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Litera-Lättchen

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Nee, war wohl doch nur ein völlig kommuner Konditionalis  

Wobei ich mir bislang fast sicher war, dass bei dem Mann der Witz direkt aus dem Waschbärbauch kommt

 
 
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irrealis, mein bester, ich sage nur: irrealis!
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Heute mal der Hinweis nicht auf ein Buch, dafür auf die so bemerkens- wie empfehlenswerte Vierteljahreszeitschrift 'Lettre International - Europas Kulturzeitung'.



Im neuesten Heft

Lettre International
No.76, 1.Quartal 07

gibt es einen schönen Beitrag von José Manuel Wisnik:

BRASILIANISCHER FUSSBALL,

eingeleitet wie folgt:

"Das größte Spektakel der Welt ist Glücksversprechen und Zauberdroge. Über die Poesie des Spiels und die Künste des Balltänzers - ein extravaganter Versuch, die Welt in ein Spiel zu verwandeln."



Ein größerer Auszug aus dem Text findet sich hier:

http://www.lettre.de/aktuell/76_Wisnik.html



Daraus die Schlusspassage:

„Dadurch eignet sich der Fußball mehr als andere Sportarten zum Ausdruck verschiedener kultureller Zeitauffassungen: Durch diesen offenen Raum wurde er in Brasilien neu erfunden. Der Fußball eignet sich kaum zu numerischer Darstellung. (Man kann ihn statistisch nicht erfassen.) Wegen seiner entspannt-lockeren Abfolge in der Zeit paßt er zum Beispiel nicht zum nordamerikanischen Leben, wo alles Wertvolle schon vorformatiert erscheint, um sich in ein klar erkennbares numerisches und topologisches Grundmuster zu fügen. In den Vereinigten Staaten lassen sich die Spielphasen fast aller wichtigen Sportarten in kompakte und einteilbare entscheidende Spielzüge unterteilen, mit einer klaren und unverkennbaren Opposition zwischen Angriff und Verteidigung. Die vorherrschende Mentalität gibt sich nicht mit einem null zu null zufrieden. Der Ball des American Football ist ein Wurfgeschoß, ein der Manipulation und zielgerichteter Auseinandersetzung unterworfenes Gerät, jedenfalls nicht dieses fast lebendige und animalische Wesen (wie es João Cabral in einem Gedicht formuliert), an das der runde Fußball erinnert, wenn er den Füßen die „Geschicklichkeit einer Hand“ abverlangt. Im Sinne dessen, was Lorenzo Mammì über Jazz und Bossa Nova sagte, drückt der American Football einen Machtwillen aus, während der brasilianische Fußball ein Glücksversprechen darstellt.

Die weltweit meistverbreitete Sportart ist zugleich das Spiel, das die Hegemonie der nordamerikanischen Kultur im Sinne eines Screenings und weltweiten Modells für die Massenmedien durchbricht: Dem ESPN (Entertainment and Sports Programming Network) ist es nicht gelungen, den Basketball als Weltsportart zu etablieren, und Nike sah sich gezwungen, seine Produktpalette um eine Sportart zu erweitern, die ihr wesensfremd ist. Der Fußball paßt genausowenig zu den Vereinigten Staaten wie die in den Vereinigten Staaten beliebtesten Sportarten zum Rest der Welt passen. Genau hier, durch diese merkwürdige Lücke, bahnt sich das Heilgift, das wir Brasilien nennen, mit erstaunlicher Beharrlichkeit seinen Weg.“
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Mein Lieblingsbuch ist "Flieh Kleiner Flieh" von Nicky Cruz.
Findet man auf keiner Buchmesse, kennt niemand, ist aber sehr, sehr gut.
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Mein Lieblingsbuch ist und bleibt "Der Idiot" von Fjodor Michailowitsch Dostojewksi.
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Meine natürlich Dostojewski
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Rot und Schwarz von Stendhal.
Bei solch einem Titel gehört es hierher.
Dazu ist der Held des Romans ein Heuchler, der aus armen Verhältnissen kommt. Und sein Vorname beginnt mit J.
Aber nicht nur deshalb lohnt es sich den Roman zu lesen.
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Rischdisch, sehr schöner Hinweis  

Stendhal hat ja auch gesagt:

"Ein großer Mann gleicht einem Adler; je höher er sich aufschwingt, desto schwieriger ist er zu erkennen, und so muß er seine Größe mit der Einsamkeit seiner Seele bezahlen."

