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Zivilcourage - Nein Danke?

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Steinschlag schrieb:
nein Pedro
du analysierst einen Vorgang
er hat einen Vorgang wahrgenommen und gehandelt, so wie ich das auch mache,
und ob in der Bahn oder auf dem Bahnsteig waren genug Menschen in der Position und in der Wahrnehmung und mit der Entscheidung einzugreifen
sagt mann/frau da nicht "ein kollektives Gewissen/Verhalten" hat versagt?
in deren Haut möcht ich nicht stecken, der Spiegel würde mich zum Kotzen bringen
sprich frei wen du willst, ich würde mich nicht freisprechen wenn ich da versagt hätte, nie


Hab niemanden freigesprochen. Vielmehr ging es mir um deine Aussage, der Mann hätte richtig gehandelt. Er handelte richtig, den Kindern beizustehen. Er handelte falsch, wie er das machte.

Wenn man Leute in so einer Situation um sich hat, die die Täter länger beobachten konnten und ihr Verhalten studieren konnten, so ist es falsch, diesen Ort zu verlassen und sich unter andere Menschen ohne Überblick über die Situation und die Beteiligten zu begeben. Unbedingt hätte er die Leute in der Bahn auffordern müssen, ihm und den Kindern beizustehen, statt sich darauf zu konzentrieren, die Bahn zu verlassen. Dadurch, daß er Anstalten machte, die Bahn mit den Kindern zu verlassen, hat er auch und gerade den Fahrgästen in der Bahn signalisiert, selbst und allein die Sache in die Hand nehmen zu wollen und sogar deutlich gemacht, auf ihre Hilfe verzichten zu wollen. Dann ist er auf den Bahnsteig und hat die Leute dort mit einer Situation konfrontiert, deren Entwicklung sie nicht mitbekamen.

Der Mann hat sich eindeutig überschätzt.  
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(Boxen ist aus)
und wieder nein Pedro
er hat das "soziale" Verhalten seiner Umgebung unterschätzt!!
alles wer/was/wen schützen will ist sozial
und wer/ was/wen übersehen will ist
Pedro ich wünsche dir viele gute (soziale) Schutzengel
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Steinschlag schrieb:
(Boxen ist aus)
und wieder nein Pedro
er hat das "soziale" Verhalten seiner Umgebung unterschätzt!!
alles wer/was/wen schützen will ist sozial
und wer/ was/wen übersehen will ist
Pedro ich wünsche dir viele gute (soziale) Schutzengel


Boxen ist nicht aus.

Richtig, er hat das soziale Verhalten seiner Umgebung unterschätzt und sich selbst überschätzt.

Ich brauche keinen Schutzengel. Ich habe beruflich viel mit jugendlichen Straftätern zu tun und habe eine ganze Anzahl derartiger Situationen in meinen Akten vor mir liegen. Solche Fälle, wenn auch nicht oft mit tödlichem, aber durchaus schmerzhaftem Ausgang, sind Alltag vor den Jugendgerichten. Ich weiß ziemlich genau, wovon ich rede.
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Also ich weiss nicht. Herr Brunner war der Einzige, der den Kindern beigestanden hat. Er war der Einzige, der Initiative ergriffen hat. Da finde ich es extrem müßig, darüber zu diskutieren ob er in der Bahn selbst weniger in Gefahr gewesen wäre als auf dem Bahnsteig und ob er das richtig oder falsch gemacht hat und ob er mit Geschäftspartnern anders verhandeln muss als mit jugendlichen Kriminellen und ob er sich überschätzt hat oder nicht. Da hat er in diesem Moment (unterstelle ich ihm einfach mal) sicherlich nicht dran gedacht und schon gar nicht daran, dass das Ganze für ihn einen tödlichen Ausgang nehmen würde. Schuld an seinem Tod sind nur und ausschliesslich seine Mörder! Selbst wenn er mit diesen beiden Subjekten alleine die Bahn verlassen hätte und niemand weit und breit gewesen wäre, gibt das denen beiden in keiner Weise das Recht, Herrn Brunner zu töten. Und ganz ehrlich, hat Herr Brunner anderen Fahrgästen das Mitaussteigen und Mithelfen ausdrücklich verboten? Ich glaube kaum. Fazit: Herr Brunner hat geholfen und wurde dafür getötet. Von seinen beiden Mördern. Und von sonst niemandem.

