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Revolution in Tunesien, [Ägypten und weiteren Ländern des Nahen Ostens] ?

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Sehr interessanter Artikel zur Lage in Tunesien:
http://www.zeit.de/2011/03/Tunesien-Protest

Bei einer Arbeitslosenquote von 25-50% wendet sich die Bevölkerung (von Gewerkschaften, über Rechtsanwälte, Ärzte und Wissenschaftler bis hin zu Journalisten) gegen die korrupte Regierung - trotz einem der perfektesten Überwachungsstaaten der Welt.

...Was als Protest gegen Arbeitslosigkeit, Behördenherrschaft und Vetternwirtschaft begann, ist nun politisch geworden und richtet sich insbesondere gegen den »Trabelsismus«: Damit ist das mafiose Bereicherungskartell der Präsidentengattin Leila Trabelsi gemeint. Deren Familienangehörige übernehmen lukrative Firmen, indem sie den Inhabern mit einem Besuch der Steuerfahndung drohen.
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Dutzende von Zivilisten sind bereits ums Leben gekommen:
http://www.youtube.com/watch?v=wCcvlGKiuek
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Tja, und Hilfe für die Aufständischen vom Westen sind Mangelware, hat sich doch der "Diktator" Tunesiens engagiert im Kampf gegen Islamisten gezeigt. Und nur das ist wichtig. Wen interessieren bitte schön Freiheit und Menschenrechte?
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SGE_Werner schrieb:
Tja, und Hilfe für die Aufständischen vom Westen sind Mangelware, hat sich doch der "Diktator" Tunesiens engagiert im Kampf gegen Islamisten gezeigt. Und nur das ist wichtig. Wen interessieren bitte schön Freiheit und Menschenrechte?


Exakt. Und genau die Unterstützung seitens der EU fördert den Zustrom zu Islamisten, die der Diktator dann stärker unterdrücken muss und seine Existenz gegenüber dem Westen somit weiter rechtfertigt...

Aus Tunesien selbst heisst es dazu:

»Ihr Europäer habt immer noch nicht verstanden, dass gegen den Islamismus nicht Repression hilft, sondern nur soziale Gerechtigkeit und Demokratie«, sagt eine Frauenrechtlerin in Tunis.
http://www.zeit.de/2011/03/Tunesien-Protest?page=2


Aktuelles Vorgehen des "Präsidenten" (ausser Dutzenden Toten, http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EC96049BC86204DC7A6073AF78CACB0DC~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

Die Behörden verhängten den Ausnahmezustand über das ganze Land. Es gelte eine Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr, erklärte die Regierung. Zudem seien Versammlungen an öffentlichen Orten verboten. Armee und Polizei erhielten das Recht, auf „Verdächtige“ zu schießen, die sich den staatlichen Anordnungen widersetzen.
http://www.focus.de/politik/ausland/unruhen-tunesiens-praesident-entlaesst-regierung_aid_590337.html

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Neue Entwicklung: der Diktator ist geflohen, trotz bislang 79 Toten gibt es immer mehr Demonstranten. Die Frage ist, wie sich das Militär verhält.

Ausnahmezustand in Tunesien: Die Armee hat den Luftraum gesperrt. Präsident Ben Ali ist zurückgetreten und ins Ausland geflohen. Ob Touristen ausfliegen können, ist unklar.
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Die Zahl der protestierenden Menschen auf den Straßen von Tunis werde minütlich größer, berichteten Augenzeugen während des Tages. Die Demonstranten riefen "Nein zu Ben Ali" und nannten ihn "Lügner". Bei Ausschreitungen in den vergangenen Tagen hatten Sicherheitskräfte mehrfach auf Demonstranten geschossen. Am Donnerstagabend waren 13 Opfer gemeldet worden. In den Tagen davor kamen nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 66 Menschen bei den Unruhen ums Leben. Insgesamt sollen bei den blutigen Unruhen bisher mindestens 79 Menschen gestorben sein.
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10.000 deutsche Touristen im Land

Auch für Touristen wird es langsam bedrohlich: Der Reiseveranstalter Thomas Cook hat Sondermaschinen nach Tunesien geschickt, um seine rund 2000 deutschen und 1800 britische Gäste aus dem Land zu holen.

http://www.stern.de/politik/ausland/aufruhr-in-tunesien-praesident-ben-ali-flieht-luftraum-dicht-1643343.html
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SGE_Werner schrieb:
Tja, und Hilfe für die Aufständischen vom Westen sind Mangelware, hat sich doch der "Diktator" Tunesiens engagiert im Kampf gegen Islamisten gezeigt. Und nur das ist wichtig. Wen interessieren bitte schön Freiheit und Menschenrechte?


Ja! Das ist wichtig.
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Die Armee hat die Kontrolle übernommen,
http://www.youtube.com/watch?v=FZbFjRVHpLo
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In den restlichen Diktaturen der Umgebung werden die Ereignisse in Tunesien genau beobachtet:

Tunesien-Revolution gefährdet Arabiens Despoten

...Hunderte von Millionen Zuschauern in der arabischen Welt konnten sich mit dieser Revolution identifizieren, leben sie doch in ähnlichen Verhältnissen. Von Algier bis Amman, von Kairo bis Kuwait City verfolgten demokratisch gesonnene Araber hoch interessiert die Geschehnisse von Tunis.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,739707,00.html


Was als nächstes passiert ist offen. Noch hat das Militär die Gewalt, eine etablierte Opposition zum korrupten Regime gibt es aufgrund Folter und Terror nicht (jedes Jahr hatte Ali nach Angaben von Amnesty International tausende Oppositionelle verschwinden lassen).

