>

Die SGE-Matrix: eine Nachlese zu den Spielen gegen Freiburg, Dortmund [, HSV #133 und Stuttgart #154]

#
WuerzburgerAdler schrieb:
Tebers Pässe auf Meier und Altintop in DO: 6. Gegen SCF: 2. Trotz offensiver geführtem Spiel gegen Freiburg, trotz höherer Ballbesitzquote. Warum?

Ich habe das Freiburg-Spiel nicht gesehen, aber rein gefühlsmäßig würde ich sagen, dass das im wesentlichen am gegnerischen Defensivverhalten liegen dürfte. Freiburg in Frankfurt tritt doch ganz anders auf als Dortmund zuhause. Von daher sollte es keinen wundern, dass völlig unterschiedliche Passwege-Matrizen rauskommen.
#
"Willst du wissen, was die Matrix ist? Die Matrix ist allgegenwärtig, sie umgibt uns. Selbst hier ist sie!"

Bin mal gespannt, wann Morpheus - äh - Heribert bei dir anklopft, DPhil.
#
Geile Statistik, vielen Dank das Du mir meine eigene Unzulänglichkeit aufzeigst.
Wieder einmal mußte ich feststellen das ich meinen Augen nicht trauen darf. Habe ich mich beim Freiburg Spiel darüber aufgeregt das gefühlte 50% der Pässe nicht beim eigenen Spieler ankamen, muß ich mich jetzt eines besseren belehren lassen .
Trotzdem kann ein wichtiger Parameter nicht in diese Statistik einfliessen. Gegen spielende Mannschaften haben wir es einfach leichter als gegen Gegner die sich ( wie Köln und Freiburg ) einfach hinten reinstellen und auf Konter hoffen.
Auch werden individuelle und Stellungsfehler nicht berücksichtigt. Die führen aber in der Regel zu Gegentoren.
Hoffen wir also das der HiV am Samstag ordentlich mitspielt und uns 3 Punkte schenkt.
#
Toller thread, tolle Arbeit Dphil.  

Klar kann eine deskriptive Statistik dieser Art nicht allumfassend alle Parameter beinhalten, die ein Fußballspiel in Gänze erklären könnten. Darum gehts doch aber auch garnicht. Ich für meinen Teil glaube, dass eine solche Ausarbeitung Erkenntnisse liefern kann, die ihrerseits Erklärungsansätze unterstützen, weswegen Spiel XY so und nicht anders gelaufen ist. Ich finde das durchaus wertvoll.
#
Was ein geiler Thread  

Ich stelle mir gerade vor wie Skibbe sich das durchliest, den Kopf schüttelt und denkt: "Ich habe denen doch nur gesagt, sie sollen sich konzentrieren und das Ding gewinnen"
#
Also zu erst einmal Danke, ich finde die Auswertung super.
Auch wenn einige Einwende ob die Qualität der Pässe entsprechend berücksichtigt wird durchaus ihre Berechtigung haben, kann man z.B. nach den vorliegenden Zahlen die Frage stellen ob es eine so gute Idee ist Cris zurück in die Abwehr zu stellen. Die Antwort wie auch immer könnte für Samstag spielentscheidend sein.
#
Luzbert schrieb:
Was ein geiler Thread  

Ich stelle mir gerade vor wie Skibbe sich das durchliest, den Kopf schüttelt und denkt: "Ich habe denen doch nur gesagt, sie sollen sich konzentrieren und das Ding gewinnen"  




Stimmt, das ist so'n bischen wie früher im Kunstunterricht.

"Was wollte uns der Künstler damit sagen", dabei hat er nur aus Langeweile 'nen Eimer Farbe an die Leinwand gekippt.
#
@ Aachener

Methodendiskussion im Eintrachtforum, wow!

Lieber Aachener, als großer Fan deiner Threads und der Klarheit deiner Argumentation, freue ich mich sehr, dass Du meinem Thread so eine ausführliche Betrachtung zukommen lässt.

Ich glaube aber, dass Dich Deine spürbare Abneigung gegenüber der Netzwerkanalyse diesmal etwas über das Ziel hinaus, oder sogar an ihm vorbei schiessen lässt.