So gehts uns allen irgendwie    
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Bin gerade neinen Bücherschrank durchgegangen. Da stehen richtig gute Sachen drin  

Zum Beispiel

Emile Zola " Germinal"

http://www.amazon.de/Germinal-Emile-Zola/dp/3704320889/ref=pd_bbs_2/303-9613849-2958640?ie=UTF8&s=books&qid=1177703327&sr=8-2

Eines der wenigen Bücher die mich beim leidigen Erweb der Hochschulreife richtig gefesselt haben. Es ist wirklich sprachgewaltig im bestenSinne des Wortes
Ich hatte mir schon lange vorgenommen den ganzen Zyklus der Les Rougon-Macquart" zu lesen ,aber ich glaube dazu muß ich Rentner werden.

Nordfrankreich im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Industrialisierung hat dramatische Umwälzungen mit sich gebracht. Überall rauchen die Schlote der Kohlehütten, in den Schächten arbeiten unter unvorstellbaren Bedingungen Männer, Frauen und Kinder. Die Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten wird zum Nährboden wachsender Unruhe. Der Held des Romans, der junge Étienne Lantier, ruft zum Widerstand gegen die unerträgliche Ausbeutung. Er gewinnt Anhänger unter seinen Leidensgenossen, es kommt zum Streik. Zola hatte monatelang mit Bergleuten zusammen gelebt und gearbeitet, bis er, wohl unter dem Eindruck des gewaltsam niedergeschlagenen Bergarbeiterstreiks in Anzin, seinen Roman niederschrieb. Eindringlich führt er die verzweifelte Lage der Bergleute vor Augen und vermeidet dabei konsequent jede Schwarzweißmalerei. Weder idealisiert er die Arbeiter, noch dämonisiert er die Besitzenden. Vielmehr schildert der Roman mit unbestechlicher Genauigkeit den moralischen Verfall auf beiden Seiten und deutet ihn als Folge der gesellschaftlichen Misere

Sehr schön ist auch dieser " Klassiker"

von Herbert Rosendorfer

Briefe in die chinesische Vergangenheit

http://www.amazon.de/Briefe-die-chinesische-Vergangenheit-Roman/dp/3423105410/ref=sr_1_3/303-9613849-2958640?ie=UTF8&s=books&qid=1177703225&sr=1-3

Kurzbeschreibung
Ein Mandarin aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit Hilfe eines »Zeit-Reise-Kompasses« in die heutige Zeit. Er überspringt nicht nur tausend Jahre, sondern landet auch in einem völlig anderen Kulturkreis: in einer modernen Großstadt, deren Name in seinen Ohren wie Min-chen klingt und die in Ba Yan liegt.
Verwirrt und wißbegierig stürzt sich Kao-tai in ein Abenteuer, von dem er nicht weiß, wie es ausgehen wird. In Briefen an seinen Freund im Reich der Mitte schildert er seine Erlebnisse und Eindrücke, erzählt vom seltsamen Leben der »Großnasen«, von ihren kulturellen und technischen Errungenschaften und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich sind



Das Buch ist weitaus witziger als es die Kurzbeschreibung vermuten läßt.
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HeinzGründel schrieb:
Bin gerade neinen Bücherschrank durchgegangen. Da stehen richtig gute Sachen drin


Na klar, die Forumsserver waren wieder mal abgeraucht. Gar nicht auszudenken, was für belesene, ausgeglichene, gesellige und soziale, ja lebenstüchtige Menschen wir alle wären, wenn es dieses ************* Forum nicht gäbe. Okay, jede Implosion der maroden Maschinen bringt uns einen Schritt voran in Richtung Weisheit, aber für entscheidende Geländegewinne sind diese elenden Dinger immer noch viel zu stabil  :neutral-face  

Abber werglisch griddisch werds erst, wennde Dei Fraa fräschst: Ei Fraa, was sind des für eggische Dinger vor de Wand?

,-)
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adlerkadabra schrieb:

Alkohol und Schriftsteller
Zur blauen Hölle



So, und jetzt ich. Ich empfehle nämlich Frank Schulz. Zuerst einmal: "Kolks blonde Bräute", welches heute wahrscheinlich schwer zu bekommen ist, aber es gibt ja Leihbüchereien.

