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Freiburger Adler

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Der Fan als Dunkelziffer
Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer : Quoteneinbruch im TV-Fußball wird für die Liga riskant

München - Vom rapiden Kursverfall der ehedem
führenden deutschen Fußballsendung ran hatte Oliver Germeroth bis gestern nichts mitbekommen. Aber den Quotenstand von 2,22 Millionen Zuschauern der verschobenen Show hat der leitende PR-Mann des
badischen Ökostrom-Anbieters NaturEnergie auf Anhieb richtig deuten können: "Um Gottes Willen", entfuhr es ihm da, und dabei galt die Bestürzung nicht Jörg Wontorra und dessen Spießgesellen, sondern seinem eigenen Unternehmen. Das sponsert nämlich seit Saisonbeginn den SC Freiburg mit jährlich sechs Millionen Mark, "und da
würden wir es natürlich sehr begrüßen, wenn die Sendung auf ihren angestammten Sendeplatz zurückkehrt, an dem auch die Zuschauer wieder teilhaben möchten", sagt Germeroth.

Auf der Suche nach den verlorenen Zuschauern hat ran- Moderator Wontorra am Ende gar "eine gewisse
Dunkelziffer" ausgemacht. Demnach verbergen sich hinter Zweitfernsehern in Schlafzimmern und Rumpelkammern viele anonyme Fußballgucker, die den Zeugen des Saisonfehlstarts nicht zugerechnet wurden. Ansonsten erklärt er das Wetter und die Grillsaison für schuldig.

Dunkelziffer oder Biergarten - sollte die desaströse Quote ein Trend werden, berührt das einen Einnahmeposten, der ein Fünftel des Etats der Bundesligisten ausmacht. Durch Sponsoring und Bandenwerbung erwirtschaften die Klubs fast 200 Millionen Mark im Jahr - so viel wie in keiner
anderen europäischen Spitzenliga. Attraktiv sind der Kauf einer Trikotbrust oder einer Stadionbande für Werbekunden aber nur dann, wenn Millionen vor den Fernsehern sitzen. Sinken die Einschaltquoten, sinkt auch der Werbewert von Hemden und Banden. Die Strategie der Kirch-Gruppe, auf Kosten der ran-Show ihr Abofernsehen premiere zu stärken, kollidiert mit den Interessen der Liga-Geldgeber. "Wenn 60000 Fans im neuen Schalker Stadion sind, ist das super. Aber die größere Reichweite haben die Fernsehsender. Ein großer Teil unseres Sponsoringpaketes ist die Banden- und die
Trikotwerbung, und da wollen wir von so vielen Leuten wie möglich gesehen werden - daraus ergibt sich schon, dass Pay-TV allein nicht reicht", sagt Willy Lünstroth,Pressereferent der Victoria Versicherungsgesellschaften, die neuerdings für zwölf Millionen Mark pro Jahr den FC Schalke 04 sponsern.

Dass seiner Meinung nach "die Programmplanung vieler Fernsehsender derzeit ziemlich am Fan vorbeigeht", findet unter anderem Bestätigung im Appell des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff) mit seinen 4000 Mitgliedern. Baff ruft die Anhänger auf, als Zeichen "gegen die
Eventisierung und Kommerzialisierung des Fußballs" den Kauf von Dekodern zu boykottieren und fordert "eine Alternative zur ran-Verfälschung".

So viel Anti-Fernseh-Stimmung könnte Folgen haben.
"Sollten die Quoten so niedrig bleiben, würden wir uns einem hohen Argumentationsdruck ausgesetzt sehen", erklärt Katja Kraus, Sprecherin des Vermarkters Ufa. Das ist dezent formuliert. "Wenn nur noch die Hälfte zuschaut, gehen 50 Prozent der Leistungen den Bach runter", wird Jochen Röttgermann, Manager der Agentur Sortscom,
deutlicher. Sportscom betreut mit eon bei Borussia
Dortmund, debitel beim VfB Stuttgart und Veltins bei Schalke drei große Kunden. "Wir würden ihnen bei gleichbleibender Entwicklung raten, die Verträge anzupassen", sagt Röttgermann. Anpassung nach unten.

