgvĂâĂÂŽs zu versĂ€umen , kommt nicht wieder vor
Ich habe ja schon einen Bericht aus Braunschweig, genauer ausm Mainzer Fanblock bekommen - von ner Freundin, groĂer Eintracht-Fan. Dennoch war es sehr geil deinen Bericht zu lesen. Geil geschrieben... ich bin noch mal durch alle Emotionen gegangen...
Aber eine Frage habe ich noch:
Wie kommt's eigentlich, dass die Braunschweiger Eintrachtler so fĂŒr uns waren und die Mainzer nach dem Spiel so angemacht haben? War das nur der Spielplan? Wie war das eigentlich in lang vergangenen gemeinsamen Erstligajahren?
Ich habe diese FGV auch noch irgendwo, denn so nen Bericht wirft man nicht weg. Ich musste ihn gleich ein zweites mal lesen. Das sind wunderschöne Erinnerungen! Der Tag des 6-3 s. mein Vater flippt nicht oft so aus, dass er mir an jedem Stand ein Bier kaufen will
Wie kommt's eigentlich, dass die Braunschweiger Eintrachtler so fĂŒr uns waren und die Mainzer nach dem Spiel so angemacht haben? War das nur der Spielplan? Wie war das eigentlich in lang vergangenen gemeinsamen Erstligajahren?
Habe dafĂŒr keine ErklĂ€rung, lediglich Vermutungen. Sicherlich war auch der Spielplan dran schuld. Zu gemeinsamen Bundesligazeiten gab es, bis vielleicht auf die damals ĂŒblichen kleinen ScharmĂŒtzel (wenn ĂŒberhaupt), kein VerhĂ€ltnis zueinander, da damals effektiv zu wenig Braunschweiger in Frankfurt und wiederum zu wenig Frankfurter in Braunschweig waren. Im Relegationsspiel 198x zwischen Oxxenbach und Braunschweig waren einige Frankfurter auf der MĂŒllhalde. Aber nicht wegen Pro BS sondern hauptsĂ€chlich Contra OX. WĂ€ren daher vermutlich auch bei jeder anderen Paarung dahin gekommen.
Bei unserem Zweitligaspiel dort am Ostersonntag 2003, war das VerhĂ€ltnis zueinander eher harmonisch. HaĂgesĂ€nge gegeneinander gab es nicht, eher Bewunderung ĂŒber den Support auf der jeweiligen Seite. Zumindest hatten viele Frankfurter so eine Stimmung dort nicht unbedingt erwartet.
Desweiteren wird Mainz in der Region wohl eher als nervige Modeerscheinung angesehen - Hannovers (sinngem.) "Eure Freundlichkeit kotzt uns an"-Transpi zeigt das ja auch.
Ob es eine Rolle spielt, dass die BSler mit den Mannheimern befreundet sind, die wiederum mit unserer UF gut können, kann ich nicht beurteilen. Zumindest wissen auch die BSler, dass wir nicht gerade das beste VerhÀltnis zu Hannover pflegen. Und der gemeinsame Vorname "Eintracht" verpflichtet ja auch irgendwo...
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In Frankfurt steht es...
Abpfiff! 1:4. Regungslose, geradezu vor Angst gepeinigte Spieler im Mittelkreis des Spielfeldes. Panische Gesichter, live auf der Stadion-Videotafel zur Schau gestellt. Mittendrin mein (angeblich ehemaliger) Nachbar aus Frankfurt Nieder-Eschbach. Doch von der GefĂŒhlswelt trennen uns - weiĂ Gott - mehr als nur zwei mickrige StraĂenzĂŒge. Er Trainer, eines bedeutungslosen Karnevalsclubs, der kurz vor dem gröĂten Erfolg seiner Vereinsgeschichte steht. Ich, ein einfacher aber stolzer Fan der ruhmreichen Frankfurter Eintracht, zu diesem Zeitpunkt, und das seit gut einer halben Stunde, nur noch ein HĂ€ufchen Elend...
Leere apathische Blicke auf die Videotafel. Wieso freuen die sich nicht? Der FuĂballgott, der vor vier Jahren noch groĂzĂŒgig seinen Freudenbecher ĂŒber die Eintracht ausschĂŒttete, als eine nicht mehr fĂŒr möglich gehaltene Aufholjagd mit dem 5:1 gegen Lautern gipfelte, hatte doch schon lĂ€ngst die Seiten gewechselt. Niederlage aus heiteren Himmel gegen Trier, Unterkante der Latte gegen Union Berlin, Lastminute-Schock in Mainz... In Ahlen lieĂ er doch nur die Narrenkappen-Bande verlieren, damit wir uns - und das war zu diesem Zeitpunkt klar - in falscher Hoffnung wiegen konnten. Selbst mein wirklich schweres Opfer, nicht in Frankfurt zu sein, sondern hier, an dem Ort, der unmittelbar davor stand als Synonym fĂŒr den gröĂten Triumph des Rosenmontagszuges degradiert zu werden, schien ihn nicht wohlwollend zu stimmen. HĂ€tte ich etwa noch meine Katze opfern sollen??? In Frankfurt steht es 4:3...