Ich muss gestehen (um mal zurück zur Threadüberschrift zu kommen), dass ich mir jetzt erst recht dreimal überlege, ob ich in so einer Situation einschreiten würde, und das ist das eigentlich Schlimme. Die Polizei rufen bestimmt, aber eingreifen, zumindest alleine wahrscheinlich nicht. Dazu kommt nach der Lektüre dieses Threads noch der Gedanke daran, wenn mir dann was passieren würde und ich würde darüber hinaus noch von Teilen der Gesellschaft mit Sprüchen wie "der ist doch selbst schuld" und "das hätte er aber ganz anders machen müssen" und "weiss der denn nicht, dass jugendliche Schläger anders sind als seine Miet- und Kaufinteressenten?" bedacht werden, also ich weiss nicht...
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Pedrogranata schrieb:
....
Der Mann hat sich eindeutig überschätzt.  

Sich oder doch eher die Reaktionszeit der Polizei?
rp-online.de schrieb:
Zwei Stationen vor Solln habe er über Handy die Polizei über den Raubversuch informiert und darüber, dass er mit den Kindern in Solln aussteigen werde.

src
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Pedrogranata schrieb:
Der Mann hat sich eindeutig überschätzt.  


Oder er hat einfach gedacht:
"Ich muss raus aus der Bahn, ich will diese Situation hinter mich bringen und da ist es bestimmt gut, wenn ich diesen Ort verlasse."

Ich finde es ziemlich heftig wie Du Deine Erfahrung zur Analyse der Situation einbringst und dann als Fazit ziehst, dass der gute Mann (wie wahr...) sich überschätzt hat.
Damit sorgst Du bei allen die das Lesen dafür, dass man sich beim nächsten mal nicht dreimal, sondern 10 mal überlegt ob man in einer derartigen Situation helfend einschreitet.

"Helfe ich, helfe ich nicht? Ich würde ja, aber mache ich das auch angemessen, am Ende stehe ich noch als der Depp da der sich überschätzt hat..."
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Luzbert schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Der Mann hat sich eindeutig überschätzt.  


Damit sorgst Du bei allen die das Lesen dafür, dass man sich beim nächsten mal nicht dreimal, sondern 10 mal überlegt ob man in einer derartigen Situation helfend einschreitet.
"Helfe ich, helfe ich nicht? Ich würde ja, aber mache ich das auch angemessen, am Ende stehe ich noch als der Depp da der sich überschätzt hat..."


Das ist keineswegs meine Absicht.

Mir geht es im Gegenteil darum, aufzuzeigen, wie so eine Hilfe erfolgreich und sinnvoll sein kann, auch ohne selbst zum Opfer zu werden.

Schon der Ansatz "Helfe ich, helfe ich nicht" ist falsch. Hilfe m u ß erfolgen und das sollte gar nicht zur Debatte stehen. Das geholfen wird, ist selbstverständlich, bzw hat selbstverständlich zu sein.

Die richtige Frage ist: was kann ich tun. Wie wirke ich ohne übermäßige Selbstgefährdung auf die Täter ein. Wie kann ich möglichst viele Menschen zur Mithilfe mobilisieren.

Für eine sinnvolle Hilfe in solcher Situation muß man sich, wenn irgend möglich, mit anderen zusammenschließen, anstatt allein den Held geben zu wollen.

Genau das hat der Mann nicht gemacht. Im Gegenteil. Der Tathergang, wie er in allen Berichten geschildert wird, weist keinerlei Bemühungen des Mannes auf, andere in seine Aktionen einzubeziehen.

Sein Anruf bei der Polizei erfolgte zwei S-Bahn-Stationen vor dem Aussteigen.  Das ist einerseits zu kurz (ca 3-5 Minuten), damit die Polizei rechtzeitig vor Ort sein kann, andererseits signalisieren seine einsamen Entscheidungen den anderen Fahrgästen, daß der Mann alles im Griff habe. Besser wäre es gewesen, er hätte laut mit den anderen Fahrgästen kommuniziert, daß er die Polizei ruft. Besser wäre es gewesen, er hätte die Polizei gefragt, wann und wo sie in die Bahn zusteigen kann. Besser wäre es gewesen, er hätte dann laut ins Telefon gerufen, "OK, also sie sind spätestens an der übernächsten Haltestelle da !", damit die Täter unter Druck geraten wären, selbst sofort auszusteigen, um nicht von der Polizei geschnappt zu werden. usw.
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Hätte hätte hätte hätte...der gute Mann ist tot und jetzt darüber zu sinnieren war er hätte tun sollen...nee ich schreibs lieber nicht...
Hat halt leider nicht jeder...jeden Tag mit solchen Objekten zu tun...wie deiner einer Pedro....
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Brady schrieb:
Hätte hätte hätte hätte...der gute Mann ist tot und jetzt darüber zu sinnieren war er hätte tun sollen...nee ich schreibs lieber nicht...
Hat halt leider nicht jeder...jeden Tag mit solchen Objekten zu tun...wie deiner einer Pedro....