"Das würde ich an deren Stelle auch sagen", meint Peter Peters, Geschäftsführer des FC Schalke 04. Er hält die Diskussion zwar für verfrüht, dennoch gibt Peters zu, dass es sich auf die Einnahmen der Klubs auswirken dürfte, wenn es weiter so eine "träge Entwicklung" im Free-TV geben sollte. "Man muss allerdings abwarten, was die kumulierten Quoten ergeben", meint Marco Klewenhagen, Chefredakteur der Fachzeitschrift Sponsors. So könnten Verluste bei ran durch bessere Zahlen beim ZDF- Sportstudio oder den Sendungen des DSF ausgeglichen werden. Schließlich "zählen die
Kontakte", sagt Klewenhagen, der dafür um so
interessierter den Streit um die Kurzberichte in der Tagesschau verfolgt hat: "Eigentlich müssten die Sponsoren doch fragen: Da sind fünf Millionen Kontakte - und die wollt ihr uns nicht geben?" Dass die Vereine zunächst bei der Gängelung der ARD-Teams assistierten, zeigt auch für Röttgermann "ganz klar eine Interessenkollision". Er findet, dass die Klubs aufgrund der Abhängigkeit von TV-Einnahmen "schon an der kurzen Leine geführt werden".

Generell diktieren in den Sponsoren-Verträgen Erfolge, Titel oder internationale Beteiligung die Höhe der Zuwendungen. Auch Daten über Fernsehpräsenz und Zuschauerzahlen können eine Rolle spielen, und sollten diese Werte deutlich zurückgehen, gibt es Abschläge.

Trikotwerbung habe sich als effektives Mittel
durchgesetzt, sagt Klewenhagen: "Man kann sich vielleicht an keinen Werbespot in ran mehr erinnern, aber mit Sicherheit an viele Trikotsponsoren." Dass die ARD-              Stationen am Samstag zehn Millionen Radiohörer zählten, findet Willy Lünstroth vom Schalke-Sponsor Victoria zwar beachtlich: "Aber leider sehen die unser Trikot nicht."
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                  Leitartikel

                  Der verwurstete Fußball

                  VON HERBERT RIEHL-HEYSE



Eine bösartige Spekulation aus gegebenem Anlass: Angenommen, der FC Bayern spielt in den nächsten Wochen so schlecht wie am Samstag,      angenommen, der Spieler Effenberg versucht weiterhin, sein Trikot vor jedem Schweißtropfen zu schützen. Im Herbst steht also der FC Ruhmreich
auf dem 14. Tabellenplatz, dahinter der Lokalrivale - und eines schönen Oktobertages stimmen die Münchner Bürger ab, ob sie für Hunderte von Millionen die Verkehrsanbindung an ein neues Fußballstadion bezahlen wollen. Könnte sich nicht manchen die Frage aufdrängen, ob unter den neuen Umständen das Unterhachinger Stadion auch reichen würde?

Schon klar, das war jetzt ganz ungerecht: Es ist ja denkbar, dass die Münchner Bundesliga-Vereine demnächst wieder ein oder zwei Tore schießen. Ohnehin richtete sich der geballte Wochenend-Zorn der deutschen Fußball- Endverbraucher nicht so sehr gegen faule und überbezahlte Kicker, er richtete sich gegen die Tatsache, dass man diese
Kicker neuerdings erst am Samstag Abend, wo es wirklich Besseres zu tun gäbe, ganz toll finden soll. (Und allerdings auch gegen den Verdacht, dass es zwischen der Faulheit und der Art der Vermarktung einen Zusammenhang geben könnte.)

Das Samstags-Quoten-Desaster der Sendung ran lässt sich in seiner Abfolge von Ursache und (Wechsel-)Wirkungen leicht analysieren. Auf der
einen Seite ist da eine Branche, in der zuletzt die Spielkultur nicht halb so gewachsen ist wie die Geldgier. Und auf der anderen Seite gibt es einen Unternehmer, der sich diese Geldgier so lange so ungeniert zu Nutze gemacht hat, bis die Branche von ihm abhängig geworden ist. In dieser
Phase befinden wir uns gerade: Wer - wie kürzlich Borussia Dortmund - 50 Millionen für die Ablöse eines einzigen Angestellten überweisen muss,
wer Jahresgehälter zwischen von zehn Millionen und mehr bezahlt, der braucht nun mal die 750 Millionen, die ihm die Kirch-Gruppe pro Saison
bezahlt. Und muss dann Beifall klatschen, wenn die sein Produkt so lieblos verscherbelt, als wäre es Hartwurst.