Sommer 2002. Eintracht Frankfurt und seine Fans standen vor dem Nichts. Ernsthafte Ăberlegungen wurden in der Kneipe und am Telefon gebrĂŒtet, Geld zu sammeln, damit wir irgendeinen finanzschwachen Landes- oder gar Oberligisten aufkaufen und ihn in SG Eintracht Frankfurt 02 e.V. umbenennen, damit wir nicht auf der Bertramswiese ganz von vorn anfangen mĂŒssen. Im letzteren Fall, sollte also die gesammelte Kohle nicht reichen, sahen wir uns schon selbst das Eintracht-Trikot ĂŒberstreifen (eigentlich eine phantastische Vorstellung!), um, verstĂ€rkt durch die reaktivierten Uwe Bein und Bernd Hölzenbein, die Mission "In 10 Jahren wieder ProfifuĂball!" anzugehen. Der Frankfurter Kommunal-Politiker als solcher, faselte unterdes etwas vom FC Rhein-Main, wenn nicht gerade voller Neid nach Mainz geschaut wurde. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich sammle meine ganze noch verbliebene Kraft, um meinen Kopf nach links zu bewegen und meinen Nachbarn, im gelbblauen Eintracht Braunschweig-Trikot gekleidet und mit einem seiner zwei Ohren am Radio, nur noch diese eine Frage zu stellen: "Steht's immer noch 4:3?" Danach sacke ich wieder in mich zusammen. Seine Antwort, dass er es glaube, aber eigentlich nicht den richtigen Sender drin habe, da er vorher in seinem Leben noch nie so viel Schlager hörte wie an diesem Tage usw., vernehme ich nur noch aus weiter Ferne. In Frankfurt steht es 4:3...
Die heiĂe Phase der WM in Asien wurde eingelĂ€utet. Mittlerweile versuchten uns die Eintracht-Verantwortlichen, allen voran Volker Sparmann, damit zu beruhigen, dass man zuversichtlich sei, pĂŒnktlich zum Abgabetermin, Unterlagen bei der DFL-Zentrale abgeben zu können, die uns doch noch die so erhoffte Lizenz ermöglicht. Es war irgendein Achtel- oder Viertelfinalspiel der englischen Nationalmannschaft. Und es war der Samstag vor dem alles entscheidenden Montag, der von der DFL als letzte Frist fĂŒr das Lizenzierungsverfahren bestimmt wurde. Wir saĂen im Frankfurter Westend im English Pub. Wir, das waren verzweifelte Eintrachtfans und Axel, Vize des Vereins, der zu diesem Zeitpunkt mehr Panik vor der angekĂŒndigten Fan-Demo am folgenden Tag auf dem Römer, als vor dem Gang zur DFL am Montag hatte. "Jungs, es fehlen nur noch Zusagen fĂŒr wenige tausend Euro, dann haben wir die Lizenz. Falls Ihr morgen am Römer seid, beschwichtigt dort die Fans. Nicht dass es dort zu unschönen Szenen kommt... - die Lizenz ist sicher!" Um uns herum hunderte von englischen Gastarbeitern, die Tod und Teufel schwitzten. Uns war das, was ĂŒber die Fernseher aus dem fernen Asien ĂŒbertragen wurde, so ziemlich schnuppe. In Frankfurt steht es 4:3...
WĂ€hrend der Typ links neben mir mittlerweile alle Schlagerhits von Karel Gott und Vicky Leandros rauf und runter beten kann, schien meine zweite, ach was sag ich, vierte Informationsquelle zu verstummen. Rechts von mir stehen ein paar Jungs - ich vermute Hannover 96 oder Wolfsburg-Fans, geben sich aber, rein aus Selbsterhaltungstrieben, nicht als solche zu erkennen - die durch Freunde, die sich den letzten Spieltag auf Premiere anschauen, per SMS ĂŒber die Ergebnisse aus den anderen Stadien informiert werden. Ich brauche sie nicht zu fragen, es genĂŒgt ein verzweifelte Blick in ihre Richtung. "Nee, noch nichts aus Frankfurt gehört (...)" In Frankfurt steht es 4:3...