Erst einmal muss ich Dir grundsätzlich widersprechen: Was ich gemacht habe, fällt keineswegs in den Berich der naturwissenschaftlichen Modellbildung, sondern, wenn wir hier schon solch schweres Begriffsgeschütz auffahren wollen, in den Bereich der sozialwissenschaftlichen Idealtypenbildung.

Mein Ziel war es nie, die "Realität" abzubilden. Und der "Erfolg" meiner Betrachtung  beruht daher auch mitnichten darauf, eine möglichst einfache Erklärung für ein (noch mal Begriffsgeschütz) kontingentes Geschehen liefern zu können, oder gar Prognosen zukünftigen Spielgeschehens zu ermöglichen.

Du wendest Dich also gegen eine Absicht, die ich weder explizit noch implizit formuliert habe, und Deine Kritik geht daher größtenteils ins Leere.  

Dabei hätte Dir bei einer aufmerksamen Lektüre durchaus auffallen können, dass ich methodologisch und - sagen wir es ruhig - erkenntnistheoretisch  keinesfalls so naiv bin, wie Du es mir unterstellst.

Wie ich in meinem Ausgangspost geschrieben habe, war mein Ziel viel realistischer: ein bestimmtes Verfahren der Analyse zu verwenden, um ein bzw. zwei Ereignisse in der Vergangenheit, nämlich die letzten beiden Spiele unserer Eintracht und ihren Verlauf,  besser zu verstehen und um zusätzliche Informationen zu gewinnen, die dabei helfen, die Leistung von einzelnen Spielern und Mannschaft als ganzer besser beurteilen zu können. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Dass die dabei entstandenen Daten nicht für sich sprechen, sondern viele Fragen aufwerfen, die der Interpretation bedürfen, versteht sich von selbst. Und hierin, in der Wissenschaft würde man sagen, in ihrer heuristischen Funktion, liegt IMHO gerade einer der Vorzüge der Herangehensweise.

Warum spielte Chris im Spiel gegen Freiburg eine soviel dominantere Rolle als im Spiel in Dortmund? Das war eine der Hauptfragen, die die Auswertung des Passspiels der Eintracht in den beiden Partien aufwarf. Und ich habe dann versucht, auf der Basis der Zahlen einige der möglichen Ursachen hierfür zu benennen, v.a. die Schwäche von Teber und die insgesamt schwächere Balleroberung.

Selbstverständlich ist damit nicht alles erklärt, aber das habe ich auch nie behauptet. Und natürlich muss man davon ausgehen, dass das Verhalten des Gegners ein Hauptfaktor für die Erklärung ist. Die Gegner wissen auch, dass die rechte Außenbahn für unser Spiel enorm wichtig ist und stellen sich darauf ein. Dass Jung so oft den Weg über Chris statt den über Ochs gesucht hat, wird hiermit bestimmt zu tun haben.

Aber noch einmal: Ich habe nie den Anspruch erhoben, alle Fragen, die die Betrachtung aufwirft, beantworten zu können oder auch nur zu wollen, Im Gegenteil. Ich habe mich unheimlich darüber gefreut, dass einige Forumsmitglieder sich durch die Fragen haben anregen lassen, selbst nach Erklärungen zu suchen, etwa, ob der Passweg Nikolov>Meier einstudiert ist, offensichtlich nicht, oder – wie bereits erwähnt -, dass im Spiel gegen Freiburg die rechte Aussenbahn durch den Gegner dicht gemacht war, so dass Jung sich Richtung Zentrum zu Chris orientieren musste.

So entstehen auf neuer Grundlage neue Diskussionen über unsere Eintracht, und das ist doch der Sinn und Zweck des Forums.

Der einzige Punkt, an dem du eine von mir tatsächlich zugrundegelegte Überlegung behandelst, ist in Deiner Kritik an der Aussagekraft der Passwege. Aber auch hier gilt: zwei der drei von Dir kritisierten Aussagen, habe ich nie gemacht. Ich bin weder der Meinung, dass sich die Spielstärke einer Mannschaft einfach so an den Passwegen ablesen lässt, noch dass diese zentrale Informationen über das "Verhalten" einer Mannschaft bergen. Das wäre auch arg reduktionistisch.