Weil man in Konzernzentralen wenig Ahnung hat von der Seele und den Träumen wahrer Liebhaber, ist der Fernsehkaufmann K. zur Zeit vielleicht
dabei, das Produkt Fußball als Fernsehware zu ruinieren: Wie sich gezeigt hat, lassen sich deren Nachfrager zwar viel gefallen, aber noch lange nicht alles. Im Prinzip geht uns dieser Aspekt freilich gar nicht so viel an - für die
Bestrafung von falschen Geschäftsentscheidungen haben wir ja den Markt.
Was uns wirklich etwas angeht, ist die Frage, ob die Fußballbranche noch den Kredit verdient, den sie in der Gesellschaft so lange hatte.

Der Kredit würde nämlich faul, wenn sich herausstellte, dass er nicht länger durch ein gewaltiges Grundkapital abgesichert ist. Genau darum geht es im Augenblick: Ist die Fußball-Begeisterung noch die Klammer, die
quer durch alle Schichten und Generationen ein halbes Volk zusammenhält? Könnte diese Begeisterung nicht abrupt nachlassen, wenn
das Publikum irgendwann merkte, dass es sich beim Profi-Fußball immer mehr um eine Veranstaltung von Super- Reichen für die              Besserverdienenden handelt? Sollte sich herumsprechen, dass die Bundesliga nur noch solchen Leuten zu einer vernünftigen Zeit im
Fernsehen angeboten wird, die sich Pay-TV leisten können, dann könnte das sehr schnell zu ein paar Folgen führen, die wir soeben beim Neuen         Markt erlebt haben: Das Grundkapital und alles Vertrauen würden zerbröseln, weil sich ein paar tausend Leute auf Kosten anderer dick           vergoldete Nasen haben verdienen wollen. Danach aber könnte mehr zusammenbrechen als ein paar geldgeile, ruhmgeile Fußballclubs und ein
hasardierender Fernsehkaufmann: Es könnte sein, dass die Öffentlichkeit ihr Interesse am Fußball verliert.

So lange es noch nicht so weit ist, müssen unbedingt ein paar Fragen geklärt werden. Die wichtigste ist, ob der Fußball (mindestens auch) eine öffentliche Angelegenheit ist. Wenn das nicht der Fall ist, wenn man ihn als            Privatbesitz verwerten, vermarkten und verwursten kann wie jedes andere Eigentum auch, dann sollen sich die Verwurster auch ganz alleine kümmern um den Betrieb: Am besten fangen sie mit der Sicherheit von Fußballern und Kunden an, die sehr gut auch von privaten Wachdiensten statt von teuren Polizisten gewährleistet werden kann.

Sollte das aber nicht so sein, sollte Fußball doch die öffentliche Sache sein, die er bis jetzt war, dann hat das Konsequenzen: Dann dürfen,     beispielsweise, die Fußballclubs die nicht kommerziellen Anstalten nicht länger in demütigender Weise um 90 Sekunden Berichterstattung in ihren                  Nachrichtensendungen betteln lassen; dann müssen sie sich mit weniger riesigen Summen von der Firma Kirch aushalten lassen und dafür an die      Bedürfnisse jener Millionen Fans denken, die sie noch einmal dringend brauchen werden.

Um nochmal auf das Münchner Beispiel zurückzukommen und auf die 400 Millionen Steuergelder, die auch solchen Bürgern aus Tasche gezogen werden sollen, denen ein verschossener Elfmeter vollkommen schnurz ist: Wer als Politiker solche Ausgaben verantworten will, braucht gute
Argumente. Sieht so aus, als würden die gerade ausgehen.

                                                 

Anmerkung : Der Inhalt des Kommentars deckt sich nicht in allen Punkten mit meiner Meinung. Die Passage von dem Pay-TV, das sich nur Besserverdienende leisten können, ist für meinen Geschmack etwas arg plakativ-platt und entspricht nicht der Realität (zumindest noch nicht). Ich bin auch nicht so naiv, zu glauben, daß ohne Fernsehgelder noch besonders viel ginge im Profifußball.
Bedenklich finde ich nur, daß und in welcher Art ein Privatmann das öffentliche Phänomen "Fußball" dominiert und diktiert- unter tätiger Mithilfe der mittlerweile über ein gesundes und notwendiges Maß von ihm abhängigen Profivereine (s.das in vorauseilendem Gehorsam verhängte Stadionverbot für ARD-Kameraleute in Berlin, Leverkusen und Dortmund (?)).