Die Bombe schlug ein! Ausgerechnet die im Vorfeld als wasserdicht angesehene HELABA-BĂŒrgschaft, sorgte fĂŒr Misstrauen bei den DFL-FunktionĂ€ren und diente als BegrĂŒndung fĂŒr den "endgĂŒltigen" Lizenzentzug! Schock! Wir standen ziemlich gelackmeiert und mit leeren HĂ€nden da! Die Lizenz war doch sicher? Wieso jetzt doch nicht? Das gibst doch nicht! Wo ist die nĂ€chste AutobahnbrĂŒcke? Es folgte ein, fĂŒr nicht Eintrachtfans, bestimmt unterhaltsames Gerichtsmarathon. FĂŒr uns, fĂŒr die diese schwarzweiĂe Fahne mit dem roten Adler in der Mitte ungefĂ€hr den Stellenwelt einnimmt, wie fĂŒr die christliche Welt das Abbild der Jungfrau Maria, war das allerdings ĂŒberhaupt nicht unterhaltsam. Es war ein Albtraum! Ein Albtraum, in dem wir von grĂ€sslichen DFL-Monstern mit ihren furchteinflöĂenden Fratzen getreten, bespuckt und gedemĂŒtigt wurden. Gut nur, dass das Drehbuch fĂŒr diese schlaflosen NĂ€chte offenbar in Hollywood zu Papier gebracht wurde! Anders ist es nicht zu erklĂ€ren, dass auf einmal, scheinbar aus dem Nichts, ein brillentragendes immerzu grinsendes Wesen - wir nennen es der Einfachheit wegen mal Schickhardt - mit den groĂen, zu Paragraphen geformten Schwertern, die Ungeheuer aus der Otto-Fleck-Schneise und der MĂŒnchner Vorstadt in die Knie zwang! Die Nachricht vom Schiedsspruch, der uns die Lizenz dann doch noch unverhofft einbrachte, erreichte mich damals in ... Braunschweig! Da wusste ich natĂŒrlich noch nicht, dass sich der Kreis gut zehn Monate spĂ€ter genau dort wider schlieĂen sollte. In Frankfurt steht es 4:3...
Ich werde angeschrieen, gerĂŒttelt und getreten, die Jungs neben mir erhielten gerade eine SMS: Frankfurt fĂŒhrt 5:3! FRANKFURT FĂHRT 5:3!!! Kurz nachgerechnet, reicht nicht. Das Lebensbejahende war in mir schon lĂ€ngst erloschen... Nun bestĂ€tigt es auch der Stadionsprecher, wĂ€hrend die Mannen, die gerade noch ein AuswĂ€rtsspiel mit 4:1 fĂŒr sich entscheiden konnten, im Mittelkreis verzweifelt in ihre rotweiĂen Trikots beiĂen, hochoffiziell "In Frankfurt lĂ€uft das Spiel noch in der Nachspielzeit. Dort steht es 5:3 fĂŒr Frankfurt. Wir informieren sie umgehend, wenn das Spiel dort beendet ist" Der FuĂballgott ist echt ein Komiker. 5:3! Ein Ergebnis, dass in jedem Eintrachtfan seit 44 Jahren höchste GlĂŒcksgefĂŒhle auslöst. 5:3, das bisher geilste aller geilen Ergebnisse! Und nun? FĂŒr was steht nun das 5:3? FĂŒr tragisches Scheitern! Das groĂe 5:3 von den Pfaffs und den Sztanis bis in alle Ewigkeit hinweggefegt durch so ein profanes, belangloses, unbedeutendes 5:3, das in Zukunft nur noch dafĂŒr steht, am letzten Spieltag den Aufstieg gegen einen Absteiger in die Amateurklasse jĂ€mmerlich vergeigt zu haben. In Frankfurt steht es 5:3...