...Das Volk traumatisiert, die Opposition durch Folter und Terror zerschlagen - die Wunden, die Ben Alis Überwachungsstaat der tunesischen Zivilgesellschaft beigebracht hat, sind tief und bremsen den Aufbruch des Landes in eine bessere Zukunft. Das wahre Ausmaß des staatlichen Terrors der vergangenen Jahrzehnte wird dabei nur langsam sichtbar werden. Es scheint jedoch, als müssten sich die Tunesier auf entsetzliche Enthüllungen gefasst machen. Amnesty International prangert sei Jahren an, das Regime lasse jedes Jahr Tausende meist junge Menschen verschwinden.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,739707,00.html
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jetzt gehts auch im nachbarland ägypten rund
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Nachbarland ist gut. In etwas so weit voneinander entfernt wie Portugal von Deutschland.  
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Ich find den Mubarak gut. Leitung kappen und Ruhe ist. Wenn ich was zu sagen hätte, ich würd`s  genauso machen.
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In Ägypten eskaliert die Lage. Massendemos in Kairo, angeblich brennende Panzerwagen, El Baradei unter Arrest, womöglich ein Toter.

Der nächste Autokrat ist bald Geschichte. Hoffentlich.
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Ägypten ist insofern problematischer als Tunesien, als die Islamisten (als geistige Opposition zur korrupten Regierung) einen ziemlichen Einfluss haben dürften.

Astronomisch hohe Militärhilfe und Tourismus: Der Westen hofiert das korrupte, brutale System des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak - allen voran US-Außenministerin Hillary Clinton
http://www.sueddeutsche.de/politik/aegypten-wie-der-westen-mubarak-stuetzt-milliarden-fuer-den-autokraten-1.1051614


Sehr interessant auch zum Thema Islamismus in Ägypten die BBC-Analyse "Die Macht der Alpträume":
http://www.youtube.com/watch?v=P448kzZsN-g
(Zu Ägypten ab 2:25)

Zur Muslimbruderschaft in Ägypten:
z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Sayyid_Qutb
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Livestream über Ägypten
http://english.aljazeera.net/watch_now/
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Israel ist alarmiert. Aber selbst nach einem Sturz aller Dikatoren und einer Wendung gegen Israel wäre es (wohl bereits allein ohne die USA) militärisch glasklar überlegen.

«Ein Erdbeben hat die Region erschüttert. Es erreichte eine Acht auf der Richterskala im Norden und eine Drei im Nil-Land», schrieb die auflagenstärkste israelische Tageszeitung «Israel Hajom». «Der Libanon ist gefallen und Ägypten steht vor dem Test», titelte das Blatt. Es zitierte auch einen namentlich nicht genannten Vertreter der Streitkräfte mit den Worten, dass Israel die Situation mit «sieben Augen» verfolge.
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/thema_nt/article12348090/Israel-schaut-mit-Sorge-auf-Nachbarlaender.html
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Ausgangssperre in Ägypten.
Das Militär wird ab sofort die Polizei unterstützen und verhängte die Ausgangssperre.
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Nur was folgt nach einem Sturz? Da gibts keinen Saumagen aus der Pfalz, der mal 10 Punkte-Pläne rausholt.

Zu viele unterschiedliche, zerstrittene Oppositionen.

Traurig aber wahr, ich befürchte, der Erfolg wäre ohnehin nur eine Momentaufnahme!
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Eieiei, was ein Dilemma für Israel, USA und den Westen. Da prahlt man die ganze Zeit, man sei ja die einzige Demokratie in der Region, bzw. zeigt auf die islamischen Staaten als Diktaturen und Unrechtsregime.
Wenn dann aber die Völker über ihr eigenes Schicksal bestimmen, wird das bestimmt nicht im Interesse des Westen sein. Schwierige Situation!
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yeboah1981 schrieb:

Wenn dann aber die Völker über ihr eigenes Schicksal bestimmen, wird das bestimmt nicht im Interesse des Westen sein. Schwierige Situation!


Wie im Iran: Das Volk hatte einst das korrupte, westlich orientierte Schah-Regime gestürzt und dafür den Rückfall in das Mittelalter bekommen. Es reicht nicht, z. B. nur billigere Unterhaltungselektronik bekommen zu wollen. Es geht um eine freie und aufgeklärte Geisteshaltung, die losgelöst ist von dem Geschwafel von irgendwelchen alten Männern.
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Das ägyptische Internet wurde nahezu komplett abgeschaltet (Egypt Leaves the Internet, http://www.renesys.com/blog/2011/01/egypt-leaves-the-internet.shtml). Da zudem die Telefon- und Mobilfunknetze deaktiviert wurden, ist keine moderne Kommunikation mehr möglich - bis auf die Börse (http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,742232,00.html).


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