Wer das Stadion durch den Haupteingang betritt, sieht sie schon nach ein paar Metern auf der linken Seite am Wegesrand, die „Läuferin am Start“. Auf einem Sockel ruht die Figur seit vielen Jahren, wer sich aber die Zeit nimmt und näher herantritt, kann erkennen, welche Spannung ihr innewohnt. Die Bronzeskulptur ist ein weiblicher Akt in der Position des Tiefstarts bei einem Sprint. Mit beiden Händen, das Gewicht des Körpers auf den abgespreizten Fingern lagernd, stützt sich die Läuferin ab; die Position des Körperschwerpunktes ist leicht nach vorne geschoben, um nach dem unmittelbar bevorstehenden Startschuss sofort in die günstige Vorlage zu kommen. Das linke Knie schwebt knapp über dem Boden, das rechte Knie dagegen ist angehoben und nach vorne gestreckt; die Muskulatur des rechten Beines ist angespannt, um sofort für den nötigen Vortrieb sorgen zu können. Der Blick der Läuferin ist erhoben, sie sieht in Laufrichtung, das Ziel fest im Visier.
Was hat es mit dieser Statue auf sich? Warum steht sie dort?
Gut, zum Einen ist sicher bekannt, dass es im Waldstadion früher eine Laufbahn um den Platz herum gab, dass dort auch große Leichtathletikwettkämpfe ausgetragen wurde, vielleicht ist auch bekannt, dass dort sogar ein Laufweltrekord erzielt wurde ( Rudolf Harbig, 400 m, August 1939 ) und dass die Sprinter der Eintracht früher zu den ganz Großen ihrer Zunft gezählt wurden.
Ist die „Läuferin am Start“ also eine Reminiszenz an diese Zeiten?
Geschaffen wurde sie jedenfalls als Wettbewerbsbeitrag für die olympischen Sommerspiele 1936 von dem Bildhauer Richard Martin Werner ( 1903 – 1949 ). Von 1912 – 1948 wurden bei den olympischen Spielen neben den Sportwettkämpfen auch Kunstwettbewerbe ausgetragen, um außer der Förderung von geistiger und körperlicher Gesundheit auch die Gebiete des Sports und der Kunst miteinander zu verbinden. Medaillen wurden in den Bereichen Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei verliehen, die Kunstwerke mussten hierbei natürlich einen Bezug zum Sport aufweisen. Die „Läuferin am Start“ kann daher als echte Olympiateilnehmerin gelten; Gold, Silber und Bronze wurden zwar anderweitig vergeben, Richard Martin Werner erhielt aber eine Ehrenmedaille für sein Kunstwerk. Der Bildhauer dürfte im Übrigen den Allermeisten von uns bekannt sein, jedenfalls eines seiner Werke. Kurz nach dem Ende des 2.Weltkrieges nahm er an einem Wettbewerb teil, den er mit seinem künstlerischen Entwurf – vorgelegt durch ein Gipsmodell – gewann. Seine Vorlage stellte eine Frau dar, die einen kleinen Baumsetzling behutsam in die Erde pflanzt und mit ihren Händen beschützend umfasst; Richard Martin Werner wollte damit den friedlichen Neuanfang nach dem Schrecken des Krieges symbolisieren. Sein Werk wurde millionen-, sogar milliardenfach verbreitet: es handelt sich um das 50-Pfennig-Stück; nach Umfragen die optisch beliebteste aller im Umlauf befindlichen DM-Münzen. Der Bildhauer hat den großen Erfolg nicht mehr erlebt, er verstarb bereits 1949 an den Folgen eines Herzinfarktes. Modell für die Münze war seine Ehefrau, Modell aber für die „Läuferin am Start“ soll – um damit wieder den Bogen zurück zum Sport zu schlagen – die Eintrachtleichtathletin Emmi Haux gewesen sein. Die großen sportlichen Erfolge von Emmi (teilweise in den Siegerlisten auch: Emmy) Haux liegen in den Jahren 1923 – 1932; sie startete erst im Trikot von SC 1880, dann von Eintracht Frankfurt. Ihre Fähigkeiten waren breit gefächert: sie errang deutsche Meistertitel sowohl im 100-Meter-Sprint, wie auch in der 4 x 100 Meter Staffel, stand aber auch im Weitsprung, bei den 80- Meter Hürdenwettbewerben, beim Speerwurf und sogar im Kugelstoßen auf dem Siegertreppchen. Sie vertrat Deutschland bei Länderkämpfen und nahm auch an den Frauenweltspielen teil; 1929 stellte sie einen Weltrekord im beidhändigen (!) Speerwerfen auf, weiteren Weltrekordleistungen im 100-Meter Lauf und in der 4 x 100 Meter Staffel blieb nach den damaligen Wettkampfbestimmungen die offizielle Anerkennung versagt. 1987 ist Emmi Haux verstorben; in ihrer Darstellung lebt sie fort. Am Wegesrand, im Eingangsbereich des Waldstadions.
