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Es hagelt Stadionverbote für Bayern Fans

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Hier die Erklärung der Schickeria München:

Die Exekutive hat geurteilt: Ausgesperrt auf reinen Verdacht!

Über vier Monate nach einem Vorfall auf der Anreise zur Bundesliga-Begegnung Mainz 05 – FC Bayern auf dem Würzburger Hauptbahnhof lagen deswegen in den letzten Tagen die ersten Stadionverbote in den Briefkästen von einigen Bayernfans. Unter den Betroffenen sind sowohl Mitglieder der Schickeria als auch andere Bayernfans, die mit im selben Zug waren. Laut Presseberichten soll es bis zu 81 Stadionverbote geben, obwohl selbst die Polizei damals von etwa 30 Fans sprach, die in den Vorfall involviert gewesen sein sollen. Ausgesprochen sind die Stadionverbote vom DFB.

Erst kürzlich haben wir beim Treffen von Profans - ein bundesweites Bündnis für Fanrechte mit Fangruppen aus ganz Deutschland – von den Fans anderer Vereine erfahren, dass inzwischen sehr viele Stadionverbote nicht mehr wie früher von den Vereinen sondern vom DFB direkt ausgesprochen werden. Anscheinend sind dem DFB die Handhabung der Vereine, die vielerorts inzwischen einen verglichen mit früher fairen und fannahen Umgang mit dem Thema Stadionverboten pflegen, nicht restriktiv genug. Dieses Verhalten steht in krassem Widerspruch zur Außendarstellung des DFB, der sich seit dem Leipziger Fankongress gerne als Fannah darstellt, und entlarvt die Änderungen der Richtlinien des DFB zur Festsetzung von Stadionverboten als Farce. Die wirklichen Probleme und die berechtigte Kritik an diesen Richtlinien sind in keinem Punkt verändert worden. Das ist im vorliegenden Fall erneut auf für die Betroffenen schwerwiegende Weise bestätigt worden.

Obwohl nur 30 etwas gemacht haben sollen, was auch noch lange nicht bewiesen ist, werden 81 Fans ausgesperrt. Schon vage Verdachtsmomente, wie etwa das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei, führen zur Verhängung eines Stadionverbots. Diese stellen einen massiven Eingriff in das soziale Leben der Betroffenen dar. Damit wird die rechtsstaatlich garantierte Unschuldsvermutung aufgehoben. Der Betroffene gilt als schuldig und muss das Gegenteil beweisen, nicht wie in Rechtsstaaten üblich umgekehrt. An dieser Stelle wird von den Verantwortlichen gerne argumentiert, ein Stadionverbot sei Prävention und nicht Strafe. Unter anderem laut Einschätzung etlicher Sozialarbeiter aus den Fanprojekten ist ein Stadionverbot für den Betroffenen aber sehr wohl eine Strafe. Der präventive Nutzen von Stadionverboten ist hingegen in keinster Weise belegt und äußerst fraglich. Stadionverbote sind kein geeignetes Mittel, um die Situation rund um Fußballspiele zu ändern. Die Praxis der Stadionverbote zeigt hingegen, dass Stadionverbote von den Verantwortlichen dazu benutzt werden, kritische Fans mundtot zu machen. Außerdem ist davon auszugehen, dass alle Betroffenen in dubiosen Dateien der Polizei erfasst werden, wie etwa der Datei Gewalttäter Sport, die derzeit keine rechtliche Grundlage hat, von einem Oberverwaltungsgericht für unzulässig erklärt wurde und deswegen vor dem Bundesverwaltungsgericht überprüft wird. Erfahrungsgemäß werden diese Eintragung selbst nach einer Einstellung der Ermittlungen oder einem Freispruch nicht gelöscht. Damit hat die angeblich privatrechtliche Maßnahme Stadionverbot, die keinerlei Kontrollmechanismen und nur schwammigen Richtlinien unterliegt, sehr weitreichende Folgen. Es ist äußerst bedenklich, dass für einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte und das Leben von Personen keinerlei richterliche Kontrolle bzw. ein ordnungsgemäßes Verfahren gemäß verbriefter Rechte mehr erforderlich ist sondern lediglich die Einschätzung dieser Personen durch die Exekutive (hier die Polizei). Unter dem Vorwand von Prävention und „Gefahr im Verzug“ wird hier Willkür und Machtmißbrauch durch die (naturgemäß parteiische und/oder paranoide) Exekutive der Weg geebnet. Auch in anderen (wichtigeren) Bereichen, welche die „innere Sicherheit“ betreffen manifestiert sich ein solcher Zeitgeist und macht allzu deutlich wohin die Reise geht: willkommen im präventiven Sicherheits- und Überwachungsstaat!