Lizenz gerettet, aber einen Trainer, der seit zwei Jahren aus dem GeschĂ€ft war und eine Truppe, teils zusammengesetzt aus der enttĂ€uschenden Eintracht-Truppe des Vorjahres und der aufs Abstellgleis geschobene Spieler anderer Vereine. Wir konnten froh sein, ĂŒberhaupt noch im Kicker-Sonderheft als Mannschaftsfoto aufgefĂŒhrt zu sein. Klar, eine groĂe siegreiche Saison war nicht zu erwarten. Kampf gegen den Abstieg, gerade bei diesem Auftaktprogramm gegen drei aus der Bundesliga abgestiegenen Mannschaften aus Pauli, Freiburg und Köln, gerade mal kurz unterbrochen von dem Spiel gegen die ambitionierten FĂŒrther. Nach dem vierten Spieltag stehen wir immer noch mit null Punkten da. Es wurden neun! Einzig in Köln verloren wir, trotz der meiner Ansicht nach besten Saisonleistung. Wir ĂŒberwinterten auf einen Aufstiegsplatz! Ein Wunder! In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre auf die Braunschweiger Videowand, die Protagonisten auf eben dieser, kleben mit ihren Augen an den Monitoren, die auf den AnstoĂkreis des Spielfeldes getragen wurden. Auf diesen Monitoren scheint die vom Stadionsprecher angesprochene Nachspielzeit in Frankfurt zu laufen. Oh Gott, Naheinstellung von Thurkdusau. Gleich wird er mit geballter Faust laut schreiend auf die Blöcke seiner Fans zurennen, wird sie abklatschen, kĂŒssen, auf den Zaun den Affen machen. Und wieso? Nur weil der Pole in Oberhausen das verdammte leere Tor nicht traf! Was mach ich hier? Wieso bin ich nicht schon lĂ€ngst an die nĂ€chste Bierbude und sauf mich besinnungslos (das Bier in Braunschweig war immerhin alkoholhaltig). So besinnungslos, dass ich ein Jahr ins Koma falle, danach kurz die Augen öffne, um mich zu vergewissern, dass die Eintracht endlich wieder auf- und Thurkdusau als Lachnummer der 1. Liga wieder abgestiegen ist. Es geht nicht. Mein Geist will zwar, mein Körper aber nach den vier Toren von Auer lĂ€ngst zu Salz erstarrt. Ich beschlieĂe an dem Platz, von dem ich regungslos das Geschehen im Stadion wahrnehme, zu sterben. Hoffentlich weiĂ meine Frau, dass ich dort nicht auch noch beerdigt werden will! Sondern unter dem Tor meine letzte Ruhe finden will, auf das Holz sein Sitzkopfballtor gegen Bukarest, Schaub (Legenden sterben nie!) das Siegtor gegen Gladbach, Binz das 2:0 gegen SaarbrĂŒcken, Jay Jay sein Weltklassetor gegen Kahn und ĂŒberhaupt die Eintracht alle fĂŒnf Tore gegen Kaiserslautern erzielte. Hoffentlich weiĂ das meine Frau, denn ich vergaĂ meinen letzten Willen im Testament festzuhalten. In Frankfurt steht es 5:3...
Es ist ja nun wirklich keine traditionsreiche Auseinandersetzung. Dazu gab es das Duell in der Vergangenheit gegen Mainz einfach zu selten. Tradition hat allenfalls die Schiffstour zur Bruchbude. Innerhalb der illustren Reisegruppe, die diesmal zum vermeintlich entscheidenden Spiel um den Aufstieg ĂŒber den Main schipperte, war klar, wer nach dem Spiel auf einem Aufstiegsplatz steht, der steigt auch auf. Dazu wĂŒrde uns das Standard-Ergebnis reichen. Ein Unentschieden. Danach sah es auch lange Zeit aus, bis auf einmal, es war wohl in der 89. Minute, der Schiri auf FreistoĂ fĂŒr Mainz entschied. AusgefĂŒhrt, Nikolov lĂ€sst abprallen, Auer zur Stelle, Entsetzen! Pures Entsetzen! NĂ€chstes Jahr Regensburg, Burghausen und Unterhaching. Das nĂ€chste Heimspiel, 4:1 gegen Mannheim, nahm ich eigentlich nur noch Schulterzuckend zur Kenntnis. Vielleicht hilft uns ja ein Wunder, am besten schon beim Mainzer Gastspiel in Ahlen! Aber so wie die RĂŒckrunde bisher fĂŒr uns verlief, insbesondere bei den Heimspielen, steigt dann wohl eher FĂŒrth auf. Andere, beispielsweise ein gewisser Jens, sah die ganze Sache durchaus positiver. Er rief auf der Eintracht-Internetpage dazu auf, man möge Werner "Beinhart" Lorant mit Tonnen von Ăppler eindecken, wenn seine Jungs den Sieg gegen den Karnevalsverein erringen. In einem dramatischen Spiel schafften sie es tatsĂ€chlich! Ehrensache, dass Lorant nun das gude Stöffche zu bekommen hat. Mit 40 Kisten Possmann fuhren wir nach Ahlen. Auf der Ahlener GeschĂ€ftsstelle war man sichtlich begeistert, dass wir unser Wort gehalten hatten. Selbst Lorant, der gewöhnlich nur grimmig dreinschauend seine Umwelt zur Kenntnis nimmt, war, untermalt durch ein LĂ€cheln (!), hocherfreut beim Anblick der Lieferung! Die Ahlener Spieler unterstrichen fĂŒr uns glaubhaft, dass sie schon vor ihrem Spiel von der Ăppler-Aktion erfahren hatten, die richtige Motivation, um uns SchĂŒtzenhilfe zu leisten. Sie werden, abzĂŒglich der zwei Kisten, die Lorant fĂŒr seine "Schwiegermutter" im Kofferraum seines SLK verschwinden lieĂ, nach einem erfolgreichen Spiel in Mannheim, den Ăppler auf der RĂŒckfahrt genĂŒsslich leeren. Lorant unterdes, stellte uns gegenĂŒber klar, was er von seinem Kollegen aus der rheinland-pfĂ€lzischen Landeshauptstadt hĂ€lt: "Der Klopp? Der ist doch Offenbacher!" In Frankfurt steht es 5:3...