Exkurs, an alle: Wenn es etwas Verteidigenswertes in dieser Zeit gibt, dann sind das die Leihbüchereien, deren Etats von der Öffentlichkeit gefälligst verteidigt, ja: als lächerlich niedrig gebrandmarkt werden sollten. Unterstützt die Leihbücherei, denn hier werdet Ihr fündig!  Geht mit diversen Büchern nach Hause, macht es Euch bequem und lest hier, lest da ... Und dann wieder zurück damit, neue Ladung – aber was einem richtig gefallen hat, das wird angeschafft für den Bücherschrank. Deshalb: Die Leihbücherei, sie lebe hoch!
Exkursende.

Frank Schulz: Offensichtlich ein Mann, der sich mit Alkoholproblemen bestens auskennt. In seinem Erstling kämpft ein nicht mehr so trinkfester Postbote gegen die Welt – so sieht es jedenfalls für den verwunderten Erzähler Bodo Morten aus. Dass die Welt zugleich einfach und dennoch komplizierter ist, lernen Leser und Bodo Morten dann gleichzeitig. Mehr darf ich nicht verraten.

In der Fortsetzung geht es Bodo an den Kragen. Er gerät in eine abstruse amour fou, die ihn aus dem Ruder wirft und ihn zu einer Belastung für seine Umwelt macht.
Der Stil von Frank Schulz ist leicht wahnsinnig. Er führt oft in eine Rückblende, die wiederum in eine Rückblende mündet; ich glaube mich zu erinnern, dass es dann einmal sogar eine weitere Rückblende gibt ... Im Lesen jedenfalls sind wir dann nach etlichen Seiten wieder in der Haupthandlung, die seither höchstens fünf Minuten fortgeschritten sein kann. Und so langsam stellt sich das merkwürdige Gefühl ein, hier erzählte jemand am Kneipentisch –  aber besser, als man es jemals erlebte.

Gebrauchshinweise:
- Beide Bücher sind durchaus komisch und komisch gemeint, allerdings sollte man das vorher wissen (hiermit  geschehen).
- Es können sich trotzdem trübsinnige Gedanken beim Lesen einstellen
- Aber das macht nichts

Wenn ich den dritten Band gelesen habe, fahre ich fort.
Miso
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Tja, da habe ich doch noch ein Buch gefunden.


Grazie Mille von Carla Rönneburg

Wie die Italiener unser Leben verschönert haben

http://www.amazon.de/Grazie-mille-Italiener-unser-versch%C3%B6nert/dp/3451054949/ref=sr_1_1/303-9613849-2958640?ie=UTF8&s=books&qid=1177800117&sr=8-1


Ein kleines aber feines Büchlein das uns in die Zeit zurückführt als Italiener noch " liebevoll" als Spaghettifresser oder ****** bezeichnet wurden.

Die Autorin führt uns auf charmante  und augenzwinkernde Weise vor Augen das  die Kultur die wir heute für normal und Urdeutsch halten doch eigentlich aus dem Süden kommt. (Für die jüngeren unter uns , den richtig guten Cafe und die Pizza haben nicht  die Firma  Pizza Hut oder Scarebucks erfunden)



Ein schönes Buch für Sommer, Strand und Meer oder vielleicht auch für Regentage im November.


Habe ich eigentlich schon erwähnt das die Autorin dieses Buches als auch der Autor des zweiten Buches in diesem Fred  ganz tolle Eintracht-Fans sind ,die ab und zu auch in diesem Forum ihr Unwesen treiben. Nein? Gut dann will ich es hiermit tun.
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Dann möchte ich hier auch mal wieder etwas beisteuern. "Ein Küchenchef reist um die Welt. Auf der Jagd nach dem vollkommenen Genuß" von Anthony Bourdain.
Ein Buch besonders, aber keinesfalls nur für Leckermäuler.
Der Autor ist Küchenchef in dem New Yorker 3 Sterne Restaurant Les Halles. Er begibt sich auf eine Reise um die Welt, immer die einheimischen Gerichte probierend. Das ganze ist kombiniert mit einer Reisegeschichte, Erzählungen über die Einheimischen und gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor. Zwar hat der Autor eine gewisse Abneigung gegen Vegetarier, allerdings werden nur Hardcorefans unverzüglich nach der Lektüre Fleisch essen können.
Gleichwohl ein Genuß der besonderen Art.
Gruß
concordia-eagle
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concordia-eagle schrieb:
Dann möchte ich hier auch mal wieder etwas beisteuern. "Ein Küchenchef reist um die Welt. Auf der Jagd nach dem vollkommenen Genuß" von Anthony Bourdain.
Ein Buch besonders, aber keinesfalls nur für Leckermäuler (...)