Ich bin aber davon überzeugt, dass das Netz der Passwege die Grundtendenz, ich betone die Grundtendenz der Spielanlage erkennen lässt, auch hier nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zwar kann dies in seiner graphischen Darstellung der Dynamik der Bewegungen der Spieler nicht gerecht werden kann. Da hast Du recht.

Benny Köhler hat sein Tor gegen Dortmund nicht auf der linken Seite, sondern im Zentrum vor dem Tor gemacht! Allerdings rennen die Spieler auch nicht die ganze Zeit in alle Richtungen hin und her auf dem Platz. Es gibt ein Positionsspiel und daraus resultierende Passoptionen. Dass bestimmte Passwege sich auffällig häufen, hängt mit den Positionen der Spieler zusammen. Die Diagramme reduzieren daher zwar die Komplexität der Wirklichkeit des Spiels erheblich - doch welche Versinnbildlichung, sei sie graphischer oder sprachlicher Art tut das nicht – sie zeigen aber, wie gesagt, ziemlich sicher die Grundtendenz der Spielanlage.

Es ist deshalb durchaus wichtig zu sehen, woher die Pässe kamen, die ein einzelner Spieler bekommt, und welche Spieler er seinerseits anspielt, wenn man diese Grundtendenz der Spielanlage idealtypisch sichtbar machen will.

Und ich kann nicht nachvollziehen, warum man auf diese Erkenntnismöglichkeit verzichten sollte. Noch viel weniger kann ich übrigens nachvollziehen, warum ich stattdessen lieber die Zweikampfquote einbeziehen sollte. Denn diese ist ein Wert, dessen Aussagekraft mehr als begrenzt ist.  Irgendwo hier im Forum wurde dies erst vor ein paar Tagen bemerkt, Stichwort Antizipationsvermögen.


Ich sehe gerade, dass die „Methodendiskussion“ Deiner Frontalatacke auf die Netzwerkanalyse schon weiter gegangen ist. Bin gespannt, wo das noch hinführt und freue mich auf weitere spannende und herausfordernde Beiträge von Dir in Deinen und anderen Therads und vielleicht auch noch in diesem
#
Auf jeden Fall, so total unwissenschaftlich, bestöttigt es das was mir auch aufgefallen ist das Teber zwar oft den Ball hat aber damit keinen Raumgewinn erzielt.

Der Thread ist mir den Beiträgen von "Gereizt, Oko, und auch aachener Adler so ziemlich das beste was in einem fanforum geschrieben wird!

Respekt!!
#
Dphil schrieb:
@ Aachener

Methodendiskussion im Eintrachtforum, wow!

Lieber Aachener, als großer Fan deiner Threads und der Klarheit deiner Argumentation, freue ich mich sehr, dass Du meinem Thread so eine ausführliche Betrachtung zukommen lässt.

Ich glaube aber, dass Dich Deine spürbare Abneigung gegenüber der Netzwerkanalyse diesmal etwas über das Ziel hinaus, oder sogar an ihm vorbei schiessen lässt.

Erst einmal muss ich Dir grundsätzlich widersprechen: Was ich gemacht habe, fällt keineswegs in den Berich der naturwissenschaftlichen Modellbildung, sondern, wenn wir hier schon solch schweres Begriffsgeschütz auffahren wollen, in den Bereich der sozialwissenschaftlichen Idealtypenbildung.

Mein Ziel war es nie, die "Realität" abzubilden. Und der "Erfolg" meiner Betrachtung  beruht daher auch mitnichten darauf, eine möglichst einfache Erklärung für ein (noch mal Begriffsgeschütz) kontingentes Geschehen liefern zu können, oder gar Prognosen zukünftigen Spielgeschehens zu ermöglichen.

Du wendest Dich also gegen eine Absicht, die ich weder explizit noch implizit formuliert habe, und Deine Kritik geht daher größtenteils ins Leere.  

Dabei hätte Dir bei einer aufmerksamen Lektüre durchaus auffallen können, dass ich methodologisch und - sagen wir es ruhig - erkenntnistheoretisch  keinesfalls so naiv bin, wie Du es mir unterstellst.