Ich starre schon eine halbe Ewigkeit auf diese verdammte Videotafel. Auf einmal, was war das? Was ist denn jetzt los? Bin ich jetzt ein Opfer von Halluzinationen??? Klopps Gesicht erklĂ€rt eigentlich alles, ich vermag es aber nicht zu interpretieren. Andere brechen in sich zusammen! Mein Gott... Ist es möglich? Blick auf die Mainzer Blöcke - Stille! Absolute Stille!!! Ich trĂ€ume, da ich wohl schon unbemerkt sanft erschlummert bin und befinde mich nun ganz offensichtlich in Andy im Wunderland. Gleich werden weiĂe Kaninchen und Skatkarten ĂŒber das Spielfeld feixend tanzen und eine unsichtbare Grinsekatze mir die Stinkekralle zeigen, um deutlich erkennen zu geben, dass ich mich mittlerweile in einer anderen RealitĂ€t befinde. ****! Wie steht es in Frankfurt???
In meinen Freundeskreis erntete ich bestenfalls KopfschĂŒtteln gepaart mit unglĂ€ubigen Blicken (in etwa der Art, als wenn man behaupten wĂŒrde Napoleon zu sein und bei nĂ€chster Gelegenheit Wellington in seinen fetten britischen ***** treten wolle), als ich - durchaus zögernd - meinen Entschluss preis gab, dass ich beim letzten Saisonspiel der Eintracht gegen Reutlingen nicht im Waldstadion anwesend sein werde. Zumindest nicht physisch.
Es war aus familiĂ€ren GrĂŒnden bereits lĂ€nger geplant ausgerechnet an diesem Wochenende, an dem dummerweise der letzte Spieltag in den FuĂball-Bundesligen anstand, in Norddeutschland zu sein. Normalerweise wĂŒrde mir das natĂŒrlich nicht passieren, aber unglĂŒcklicherweise ist mir die absolute Unkenntnis des Spielplanes zu eigen. Das geht sogar so weit, dass mir öfters auf dem Weg ins Stadion nicht immer ganz klar ist, gegen wen die Eintracht eigentlich spielen wird (erstaunlich genug, dass ich ĂŒberhaupt weiĂ, dass die Eintracht spielt...). Bei AuswĂ€rtsspielen habe ich dieses Problem Gott sei Dank nicht. Denn Pferd ruft mich meist rechtzeitig an, ob ich am soundsovielten fĂŒr das Spiel beim WasweiĂichwem noch Karten brĂ€uchte. Nun, erst bei der Urlaubsabsprache im BĂŒro, wurde mir das ganze Dilemma bewusst "Bist Du gegen Reutlingen nicht da???" Schwitz, ausgerechnet gegen Reutlingen nicht da? Nein, kann ja wohl nicht sein! Wird auch nicht sein! Ich setze mich am Sonntag in den ICE und fahr zum Spiel in Frankfurt ein. Damit war fĂŒr mich das Thema erledigt! Erledigt? Spielt da nicht noch Braunschweig gegen den Karnevalsverein? Bin ich nicht zufĂ€lligerweise an diesem Tag in Braunschweig? Schwachsinn! Was soll ich da? Erledigt!
SpĂ€testens nach dem Spiel in Oberhausen war klar, dass das fĂŒr mich nach dem Mainz-Spiel Unvorstellbare RealitĂ€t wurde. Wir haben es am letzten Spieltag selbst in der Hand! Und diese Saison begann eigentlich schon mit einem Happyend! Ein Happyend, von dem ich erfuhr, als ich in Braunschweig war. Und jetzt könnte die Steigerung eintreten. Keinen Gedanken daran verschwendet, nicht bei der Eintracht zu sein! Seit dem ich zur Eintracht gehe, war ich bei allen entscheidenden Spielen im Stadion, ob UEFA-Cup, DFB-Pokal, Spiele gegen den Abstieg, um den Aufstieg, Relegation usw. Und jetzt? Bin ich komplett wahnsinnig oder einfach nur total aberglĂ€ubig??? Beides schlieĂlich Eigenschaften, die ja bekanntlich ziemlich untypisch fĂŒr einen FuĂballfan sind...