Sehr wohl!!! Aber ich bestehe darauf, dass zuerst "Bekenntnisse eines Küchenchefs" von Bourdain gelesen wird. Wer den Werdegang des Kochs erlebt, hat mehr vom zweiten Band. Im ersten geht es unter anderem um seine Ausbildung am CIA (in diesem Fall das Culinary Institute of America) und seine Ausbilder: "Mein Fleischlehrer machte gern Handpuppen aus Kalbsbrust, und seine Lamm-Demo-Marionettenshow war legendär"; außerdem um Rituale in der Küche, wozu zum Beispiel gehört, die "Doors" zu hören und, weil deren Song "The End" als Musik für "Apokalypse Now" diente, den Herd mit Cognac zu begießen und, analog zur Filmsequenz, zum richtigen Zeitpunkt zu entzünden.
Wunderbares Buch!
Miso
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Miso schrieb:
concordia-eagle schrieb:
Dann möchte ich hier auch mal wieder etwas beisteuern. "Ein Küchenchef reist um die Welt. Auf der Jagd nach dem vollkommenen Genuß" von Anthony Bourdain.
Ein Buch besonders, aber keinesfalls nur für Leckermäuler (...)


Sehr wohl!!! Aber ich bestehe darauf, dass zuerst "Bekenntnisse eines Küchenchefs" von Bourdain gelesen wird. Wer den Werdegang des Kochs erlebt, hat mehr vom zweiten Band. Im ersten geht es unter anderem um seine Ausbildung am CIA (in diesem Fall das Culinary Institute of America) und seine Ausbilder: "Mein Fleischlehrer machte gern Handpuppen aus Kalbsbrust, und seine Lamm-Demo-Marionettenshow war legendär"; außerdem um Rituale in der Küche, wozu zum Beispiel gehört, die "Doors" zu hören und, weil deren Song "The End" als Musik für "Apokalypse Now" diente, den Herd mit Cognac zu begießen und, analog zur Filmsequenz, zum richtigen Zeitpunkt zu entzünden.
Wunderbares Buch!
Miso



Danke Miso,
wir haben dieses Buch schon geordert, aber noch nicht gelesen, Deine "Kostproben" lassen uns aber viel erwarten, Danke dafür.
Gruß
concordia-eagle
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Eine weitere Empfehlung von mir sind die autobiografischen Werke von Augusten Burroughs.

Augusten hatte eine ans Groteske grenzende, vielleicht fast schon alptraumhaft zu nennende, Kindheit. Auch wenn ich den englischen Titel "Running with Scissors" wesentlich besser finde, trifft der deutsch Titel "krass" den Nagel auf den Kopf. So hat z. B. ein Literaturkritiker - nicht wissend, dass es sich hierbei um eine Biografie handelt - "karss" als zu übertrieben abgestempelt; obwohl alles der Wahrheit entspricht.

Borroughs erzählt seine eigene Geschichte in einem überaus intelligenten, humorvollen und mit viel sprachlichem Witz versehenen Stil, der das Lesen zu einem absoluten Vergnügen macht.

Hier noch ein paar Auszüge von Amazon:

