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Unruhen in Tibet

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Maabootsche schrieb:
Ein kleiner Seitenblick auf die Rolle der Tibeter beim momentanen Konflikt, auf ihre Vergangenheit und die Unfähigkeit der chinesischen Regierung mit der ganzen Problematik vernünftig umzugehen.

http://www.stern.de/politik/ausland/:Tibet-Konflikt-Der-Dalai-Lama-Unschuldsengel/616803.html

In Eile ein paar Worte zum Stern-Artikel.

Da reklamiert ein Journalist für sich, ausgewogen zu berichten. Das ist ein guter Vorsatz. In der Folge zielt er v.a. auf zwei Aspekte ab:

1. Der Dalai Lama ist kein Unschuldsengel.

Das wird damit begründet, dass einige seiner Vorgänger vor etlichen hundert Jahren nicht dem heutigen Bild eines aufgeklärten Staatsoberhaupts entsprachen. Etwas dürftige Argumentation, wie ich finde. Außerdem: „Unschuldsengel“ ist in diesem Zusammenhang – und überhaupt – eine unsägliche Qualifikation. Es reicht völlig, wenn er ein besonnener, vernünftiger, mitfühlender und geduldiger Vertreter seines Volkes ist. Und das ist er allem Anschein nach.

2. Es wurde bei den Protesten nicht nur von Chinesen, sondern auch von jungen Tibetern Gewalt ausgeübt.

Die Nachrichtenlage aus Tibet ist aufgrund chinesischer Restriktion mehr als dürfte. Aber leider trifft es wohl zu, dass nicht alle Tibeter gewaltfrei protestieren – in ihrem eigenen Land, in dem sie durch die chinesische Aggression zur Minderheit wurden; in dem etwa 1 Million Tibeter getötet wurden; in dem es zu massenhaften Zwangssterilisationen und Folter kam; in dem ein Großteil der Klöster, Rückgrat der tibetischen Kultur, gezielt zerstört und die Mönche getötet, in Umerziehungslager gesteckt oder außer Landes getrieben wurden – genau diese Mönche und Lamas fehlen jetzt als moralische Instanz, an der sich die jungen Leute im Land orientieren könnten.

Es ist ein Jammer, dass es heutzutage kaum noch bezüglich ihrer Themen wirklich fachkundige Journalisten gibt. Die meisten hasten von einem hot spot zum anderen und scheinen manchmal nicht mehr genau zu wissen, an welchem Ort des Geschehens sie sich gerade aufhalten.
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Interessant wäre in diesem Zusammenhang, wen die tibetische Exilregierung und der tibetische Jugendkongress mit der PR für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen von China beauftragt hat, die sowohl der Verweigerungshaltung der chinesischen Führung, als auch den USA und ihren Verbündeten in die Hände arbeiten. Ich würde mich nicht wundern, wenn es ebenfalls Hill & Knowlton wäre, welche die medienwirksamen Proteste gegen den Fackellauf organisieren.
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Hübsch-zynisches Szenario. H&K sollen übrigens auch eine Reihe gut ausgebildeter Böllerwerfer unter Vertrag haben.
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Pedrogranata schrieb:
Interessant wäre in diesem Zusammenhang, wen die tibetische Exilregierung und der tibetische Jugendkongress mit der PR für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen von China beauftragt hat, die sowohl der Verweigerungshaltung der chinesischen Führung, als auch den USA und ihren Verbündeten in die Hände arbeiten. Ich würde mich nicht wundern, wenn es ebenfalls Hill & Knowlton wäre, welche die medienwirksamen Proteste gegen den Fackellauf organisieren.  

Manchmal bin ich über Deine Bissigkeit dann doch erstaunt ...
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schlusskonferenz schrieb:
Pedrogranata schrieb:
Interessant wäre in diesem Zusammenhang, wen die tibetische Exilregierung und der tibetische Jugendkongress mit der PR für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen von China beauftragt hat, die sowohl der Verweigerungshaltung der chinesischen Führung, als auch den USA und ihren Verbündeten in die Hände arbeiten. Ich würde mich nicht wundern, wenn es ebenfalls Hill & Knowlton wäre, welche die medienwirksamen Proteste gegen den Fackellauf organisieren.  

Manchmal bin ich über Deine Bissigkeit dann doch erstaunt ...

Ein echter Lhasa Apso halt ...
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adlerkadabra schrieb:
Hübsch-zynisches Szenario. H&K sollen übrigens auch eine Reihe gut ausgebildeter Böllerwerfer unter Vertrag haben.