Wie ich in meinem Ausgangspost geschrieben habe, war mein Ziel viel realistischer: ein bestimmtes Verfahren der Analyse zu verwenden, um ein bzw. zwei Ereignisse in der Vergangenheit, nämlich die letzten beiden Spiele unserer Eintracht und ihren Verlauf,  besser zu verstehen und um zusätzliche Informationen zu gewinnen, die dabei helfen, die Leistung von einzelnen Spielern und Mannschaft als ganzer besser beurteilen zu können. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Dass die dabei entstandenen Daten nicht für sich sprechen, sondern viele Fragen aufwerfen, die der Interpretation bedürfen, versteht sich von selbst. Und hierin, in der Wissenschaft würde man sagen, in ihrer heuristischen Funktion, liegt IMHO gerade einer der Vorzüge der Herangehensweise.

Warum spielte Chris im Spiel gegen Freiburg eine soviel dominantere Rolle als im Spiel in Dortmund? Das war eine der Hauptfragen, die die Auswertung des Passspiels der Eintracht in den beiden Partien aufwarf. Und ich habe dann versucht, auf der Basis der Zahlen einige der möglichen Ursachen hierfür zu benennen, v.a. die Schwäche von Teber und die insgesamt schwächere Balleroberung.

Selbstverständlich ist damit nicht alles erklärt, aber das habe ich auch nie behauptet. Und natürlich muss man davon ausgehen, dass das Verhalten des Gegners ein Hauptfaktor für die Erklärung ist. Die Gegner wissen auch, dass die rechte Außenbahn für unser Spiel enorm wichtig ist und stellen sich darauf ein. Dass Jung so oft den Weg über Chris statt den über Ochs gesucht hat, wird hiermit bestimmt zu tun haben.

Aber noch einmal: Ich habe nie den Anspruch erhoben, alle Fragen, die die Betrachtung aufwirft, beantworten zu können oder auch nur zu wollen, Im Gegenteil. Ich habe mich unheimlich darüber gefreut, dass einige Forumsmitglieder sich durch die Fragen haben anregen lassen, selbst nach Erklärungen zu suchen, etwa, ob der Passweg Nikolov>Meier einstudiert ist, offensichtlich nicht, oder – wie bereits erwähnt -, dass im Spiel gegen Freiburg die rechte Aussenbahn durch den Gegner dicht gemacht war, so dass Jung sich Richtung Zentrum zu Chris orientieren musste.

So entstehen auf neuer Grundlage neue Diskussionen über unsere Eintracht, und das ist doch der Sinn und Zweck des Forums.

Der einzige Punkt, an dem du eine von mir tatsächlich zugrundegelegte Überlegung behandelst, ist in Deiner Kritik an der Aussagekraft der Passwege. Aber auch hier gilt: zwei der drei von Dir kritisierten Aussagen, habe ich nie gemacht. Ich bin weder der Meinung, dass sich die Spielstärke einer Mannschaft einfach so an den Passwegen ablesen lässt, noch dass diese zentrale Informationen über das "Verhalten" einer Mannschaft bergen. Das wäre auch arg reduktionistisch.

Ich bin aber davon überzeugt, dass das Netz der Passwege die Grundtendenz, ich betone die Grundtendenz der Spielanlage erkennen lässt, auch hier nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zwar kann dies in seiner graphischen Darstellung der Dynamik der Bewegungen der Spieler nicht gerecht werden kann. Da hast Du recht.

Benny Köhler hat sein Tor gegen Dortmund nicht auf der linken Seite, sondern im Zentrum vor dem Tor gemacht! Allerdings rennen die Spieler auch nicht die ganze Zeit in alle Richtungen hin und her auf dem Platz. Es gibt ein Positionsspiel und daraus resultierende Passoptionen. Dass bestimmte Passwege sich auffällig häufen, hängt mit den Positionen der Spieler zusammen. Die Diagramme reduzieren daher zwar die Komplexität der Wirklichkeit des Spiels erheblich - doch welche Versinnbildlichung, sei sie graphischer oder sprachlicher Art tut das nicht – sie zeigen aber, wie gesagt, ziemlich sicher die Grundtendenz der Spielanlage.