Welchen Verlauf nimmt wohl eine Kindheit zwischen einer überkandidelten Mutter, die ihre haus-gestrickten Gedichte unbedingt im "New Yorker" veröffentlicht sehen möchte, und einem alkoholkranken Matheprofessor mit Schuppenflechte, der als Vaterfigur einer emotionalen Tiefkühltruhe gleicht? Richtig. Einen mehr als krassen. Doch für Augusten Burroughs, der ein rabenschwarzes und gallig-komisches Bild seiner Jugend nachzeichnet, sollte alles noch viel krasser kommen. Der schwule Augusten, selbst Opfer dieses Neurosenhaushalts, lebt abgeschottet in Film- und Fernsehbildern, sammelt Glitzerkram und legt einen für einen 12-Jährigen verstörenden Wert auf Akkuratesse in Kleidung und Haartracht. Als der Kampf der Eltern mehr und mehr eskaliert, schiebt Augustens Mutter ihren spröden Spross kurzerhand ab in die "Obhut" ihres Therapeuten Dr. Finch. Gerettet? Mitnichten! Im bizarren Reich des merkwürdigen Seelendoktors und seiner Chaotenfamilie pflegt man Begriffe wie Freiheit und Selbstverwirklichung. Vornehmlich praktiziert wird dies von Poo, dem Küken der Familie, der vor aller Augen seelenruhig auf dem Teppich sein Geschäft verrichtet, oder den halbwüchsigen Töchtern, die Papas Elektroschockgerät gerne sachfremd handhaben. Der penible Augusten erspäht in seinem neuen Heim neben galoppierendem Wahnsinn und Anarchie auch noch galoppie-rende Heerscharen von Kakerlaken, die eigentlichen Herren des Hauses. Doch – o Wunder! Inmitten dieser verstörenden Mixtur aus Addams Family, Psycho (tatsächlich haust in einem Dachzimmer eine Patientin des Doc), antiautoritärem Blabla plus Hippiekult, beginnt Augusten sich vom verklemmten Nasskämmer zu einem fühlenden und selbstbewussten Wesen zu entwickeln. Auch in sexueller Hinsicht tritt er, um mit Dr. Finch zu sprechen, in die "phallische Phase" ein. Neil, der 33-jährige schwule Adoptivsohn der Familie kehrt heim – und ihm gefällt, was er sieht. (Die explizit geschilderten homosexuellen Praktiken, wie auch der Verdacht der Pädophilie, irritierten zahlreiche amerikanische Leser, denen die skurrilen Jugenderinnerungen hier entschieden zu weit gingen). In schnoddrig leichtem Ton produziert Burroughs Freizügiges, Ekelerregendes, Kontroverses, Beklemmendes und Bekanntes. "Wenn du glaubst, deine eigene Familie sei kaputt", schrieb ein amerikanischer Leser, "lies einfach Burroughs Erinnerungen". Genau, denn hier werden neue, ungeahnte Rekordhöhen erklommen.

In 'Krass' erzählt Augusten Burroughs die wahre Geschichte einer Kindheit, seiner eigenen. Als Augustens Mutter den gefühlskalten Vater verlässt, um eine große Dichterin zu werden, nimmt sie ihren Sohn zwar mit, aber der Kunst und ihrer gefährdeten Seelenruhe zuliebe schiebt sie ihn bald in die Obhut ihres Therapeuten ab. Dr. Finch ist nicht nur ein sehr unkonventioneller Psychologe, auch die neue Familie in der heruntergekommenen Villa hat es in sich. Jede Woche veranstaltet der Doktor Demonstrationen auf den Straßen der Stadt, gefolgt von seinen zahlreichen Kindern und Mündeln.

Wie verkorkst kann eine Kindheit sein? Augusten Burroughs kann davon ein Lied singen. In seinem autobiographischen Roman "Krass" beschreibt er seine Kindheit in Massachusetts. Seine Mutter hat immer wieder Schübe von Geistesgstörtheit, der Vater trinkt und um Augusten kümmert sich nicht wirklich jemand. Als er 12 Jahre alt ist, wird er zur Familie des Psychaters seiner Mutter abgeschoben. Doch wer denkt, von nun an ginge es ihm besser, weit gefehlt. Die Familie Finch ist total durchgeknallt, da wird schon öfters mal der Kot des Vaters als Entscheidungsfindung genutzt, es gibt Hundekuchen zu essen und irgendwelche Pillen finden sich auch immer. Dr. Finch wird Augustens Pflegevater und der "adoptierte" über 30-jährige Neil Bookman verliebt sich in den Minderjährigen und verführt ihn. Die Töchter des Arztes drehen auch regelmässig durch und man kann wirklich kaum glauben, das dies alles wahr sein soll. Da ist die Familie Fischer aus Six Feet Under im Vergleich ja noch recht normal. Die Geschichte ist eigentlich eher tragisch, aber oft so lustig geschrieben, das es sehr viel Spass macht sie zu lesen.