Deswegen schreibe ich ja darüber, damit man weiß, was man tun soll, wenn es das nächste mal für einen selbst soweit ist. Nicht wegen Herrn Brunner; den kann man natürlich nicht mehr belehren...
Was er getan hat, ist selbstverständlich aller Ehren wert. Aber man muß auch aus dem Vorgang Lehren ziehen.
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Pedrogranata schrieb:
Brady schrieb:
Hätte hätte hätte hätte...der gute Mann ist tot und jetzt darüber zu sinnieren war er hätte tun sollen...nee ich schreibs lieber nicht...
Hat halt leider nicht jeder...jeden Tag mit solchen Objekten zu tun...wie deiner einer Pedro....


Deswegen schreibe ich ja darüber, damit man weiß, was man tun soll, wenn es das nächste mal für einen selbst soweit ist. Nicht wegen Herrn Brunner; den kann man natürlich nicht mehr belehren...
Was er getan hat, ist selbstverständlich aller Ehren wert. Aber man muß auch aus dem Vorgang Lehren ziehen.  


Ich habe letztens bei Stern-TV einen Bericht gesehen
über einen Mann, der in einem vollbesetzten Bus
4 Mädels beigestanden hat, die von 3 Jugendlichen angegangen
wurden.
Daraufhin wurde er vor dem Bus von den Dreien fast tot geschlagen.
Alle 70 Insassen des Busses haben zugesehen
(incl. 2 Security-Leuten)

Was soll man daraus wohl für Lehren ziehen?
Dass wir ein Volk von Pfeiffen sind,
wo 70 Leute sich vor 3 (in Worten drei) Rotznasen fürchten?

Nicht, dass ich Gewalt propagiere,
aber es gibt Länder, in denen sich solche Asis das nicht wagen würden.
Da würden sie von den Passanten aufgefressen.

Es ist ein Gesellschafts-Problem
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DBecki schrieb:
Also ich weiss nicht. Herr Brunner war der Einzige, der den Kindern beigestanden hat. Er war der Einzige, der Initiative ergriffen hat. Da finde ich es extrem müßig, darüber zu diskutieren ob er in der Bahn selbst weniger in Gefahr gewesen wäre als auf dem Bahnsteig und ob er das richtig oder falsch gemacht hat und ob er mit Geschäftspartnern anders verhandeln muss als mit jugendlichen Kriminellen und ob er sich überschätzt hat oder nicht. Da hat er in diesem Moment (unterstelle ich ihm einfach mal) sicherlich nicht dran gedacht und schon gar nicht daran, dass das Ganze für ihn einen tödlichen Ausgang nehmen würde. Schuld an seinem Tod sind nur und ausschliesslich seine Mörder! Selbst wenn er mit diesen beiden Subjekten alleine die Bahn verlassen hätte und niemand weit und breit gewesen wäre, gibt das denen beiden in keiner Weise das Recht, Herrn Brunner zu töten. Und ganz ehrlich, hat Herr Brunner anderen Fahrgästen das Mitaussteigen und Mithelfen ausdrücklich verboten? Ich glaube kaum. Fazit: Herr Brunner hat geholfen und wurde dafür getötet. Von seinen beiden Mördern. Und von sonst niemandem.

Ich muss gestehen (um mal zurück zur Threadüberschrift zu kommen), dass ich mir jetzt erst recht dreimal überlege, ob ich in so einer Situation einschreiten würde, und das ist das eigentlich Schlimme. Die Polizei rufen bestimmt, aber eingreifen, zumindest alleine wahrscheinlich nicht. Dazu kommt nach der Lektüre dieses Threads noch der Gedanke daran, wenn mir dann was passieren würde und ich würde darüber hinaus noch von Teilen der Gesellschaft mit Sprüchen wie "der ist doch selbst schuld" und "das hätte er aber ganz anders machen müssen" und "weiss der denn nicht, dass jugendliche Schläger anders sind als seine Miet- und Kaufinteressenten?" bedacht werden, also ich weiss nicht...


Danke!
So was wollte ich auch gerade schreiben.
Ich habe das Gefuehl, hoffe es ist nicht gewollt, dass Herr Brunner zum Schluss noch der Doofe ist. Hoffen wir, dass Familie Brunner so eine Stellungsnahme wie die von Pedro nicht lesen muss.

Fakt der Mann ist tot. Ermordet von 2 Jugendlichen.

Allein, wenn ich dann so eine neunmalkluge Aussage lese, da vergeht einem in irgendeiner weise Zivilcourage zu leisten. Vielleicht benutze ich ja da flasche Handy, wenn ich Verstaerkung herbeihole, vielleicht muss ich die Taeter vorher um Erlaubnis fragen....