Und HG, der im richtigen Moment für die technischen Gründel für die Kameraausfälle sorgt.
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Macht nix. Attila ist die perfekte Drohne.
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HeinzGründel schrieb:
China blamiert gerade bis auf die Knochen. Ich vermute aber, dass China diese Demütigung nicht vergessen wird.
 

Man muss eh sagen das die chinesische Regierung saudumm ist, warum haben die das vor der Olympiade gemacht? Wenn ich sowas vorgehabt hätte, dann hätte ich das nach der Olympiade gemacht, dann hätte es nämlich kaum jemanden interessiert.
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Was gemacht?
Ihr Land gegen eine Übermacht imperialistischer Tibeter beschützt?  
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HeinzGründel schrieb:
Für die Vermarktung der Spiele hat Peking die amerikanische PR-Firma Hill & Knowlton unter Vertrag, die bereits für mehrere Olympischen Spiele die Werbetrommel rührten. Echte Profis.
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etwas weiter ausgeführt hier:
http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/522/168036/

Die scheinen ja dicke im Geschäft zu sein.
Das IOC, das Pekinger Organisationskomitee und die die Chinesische Regierung...
Und wenn man dann noch bedenkt, daß deren Mutterkonzern scheinbar der größte Geldgeber aller (!) US-amerikanischen Präsidentschaftskanditaten ist, muß man sich um deren Zukunft wohl keine Sorgen machen.
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Pedrogranata schrieb:
http://www.zeit.de/2008/16/China-Fackellauf?page=1


Dazu ein paar Anmerkungen:

Er empfängt den Reporter in seiner Pekinger Wohnung mit Fotos und Überschriften der Bild-Zeitung auf dem Computer. Dreimal wurden offenbar Bilder von Protesten in Nepal und Indien verwendet, als Illustration für angebliche chinesische Unterdrückungsmaßnahmen gegen Tibeter. Li ist angewidert. Er findet die Tibet-Berichterstattung im Westen so einseitig wie in China. Er kritisiert ein romantisches Tibet-Bild: »Blauer Himmel, weiße Wolken, grünes Grasland.

> Für den Foto-fake, der durch nichts zu rechtfertigen ist, gibt es inzwischen etliche offizielle Entschuldigungen (ob die in den chinesischen Medien auch publiziert werden?). Das romantische Tibet-Bild wird zwar massenhaft kolportiert – ich selbst habe dafür in der aktuellen Berichterstattung (obwohl diese weiß Gott viel zu wünschen übrig lässt) bislang noch kein einziges Beispiel entdecken können.

In Wirklichkeit müsse sich der tibetische Buddhismus genauso säkularisieren wie etwa in Thailand. Schuld daran sei weniger die chinesische Politik als die Modernisierung. Dabei bleibt Li ein harter Kritiker seiner Regierung, der er vorwirft, den Dalai Lama falsch beschuldigt zu haben: »Ohne den Dalai Lama wäre die Lage viel schlimmer, dann wären die Separatisten längst schon Terroristen.«

> Der tibetische Buddhismus muss garnix, das sollen am besten mal die Tibeter selber entscheiden. Abgesehen davon hat der DL selbst die Einleitung der Trennung von politischer und religiöser Führung für den Fall seiner Rückkehr schon seit langem angekündigt. Er selbst wird in diesem als politisch Verantwortlicher, aber auch als religiöser Führer zurücktreten. Was die Säkularisierung anbelangt: der Buddhismus ist im Grunde keine Religion, sondern eine Lehre und eine Schule der Erfahrung. Seit Jahren finden in Dharamsala, dem nordindischen Sitz der tibetischen Exilregierung, unter der Leitung des DL Treffen zwischen hohen tibetischen Lamas und westlichen Spitzenwissenschaftlern aus zahlreichen Fachgebieten statt, deren Sinn und Zweck es ist, sich um eine gemeinsame Basis der Verständigung zu bemühen. Damit gilt für speziell die tibetischen Ausprägungen des Buddhismus (es gibt mehrere Schulen): sie brauchen nicht erst säkularisiert werden; wohl aber besser verständlich gemacht, besser übersetzt, um auch außerhalb Tibets angemessen verstanden zu werden.

Aber die meisten Chinesen treten überzeugt für die Einheit Chinas ein – wie schon der erste Qin-Kaiser vor über zweitausend Jahren.

> Das tun sie mit etwa so viel (?) Recht, wie wenn wir Deutschland zur Zeit Karls des Großen reklamieren würden. Außerdem: der Dalai Lama akzeptiert ja die Supervision Chinas über Tibet und ist mit Beibehaltung des Status der „Autonomen Region“ ansonsten einverstanden.

»Tibetische Hunde« und »französische Schweine«.

> Diesem in China vertretenen Standpunkt muss leider nichts hinzugefügt werden. Der Erfolg der chinesischen Indoktrination spricht deutlich für sich.