Sein ebenfalls biografischer Nachfolgeroman "Trocken" bezieht sich auf sein Leben als alkoholkranker Werbetexter, der sich schließlich dazu genötigt sieht, oder besser genötigt wird, sich in eine Suchtklinik einzuweisen um mit seinem Alkohlproblem fertig zu werden. Ebenfalls ein absoluter Lesespaß - auch wenn die Handlung teilweise eher tragisch ist. Borroughs versteht es wirklich wie kein zweiter auch die widrigsten Umstände noch mit Humor zu betrachten und ebenso darzustellen, ohne dass dabei die oftmals tragische Dimension des Lebens in lächerliche gezogen wird.
Einfach mal lesen ...    
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HeinzGründel schrieb:


Sehr schön ist auch dieser " Klassiker"

von Herbert Rosendorfer

Briefe in die chinesische Vergangenheit

http://www.amazon.de/Briefe-die-chinesische-Vergangenheit-Roman/dp/3423105410/ref=sr_1_3/303-9613849-2958640?ie=UTF8&s=books&qid=1177703225&sr=1-3

Kurzbeschreibung
Ein Mandarin aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit Hilfe eines »Zeit-Reise-Kompasses« in die heutige Zeit. Er überspringt nicht nur tausend Jahre, sondern landet auch in einem völlig anderen Kulturkreis: in einer modernen Großstadt, deren Name in seinen Ohren wie Min-chen klingt und die in Ba Yan liegt.
Verwirrt und wißbegierig stürzt sich Kao-tai in ein Abenteuer, von dem er nicht weiß, wie es ausgehen wird. In Briefen an seinen Freund im Reich der Mitte schildert er seine Erlebnisse und Eindrücke, erzählt vom seltsamen Leben der »Großnasen«, von ihren kulturellen und technischen Errungenschaften und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich sind

Das Buch ist weitaus witziger als es die Kurzbeschreibung vermuten läßt.


vom Herrn Rosendorfer gibt es ein anderes buch, dass ich auch sehr schätze und tatsächlich noch einen Tick besser finde: "Die Nacht der Amazonen".

die geschichte des aufstiegs eines karrieristen im münchen des nationalsozialismus. ohne erhobenen zeigefinger, sehr lustig und sprachlich enorm unterhaltsam, schildert rosendorfer die kleingeistigkeit von teilen des "bürgertums" in den zeiten des gröfaz. darf man über sowas lachen? nun, die frage stellt sich gar nicht: man muß.

peter
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Nachdem ich in den letzten Monaten hier schon viele nette Schmökertipps bekommen habe, hier auch meine Favoriten:
Mein ewiges Lieblingsbuch ist und bleibt
Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse
Hesse erzählt die Geschichte eines begnadeten Ordenschülers, der das "Glasperlenspiel" zur Perfektion bringt, sich aber am Ende doch der Wirklichkeit zuwendet und scheitert. Stark autobiographisch. Mit wunderbarer Ruhe und fast zärtlich erzählt.

Jahrmarkt der Eitelkeit von William M Thackeray
Große englische Literatur, die in den Mittelpunkt zwei Schulfreundinnen stellt, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Keine menschliche Schwäche wird hier ausgelassen. Auch für harte Männer eine Empfehlung!!!

Ich bin dann mal weg von Hape Kerkeling
Wenn man dieses Modebuch nach der letzten Seite aus der Hand legt, will man nur noch ganz schnell einen Rucksack, Wanderschuhe und ein paar Schokoriegel kaufen und dann sofort losrennen.

Leider kommt in keinem Buch irgendetwas von Fussball vor.....
vielleicht schaut trotzdem der eine oder andere Mann mal rein!!!
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Ah, sehr gute Idee: Bücher über das Gehen. Ich knüpfe zunächst an den letzten Vorschlag meiner Vorrednerin an, mit:


Dietmar Kamper/Christoph Wulf, Im Schatten der Milchstraße

Von Verlagsseite heißt es zu dem Buch zweier Freunde, die gemeinsam auf dem Jakobsweg gehen, lapidar: „Eine Reise auf dem alten Pilgerweg, mit philosophischen Betrachtungen, Dokumenten, Reisebeschreibungen“. Und da die ganz hartgesottenen unter den alten Pilgern zusätzlich noch mit einem Schweigegelübde unterwegs waren, sag ich hier auch weiter nix.  