Seine Vorlage stellte eine Frau dar, die einen kleinen Baumsetzling behutsam in die Erde pflanzt und mit ihren Händen beschützend umfasst; Richard Martin Werner wollte damit den friedlichen Neuanfang nach dem Schrecken des Krieges symbolisieren.
Auch. Allerdings gab es auch hier eine tatsächliche Vorlage, denn nach den Kriegswirren und den fälligen Reperationshieben und den damit einhergehenden Devastierungen der deutschen Wälder wurden auch und besonders Frauen in der Wiederaufforstung beschäftigt.
Wenn man bedenkt, was zu dieser Zeit mit der deutschen Kunst los war, wird mir ein wenig unwohl was diese Skulptur angeht. Ohne hier in Bezug auf die Person Werner den Teufel an die Wand malen zu wollen, mit ästethisierten Körpern arbeitende Werke entsprechen dem was von Führer und Konsorten damals gewollt war. Nicht dass ich das Ding jetzt deswegen gleich würde abreißen lassen wollen, man sollte aber beim "Konsum" von Kunst aus dieser Zeit im Hinterkopf haben unter welchen Umständen sie entstanden ist.
EvilRabbit schrieb: Wenn man bedenkt, was zu dieser Zeit mit der deutschen Kunst los war, wird mir ein wenig unwohl was diese Skulptur angeht. Ohne hier in Bezug auf die Person Werner den Teufel an die Wand malen zu wollen, mit ästethisierten Körpern arbeitende Werke entsprechen dem was von Führer und Konsorten damals gewollt war. Nicht dass ich das Ding jetzt deswegen gleich würde abreißen lassen wollen, man sollte aber beim "Konsum" von Kunst aus dieser Zeit im Hinterkopf haben unter welchen Umständen sie entstanden ist.
Man muss auch nicht wirklich an jeder Ecke die Nazikeule im Hinterkopf haben. Was die schöpfende Kunst und die Stillisierung des "reinen Deutschen Körpers" durch Leni Riefenstahl und co. betrifft, das weiß jeder. Deshalb denke ich aber nicht bei jeder Statur gleich, dass ich sie ja nicht schön finden darf oder bekomme ein mulmiges Gefühl. Ob das jetzt in das Kunstbild des 3. Reichs passt oder nicht.. Es ist eine Sportlerin, die Leistungen für meinen Verein erbracht hat. Wenn ich bei jedem Werk, dass aus den Jahren stammt ein mulmiges Gefühl bekommen würde, wäre mir das etwas viel.. Erfreuen wir uns doch daran, dass eine alte Sportlerin der Eintracht an altehrwürdigem Platz künstlerisch hochwertig dargestellt ist...
EvilRabbit schrieb: Wenn man bedenkt, was zu dieser Zeit mit der deutschen Kunst los war, wird mir ein wenig unwohl was diese Skulptur angeht. Ohne hier in Bezug auf die Person Werner den Teufel an die Wand malen zu wollen, mit ästethisierten Körpern arbeitende Werke entsprechen dem was von Führer und Konsorten damals gewollt war. Nicht dass ich das Ding jetzt deswegen gleich würde abreißen lassen wollen, man sollte aber beim "Konsum" von Kunst aus dieser Zeit im Hinterkopf haben unter welchen Umständen sie entstanden ist.
Man muss auch nicht wirklich an jeder Ecke die Nazikeule im Hinterkopf haben. Was die schöpfende Kunst und die Stillisierung des "reinen Deutschen Körpers" durch Leni Riefenstahl und co. betrifft, das weiß jeder. Deshalb denke ich aber nicht bei jeder Statur gleich, dass ich sie ja nicht schön finden darf oder bekomme ein mulmiges Gefühl. Ob das jetzt in das Kunstbild des 3. Reichs passt oder nicht.. Es ist eine Sportlerin, die Leistungen für meinen Verein erbracht hat. Wenn ich bei jedem Werk, dass aus den Jahren stammt ein mulmiges Gefühl bekommen würde, wäre mir das etwas viel.. Erfreuen wir uns doch daran, dass eine alte Sportlerin der Eintracht an altehrwürdigem Platz künstlerisch hochwertig dargestellt ist...