Es ist deshalb durchaus wichtig zu sehen, woher die Pässe kamen, die ein einzelner Spieler bekommt, und welche Spieler er seinerseits anspielt, wenn man diese Grundtendenz der Spielanlage idealtypisch sichtbar machen will.

Und ich kann nicht nachvollziehen, warum man auf diese Erkenntnismöglichkeit verzichten sollte. Noch viel weniger kann ich übrigens nachvollziehen, warum ich stattdessen lieber die Zweikampfquote einbeziehen sollte. Denn diese ist ein Wert, dessen Aussagekraft mehr als begrenzt ist.  Irgendwo hier im Forum wurde dies erst vor ein paar Tagen bemerkt, Stichwort Antizipationsvermögen.


Ich sehe gerade, dass die „Methodendiskussion“ Deiner Frontalatacke auf die Netzwerkanalyse schon weiter gegangen ist. Bin gespannt, wo das noch hinführt und freue mich auf weitere spannende und herausfordernde Beiträge von Dir in Deinen und anderen Therads und vielleicht auch noch in diesem


Oops. Da fliegen einem die erkenntnistheoretischen, methodenkritischen, dabei antizipativ-empirischen und gleichzeitig kontingent hermeneutischen Geschosse jetzt aber wirklich von links und rechts um die Ohren. Unter rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten würd ich sagen: Weiter so!  
#
keiflersisu schrieb:
Zum Beispiel könnte man in weitergehenden Schritten auch fixe Passkombinationen über zwei, drei, oder vier Stationen als Markoff-Ketten definieren und die erolgversprechendsten herausfiltern

Im Prinzip ja, Markoff-Ketten sind hervorragend geeignet zur Modellierung solcher Sachen. In vielen Bereichen wie Spracherkennung sind Markoff-Ketten nicht mehr wegzudenken. Statistische Abhängigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten, die man so in den Griff kriegen kann, gibt's definitiv auch im Fußball. Aber: Passkombinationen halte ich für einen arg isolierten Aspekt, der nur sehr unzureichend die komplexen Vorgänge bei einem Fußballspiel modelliert. Die Kombination A -> B -> A kann eben genauso gut "einmal Ball ohne Gegnerbedrängnis hin- und herschieben" wie "Doppelpass, aus dem eine Torchance entsteht" heißen.

verbunden mit Torerfolgen oder herausgespielten Chancen.

Eben. "Entscheidend ist, was hinten dabei herauskommt." Dieser Aspekt fällt bei der reinen Passanalyse im Sinne von "wer auf wen?" doch völlig unter den Tisch.

Wenn ich zu jeder Sekunde des Spieles die Positionen des Balles und aller Spieler hätte (und sowas haben die Datenerfasser von bundesliga.de), dann würde ich z.B. analysieren, wie hoch das "Torchancenpotential" in jeder Situation ist (Nähe zum Tor, Anzahl der Spieler beider Mannschaften vor/hinter dem Ball, weitere Anspielstationen, usw.) und jeden Pass danach bewerten, ob er das "Torchancenpotential" erhöht hat.

Beispiel Teber: spielt gerne Risikopässe nach vorne, mit eher geringer Erfolgsquote. Aber von mir aus darf er gerne 4 von 5 Versuchen versemmeln, wenn Nummer 5 dann ein Pass ist wie der auf Meier vor dem 3:2 in Dortmund. Gute Mannschaften spielen oft den Ball quer (Typ: Sicherheitspass) und dann genau im richtigen Moment, wenn sich eine Lücke bietet, schnell und riskant nach vorne. Siehe Barcelona, siehe Spanien bei der EM. All diese Aspekte fallen beim reinen Zählen von Pässen völlig unter den Tisch.

Ich finde ja die "Netzwerkanalyse" nicht schlecht. Die entsprechenden Daten gibt's auf bundesliga.de und jeder kann sich dort zu allen Spielen, die ihn interessieren, das Datenmaterial anschauen. Mein Kritikpunkt ist aber, dass durch die Nichtberücksichtigung von Spielerbewegung und Gegnerverhalten der Nutzen eher gering ist. Zum nachträglichen Fachsimpeln über das Spiel vom letzten Wochenende ja vielleicht noch ganz nett, aber wenn ich bloß die Erkenntnis gewinne, dass Jung eher auf Chris als auf Ochs spielt, wenn der Gegner bewusst den direkten Weg über die Außen dicht macht, ja meine Güte, das sieht doch jeder im Stadion auch ohne solch komplizierte Analysemethodik.