Bis Mittwoch vor dem Spiel war ich sicher, dass ich in Frankfurt sein muss - orderte aber schon vorher auf Verdacht bei Freunden eine Karte fĂŒr das Braunschweig-Spiel. In der schlaflosen Nacht zum Donnerstag stand mein Entschluss fest. Wenn ich in Frankfurt bin, vergeigen wir den Aufstieg... Die Saison begann mit meiner Anwesenheit in Braunschweig, also muss sie dort auch enden! Alles wird gut!
Am Spieltag im Stadion angekommen, gaben sich doch einige Leute als Fans der Frankfurter Eintracht zu erkennen. Meist aus der nĂ€heren Umgebung (wir sind ĂŒberall!), die keine Karten mehr fĂŒr das Reutlingen-Spiel bekommen haben. Einige kamen allerdings direkt aus Frankfurt, welche Intention die hatten in Braunschweig zu sein, blieb mir allerdings unklar. Waren die etwa auch bei der Lizenzentscheidung in Braunschweig? Keine Ahnung. Ein Fan, aus Frankfurt "Bernem", hatte, so meinte er zumindest, einen direkten SMS-Draht zu Lizenspieler-Betreuer Falkenhain (!!!). Ohne mir darĂŒber nĂ€here Gedanken zu machen, wie Falkenhain es von der Spielerbank in Frankfurt bewerkstelligt, ihn mit einem SMS-Ergebnisdienst zu versorgen, erklĂ€rte ich ihn kurzerhand zu meiner ersten Informationsquelle. Er war spĂ€ter glĂŒcklich, dass meine zweite Informationsquelle, nĂ€mlich der direkte Handykontakt zu mehreren Leuten im Waldstadion, zumindest noch in der ersten Halbzeit halbwegs funktionierte. So war er wenigstens auch ĂŒber die ZwischenstĂ€nde aus Frankfurt informiert...
Das Braunschweiger Stadion platzte natĂŒrlich aus allen NĂ€hten. Die ganze Stadt trug an diesem Tag blaugelb! Es herrschte die Zuversicht, dass die Mainzer geschlagen und der Klassenerhalt gemeistert werden kann. Einziges Unbehagen herrschte ĂŒber den Spielausgang in Karlsruhe. FĂŒr den Ligenverbleib der Braunschweiger war eine Niederlage des KSC zwingend notwendig. Aber man hoffte, dass sich die FĂŒrther schon nicht hĂ€ngen lassen werden. Nun, das sorgte natĂŒrlich bei mir fĂŒr ein flaues GefĂŒhl im Magen, denn wenn meine Eintracht so ein blödes Unentschieden gegen Reutlingen prĂ€sentiert, und bei den ganzen Remis im Waldstadion wĂ€hrend der RĂŒckrunde, war das ja durchaus im Bereich des Möglichen, wĂ€ren die FĂŒrther der lachende Dritte...
Beim Einlauf der Mannschaften, bot sich fĂŒr mich ein doch durchaus ungewohntes Bild. Denn war ich es bisher gewohnt, dass Choreos meist ihren Mittelpunkt in den Fanblöcken haben, fand diese in Braunschweig auf der Haupt- und GegentribĂŒne, nicht aber in der Eintrachtfan-Kurve statt! Es sollte nicht der einzige Aha-Effekt an diesem Spieltag bleiben.
Nach wenigen Minuten schien bereits alles nach Plan zu laufen! Nach der frohen Kunde aus Frankfurt, dass es 1:0 steht, erzielten die Braunschweiger ein Tor. WĂ€hrend ich realisieren musste, dass das Tor, wieso auch immer, nicht gegeben wurde, erreichte mich zeitgleich das 1:1 fĂŒr Reutlingen... Kurze Zeit spĂ€ter das FĂŒhrungstor durch (ich nenn ihn jetzt nur einmal, dann nie wieder) Auer. Erster Schock, aber eigentlich noch nichts passiert... Der zweite Schock saĂ deutlich tiefer, als die Mainzer nach knapp 20 Minuten mit 2:0 davoneilten. Von der Braunschweiger Eintracht sah man nichts mehr. Die Braunschweiger Fans um mich herum, konnten sich auch nicht so recht daran erinnern, wann ihre Truppe das letzte Mal drei Tore im heimischen Stadion erzielte. Die Messe war, zumindest in der Abstiegsfrage, fĂŒr den norddeutschen Traditionsverein gesungen... Ich flehte alle mir bekannten Götter an, dass sie sich jetzt nicht noch abschlachten lassen. Aber genau das passierte in der zweiten Halbzeit! In Kenntnis ĂŒber die 3:1-FĂŒhrung der AdlertrĂ€ger, spielte sich das Geschehen nur noch vor dem Braunschweiger Kasten ab. Die Braunschweiger Fans, bewusst geworden, dass der Abstieg besiegelt schien (mittlerweile fĂŒhrte auch der KSC), interessierten sich fortan nur noch fĂŒr die Aufstiegsfrage. Im gesamten Stadion, mit Ausnahme bestimmter Blöcke, wurde lautstark "Und ihr, steigt sowieso nicht auf!" gesungen, ach, eigentlich fast schon gebrĂŒllt!