In der Begründung für die Stadionverbote heißt es, die Person sei auf Videoaufnahmen als Mittäter identifiziert worden. Wie 81 Personen als Täter identifiziert worden sein sollen, obwohl angeblich nur 30 Personen an der Tat beteiligt gewesen sein sollen, sei mal dahingestellt. Wir sind optimistisch, dass der Großteil der Betroffenen bald nach Abschluss der schon vier Monate dauernden Ermittlungen wieder ins Stadion darf. Schließlich muss in diesem Fall der DFB selbst nach seinen eigenen repressiven Richtlinien die Stadionverbote wieder aufheben. Allerdings wird auch die Frage aufgeworfen, warum der DFB als private Körperschaft diese Videos, die Beweismaterial darstellen, überhaupt anschauen kann, während nicht mal den Anwälten der Betroffenen Akteneinsicht gewährt worden ist.

Ausgesperrt um zurückzukehren – Wir sehen uns bald wieder!

Schickeria München,  alarMstufe rot, Queerpass Bayern


Hier nochmal der Link: www.schickeria-muenchen.org
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anno-nym schrieb:
Erfahrungsgemäß werden diese Eintragung selbst nach einer Einstellung der Ermittlungen oder einem Freispruch nicht gelöscht.


Das ist ja durchaus Standard.

Viel "lustiger" ist es hingegen, wenn Leute NACH Verfahrenseinstellung erst für ein vermeintlich begangenes Delikt in die GS-Datei aufgenommen werden - nachdem sie es "wagten", ein Auskunftsersuchen betreffs GS-Datei-Eintrag an das zuständige LKA NRW zu schicken.

Behördenwillkür allez - aber gut, anderes erwartet man mittlerweile ja kaum noch...

Darin liegt im Übrigen eine in meinen Augen bedeutend größere Gefahr: Das Ausmaß an Abneigung der betreffenden Personen gegenüber dem Staat und seinen Organen wird durch solcherlei Erfahrungen sicherlich nicht gerade vermindert - von "Vertrauen" in ebendiese Institutionen wollen wir hier gar nicht mehr sprechen.

Gerade dann, wenn man solcherlei Erfahrungen mit der Zeit auf Grund der subjektiv wahrgenommenen Häufigkeit (welche im Übrigen keineswegs das komplette Gegenteil einer objektiven Sicht auf die Dinge darstellen muss) eher als "Regel", denn als "Ausnahmefall" betrachtet, wird bei den Leuten zunehmend eine Art "Widerstandsgeist" geweckt (insofern sie denn gewisse Persönlichkeitsvorraussetzungen und eine gesunde natürliche Abneigung gegenüber erfahrenem Unrecht mitbringen).

Das immer größere Teile der aktiven Fanszenen hierzulande solchen, und das ist an dieser Stelle sicher nicht das falsche Wort, Hass gegenüber der Polizei im Besonderen und staatlichen Organen im Allgemeinen entgegenbringen, ist zu nicht geringen Teilen sicherlich auch ein hausgemachtes Problem des Staates.