Grüße
Adler aus Freiburg
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Hi, Robbie

sehr guter, treffend-analytischer Kommentar !
In der Tat befindet sich die Liga in der Zwickmühle der "international üblichen" Gehälter und den eigentlichen Bedürfnissen der Fans. Fußball ist neben Sport auch Spektakel, und auch ich  würde bedauern, wenn der deutsche Fußball an Stellenwert gegenüber Spanien, Italien und England an Stellenwert verlieren würde. Aber täte er das wirklich ? Ohne Kirch ?
Natürlich ist es ein Problem auch für die Liga, wenn sie nicht die "ganz dicken Fische" im Land halten oder an Land ziehen kann. Aber geht es wirklich nicht ohne die Unsummen, die für Spielergehälter im internationel Vergleich ausgegeben werden, in der Meinung, daß sie ausgegeben werden müssen ?  Ist der Preis, sich an auf Gedeih und Verderb an Medienmogule auszuliefern, wirklich nicht zu hoch ? Und ist es am Ende nicht genauso schön, ach was, noch viel schöner Fan des FC St.Pauli als des FC Bayern zu sein ?
Von der Zahl der Superstars in der nationalen Liga hängt m.E. die Qualität des Nachwuchses, der Nationalmannschaft und der Begeisterung für das Phänomen Fußball nicht ab.  Schau Dir doch die Nationalmannschaften von Spanien und England an ? Wann haben sie denn den letzten großen Erfolg errungen- trotz aller (internationalen) Stars in ihren Ligen ? Im Gegensatz dazu : Die Deutschen wurden 1990 Weltmeister mit einer Mannschaft, von der ein Anteil im Ausland spielte, wie er seitdem nicht mehr erreicht wurde. Die Brasilianer gelten zu Hause wie auf der ganzen Welt immer noch als Mythos (O.K., aktuell ein schlechtes Beispiel), obwohl die allermeisten Spieler in Europa beschäftigt bschäftigt sind. Oder die aktuelle Übermannschaft, die Franzosen : Wieviele Nationalspieler kicken in Frankreich ?
Ich denke einfach, daß sich die Spirale der Kommerzialisierung unter Auslieferung an Leute wie Kirch nicht endlos ausdehnen läßt und auf Dauer ein Ende haben wird (muß).Und da sollten die deutschen Vereine nicht wie die Lemminge ins Verderben rennen und versuchen, spanische Verhältnisse zu etablieren. (Selbst Uli Hoeneß hat das erkannt und unter Verweis auf das "finanziell Machbare".) Die Mentalitäten sind unterschiedlich- oder so unterschiedlich auch wieder nicht : In England gibt es einen "award" für Spieler, die dem Verein über einen bestimmten Zeitraum die Treue halten, in Spanien muß ein Vereinspräsident zurücktreten, weil er einen Spieler ziehen läßt, von dessen Verbleib er sein Schicksal abhängig gemacht hat (Mendieta in Valencia) und wir alle feiern Leute wie Alex Schur, die "den Adler im Herzen tragen"- trotz allem und was immer das heißen mag.


Grüße
Adler aus Freiburg
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                  Luft raus

Nach dem Spiel ist vor dem Schlaf: Die Fußball-Bundesliga in "ran", jetzt erst um
20 Uhr 15



Man kann schon auf seltsame Art sein Geld verdienen. Zum Beispiel als Kameramann im Fußballstadion. Wenn man nicht, wie die Kollegen, den Auftrag hat, dem Spiel und dem Ball zu folgen. Sondern die Kamera starr und stur in Richtung Trainerbank halten muss, neunzig tödliche Minuten
lang. Denn das wollen die Fernsehzuschauer ja angeblich unbedingt sehen: Wie sich der Trainer freut, und wie er sich grämt. Wie er die Nerven
behält und schließlich doch noch verliert. Und auch, das wissen wir seit diesem Samstag: wie er schwitzt. Fußball, das ist bekannt, ist erregend.
Aber die Schweißflecken eines Fußballtrainers, das ist nun wirklich eine Neuigkeit, sind womöglich noch erregender.