Okay, vielleicht nicht jeder. Aber ich gehöre halt zu denjenigen, die sich immer ärgern, wenn im Fernsehen Spieler in Großaufnahme gezeigt werden und man den Blick auf die Laufwege verliert.  

Was aber das Wichtigste ist: man kann sich auf hohem Niveau mit der Eintracht beschäftigen, und das ist doch Rechtfertigung genug?  

Definitiv!  

(Mittagspause mal komplett für Eintracht verschwendet...)
#
Eigentlich lese ich nur mit, aber jetzt muss ich mich doch mal zu Wort melden.
Das ist einer wirklich grandiose Ausarbeitung mich hochinteressanten Erkenntnissen!

Dphil schrieb:

Diagramm 1: Passwege in der Partie SGE:SCF (14.2.2010)
[IMG">http://img17.imageshack.us/img17/7766/sgefck.jpg[/IMG]]


Bei aller Emotionalität, die den Fußball ausmacht, ist es wirklich faszinierend, wie man ein auf den ersten Blick derart "chaotisches System" (Fußballspiel) in so schönen Grafiken abbilden kann. Da lacht das Herz des Naturwissenschaftlers (so:   )!

Eine winzige Anmerkung noch: Bei den Balleroberungsquotienten fände ich es logischer, die Differenz zwischen abgespielten Bällen und zugespielten Bällen zu nehmen und diese in Relation zu den abgespielten zu setzen. Bei Chris im Freiburgspiel also 34/86. Dann ist es nämlich auch mathematisch richtig  ,-) (ich hab mir nicht alle Antworten durchgelesen, evt. wurde das schonmal angemerkt).
Aber nochmals danke für diese tolle Ausarbeitung!

Didinho schrieb:
Nur hast du den Denkfehler darin, dass du vergessen hast, den Ballbesitz mit einzurechnen.Ich vermute jetzt einfach mal, dass unser Ballbesitz gegen Freiburg höher ausfällt, als gegen Dortmund. Somit kommen automatisch mehr Bälle vom Mitspieler, als vom Gegner. Du hast dann daraus den Schluss gezogen, dass wir durch weniger gewonnene Zweikämpfe gegen Freiburg schlechter gespielt haben, als gegen Dortmund. Aufgrunddessen, dass eine These dieser Argumentation wegfällt, kann ich dir in dem nicht vollständig zustimmen.


Das ist so nicht ganz richtig: Durch den Balleroberungsquotient ist der Ballbesitz indirekt mit einbezogen. Denn kommen mehr Gegner vom Mitspieler (Sichwort "Ball halten" oder "Hintenrumgeschiebe"), dann wird dieser Quotient kleiner. Die Tatsache, dass die Quotienten im Dortmundspiel "positiver" sind, sind somit schon recht aussagekräftig, wenn sich auch ein Fußballspiel natürlich nicht allein mit einem solchen Zahlenwerk erklären lässt.
#
Jo-Gi schrieb:

Bei aller Emotionalität, die den Fußball ausmacht, ist es wirklich faszinierend, wie man ein auf den ersten Blick derart "chaotisches System" (Fußballspiel) in so schönen Grafiken abbilden kann. Da lacht das Herz des Naturwissenschaftlers (so:   )!


Jetzt könnt ich ja ketzerisch sagen: Und der Geisteswissenschaftler fragt nach dem Sinn   . (Aber es stimmt: Die Grafiken sind schön. Und sie sind erstaunlich   )

@ keiflersisu und AA noch eine Verständnisnachfrage: Welchen Sinn könnte es aus deiner/eurer Sicht demnach haben,  Markoff-Ketten im Spielablauf zu erkennen/zu modellieren?  Fehlervermeidung? Einüben bestimmter Passkombinationen?
#
rotundschwarz schrieb:
@Pedro: Eieieiei. So schnell wird man bei dir zum niveaulosen Kritikaster?


Nein, da bin ich sicher über mein Ziel, die Intention des Threaderöffners zu verteidigen, hinausgeschossen. Das tut mir leid.