0:3 und keinen Handy-Kontakt mehr nach Frankfurt! Die Reutlinger Tore blieben mir aber dennoch nicht verborgen, da diese durch die Reaktion der etwa 2.000 Mainzer mir ganz persönlich kund getan wurden... 0:4 und zusĂ€tzliches zweimaliges Jubeln in der Faschings-Kurve. Ich sackte zusammen. Weltuntergang. Um mich herum tobte die blaugelbe Masse! Es stand 0:4 und es verlieĂ nicht ein Mensch das Stadion! Nicht mal ich, wobei ich dazu allerdings auch körperlich nicht mehr in der Lage war. Die Braunschweiger, und zwar alle (!!!), feuerten ihre Truppe an, standen ohne Ausnahme bei "Steht auf wenn ihr Löwen seid" und zeigten den Mainzern verbal auf, wer bisher FuĂballgeschichte geschrieben hat: "Nie Deutscher Meister, ihr wart noch nie Deutscher Meister!". Immer wieder peitschte es aus allen Kehlen "Eintracht, Eintracht!" Wenn ich mit meinen Gedanken nicht schon sonst wo gewesen wĂ€re, hĂ€tte ich aufgrund der Stimmung bei DIESEM Spielstand schon lĂ€ngst mein GĂ€nsehaut-Feeling gehabt! Es ging mir aber am ***** vorbei...
Zu unrecht, wie sich aber erst spĂ€ter noch herausstellen sollte. Ăber 20.000 Braunschweiger forderten von ihrer Mannschaft lautstark "Und zum Abschied, schenkt uns noch ein Tor!" Das Tor, das ich eigentlich gar nicht mehr richtig zur Kenntnis nahm, weil es mir einfach nur noch egal war, fiel tatsĂ€chlich! Und es wurde gefeiert wie die Deutsche Meisterschaft! Erst Stunden spĂ€ter erfuhr ich, dass dieses - fĂŒr mich zu diesem Zeitpunkt völlig unbedeutende - Tor in Frankfurt Signalwirkung hatte...
Nun schaue ich fassungslos auf das Spielfeld. Klopp stĂŒrmt Richtung HaupttribĂŒne in die Katakomben. Spieler in rotweiĂen Trikots fallen wir vom Blitz getroffen in sich zusammen. Der Mainzer-PrĂ€sident heult auf dem Boden sitzend hemmungslos. Irgendwie, ganz langsam, fang ich an zu begreifen! Es muss das Unvorstellbare passiert sein! Aber der Stadionsprecher meldet nichts aus Frankfurt... Verdammt, was ist los? Ich erwache aus meiner Lethargie, stehe auf, taumel zum Zaun. Um mich herum ratlose Gesichter. Ich begreife immer mehr, so feiert man keinen Aufstieg! Nicht mal die Mainzer! Dann die ersten Rufe hinter mir "SECHSZUDREI! 6:3!!!". Ich traue dem nicht. Ich will dem nicht trauen. Immer mehr GebrĂŒlle hinter mir: "Das gibt's nicht, die Frankfurter haben es gepackt!!!". Die ersten Braunschweiger stĂŒrzen auf mich zu, gratulieren mir, umarmen mich, tanzen mit mir "Ihr seid aufgestiegen!!!" Ich reiĂe mich los, renn wir ein Irrer durch den Block, mindestens 750 Kilometer in Sekundenbruchteilen! Die Braunschweiger fallen unterdessen auf alles was Frankfurt-Trikots an hat freudestrahlend ein. Ich hĂ€ng am Zaun, lieg am Boden, heule, schreie, bin einfach nur ĂŒberwĂ€ltigt! Stammel vor mich hin, das gibt's nicht, das gibt's nicht, das kann doch nicht, nein, das glaub ich nicht, WAHNSINN!!! Ich flehe mein Handy an! Kein Durchkommen nach Frankfurt, nur die blöde Mailbox an! Es muss wahr sein, es kann nur wahr sein, ja, ich will jetzt einfach, dass es wahr ist!!! WIR SIND AUFGESTIEGEN! Ich klettere auf den Zaun und schreie es in Richtung Mainzer Kurve. Renne aus dem Stadion raus und wieder rein, wieder auf den Zaun, ĂŒber den Zaun, renne in das Tor, in DAS TOR! ErklĂ€re es heilig, klammere mich ans Tornetz, schreie, jubel, tanze. Um mich herum bemerke ich aus dem Augenwinkel die panischen Ordner. Egal, sollen sie mich abfĂŒhren und mir fĂŒr die nĂ€chsten hundert Jahre Stadionverbot erteilen, ich habe jetzt meinen ganz persönlichen