Die neue Bundesligasaison hat begonnen. Ihre einstweilen größte Innovation betrifft den Sender Sat 1, dessen Fußballhauptgottesdienst namens ran - dem hl. Kirch zuliebe - nun erst um 20 Uhr 15 beginnen darf, zur besten Sendezeit also, die für den Fußball leider die schlechteste            Sendezeit ist. Nicht so sehr der massiven Trivialkonkurrenz in den anderen Sendern wegen. Sondern weil 20 Uhr 15, also drei Stunden nach Abpfiff, ein unseliger, blödsinniger Zeitpunkt ist. Weil alle Ergebnisse des Spieltags lange bekannt und alle Fußball-Leidenschaften schon deutlich abgeklungen sind. Weil ran nun zu spät kommt, und wer zu spät kommt, nun ja, das ist bekannt...

Andererseits kommt ran auch zu früh - zu früh für eine Sendung, in der das Fußballdenken, die Fußballphilosophie, das Fußballfeuilleton einen Platz hätten. Abgesehen davon, dass es dem Sender hierfür auch an Kapazitäten deutlich fehlt. Anders gesagt: ran schießt nun gleich zweimal ins Leere, an unseren Herzen und an unseren Köpfen vorbei. Und noch einmal anders gesagt: ran um 20Uhr 15 ist wie ein Fußball ohne Luft. Man kann              dagegentreten, aber ein Spaß wird es niemals werden.

Zurück auf die Trainerbank. Der Trainer Toppmöller (Toppi aus Leverkusen) hat sich bei beiden Toren seiner Mannschaft sehr gefreut, wie ran      ausführlich dokumentierte. Vielleicht sollte sich Toppi in Zukunft noch ein bisschen doller freuen - er weiß doch, als Profi, dass die Kameras seinen
Torjubel zeigen. Die Trainer Hitzfeld und Henke wiederum (FC Bayern, o je!) wurden immer wieder lange in synchroner Schmerzverkrampfung gezeigt,
man bekam beinahe Mitleid. Doch der absolute Star auf der Trainerbank war der Sportkamerad Brehme (Kaiserslautern). Wie sich nämlich sein
adrettes Oberhemd im Laufe des Spiels in einen einzigen Schweißfleck verwandelte, das waren Bilder sinnlicher Entgrenzung, von denen sich die
Reporter gar nicht mehr loßreißen konnten. Womit sie dem Journalismus ganz ohne Zweifel neue Türen geöffnet haben.

Die Spielberichte hingegen waren wie immer bei ran. Dass die Reporter jetzt zwei Stunden länger Zeit haben als früher, merkte man kaum. Thomas
Herrmann keuchte und krampfte sich in eine Erregung, die drei Stunden nach Spielschluss noch künstlicher wirkte als sonst, Werner Hansch
grätschte sich mit Wollust in die Metaphern hinein (und brachte, wie immer, viele zu Fall).

Und der Moderator, Jörg Wontorra? Man kann sagen, dass er seinen unmöglichen Job auf erträgliche Weise tat. Dass er jedenfalls auf dem Weg der Verwandlung eines guten Sportreporters in ein
Rundum-Gute-Laune-Paket nicht weiter voranschritt.

Dass er, im Gegenteil, sogar von gewissen elegischen Stimmungen erfasst zu werden schien, was auch sein geradezu kleinlauter Abgang am
Ende der Sendung zeigte: "So, damit hätten wir alles abgehakt. Ich hoffe, Sie waren ein bisschen zufrieden mit uns". Abgehakt, ein bisschen,
zufrieden: Ein Sieger jedenfalls, der spricht so nicht!

Auch Oliver Kahn, Ehrengast im Studio, riss die müde Affäre nicht herum. Trat nicht als "King Kahn" auf, nicht als "das wilde Tier im Tor", sondern auffallend leise, als spätjugendlicher Frühmelancholiker. Und schaute so traurig aus dem (trockenen) Hemd, wie nur einer schauen kann, der alles im Leben erreicht hat.

Nein, so geht es nicht weiter! Jetzt wird sich der Zuschauer entscheiden müssen. ran um 20 Uhr 15, das ist nichts, und das wird nichts! Also, wenn
Fußball unbedingt sein muss: Selber ins Stadion gehen. Oder aufs Aktuelle Sportstudio warten, wo nicht alles besser ist, aber alles wenigstens
schneller geht. Oder sich nun doch geschlagen geben, den Decoder holen fürs Pay-TV, also in die Kirch-Falle gehen?