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Den Jakobsweg verlassen, aber immer weiter unterwegs:


Werner Herzog, Vom Gehen im Eis. München-Paris 23.11. bis 14.12.1974

Ein ganz & gar wundersames Büchlein. Im November 1974 erfährt der Regisseur Werner Herzog, dass die von ihm hochverehrte Lotte Eisner, die Große Alte Dame des deutschen Films http://de.wikipedia.org/wiki/Lotte_H._Eisner  in Paris im Sterben liege. Herzog greift sich Jacke, Kompass und einen Matchsack und macht sich ohne zu Zögern auf den Weg nach Paris, in der Gewissheit, die Eisner werde am Leben bleiben, wenn er den Weg zu Fuß schafft. Er läuft quasi ohne Wahl, strikt auf einer gedachten Geraden München-Paris, immer geradeaus. Unterwegs notiert er sich Eindrücke, die in ihrer Summe das Buch machen. Natürlich darf das Ende nicht verraten werden  

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Läppische dreihundert Jahre zurück, aber immer schon (immer noch? schon wieder?) auf dem Weg:

Matsuo Bashô, Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland

1689: Matsuo Bashô – man kann sagen: der japanische Nationaldichter schlechthin - , läuft los. Da japanische Dichter bekanntlich noch weitaus härter im Nehmen sind als deutsche Regisseure, wird er in den folgenden 150 Tagen 2400 km zurücklegen. Er geht unscheinbar im Verborgenen und strebt danach, sein Gehen mit seiner Dichtung zu verschmelzen. Prosapassagen wechseln mit eingeschobenen Haikus. Seine Sprache ist einfach, dennoch ist das kleine Buch aufgrund der kulturellen und auch zeitlichen Distanz nicht ganz einfach zu lesen. Allerdings springt die vorbildliche Ausgabe der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung (in, nun ja, M1) hier mit hilfreichen Erläuterungen in die Bresche; Reproduktionen von Kalligraphien der Haikus machen das schöne zu einem regelrecht bibliophilen Bändchen. Für Leser, die gern etwas über das alltägliche Japan jener Zeit erfahren und sich freuen, wenn sie zudem noch auf das wohl berühmteste aller Haikus stoßen, das Bashô auf dieser langen Wanderung verfasste:

Stille ... !
Tief bohrt sich in den Fels
das Sirren der Zikaden ...

oder auch auf dieses, das gewisse Plagen des Unterwegsseins nicht ausspart:

Nichts als Flöhe und Läuse!
Und nah an meinem Kopfkissen
pisst auch noch ein Pferd.

Ein Klassiker halt


Die schlechte Nachricht gibts zum Schluss: wollte die Daten der Bücher angeben, doch alle drei sind z. Zt. wohl nur über den Antiquar des Vertrauens zu beziehen. So kann hier nur dem hoffentlich baldigen Erscheinen eines  Buches, in welchem ein Anonymus namens „Running Bembel“ die Verschmelzung von seinem Lauf mit seinen Einsichten vorstellt, in freudiger Erwartung entgegengeblickt werden. Oder sollte dieses bereits im Erscheinen begriffen sein, verteilt zwischen „Unsere Eintracht“ und „Dies und das“? Rätsel über Rätsel. Augen offen halten, so    oder so  
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Zwischendurch ein Hinweis für Leser mit normal bemessenen Jackentaschen, die auf einem Parkplatz vor dem Stadion mit einem 768 Seiten starken Roman beschenkt werden: Die Eintracht hat an alles gedacht. Weder gilt das Buch den Ordnern als potenzielles Wurfgeschoss, noch ist der Leser gezwungen, sich an seinem Platz auf das Buch zu setzen und Unmut beim Hintermann hervorzurufen. Er muss es während des Spiels auch nicht in der Hand halten und riskieren, es beim Torjubel versehentlich fortzuschleudern. Nein, im neuen Waldstadion hat man die Sitzschalen extra mit doppelter Verstrebung an die Betontribüne montiert – und zwischen diese Verstrebungen passen genau 5,7 Zentimeter Lesestoff, der an dieser Stelle vor umstürzenden Bierbechern geschützt ist.
So soll es sein!  
Miso


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