Wang ist mit einer tibetischen Schriftstellerin verheiratet, persönlich mit dem Dalai Lama bekannt und zählt zur wachsenden Zahl chinesischer Intellektueller, die sich mit der tibetischen Kultur identifizieren. Sie erscheint ihm als Alternative zum geistigen Vakuum der chinesischen Jugend, ihrem Materialismus.

> Das ist sehr interessant und bestätigt, was auch ich schon diverse Male – leider nicht aus öffentlichen Medien - vernommen habe. Es ist ein Punkt der Hoffnung. Die chinesische Seite kann nur so vernünftig sein eines tun, um diese Hoffnung am Leben zu halten: endlich ehrliche und offene Gespräche mit dem DL aufnehmen. Das ist die einzige Chance, der miesen Propaganda auf allen möglichen Seiten das Wasser abzugraben.
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Ich bin einfach froh, daß adlerkadabra die Dinge so fundiert beschreiben und hier ausdrücken kann, die mich in dieser Sache auch bewegen.  
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Danke. Und ich bin froh und ein bissle stolz auf das Adlerforum, das auch für solche Themen Platz hat.
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jetzt mal unabhängig vom eigentlichen thema:

ich finde die olympischen spiele sowas von überflüssig, früher gab's die spiele, damit sich sportler aus aller welt treffen können und sich messen können, heutzutage sehen sich die meisten sportler eh alle 14 tage bei irgendeinem weltcup oder sonstwas.........und dieser fackellauf - eine von den nazis übernommene idee, die noch sinnloser ist als die olympiade  
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http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10490&detailid=436309

ja, zeigt es der Welt ihr politisch engagierten Bürger, kauft Tibet Fahnen!! Diese Entwicklung wird China sicherlich beeindrucken  
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Du wirst lachen, Bonner23, aber ich persönlich habe die Tibet-Flagge schon seit eineigen Jahren im Fenster hängen. Die Flagge der tibetischen Exilregierung ist nämlich ein Symbol des freien Tibets, da schon der Besitz (!) in China strengstens verboten ist. Meiner Meinung nach solidarisiert man sich mit Tibet indem man die Flagge in aller Öffentlichkeit zeigt. Nicht umsonst gibt es den "Flaggen-Tag" am 10. März, an welchem ganz Europa aufgefordert wird Tibets Flagge zu hissen. Übrigens weht sie an diesem Tag auch an nahezu jedem Rathaus in der Bundesrepublik. Quelle | Mehr dazu auf: Tibet-Initiative.de


FREE TIBET
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The_Lizard_King schrieb:
Du wirst lachen, Bonner23, aber ich persönlich habe die Tibet-Flagge schon seit eineigen Jahren im Fenster hängen. Die Flagge der tibetischen Exilregierung ist nämlich ein Symbol des freien Tibets, da schon der Besitz (!) in China strengstens verboten ist. Meiner Meinung nach solidarisiert man sich mit Tibet indem man die Flagge in aller Öffentlichkeit zeigt. Nicht umsonst gibt es den "Flaggen-Tag" am 10. März, an welchem ganz Europa aufgefordert wird Tibets Flagge zu hissen. Übrigens weht sie an diesem Tag auch an nahezu jedem Rathaus in der Bundesrepublik.


Gude! Wenn du die Fahne schon seit einigen Jahren im Fenster hängen hast oder sonst wo spricht für dich, zeigt das dir bewusst ist das "diese kleineren Probleme" die China wohl hat nicht erst seit gestern existieren...

Ich finds heuchlerisch das aufeinmal die Anfrage nach diesen Fahnen ansteigt, extrem heuchlerisch und widerlich. Wenn in drei Wochen in der Presse nichts mehr über China,Tibet sonstwas steht werden 99% dieser Leute die Fahnen wieder einrollen.

Und ob man sich damit Solidarisiert, nun gut. Was ändert sich dadurch für die Menschen in Tibet? Richtig, ein scheißendreck ändert sich! Das ist doch der Mist, anstatt anzupacken immer nur viel blabla, solidarisiert euch hier, solidarisiert euch da, und am Ende weiß man gar nicht mehr wofür man sich überhaupt solidarisch gezeigt hat, hauptsache man hat mitgemacht

Ist der übliche "Aufschwung" durch die Presse vorangetrieben der ebenso schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, aber hauptsache man hat ein reines Gewissen denn man hat der Öffentlichkeit seine Tibet Fahne präsentiert, wow!!!