Er hat aber inzwischen auch selbst seine Arbeit vor allem als Verständnishilfe für das Spielgeschehen und als Beurteilungshilfe für die Wertigkeit einzelner Spieler bezeichnet. Und selbstverständlich kann man das auch ohne diesen Aufwand selbst beobachten.

Aber viele können das so eben nicht ("Meier schleicht wieder nur 'rum; Chris mit seinen Fehlpässen...usw"). Und dann bin ich dankbar für jeden, der sich die Mühe macht, einen Nachweis für die oft verkannte, besondere und unersetzliche Werthaltigkeit der Arbeit unserer wichtigsten Leistungsträger zu liefern, den man den vielen "Experten" um die Ohren hauen kann, wenn sie die Unersetzlichkeit dieser Spieler für den Erfolg unseres Spiels leugnen.

Und gerade wenn User wie du, die ich in Wahrheit für alles andere als niveaulos halte, dann solchen Bemühungen in die Parade fahren und diese - wie ich finde - so wichtigen Nachweise als großen Aufwand für geringen Ertrag kleinreden und dabei ihr eigenes Verständnis zum Maßstab nehmen, ärgert mich das. Denn es zielt an der Realität des mangelhaften Fußballverstandes bei vielen "Experten" hier vorbei.
#
Aachener_Adler schrieb:

[ulist]
  • Die Analyse setzt jeden Spieler auf seine "Durchschnittsposition" während das Spiels. So als ob die Spieler unbeweglich wären wie beim Kickertisch in der Kneipe. Das ist natürlich Unfug. Beispiel: ein Meier hilft mal hinten in der Abwehr aus und schiebt sich 10-mal mit Russ über 5 Meter Abstand den Ball hin und her. Nach turnt er wieder vorne rum. Ergebnis der Netzwerkanalyse: superviele vermeintlich vertikale Pässe von Russ zu Meier...
  • [/ulist]


    Natürlich ist das Netzwerk kein abschließender Nachweis für die komplette Spielanlage. Das sollte es -so wie ich den TE verstanden habe- auch nicht sein. Über die Balleroberungsquote lässt sich auch einiges über die Variabilität eines Spielers aussagen. Zum Beispiel wundert mich der positive Wert von ALex Meier beim Freiburgspiel überhaupt nicht (zumindest nicht, wenn man die Wahrheit bereits auf dem Platz gesehen hat   )
    Darüber hinaus wurden nur die wichtigsten Passwege (>=7) in das Netzwerk mit aufgenommen. Von daher werden die Passwege gewichtet, was eine statische Darstellung eher erlaubt.
    Es geht ja auch nicht um eine endgültige Erklärung, sondern um eine Untermauerung mit Fakten. Das macht Spaß und ist sehr interessant!
    #
    rotundschwarz schrieb:

    Jetzt könnt ich ja ketzerisch sagen: Und der Geisteswissenschaftler fragt nach dem Sinn   .


    Das kann er gerne tun. Beim Fußball nach einem Sinn zu fragen halte ich aber generell für gewagt!  
    #
    rotundschwarz schrieb:
    @ keiflersisu und AA noch eine Verständnisnachfrage: Welchen Sinn könnte es aus deiner/eurer Sicht demnach haben,  Markoff-Ketten im Spielablauf zu erkennen/zu modellieren?  Fehlervermeidung? Einüben bestimmter Passkombinationen?

    Ganz einfach: Behindern der beliebtesten/erfolgreichsten Passwege des Gegners. Ich sehe den Nutzen eindeutig eher im defensiven als im offensiven Bereich. (Insofern spielt dieser Thread auch ganz klar der Konkurrenz in die Hände; dessen müssen wir uns bewusst sein. Wir servieren den gegnerischen Trainer, die das hier lesen sollten, die Taktik gegen uns auf dem Silbertablett.  :neutral-face )


    Ich versuche mal eine Erklärung, die auch für Fachfremde noch halbwegs verständlich beschreibt, über was wir hier bei "Markoff-Ketten" reden...  