Platzsturm! Aber sie interessieren sich ĂŒberhaupt nicht fĂŒr mich. Um mich herum sind bereits einige hundert Braunschweigfans auf dem Platz. Sie feiern. Keine Ahnung was. Ihren Abstieg, unseren Aufstieg? Egal! Weitere tausend sind gerade dabei die Fluchttore zu stĂŒrmen und wenige Augenblicke spĂ€ter auch auf dem Platz! VerbrĂŒderungsszenen zwischen Frankfurter und Braunschweiger Eintrachtfans an der Stelle, wo wenige Minuten zuvor Mainzer Spieler ins Tal der TrĂ€nen stĂŒrzten. Erst jetzt schieĂt es mir durch den Kopf: Was, was, um alles auf der Welt, muss eigentlich in Frankfurt jetzt gerade abgehen, und vor allem, was ist da eigentlich passiert??? War da ĂŒberhaupt noch irgendwer im Stadion, oder setzte nach dem 3:3 die groĂe Flucht aus dem Stadion ein? Wer erzielte wann die Tore? LĂ€uft am Ende noch das Spiel und die Reutlinger schieĂen in diesem Augenblick das vierte Tor??? Schwachsinn! Wir haben es geschafft!!! JAAAAAAAAAAAAAA!!!
Danke, Gaff!
Limburger GrĂŒĂe
Vael
Kein Tag darf man hier fehlen.
schee wars
Respekt!
Nur weiter so!
Boa was schreib ich fĂŒrn kack xD auf die haut...
mit den worten von horst hrubesch:
"dazu sage ich nur ein wort: vielen dank!"
gruĂ von
henk
p.s.: nein, noch immer kein okay. aber ich habs in der vielen zeit doch noch arg stilistisch verbessern können
danke fĂŒr den gĂ€nshautbericht, klasse!
dann liefere ich noch ein pic dazu (allerdings aus frankfurt):
Aber eine Frage habe ich noch:
Wie kommt's eigentlich, dass die Braunschweiger Eintrachtler so fĂŒr uns waren und die Mainzer nach dem Spiel so angemacht haben? War das nur der Spielplan? Wie war das eigentlich in lang vergangenen gemeinsamen Erstligajahren?
Ich habe diese FGV auch noch irgendwo, denn so nen Bericht wirft man nicht weg. Ich musste ihn gleich ein zweites mal lesen. Das sind wunderschöne Erinnerungen! Der Tag des 6-3 s. mein Vater flippt nicht oft so aus, dass er mir an jedem Stand ein Bier kaufen will
Vielen Dank fĂŒr all diese schönen Momente!
Habe dafĂŒr keine ErklĂ€rung, lediglich Vermutungen. Sicherlich war auch der Spielplan dran schuld. Zu gemeinsamen Bundesligazeiten gab es, bis vielleicht auf die damals ĂŒblichen kleinen ScharmĂŒtzel (wenn ĂŒberhaupt), kein VerhĂ€ltnis zueinander, da damals effektiv zu wenig Braunschweiger in Frankfurt und wiederum zu wenig Frankfurter in Braunschweig waren. Im Relegationsspiel 198x zwischen Oxxenbach und Braunschweig waren einige Frankfurter auf der MĂŒllhalde. Aber nicht wegen Pro BS sondern hauptsĂ€chlich Contra OX. WĂ€ren daher vermutlich auch bei jeder anderen Paarung dahin gekommen.
Bei unserem Zweitligaspiel dort am Ostersonntag 2003, war das VerhĂ€ltnis zueinander eher harmonisch. HaĂgesĂ€nge gegeneinander gab es nicht, eher Bewunderung ĂŒber den Support auf der jeweiligen Seite. Zumindest hatten viele Frankfurter so eine Stimmung dort nicht unbedingt erwartet.
Desweiteren wird Mainz in der Region wohl eher als nervige Modeerscheinung angesehen - Hannovers (sinngem.) "Eure Freundlichkeit kotzt uns an"-Transpi zeigt das ja auch.
Ob es eine Rolle spielt, dass die BSler mit den Mannheimern befreundet sind, die wiederum mit unserer UF gut können, kann ich nicht beurteilen. Zumindest wissen auch die BSler, dass wir nicht gerade das beste VerhÀltnis zu Hannover pflegen. Und der gemeinsame Vorname "Eintracht" verpflichtet ja auch irgendwo...
einfach nur: chapeaux!
supergeil geschrieben und ... du dĂŒrftest jederzeit meinen flipper treten. so ich denn noch einen hĂ€tte
peter