War auch nur als Denkanstoß gemeint. Man muss sowas auch nicht immer gleich wieder wegreden, nur weil es einem beim unreflektierten Konsum von Kunst stört. Zur Rezeption von Kunst gehören für mich immer auch die Umstände unter denen sie entstanden ist, und wie schon gesagt bin ich niemand der deswegen dafür plädieren würde diese Skultpur zu entfernen. Sie ist nunmal in mehrererlei Hinsicht ein historisches Gut, und ich kann mir durchaus vorstellen dass sie da ganz bewusst stehen gelassen wurde um eventuell auch etwas zum Nachdenken anzuregen.
Ich persönlich finde Sätze wie "erfreuen wir uns doch daran, ..." einfach schade, da man Kunst damit letztlich darauf reduziert dass sie irgendwie ganz nett aussieht. Das mag einem Kind genügen dass davor steht und sich fragt was die lustige Metallfrau da wohl macht, mir persönlich ist es aber doch etwas wenig. Ich wollte hier jetz allerdings auch keine Nazi-Kunst-Diskussion draus machen ^^
PS: Das Wort "unwohl" war wohl doch etwas zu hart gewählt
Auf einem Sockel ruht die Figur seit vielen Jahren, wer sich aber die Zeit nimmt und näher herantritt, kann erkennen, welche Spannung ihr innewohnt.
Die Bronzeskulptur ist ein weiblicher Akt in der Position des Tiefstarts bei einem Sprint. Mit beiden Händen, das Gewicht des Körpers auf den abgespreizten Fingern lagernd, stützt sich die Läuferin ab; die Position des Körperschwerpunktes ist leicht nach vorne geschoben, um nach dem unmittelbar bevorstehenden Startschuss sofort in die günstige Vorlage zu kommen. Das linke Knie schwebt knapp über dem Boden, das rechte Knie dagegen ist angehoben und nach vorne gestreckt; die Muskulatur des rechten Beines ist angespannt, um sofort für den nötigen Vortrieb sorgen zu können.
Der Blick der Läuferin ist erhoben, sie sieht in Laufrichtung, das Ziel fest im Visier.
Was hat es mit dieser Statue auf sich? Warum steht sie dort?
Gut, zum Einen ist sicher bekannt, dass es im Waldstadion früher eine Laufbahn um den Platz herum gab, dass dort auch große Leichtathletikwettkämpfe ausgetragen wurde, vielleicht ist auch bekannt, dass dort sogar ein Laufweltrekord erzielt wurde ( Rudolf Harbig, 400 m, August 1939 ) und dass die Sprinter der Eintracht früher zu den ganz Großen ihrer Zunft gezählt wurden.
Ist die „Läuferin am Start“ also eine Reminiszenz an diese Zeiten?
Geschaffen wurde sie jedenfalls als Wettbewerbsbeitrag für die olympischen Sommerspiele 1936 von dem Bildhauer Richard Martin Werner ( 1903 – 1949 ).
Von 1912 – 1948 wurden bei den olympischen Spielen neben den Sportwettkämpfen auch Kunstwettbewerbe ausgetragen, um außer der Förderung von geistiger und körperlicher Gesundheit auch die Gebiete des Sports und der Kunst miteinander zu verbinden. Medaillen wurden in den Bereichen Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei verliehen, die Kunstwerke mussten hierbei natürlich einen Bezug zum Sport aufweisen.
Die „Läuferin am Start“ kann daher als echte Olympiateilnehmerin gelten; Gold, Silber und Bronze wurden zwar anderweitig vergeben, Richard Martin Werner erhielt aber eine Ehrenmedaille für sein Kunstwerk.
Der Bildhauer dürfte im Übrigen den Allermeisten von uns bekannt sein, jedenfalls eines seiner Werke.
Kurz nach dem Ende des 2.Weltkrieges nahm er an einem Wettbewerb teil, den er mit seinem künstlerischen Entwurf – vorgelegt durch ein Gipsmodell – gewann.
Seine Vorlage stellte eine Frau dar, die einen kleinen Baumsetzling behutsam in die Erde pflanzt und mit ihren Händen beschützend umfasst; Richard Martin Werner wollte damit den friedlichen Neuanfang nach dem Schrecken des Krieges symbolisieren.
Sein Werk wurde millionen-, sogar milliardenfach verbreitet: es handelt sich um das
50-Pfennig-Stück; nach Umfragen die optisch beliebteste aller im Umlauf befindlichen
DM-Münzen.