Gruss Afrigaaner
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Pedrogranata schrieb:
Steinschlag schrieb:
(Boxen ist aus)
und wieder nein Pedro
er hat das "soziale" Verhalten seiner Umgebung unterschätzt!!
alles wer/was/wen schützen will ist sozial
und wer/ was/wen übersehen will ist
Pedro ich wünsche dir viele gute (soziale) Schutzengel


Boxen ist nicht aus.

Richtig, er hat das soziale Verhalten seiner Umgebung unterschätzt und sich selbst überschätzt.

Ich brauche keinen Schutzengel. Ich habe beruflich viel mit jugendlichen Straftätern zu tun und habe eine ganze Anzahl derartiger Situationen in meinen Akten vor mir liegen. Solche Fälle, wenn auch nicht oft mit tödlichem, aber durchaus schmerzhaftem Ausgang, sind Alltag vor den Jugendgerichten. Ich weiß ziemlich genau, wovon ich rede.


Das erklärt mir also deine analytische Schreibweise, es ist klar, daß mann/frau da mit einer gewissen Distanz solche Vorgänge sieht wenn beruflich sowas Tagesgeschäft ist.
Das mit den Schutzengeln war auch garnicht ironisch oder zweideutig gemeint, und mich wundert etwas, wie du das so kategorisch von dir schiebst.
Jeder Mensch braucht in seinem Leben "Schutzengel", es müssen ja nicht immer gleich solche großen Katastrophen sein.
Eine Unachtsamkeit beim Autofahren, ein Schwächeanfall auf offener Straße und schon wär ich dankbar für sein Erscheinen.
Meine Jungs hatten schon solche Schutzengel und auch dafür bin ich noch immer sehr, sehr dankbar!
Also lehne meine guten Wünsche nicht ab, denn es sind gute Wünsche!
Steinschlag
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http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video572446.html
(Video sollte an der richtigen Stelle ansetzen, ansonsten ab 11:17)

Zivilcourage bitte nur, wenn man auch Vorzeigebürger ist, ansonsten ist man dem Freistaat Bayern nicht genehm.
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Das darf man nicht zulassen. Ich bin wirklich fassungslos  
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Unfassbar
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Bayern halt.  :neutral-face

Wobei der Bericht doch einige Fragen offen lässt.
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untouchable schrieb:
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video572446.html
(Video sollte an der richtigen Stelle ansetzen, ansonsten ab 11:17)

Zivilcourage bitte nur, wenn man auch Vorzeigebürger ist, ansonsten ist man dem Freistaat Bayern nicht genehm.



Das bestätigt meine Einschätzungen, die ich ein paar Seiten vorher beschrieben habe.

Trotzdem bin ich mal wieder entsetzt...

Aber ich glaube nicht, dass das nur am Bundesland liegt, eher an unserer Gesellschaft...
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Wahrscheinlich hat der Mann auch geschnaxelt ohne verheiratet zu sein und/oder Kinder zeugen zu wollen. So einen kann man auch nicht ehren. Da haben die Bayern schon recht.

Ehrbares Volk muss ehrbar bleiben, liebe Amigos  
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Miso schrieb:
Das darf man nicht zulassen. Ich bin wirklich fassungslos    


warum? das ist so und
deshalb erst recht nicht wegsehen/gehen
wir sind doch Menschen
oder nicht
der Mann hat gesagt, er würde es wieder tun auch wenn er jetzt finanziell am Ende ist
wir werden Alle nicht als Helden oder Totschläger geboren, sondern als Menschen!
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@Steinschlag: Gibt es hier (hoffentlich) ein Missverständnis?
Ich rede davon, dass Medinger den Berichten zufolge seiner freiberuflichen Arbeit nicht mehr nachgehen konnte und inzwischen von Obdachlosigkeit bedroht ist. Und da reicht es nicht, allein seine bewundernswwerte Moral zu würdigen. Der vorbestrafte Medinger hat dafür bezahlen müssen, als er einschritt, und es wurde ihm dann auch noch versagt, sich für seine Zivilcourage ehren zu lassen.  
Wenn es jetzt heißt, es gäbe weitere Gründe als die Vorstrafe, aber darüber könne man nichts sagen (meinst Du das, BBB?), finde ich das sogar noch schlimmer. Falls die ARD das alte Prinzip "Gegenrecherche" außer Acht gelassen hat, kann ich mir noch eine andere Lesart vorstellen. Aber es bleibt bei dem, was ein Gericht festgestellt hat: Medinger versuchte, Jugendliche vor alkoholisierten Schägern zu beschützen, wurde schwer verletzt und sagt, er würde das wieder tun.
Die Frage ist, ob Du oder ich vor diesem Hintergrund mutig wären.


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