    Etwas vereinfachend ausgedrückt sind Markoff-Ketten erstmal nur eine Erweiterung von dem, was Dphil hier macht. Nämlich nicht nur Pässe von A nach B modellieren, sondern dem ganzen noch ein "Gedächtnis" verpassen, dass der Ball vorher von C kam (oder ggf. noch weiter zurück in der Historie bis D).

    "Wer hat den Ball?" ist der sogenannte "Zustand" des Systems und das "wo passt er ihn hin?" lässt sich übersetzen in eine Matrix von Zustandsübergangswahrscheinlichkeiten. Die Daten von bundesliga.de / Dphil entsprechen einer Markoffkette 1. Ordnung, d.h. sie berücksichtigen nur den aktuellen Zustand in der Gegenwart. Das ganze lässt sich eben auch relativ leicht erweitern mit Abhängigkeiten von Zustand ein Zeitschritt vorher, das wäre dann eine Markoffkette 2. Ordnung. Also z.B.: "wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ochs auf Altintop spielt, wenn er vorher den Ball von Jung bekam?"

    Da dürfte man noch deutlich besser Spielzüge erkennen können. (Allerdings gibt's weniger Daten für das nun kompliziertere Modell, so dass die statistische Aussagekraft sinkt und besonders gut visualisierbar ist's dann auch nicht mehr.)

    Bei der enormen Bedeutung der Position des Balles (die in die Netzwerkanalyse nur sehr unzureichend über die durschnittliche Position des Spielers eingeht) könnte man auch an eine Modellierung mit einem Markov Random Field (das ist die 2D Erweiterung der Markovkette) und einem in Quadrate gerasterten Spielfeld nachdenken. Oh Mann, dieses Forum bringt mich auf Ideen, da habe ich doch eigentlich gar keine Zeit dafür...
    #
    Jo-Gi schrieb:
    [
    Das kann er gerne tun. Beim Fußball nach einem Sinn zu fragen halte ich aber generell für gewagt!    


    Geld generieren ist der Sinn von Fussball.............................traurig aber wahr
    #
    Jo-Gi schrieb:
    Aachener_Adler schrieb:

    [ulist]
  • Die Analyse setzt jeden Spieler auf seine "Durchschnittsposition" während das Spiels. So als ob die Spieler unbeweglich wären wie beim Kickertisch in der Kneipe. Das ist natürlich Unfug. Beispiel: ein Meier hilft mal hinten in der Abwehr aus und schiebt sich 10-mal mit Russ über 5 Meter Abstand den Ball hin und her. Nach turnt er wieder vorne rum. Ergebnis der Netzwerkanalyse: superviele vermeintlich vertikale Pässe von Russ zu Meier...
  • [/ulist]


    Natürlich ist das Netzwerk kein abschließender Nachweis für die komplette Spielanlage. Das sollte es -so wie ich den TE verstanden habe- auch nicht sein. Über die Balleroberungsquote lässt sich auch einiges über die Variabilität eines Spielers aussagen. Zum Beispiel wundert mich der positive Wert von ALex Meier beim Freiburgspiel überhaupt nicht (zumindest nicht, wenn man die Wahrheit bereits auf dem Platz gesehen hat   )
    Darüber hinaus wurden nur die wichtigsten Passwege (>=7) in das Netzwerk mit aufgenommen. Von daher werden die Passwege gewichtet, was eine statische Darstellung eher erlaubt.
    Es geht ja auch nicht um eine endgültige Erklärung, sondern um eine Untermauerung mit Fakten. Das macht Spaß und ist sehr interessant!  


    Genau so habe ich Dphil auch verstanden.

    Natürlich hat AA recht, dass man damit keinesfalls der Komplexität eines Fußballspiels alleine gerecht wird, aber aus meiner Sicht ergeben sich daraus wichtige Argumentations- und Interpretationshilfen bezüglich einzelner Erkenntnisse.

    P.S. Im Übrigen vermute ich, dass dies der Thread mit der weltweit höchsten Fremdwörterdichte pro post in einem Fußballforum ist. ,-)
    #
    concordia-eagle schrieb:
    Im Übrigen vermute ich, dass dies der Thread mit der weltweit höchsten Fremdwörterdichte pro post in einem Fußballforum ist. ,-)  


    Tja, das könnten unsere Statistiker doch mal evaluieren...


    Teilen