Der Bildhauer hat den großen Erfolg nicht mehr erlebt, er verstarb bereits 1949 an den Folgen eines Herzinfarktes.
Modell für die Münze war seine Ehefrau, Modell aber für die „Läuferin am Start“ soll – um damit wieder den Bogen zurück zum Sport zu schlagen – die Eintrachtleichtathletin Emmi Haux gewesen sein.
Die großen sportlichen Erfolge von Emmi (teilweise in den Siegerlisten auch: Emmy) Haux liegen in den Jahren 1923 – 1932; sie startete erst im Trikot von SC 1880, dann von Eintracht Frankfurt.
Ihre Fähigkeiten waren breit gefächert: sie errang deutsche Meistertitel sowohl im 100-Meter-Sprint, wie auch in der 4 x 100 Meter Staffel, stand aber auch im Weitsprung, bei den 80- Meter Hürdenwettbewerben, beim Speerwurf und sogar im Kugelstoßen auf dem Siegertreppchen. Sie vertrat Deutschland bei Länderkämpfen und nahm auch an den Frauenweltspielen teil; 1929 stellte sie einen Weltrekord im beidhändigen (!) Speerwerfen auf, weiteren Weltrekordleistungen im 100-Meter Lauf und in der 4 x 100 Meter Staffel blieb nach den damaligen Wettkampfbestimmungen die offizielle Anerkennung versagt.
1987 ist Emmi Haux verstorben; in ihrer Darstellung lebt sie fort.
Am Wegesrand, im Eingangsbereich des Waldstadions.
Auch. Allerdings gab es auch hier eine tatsächliche Vorlage, denn nach den Kriegswirren und den fälligen Reperationshieben und den damit einhergehenden Devastierungen der deutschen Wälder wurden auch und besonders Frauen in der Wiederaufforstung beschäftigt.
Bestleistungen
100-Meter-Lauf: 12,2 Sekunden (1929)
200-Meter-Lauf: 27,4 Sekunden (1926)
80-Meter-Hürdenlauf: 12,3 Sekunden (1930)
Weitsprung: 5,11 Meter (1930)
Kugelstoßen: 11,24 Meter (1930)
Diskuswurf: 34,22 Meter (1930)
Speerwurf: 36,80 Meter (1929)
Ja, vielen Dank. Wieder was gelernt und dann auch noch über das geliebte Waldstadion.
Man muss auch nicht wirklich an jeder Ecke die Nazikeule im Hinterkopf haben. Was die schöpfende Kunst und die Stillisierung des "reinen Deutschen Körpers" durch Leni Riefenstahl und co. betrifft, das weiß jeder. Deshalb denke ich aber nicht bei jeder Statur gleich, dass ich sie ja nicht schön finden darf oder bekomme ein mulmiges Gefühl. Ob das jetzt in das Kunstbild des 3. Reichs passt oder nicht.. Es ist eine Sportlerin, die Leistungen für meinen Verein erbracht hat. Wenn ich bei jedem Werk, dass aus den Jahren stammt ein mulmiges Gefühl bekommen würde, wäre mir das etwas viel..
Erfreuen wir uns doch daran, dass eine alte Sportlerin der Eintracht an altehrwürdigem Platz künstlerisch hochwertig dargestellt ist...
War auch nur als Denkanstoß gemeint. Man muss sowas auch nicht immer gleich wieder wegreden, nur weil es einem beim unreflektierten Konsum von Kunst stört. Zur Rezeption von Kunst gehören für mich immer auch die Umstände unter denen sie entstanden ist, und wie schon gesagt bin ich niemand der deswegen dafür plädieren würde diese Skultpur zu entfernen. Sie ist nunmal in mehrererlei Hinsicht ein historisches Gut, und ich kann mir durchaus vorstellen dass sie da ganz bewusst stehen gelassen wurde um eventuell auch etwas zum Nachdenken anzuregen.
Ich persönlich finde Sätze wie "erfreuen wir uns doch daran, ..." einfach schade, da man Kunst damit letztlich darauf reduziert dass sie irgendwie ganz nett aussieht. Das mag einem Kind genügen dass davor steht und sich fragt was die lustige Metallfrau da wohl macht, mir persönlich ist es aber doch etwas wenig. Ich wollte hier jetz allerdings auch keine Nazi-Kunst-Diskussion draus machen ^^
PS: Das Wort "unwohl" war wohl doch etwas zu hart gewählt