Vielleicht aber auch, ein im Augenblick noch fast undenkbarer, schier ungeheuerlicher Gedanke: endlich ein Leben versuchen ohne Fußball.
Ohne Ball und ohne Kirch, ohne ran und ohne Kahn. Keine Macht mehr dieser Droge! Vielleicht geht es ja. Man muss es sich nur einreden. Ganz     langsam also, Leute, und bitte alle im Chor: Es gibt. Es gibt ein Leben. Es gibt ein Leben ohne Fußball.

Möglicherweise.

                                                      BENJAMIN HENRICHS
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Hi franknfurter,
danke für Deine Info. Die gleichen Zahlen finden sich übrigens auch in der "Süddeustchen Zeitung", nebst einem längeren Kommentar :



                  Foul

"ran" macht zur besten Sendezeit eine katastrophale Quote



Leo Kirch geht hart zur Sache, um die 750Millionen Mark wieder einzuspielen, die er pro Saison für die TV- Rechte der Fußball-Bundesliga        bezahlt. Beim Auftakt der neuen Runde am Samstag habe es der Medienhändler sogar mit einem "üblen Foulspiel" versucht, tobte die ARD.
Für deren Tagesschau rückte Kirch keine bewegten Bilder von der Spitzenbegegnung Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München heraus. Der Konzernherr wollte dafür sorgen, dass viele Fans sich die auf 20.15Uhr verlegte Fußball-Show ran in seinem Sender Sat 1 anschauen.
Dort wurde ausführlich über das Bayern-Spiel berichtet.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Die neue Saison begann für Kirch mit einer Katastrophe. Nur 2,2 Millionen Zuschauer schalteten im Schnitt die
mit vier Werbeblöcken durchsetzte zweistündige Show ein. Die ARD hatte mit einem zweitklassigen James-Bond-Film fast eine Million Zuschauer
mehr, beim volkstümlichen Musikabend im ZDF waren es beinahe zwei Millionen mehr. Das Publikum lässt sich von Kirch nicht mit der Fernbedienung fernsteuern; der Familienfriede scheint wichtiger als der Fußball. Viele Fans warteten am Samstag lieber auf die werbefreie Zusammenfassung der Bundesliga am späten Abend im ZDF-Sportstudio.

Die Fußball-Show in Sat 1 kam auf einen TV-Marktanteil von 11,8 Prozent, das ist der schlechteste Wert seit dem Start vor neun Jahren. Bei der früheren Sendezeit zwischen 18 und 20 Uhr hatte ran im Schnitt Marktanteile zwischen 20 und 30Prozent, in Spitzenzeiten waren es sogar
knapp 35 Prozent. Wenn das ZDF und RTL ab Herbst wieder ihre Quotenkönige Thomas Gottschalk (Wetten dass...?) und Günther Jauch (Wer wird Millionär?) einsetzen, könnte ran sogar unter die 10-         Prozent-Marke rutschen. Für Sat 1 hat die spätere Sendezeit schlimme Folgen: Die Werbeerlöse sinken, die Verluste, die bei der teuren Ware Fußball entstehen, steigen weiter. Leo Kirch nimmt das billigend in Kauf, damit sein Bezahl-Kanal Premiere World mit Live-Übertragungen von der
Bundesliga endlich mehr Abos verkauft.

ARD-Chef Fritz Pleitgen verlangt von Kirch, nicht länger Bilder von den Top-Spielen zu verweigern. "Nicht die Tagesschau schadet ran, sondern die vom Kirch-Konzern verordnete Sendezeit." Pleitgen wiederholte: Gebe Kirch nicht nach, werde die ARD das Recht auf Kurzberichterstattung beim
Verfassungsgericht einklagen. Die Grundlage dafür hat Kirch am Wochenende geschaffen.

                                                              KLAUS OTT



Grüße
Adler aus Freiburg
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"Schach ist neben Fußball für mich der schönste Sport, weil es aufrgund der Figuren auch ein Mannschaftssport ist."

(Schachfan und Fußballehrer Felix Magath im Bundesligasonderheft der "Sport Bild")