Das einzige was mich an der Geschichte mit der Bonner Fahnenfabrik freut ist das die Bonner Wirtschaft nbisschen mehr Geld verdient...
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Gude

Nun ja, dass die ganze Welt plötzlich aufschreit, obwohl der Tibet-Konflikt seit mehr als 50 Jahren existiert ärgert mich natürlich auch ein wenig, obwohl ich dabei versuche das Positive zu sehen: Die ganze Welt schaut auf Tibet, auf der ganzen Welt wird protestiert und demonstriert - ob das nun aus Überzeugung geschieht oder weil's gerade Mode ist, geht mir eigentlich realativ am ***** vorbei, solange überhaupt etwas geschieht. Ob dieser "Trend" nun längerfristig anhält, oder nach den Olympischen Spielen alles vorbei ist, bleibt abzuwarten.

Zum Handeln. Es ist verdammt schwierig gegen China vorzugehen, da die Verantwortlichen in der wesltichen Welt nicht gerade scharf auf (wirtschaftliche) Probleme mit den Chinesen sind. Geld ist in der heutigen Welt nunmal wichtiger als ein "paar Tibeter, die ihre Unabhängigkeit wollen". Die wirklichen Ausmaße des chinesischen Experiments Kommunismus und Kapitalismus zu vereinen (Karl Marx würde sich im Grabe umdrehen) sind einigen Menschen hier garnicht bewusst, oder sie verschließen erfolgreich ihre Augen davor. Gerade der Westen Chinas verkommt total, man verballert das erwirtschaftete Geld lieber in Boom-Cities wie Shanghai oder Peking, sowie die Vorbereitungen auf die Olympiade (damit meine ich nicht den Stadionbau, sondern Sachen wie zum Beispiel die Zwangsumsiedlung von 1,5 Millionen Menschen aus den Austragungsorten der Olympiade [betroffenen sind vor allem Bettler, Wanderarbeiter und Menschen mit geistigen Behinderungen] und Späßchen wie das Abschießen von Regenwolken bevor diese Peking erreichen um jeden Tag Sonnenschein und einen blauen Himmel zu haben um eine "heile Welt" vorzuspielen*). Auch die chinesische Bevölkerung leidet unter der indiskutablen Menschenrechtssituation in China, nicht nur die verbliebenen Tibeter.

Liebe Grüße,
The_Lizard_King

* mehr dazu hier: Olympiade 2008 – China spielt mit den Menschenrechten


FREE TIBET
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In der heutigen TAZ:

Chinas vergessener Wandel


Der Autor Thomas Heberer ist Sinologe und Professor für Ostasiatische Politik, und sein Beitrag hebt sich durch gründliche Kenntnis der Materie und auch Sachlichkeit wohltuend  vom Gros der Berichterstattung ab.

Nur zwei kritische Anmerkungen zu seinen Ausführungen:

Heberer sieht Tibet historisch permanent unter chinesischer Oberherrschaft. Geht man aber nur einen Schritt weiter zurück als er, sieht man, dass Tibet ohne fest definiertes Staatsterritorium bis Anfang des 18. Jhdts. locker mit der Mongolei assoziiert war. Erst nach dem Ende des mongolischen Reiches erklärte (!) China Tibet zum eigenen Protektorat – dies allerdings durchaus zunächst zum Vorteil beider Seiten.

Anfang des 20. Jahrhunderts kam - und das war entscheidend - durch koloniale Einmischung Großbritanniens erhebliche Schärfe in die tibetisch-chinesischen Beziehungen. Zur Eskalation kam es dann in den 50er Jahren, als China nicht länger bereit war, die politisch-kulturell-religiöse Autonomie Tibets zu respektieren. Dazu meine zweite kritische Anmerkung: die ungeheuere Grausamkeit, mit der in der Folge die Revolutionsgarden und die Armee gegen die Zivil-Bevölkerung und namentlich die Mönche vorging; die unersetzlichen Verluste, die durch Zerstörung von über 90% der Klöster entstanden; die Verwüstung ganzer Regionen des Landes durch rücksichtslose Ausbeutung seiner Ressourcen; die Tatsache, dass die Tibeter durch massenhafte Zuwanderung von Han-Chinesen zur Minderheit im eigenen Land wurden – darauf geht der Autor zu wenig ein.

Sicherlich ist es aber richtig und wichtig zu betonen, dass es jetzt nicht darum gehen kann, China vom Westen her populistisch an den Pranger zu stellen. Sicher, der Finger muss in die Wunde gelegt werden, darin kein Nachlassen. Aber es sollte mit Respekt und Vernunft miteinander gesprochen werden. Das scheint mir der Ansatz des Dalai Lama zu sein, den China immer noch völlig zu Unrecht und im Endeffekt ganz gegen die eigenen Interessen verteufelt.


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