Ob man jetzt dazu neigt, diese zunehmende Eskalation als, wenn nicht gewolltes, so doch wohlwollend toleriertes Phänomen von Teilen des "Staates" zu betrachten (was in Richtung einer "Verschwörungstheorie" gehen würde - das Wort in diesem Zusammenhang einmal völlig wertfrei benutzt) - oder aber einfach als Ausdruck der teils krassen Unfähigkeit im Verstehen und Handeln den betreffenden staatlichen Organe und der dort an entscheidender Stelle tätigen Personen oder aber eine Mischung aus beidem - das sei jedem selbst überlassen.
Ist an dieser Stelle auch nicht weiter von entscheidender Bedeutung, denn: Positiv auf das Bild des Staates und seiner Organe wirkt sich die eine wie die andere Variante jedoch sicherlich nicht aus.

Die Polizei zunehmend außer Kontrolle, mit zu viel Macht ausgestattet (und ich rede jetzt nicht vom prototypischen Wachtmeister Dimpflmoser auffem Dorf - sondern insbesondere jenen Kampftruppen, die zu Fußballspielen/Demonstrationen und anderen Großveranstaltungen ausgesandt werden) - und praktisch "unberührbar", wenn es um diverse Fehlverhalten geht, die sich die Exekutive anlässlich diverser Aktionen mal für mal wieder leistet. Und die dort tätigen Personen wissen genau, dass sie praktisch "unberührbar" sind - und lassen es nicht selten die ins Visier geratenen Personen/Personengruppen nur zu gerne spüren.

Diese erlebte Ohnmacht gegenüber (willkürlicher) staatlicher Macht und daraus entstehende Frustration befördert nicht selten vor allem eines: Die Radikalisierung im Denken und mitunter auch Handeln der Personen, die solche Situationen als "Alltag" erleben (und das ist bei politisch aktiven Menschen ebenso wie bei aktiven Fußballfans nun einmal überwiegend der Fall).

Wie oft hat man es in den paar Jahren beim Fußball erlebt, dass die gepanzerten und vermummten Prügeltrupps erst für die Eskalation weitestgehend friedlicher Situationen sorgten.
Über die SKBs kann man die meisten "einschlägig bekannten" Personen auch ohne großes Aufsehen entsprechende Briefe nach Hause schicken, wenn denn wieder einmal etwas vorgefallen sein sollte, was den staatlichen Organen als sanktionierungswürdig erscheint.
Man muss nicht mit einem halben Dutzend Mann auf einen Fan einprügeln und ihn am Boden fixieren, weil er es wagte, gegenüber der Polizei seine Abneigung in, zugegebenermaßen vielleicht nicht recht netten Worten, zu äußern. Das geht, wie geschrieben, auch eleganter.

Dass solche überzogenen Maßnahmen nicht den Beifall der Umstehenden finden, sondern, insbesondere nach einschlägigen Vorerfahrungen, darin münden, dass dann vielleicht auch der eine oder andere Gegenstand in Richtung der ausführenden Beamten fliegt; diese daraufhin mit vollkommen unkontrollierten Knüppel- und Tränengaseinsetzen reagieren und in Folge mal wieder der halbe Hauptbahnhof verwüstet wird...

Es ist sicherlich kein gesunder Kreislauf, der da am Wirken ist. Denn am Ende sitzt der Staat im Allgemeinen und die Polizei im Besonderen eben doch am längeren Hebel.

Und noch einmal zum Thema SV: Dass diese tendenziell eher ein gewaltförderndes, denn gewaltpräventives Instrumentarium darstellen - das ist ja nun eigentlich auch keine so große Neuigkeit.
In der Form, wie die SV-Vergabe heute angewandt wird, verfehlt sie einfach den beabsichtigen Zweck um geschätzte 180 Grad.

Sind halt alles Dinge, die man sich einmal überlegen sollte, bevor man mitunter voreilig einem "Als druff uff die Verbräscher!" zustimmt.

So einfach ist die Welt nun einmal nicht.


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